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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Staatsminister Roth: US-Sanktionsdrohung gegen Sassnitz „kann man sich nicht bieten lassen“
  2. Kommt jetzt die Diskussion mit den Kritikern der Corona-Maßnahmen noch in Gang?
  3. Die Welt wird nach Corona ungleicher sein
  4. Ein Shutdown ist kein Heilmittel, sondern ein Elend
  5. Nebeneinkünfte: So vergolden manche Abgeordnete ihr Mandat
  6. “Deutsche Krankheit” – Die Rentenschwindsucht
  7. Bundesgesundheitsministerium will raus aus Beratervertrag mit EY
  8. Eine Rentenkasse von allen für alle
  9. Corona-Tests für Reiserückkehrer in vielen Fällen nutzlos
  10. Katja Kipping: Demogänger sind “rücksichtslose Menschen”
  11. Pfusch und Korruption? Großbritannien ruft 741.000 Coronavirus-Tests zurück
  12. Europäische Solidarität für Deutschland
  13. Scheuer ließ brisante Passage in Antwort auf Presseanfrage streichen
  14. Zurechtgerückt
  15. Klagen gegen Menschenrechtsakteure
  16. Hiroshimas Unglück und Heidelbergs Glück
  17. Europa ist (nicht) der Nabel der Welt
  18. Covid-19-Statistik

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Staatsminister Roth: US-Sanktionsdrohung gegen Sassnitz „kann man sich nicht bieten lassen“
    Man dürfe sich nicht erpressbar machen lassen, sagte er dem Deutschlandfunk. Da helfe auch nicht nur Jammern und Wehklagen, sondern am Ende brauche man mehr europäische Souveränität, mehr europäische Eigenverantwortung und mehr europäisches Selbstbewusstsein. So etwas könne man sich nicht bieten lassen.
    Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig forderte von der Bundesregierung, den – Zitat – Erpressungsversuchen entschieden entgegenzutreten. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Schneider fügte hinzu, Deutschland dürfe sich nicht wie ein Vasallenstaat behandeln lassen. Der Grünen-Politiker Trittin nannte die Drohung eine wirtschaftliche Kriegserklärung. Der Linken-Abgeordnete Ernst forderte die Einbestellung des US-Botschafters und die Androhung von Gegenmaßnahmen wie Strafzölle auf amerikanisches LNG-Gas.
    Drei US-Senatoren hatten dem Ostsee-Fährhafen Sassnitz massive Strafen angekündigt, sollte er den Bau von Nord Stream 2 weiter unterstützen. Die USA lehnen das Projekt ab, das russisches Gas nach Deutschland liefern soll.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Christian Reimann: „Gut gebrüllt“, könnte insbesondere der Vertreterschaft der Regierungspartei SPD zugerufen werden. Belässt sie es lediglich bei der geäußerten Empörung oder ergreift die Bundesregierung auch konkrete Gegenmaßnahmen gegen die USA?

    Dazu: Schurkenstadt Sassnitz
    Pipelineprojekt »Nord Stream 2«: US-Senatoren drohen Betreiber von Ostseehafen mit Sanktionen. Verhaltene Reaktion aus Berlin (…)
    In Deutschland löste der neuerliche US-Vorstoß scharfe Kritik aus – allerdings nur von Politikern aus der zweiten Reihe. So schickte Außenminister Heiko Maas (SPD) seinen Stellvertreter Niels Annen vor, der die Initiative im Handelsblatt als »völlig unangebracht« kritisierte. Maas selbst äußerte sich nicht. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), nannte die Drohungen von Cruz und Co. gegenüber dem Tagesspiegel »absolut inakzeptabel«. Deutschland könne selbst entscheiden, woher und auf welchem Weg es seine Energie beziehe. Sie erwarte von der Bundesregierung, »dass sie diesen Erpressungsversuchen entschieden entgegentritt«, so Schwesig. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie, Klaus Ernst (Die Linke), nannte den Drohbrief der Senatoren »an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten«. Er warf der Bundesregierung vor, es bisher bei verbalen Protesten belassen zu haben. Nun sei der Moment gekommen, zum Beispiel Strafzölle auf US-Flüssiggas zu verhängen.
    Quelle: Reinhard Lauterbach in junge Welt

  2. Kommt jetzt die Diskussion mit den Kritikern der Corona-Maßnahmen noch in Gang?
    Das Interview mit Anselm Lenz im Deutschlandfunk hätte Ende März gesendet werden sollen. Dann wäre vielleicht verhindert worden, dass sich Rechte als Freiheitsfreunde aufspielen
    Die Massendemonstration der Coronamaßnahmen-Kritiker vom 1. August hat wohl auch den offiziellen Medien gezeigt, dass die Bewegung nicht so schnell wieder verschwinden wird. Dann sucht man Menschen, die bereit und in der Lage sind, für die Bewegung zu sprechen. Doch in der Regel haben die Bewegungen keine Sprecher, aber es gibt Aktive, die sprechen können.
    So brachte der Deutschlandfunk am Samstag ein Interview mit Anselm Lenz, einen der Mitgründer der Koordinationsstelle Demokratischer Widerstand, des liberalen Flügel der heterogenen Protestbewegung. Lenz monierte in dem Interview, dass Wissenschaftler, die das Virus als nicht gefährlicher als eine Grippe sehen, in den öffentlichen Medien in Deutschland kaum zu Wort kommen. Dem entgegnete der Moderator, dass kritische Stimmen durchaus zu Wort kamen, was Lenz aber bestritt. […]
    Es wäre auf jeden Fall sinnvoller gewesen, nicht so schnell mit Begriffen wie Verschwörungstheoretiker oder Coronaleugner zu hantieren und damit Wissenschaftler, die begründete Zweifel an der offiziellen Version geäußert haben, praktisch aus der Debatte auszugrenzen. Hätte es Interviews mit Anselm Lenz oder anderen Kritikern der Corona-Maßnahmen schon Mitte März gegeben, hätte vielleicht verhindert werden können, dass sich Rechte aller Couleur plötzlich als Freunde der Freiheit ausgeben.
    Es ist allerdings fraglich, ob das Lenz-Interview der Auftakt einer Diskussion ist. Zumindest, wenn die Coronaproteste anhalten, könnte es da Verschiebungen geben. Das würde voraussetzen, dass auch bei den Gegnern der Coronamaßnahmen die Differenzierung einsetzt. Sie müssten ihren Wahrheitsanspruch, den viele von ihnen vor sich hertragen, aufgeben und einräumen, dass sie sich geirrt haben könnten. Zudem müssten sich Leute, die ernsthaft gegen autoritäre Staatlichkeit auf die Straße gehen, klar von Rechten trennen, die Freunde von Staatsautorität sind.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Corona und die Demonstrationen – Einordnung des Interviews mit Anselm Lenz [AUDIO]
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung: Ein wenig nach unten scrollen.

  3. Die Welt wird nach Corona ungleicher sein
    Nach Corona sind alle gleich? Vermutlich nicht. Eher ist zu befürchten, dass Covid-19 die Welt ungleicher machen wird. Und dass vor allem die Ärmeren leiden werden. Die Aktienbesitzer konnten sich nach einem kurzen Schock wieder freuen; ihr Depot erreicht bald wieder den Vor-Corona-Höchststand. (…)
    Doch welche Verteilungswirkung hat das Virus in reichen Ländern? Aggregierte Zahlen wie der Rückgang des Bruttosozialprodukts und die steigende Arbeitslosigkeit bleiben ziemlich abstrakt. Wie soll man sich den Einbruch der Wirtschaftsleistung um 10 Prozent konkret vorstellen, den die Statistiker für das zweite Quartal in Deutschland errechnet haben? Einen faszinierenden Versuch, Verteilungswirkungen konkret zu machen, hat der Harvard-Ökonom Raj Chetti zusammen mit seinem „Opportunity Insight Team“ unternommen. Dazu wertet das Team Daten zum echten Konsumverhalten der Menschen aus, die von Kredit- und Debitkarten-Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Für sensible deutsche Datenschützer muss man sogleich hinzufügen, dass es sich zwar um eine Fülle von Echtzeitdaten handelt, die man am Markt kaufen kann, die aber selbstverständlich alle anonymisiert sind.
    Was kommt dabei heraus? Zunächst: Der größte Anteil der ausbleibenden Wirtschaftsaktivitäten lässt sich auf den gesunkenen Konsum zurückführen. Das wiederum liegt weniger an schwindender Kaufkraft, sondern am coronabedingt verriegelten Angebot insbesondere der personenbezogenen Dienstleistungen: Hotels, Restaurants, Reisen, Einkäufe in der Boutique – all das kam zum Erliegen, wie die Kreditkartenabrechnungen zeigen. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied: Der Konsum der Reichen ging in Amerika im zweiten Quartal 2020 viel stärker zurück als die Geldausgaben der Ärmeren, und zwar proportional wie absolut. Die Reichen reduzierten ihre Konsumausgaben um 3,1 Milliarden Dollar (31 Prozent) am Tag, die Armen um eine Milliarde (23 Prozent). (…)
    Die entscheidende Frage ist jetzt, ob sich die Kluft zwischen Arm und Reich wieder schließen wird, wenn Corona vorbei ist. Auch hier ist Skepsis angebracht. Unterschiede im Lernverhalten werden ohnehin längerfristige negative Wirkungen haben.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine
  4. Ein Shutdown ist kein Heilmittel, sondern ein Elend
    Wenn künftig bei jeder einzelnen Infektion die ganze Schule geschlossen wird – dann besteht das Risiko, dass eine ganze Generation massive und nicht heilbare Verletzungen erleidet.
    Der Unterricht des neuen Schuljahres hatte soeben erst wieder begonnen, da wurden zwei Schulen in Mecklenburg-Vorpommern wegen Corona schon wieder geschlossen. Betroffen sind ein Gymnasium und eine Grundschule. Am Gymnasium war eine Lehrerin positiv getestet worden. Sie hatte noch gar nicht unterrichtet, hatte aber mit Kolleginnen und Kollegen an einer Fortbildung teilgenommen. Ist es zu verantworten, deswegen alle Schüler nach Hause zu schicken? An der geschlossenen Grundschule war ein Schüler infiziert. Also: E i n Schüler ist infiziert, die ganze Schule ist z w e i Wochen lang geschlossen. Ist das verhältnismäßig? Ja? Wegen des Risikos? Wenn es künftig bei jeder einzelnen Infektion einen Schul-Shutdown gibt – dann besteht das viel größere Risiko darin, dass eine ganze Generation massive und nicht heilbare Verletzungen erleidet. Es geht nichts über Lernen in Gemeinschaft unter Anleitung. Der Shutdown ist kein Heilmittel, er ist ein Elend.
    Quelle: Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung
  5. Nebeneinkünfte: So vergolden manche Abgeordnete ihr Mandat
    • 215 Bundestagsabgeordnete gehen momentan einer Nebentätigkeit nach.
    • So haben sie in den vergangenen drei Jahren 25,1 Millionen Euro eingenommen.
    • Bei mehr als 11 Millionen Euro ist unklar, wer sie den Mandatsträgern gezahlt hat.

    Beinahe jeder dritte Bundestagsabgeordnete bezieht neben seiner offiziellen Diät noch Einkünfte aus anderen Tätigkeiten und Funktionen – und das teilweise in erheblicher Höhe. 215 der insgesamt 709 Parlamentarier – das entspricht 30,3 Prozent – geben an, neben ihrem Abgeordnetenmandat für mindestens eine Nebentätigkeit bezahlt worden zu sein. Wer die Geldgeber sind, ist in vielen Fällen gar nicht bekannt.
    Zusammen haben die 215 Abgeordneten in den ersten drei Jahren der laufenden Wahlperiode mindestens 25,1 Millionen nebenher verdient. Das haben Recherchen von Abgeordnetenwatch.de und dem “Spiegel” ergeben. Im Durchschnitt hat also jeder Abgeordnete mit Nebentätigkeiten zu der Diät von 10.083 Euro noch 116.744 Euro dazuverdient. Die individuellen Unterschiede sind aber groß. Ebenso wie die Verteilung auf die Parteien: Mehr als die Hälfte der Abgeordneten der FDP (53 Prozent) gab auf ihrer Bundestagsseite meldepflichtige Nebeneinkünfte an, gefolgt von der CSU (50 Prozent) und der CDU (36 Prozent). Die Grünen sind mit Abstand die Fraktion, in der die wenigsten Abgeordneten vergütete Nebenjobs ausüben (13 Prozent).
    Quelle: RND

  6. “Deutsche Krankheit” – Die Rentenschwindsucht
    Als “Deutsche Krankheit” wird die Rentenschwindsucht in diesem Land bezeichnet werden können. Diese Krankheit ist gesellschaftlicher Natur und hat im Wesentlichen drei Erreger. Alle drei wurden durch den Bundestag kalkuliert mit Gesetzeskraft in die Welt gesetzt. Das erste Virus ist die Rentenformel zur Anpassung des aktuellen Rentenwerts (Riester- und Nachhaltigkeits-Dämpfungsfaktoren) aus den Jahren 2001 und 2004 – siehe auch: Weg mit der Rentenformel! Es gibt starke Alternativen … [3]
    Das zweite Virus ist die nachgelagerte Besteuerung, ebenfalls 2004 beschlossen als Alterseinkünftegesetz – siehe auch: Rentenschwindsucht durch die nachgelagerte Besteuerung [4]. (…)
    Durch eine Vielzahl von Gesetzen hat der Gesetzgeber die Zahl der erreichbaren Entgeltpunkte systematisch reduziert:

    • Für längerfristige Arbeitslose (ALG II-Empfänger) werden keinerlei Rentenpunkte mehr gut geschrieben (wie noch bei der Arbeitslosenhilfe bis 2000 – 80%, danach bis 2011 auf Null heruntergefahren).
    • Für Niedriglohnempfänger werden seit 1992 keine Aufstockungspunkte mehr angerechnet.
    • Für Ausbildungszeiten werden seit 2009 keine Entgeltpunkte mehr gut geschrieben, das waren bis 1996 noch 7 Jahre, die auf Null zusammengestrichen wurden.
    • Die Hinterbliebenen-Anwartschaften (große Witwenrente) wurden von 60% auf 55% reduziert.
    • Wer vor der Regelarbeitsgrenze in Rente geht, dem werden die bereits erworbenen Entgeltpunkte reduziert (0,3% pro Monat). Diese Abzüge werden mit der Erhöhung der Regelarbeitsgrenze auf 67 Jahre noch um einiges zunehmen.
    • Zwangsverrentungen von ALG II-Empfängern ab 63. Sie werden mit entsprechenden Rentenpunktabschlägen zusätzlich bestraft.
    • Hinzu kommt, dass die stark gestiegenen Mini-Job Arbeitsverhältnisse keine bis äußerst geringe Rentenanwartschaften erzielen.
    • Generell sorgen prekäre Beschäftigungsverhältnisse (Niedriglöhne, Leiharbeit, Werkvertragsarbeit, Ketten-Praktika, sachgrundlose Befristungen…) dafür, dass nur sehr geringe Entgeltpunkte erworben werden.
    • Von all diesen Maßnahmen sind viele in den aktuellen Rentenjahrgängen nicht oder nur teilweise betroffen. Die fatalen Wirkungen werden die künftigen Rentenjahrgänge in zunehmender Härte erfahren müssen.

    Wie gesagt, diese Schwindsuchtfaktoren kommen noch auf die beiden ersten (Dämpfungsfaktoren und Besteuerungssteigerung) hinzu. Sie sind in ihrer Auswirkung schwer zu berechnen und bisher auch noch von niemandem konkret untersucht worden. (…)
    Das deutsche System der undurchschaubar komplexen Rentenberechnung ist weltweit einmalig. Um zu sehen, wie es einfacher und transparenter geht, muss man gar nicht weit über den Tellerrand schauen. (…)
    Die Altersversorgungssysteme der Parlamentarier, der Beamten und der (aller) österreichischen Erwerbstätigen haben einen festen Prozentsatz von ihrem Einkommen als jährliche Anwartschaftssteigerung. Das sind stabile und verlässliche Rechengrößen, da sinkt nichts. (…)
    Die Therapie könnte so einfach und transparent sein. Sie ist aber nicht gewollt, weil die Interessen der Versicherungen und der Finanzkonzerne einer Gesundung der gesetzlichen Rente diametral entgegenstehen. Sie haben derzeit etwa eine Billion Euro für private Alterssicherungen auf ihren Konten und machen damit prächtige Gewinne. Das Geschäftsfeld soll erweitert werden. Eine Billion Euro (nur in Deutschland), dafür lassen sich etliche Millionen für die politische “Landschaftspflege” locker machen. Die finanzierten Think Tanks, Lobbyisten, einschlägigen Politiker, “Wissenschaftler” und besonders engagierte Medienvertreter beherrschen offensichtlich Politik und öffentliche Wahrnehmung. (…)
    Black Rock, Allianz und Co. betreiben seit längerem Lobbyarbeit auf höchstem Niveau. Der Verordnungsentwurf über ein “Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt” (PEPP) kursiert seit Juni 2019 in den zuständigen EU-Gremien (Aktien als Heilmittel gegen Altersarmut und gegen das sinkende Rentenniveau? [7] und Die Party braucht neuen Stoff! – CSU und Merz als willige Dealer [8]).
    Quelle: Telepolis

  7. Bundesgesundheitsministerium will raus aus Beratervertrag mit EY
    Unterdessen wurde bekannt, dass eine Kanzlei die Open-House-Vergabe ausgearbeitet hat: dieselbe, die das Ministerium vor der Vergabekammer vertritt. (…)
    Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi, dem die Beauftragung von MWP durch das BMG in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage gerade bestätigt wurde, sieht das ähnlich. „Dass genau die Kanzlei, die das Chaos im Open-House-Verfahren zu verantworten hat, nun auch für das Ministerium die Freihandvergabe an EY vor dem Kartellamt rechtfertigen muss, ist eher peinlich“, sagt er. Es sei für ihn zwar „nachvollziehbar, dass in einer Not-Situation auf Ausschreibungsverfahren verzichtet wird“, so De Masi. „Da aber der zusätzliche Personalbedarf durch das Open-House-Verfahren ausgelöst wurde und frühzeitig absehbar war, muss beantwortet werden, warum dennoch eine freihändige Vergabe an EY erfolgte.“
    In einer Antwort auf eine weitere schriftliche Anfrage erklärte das BMG De Masi gerade außerdem, dass man bei Einleitung des Open-House-Verfahrens davon ausgegangen sei, „dass die im Rahmen der sonstigen Beschaffungsmaßnahmen bereitgestellten personellen Ressourcen ausreichen“. Es sei nun zu hoffen, so der Linken-Vize, dass Minister Spahn „in diesem Chaos endlich Klarheit schafft“.
    Quelle: Der Tagesspiegel

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Jens Spahn muss sich vor dem Kartellamt verantworten. Bundesminister Spahn entwickelt sich offenbar zu einem Pannenminister – wie so viele andere am schwarz-roten Kabinettstisch auch.

  8. Eine Rentenkasse von allen für alle
    Eine Reform der Rente fordert Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag. Wie die aussehen soll, verrät Bartsch in einem Gastkommentar. (…)
    Dreh- und Angelpunkt einer großen Rentenreform ist die Finanzierung und die Frage, wer in die Rentenkasse einzahlt. Warum zahle ich z.B. nicht ein? Warum zahlt Frau Merkel nicht ein? Warum zahlen Beamte, Freiberufler und Selbstständige nicht ein? Warum zahlen Top-Verdiener nur auf einen Teil ihres Gehalts Beiträge?
    Die Rente ist weniger eine Generationenfrage, sondern es geht vielmehr darum, wer einzahlen muss und wer sich aus der Solidarität verabschieden kann. Es braucht einen Systemwechsel. Wir wollen, dass nicht nur Arbeitnehmer in die gesetzliche Rente einzahlen, sondern alle Menschen mit Erwerbseinkommen. Dabei sollten Bundestagsabgeordnete vorangehen. (…)
    Es ist nicht akzeptabel, dass wir durch ein Extra-System üppig versorgt sind. Ohne eigene Beiträge erwerben Bundestagsabgeordnete bereits nach vier Jahren im Parlament einen höheren Anspruch als viele Rentner nach einem gesamten Erwerbsleben an gesetzlicher Rente erhalten. Mitglieder der Bundesregierung haben nach vier Jahren im Amt einen Anspruch auf eine Altersversorgung von etwa 4500 Euro.
    Die Rentenbeitragspflicht für Abgeordnete wäre zwar zunächst symbolisch, aber letztlich ein Schlüssel für einen Systemwechsel. Danach müssen alle anderen einbezogen werden. Dies wäre ein notwendiges Signal gegen den zunehmenden Vertrauensverlust der Bürger gegenüber der gesetzlichen Rente und gegenüber unserem politischen System insgesamt.
    Quelle: LR-online
  9. Corona-Tests für Reiserückkehrer in vielen Fällen nutzlos
    Mehr als 40.000 Reiserückkehrer haben sich an Teststationen an Autobahnen und Bahnhöfen in Bayern freiwillig auf Corona testen lassen – viele haben ihr Testergebnis aber nie erhalten. Beim zuständigen Landesamt gibt man sich zerknirscht. 
    Die Testungen von mittlerweile mehr als 40.000 Reiserückkehrern an den acht Teststationen an Autobahnen und Bahnhöfen in Bayern, die seit Donnerstag vergangener Woche durchgeführt werden, sind in vielen Fällen nutzlos, weil getestete Personen nun schon seit mehr als sieben Tagen auf ihre Testergebnisse warten. Ein Sprecher des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat am Freitag gegenüber der F.A.Z. eingestanden, dass „Personen, die sich haben freiwillig testen lassen, leider länger auf ihre Befunde warten mussten“. […]
    Ein Mitarbeiter einer vom LGL bereitgestellten Hotline sagte am Freitagnachmittag auf Nachfrage: „Da ist viel schiefgelaufen. 
    Viele Befunde sind nicht verschickt worden, weil die Zuordnung der Tests zu den Patienten nicht funktioniert hat.“ Nicht alles, was die Politik beschließe, sei in der Praxis von heute auf morgen umsetzbar. […]
    Die Kosten für die Tests zahlt das Land Bayern, also der Steuerzahler.
    Quelle: FAZ
  10. Katja Kipping: Demogänger sind “rücksichtslose Menschen”
    Die Vorsitzende der Partei Die Linke, Katja Kipping, hat in der ZDF-Sendung “Dunja Hayali” zum Thema “Leben mit der Pandemie: Was tun gegen eine zweite Infektionswelle?” die Teilnehmer an der Protestdemonstration vom 1.8. in Berlin als “rücksichtslose Menschen” bezeichnet. Bezugnehmend auf die Demonstranten sagte Kipping wörtlich:
    Die sind nicht rebellisch, die sind rücksichtslos – gerade gegen ärmere Menschen und gegen verletzbare Menschen.
    Kipping sagte, “Verschwörungsmythen” bekämen hier Aufwind, “auch im Zuge mit dem Rechtspopulismus”. Zudem hätten “organisierte Rechte” zu den Organisatoren der Demonstration gehört. Es müssten daher:
    … alle, die zu so einer Demonstration gehen, wissen, mit wem sie sich gemein machen. Und ich glaube, so mancher, der dort war und sich sagt: ‘Aber ich bin doch gar nicht rechts’, macht es sich ein bisschen zu einfach.
    Hayali hatte zuvor geäußert, auf der Demonstration sei das “gesamte (politische) Spektrum” vertreten gewesen, darunter erkennbar auch Anhänger der politisch linken Seite. Dazu erklärte Kipping, dass sich die Partei Die Linke klar gegen “diese Demos” positioniert habe und führte wörtlich weiter aus:
    Wenn Mitglieder meiner Partei am Samstag auf der Straße waren, dann waren die bei den Gegendemonstrationen.
    Kipping hatte sich in der Sendung zudem dafür ausgesprochen, jene zu unterstützen, “die sich verantwortungsvoll verhalten wollen”. Es gebe ja nicht nur “Corona-Verharmloser”, sondern auch “die Mutter, die mit der Wickeltasche und Kind im Arm zur S-Bahn rennt und in allem Stress vergessen hat, die Maske einzupacken, die sich aber ordentlich verhalten will”. Da wäre es doch sinnvoll, “von öffentlicher Seite zu sagen, wir bauen überall Maskenautomaten auf, damit, wer die mal vergessen hat, die schnell nachkaufen kann”.
    Kippings Partei stagniert seit Monaten in den Umfragen bei etwa acht Prozent und musste zuletzt – mit Ausnahme in Thüringen – derbe Wahlniederlagen in politischen Stammländern hinnehmen. Trotz – nach kurzer Unterbrechung – erneuter Wahl eines Ministerpräsidenten der Linken in Thüringen verfügt die dortige Landesregierung bislang über keine eigene Mehrheit. In der Corona-Debatte hat die Partei Die Linke zwar Anpassungen für sozial Benachteiligte gefordert, ansonsten aber den Kurs der Bundesregierung unterstützt.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung unseres Lesers A.S.: Frau Kipping macht es sich hier einfach, indem sie die Demonstranten pauschal als “rücksichtslos” abstempelt.

  11. Pfusch und Korruption? Großbritannien ruft 741.000 Coronavirus-Tests zurück
    Die britische Regierung ruft massenhaft Corona-Tests zurück, weil diese “möglicherweise nicht sicher für den Gebrauch” seien. Die Herstellerfirma hatte den Auftrag ohne Ausschreibung erhalten. Bemerkenswert sind die guten Verbindungen des Unternehmens zur Politik.
    Die britische Aufsichtsbehörde für Medizinprodukte “Medicines and Healthcare products Regulatory Agency” (MHRA) hat am Freitag den Rückruf Hunderttausender Coronavirus-Test-Sets veranlasst. Wie die britische Regierung am Samstag bestätigte, handelt es sich um bis zu 741.000 Tests der Firma Randox. Zur Begründung hieß es, diese seien möglicherweise nicht sicher für den Gebrauch.
    Die nordirische Firma Randox hatte im März vom britischen Gesundheitsministerium einen Auftrag in Höhe von 133 Millionen Pfund erhalten, unter anderem für die Bereitstellung von Coronavirus-Tests. Der britischen Zeitung Guardian zufolge erfolgte die Vergabe ohne Ausschreibung. Gerechtfertigt wurde dies seinerzeit durch die hohe Dringlichkeit, die Testkapazitäten des Landes rasch zu erhöhen.
    Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass Owen Paterson, ein führender Abgeordneter der regierenden Konservativen, als Berater für Randox tätig ist. Paterson erhält dem Register für Nebeneinkünfte des britischen Parlaments zufolge dafür jährlich 100.000 Pfund (umgerechnet rund 110.000 Euro).
    Quelle: RT Deutsch
  12. Europäische Solidarität für Deutschland
    Wer Europa wirklich einigen will, hat die Pflicht, zunächst Solidarität mit jener Hälfte Deutschlands zu zeigen, die nur 1,5 Prozent des Vermögens besitzt. Bevor wir über Eurobonds reden, müssen wir zunächst höhere deutsche Löhne, ein Verbot von Aktienrückkäufen sowie drastisch eingedämmte Bonuszahlungen in Unternehmen durchsetzen. (…)
    Man stelle sich den Horror vor, müsste der Deutsche Bundestag oder ein Forum aus Ministerpräsidenten der Bundesländer verhandeln, wie viel Geld jedes der reicheren Länder wie Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg jedem der ärmeren Länder wie Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zu überweisen hätte. Und man stelle sich darüber hinaus vor, der bayerische Ministerpräsident könnte vor der Auszahlung der Finanzmittel die für Thüringen bestimmten Gelder bis zu drei Monate blockieren, um die öffentlichen Finanzen Thüringens zu prüfen. Die deutsche Einheit wäre dahin und das Land gelähmt.
    Damit habe ich gerade die verhängnisvolle Entzweiung beschrieben, die in Next Generation EU festgeschrieben wurde. Wie ich schon an anderer Stelle festhielt, präsentiert sich die Situation so, als wäre die ganze Sache von einem raffinierten Euroskeptiker konzipiert worden. Wenn Next Generation EU bald aktiviert ist, werden Deutschlands Eliten die öffentlichen Finanzen Italiens, Spaniens und Griechenlands unter die Lupe nehmen. Das wird dabei helfen, die Wut der deutschen Arbeitnehmer*innen über die Sparmaßnahmen unter denen sie (gemeinsam mit italienischen, griechischen und spanischen Arbeitnehmer*innen) leiden, auf ihre Leidensgenossen in Italien, Spanien und Griechenland umzulenken – die die Animositäten natürlich erwidern werden. So etwas ist kein Rezept für die Einigung Europas, sondern ein Plan für die Spaltung von Menschen, die eigentlich die gleichen Interessen haben.
    Wer Europa wirklich einigen will, hat die Pflicht, zunächst Solidarität mit jener Hälfte Deutschlands zu zeigen, die nur 1,5 Prozent des Vermögens besitzt. Bevor wir über Eurobonds reden, müssen wir uns zunächst für höhere deutsche Löhne, ein Verbot von Aktienrückkäufen sowie drastisch eingedämmte Bonuszahlungen in Unternehmen einsetzen.
    Als nächstes müssen wir unseren deutschen Freunden zeigen, dass die aktuelle EU-Politik das Wohlstandsgefälle in Deutschland verstärkt, weil sich der Reichtum der 0,1 Prozent ebenso vergrößert wie die Probleme der Mehrheit. Schließlich müssen wir ihnen erklären, was eine echte Fiskalunion ausmacht: nämlich nicht den Wohlstandstransfer von Deutschland nach Griechenland oder von den Niederlanden nach Italien, sondern von Hamburg, der Lombardei und Nord-Athen nach Thüringen, Kalabrien und Thrakien.
    Quelle: Yanis Varoufakis in Gegenblende
  13. Scheuer ließ brisante Passage in Antwort auf Presseanfrage streichen
    Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ließ in der Maut-Affäre Hinweise auf Zusatzkosten aus der Antwort auf eine Medienanfrage entfernen. Die Opposition wirft ihm vor, Abreden mit TollCollect verschleiern zu wollen. (…)
    Der Antwort-Entwurf bedurfte der Genehmigung von Scheuer. Am 18. Oktober mailte er von seinem Abgeordnetenaccount einem seiner Pressesprecher: „Grau raus!“. Damit verlangte Scheuer die Streichung einer Passage, der sich zusätzliche Belastungen des Bundeshaushalts durch die Einbeziehung von TollCollect entnehmen ließen.
    Für den Grünen-Obmann im Maut-Untersuchungsausschuss, Stephan Kühn, folgt daraus: „Scheuer versuchte, die Abreden mit TollCollect zu verschleiern, weil der Nachteil für Bund und Steuerzahler auf der Hand liegt: Die Einbindung von TollCollect zu einem offensichtlich nicht marktgerechten Preis hätte zu erheblichen Zusatzkosten geführt, die nicht vom Haushaltsrahmen des Parlaments gedeckt waren.“ Scheuer habe, so Kühn, „die tatsächliche finanzielle Last bewusst versteckt und schöngerechnet“.
    Quelle: Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Die Liste der „Pannen“ von Bundesminister Scheuer wird immer länger. Auch hier könnte die Überschrift lauten Der nächste Crash von Andreas Scheuer. Das passiert, wenn eine Ideologie umgesetzt werden soll. Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut PKW-Maut – es geht nicht um die CSU, sondern um künftige Privatisierungen in großem Maßstab.

  14. Zurechtgerückt
    Am 6. August 2020 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss (1 BvR 842/17) zum Einsatz von Leiharbeiter*innen als „Streikbrecher*innen“, der das Potential hat, politisch sowie sozial Wirkmacht zu entfalten. Die 3. Kammer des ersten Senats stellt recht eindrücklich fest, dass sich Arbeitgeberinnen gegenüber der Arbeitnehmer*innenseite von Natur aus in einer überlegenen Position befinden und dass der Gesetzgeber daher Maßnahmen ergreifen kann, um Kampfparität zwischen beiden Seiten herzustellen. Diese Annahme wird auch in Zukunft Pate für Entscheidungen im Bereich des Streikrechts und insbesondere der Kampfparität stehen. Arbeitgeberinnen werden sich daher darauf einstellen müssen, dass auf Grund dieser strukturellen Überlegenheit ihre Arbeitskampfmittel anders beurteilt werden können als die der Arbeitnehmer*innenseite. (…)
    Die Entscheidung ist in vielerlei Hinsicht richtig. Es wird oft vergessen, dass der Arbeitgeberinnenseite mit der Aussperrung – der Ausschließung der Arbeitnehmer*innen von Arbeit und von Lohnzahlung – gerade ein unvergleichbar wirkmächtiges Kampfmittel zur Verfügung steht. Da die Leiharbeit trotz inzwischen rückläufiger Zahlen in Deutschland zum Alltag vieler Betriebe zählt, kann so das altbewährte Mittel des Streiks nahezu wirkungslos werden. Streikbruch war wohl nie so einfach wie mit dem Einsatz von Leiharbeitskräften. Diese Art der Arbeitskampfmaßnahme entfällt nun nach AÜG gänzlich. Dabei mag das Argument des BVerfG, dass der Einsatz von Leiharbeitskräften nicht insgesamt verboten ist, für die Arbeitgeberinnenseite nur ein schwacher Trost sein. Tatsächlich können sich Ver- und Entleiherin bei der Leiharbeit aber sowohl auf Art. 12 Abs. 1 GG wie auch unionsrechtlich auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV berufen. Ein weiterer Trost für die Arbeitgeberinnen ist, dass das BVerfG lediglich feststellt, dass allein das in § 11 Abs. 5 AÜG enthaltene Verbot mit der Koalitionsfreiheit vereinbar ist; es lässt aber offen, ob nach Art. 9 Abs. 3 GG bereits von Verfassungswegen der Einsatz von Leiharbeitskräften als Streikbrecher*innen ausgeschlossen ist. Damit bleibt die Möglichkeit bestehen, das Verbot bei veränderten parlamentarischen Mehrheiten wieder aufzuheben.
    Wegweisend für das gesamte Arbeitskampfrecht und die Grundrechtsdogmatik des Art. 9 Abs. 3 GG sind aber die Einlassungen der Kammer zu dem grundlegenden Kräfteverhältnis und der Art der Kampfmittel zwischen Arbeitgeberin und Gewerkschaft. In dieser Klarheit hat sich das Gericht darüber in seinen letzten Entscheidungen zu Art. 9 Abs. 3 GG nicht geäußert.
    Die Verfassungsbeschwerde zeigt, dass das Phänomen des Streikbruchs auch heute noch aktuell ist. Zwar werden Streikbrecher*innen nicht mehr systematisch aus dem Ausland oder aus einer sozial schwachen Gruppe rekrutiert, aber gerade der Bereich der Leiharbeit sieht sich oft dem politischen Vorwurf ausgesetzt, prekäre Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Daher stellt sich durchaus die Frage, inwiefern die Nutzung der Leiharbeit auch heute noch die historischen Probleme des Streikbrecher*inneneinsatzes widerspiegelt. Dass dies im Bereich der Leiharbeit gem. § 11 Abs. 5 AÜG nun nicht mehr möglich ist, erscheint richtig und historisch konsequent.
    Quelle: Verfassungsblog

    Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben hier auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen.

  15. Klagen gegen Menschenrechtsakteure
    Es drohe eine Klagewelle gegen Unternehmen, heisst es oft. Umgekehrt ist sie schon da.
    Das «Human Rights and Business Resource Center» führt genau Buch über die Gerichtsfälle zwischen Unternehmen und Akteuren der Zivilgesellschaft. Mal werden Unternehmen eingeklagt, doch vermehrt passiert es vor allem umgekehrt. In einem im Frühjahr publizierten Bericht stellt das Zentrum fest, dass die von Unternehmen gegen Menschenrechtsverteidiger vor Gerichten erhobenen Klagen seit 2015 weltweit jährlich um 48 Prozent zugenommen haben. Bei vielen dieser Klagen gehe es aber gar nicht darum, Recht zu bekommen. Rund 40 Prozent dieser Klagen bezeichnet die auf Menschenrechte und Wirtschaft spezialisierte Plattform als eigentliche Schikanen. Unternehmen wollten Kritiker mundtot machen – seien es Journalisten, Gewerkschaften, indigene Gemeinschaften oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Kläger setzten auf abschreckend hohen Kosten- und Zeitaufwand, den ein Rechtsstreit erfordert. «Strategic Lawsuits Against Public Participation – SLAPPs» werden die Klagen genannt, weil sie strategisch motiviert seien. Gravierend hinzu komme ihre generell abschreckende Wirkung auf die freie Meinungsäusserung.
    In Südostasien ist der Anteil von «SLAPPs»-Klagen sogar noch grösser, stellt das Zentrum in seinem speziell auf die neusten Entwicklungen in dieser Weltregion ausgerichteten Bericht fest. Ihr Anteil an den insgesamt gegen zivilgesellschaftliche Akteure in Südostasien gerichteten Klagen belaufe sich sogar auf 44 Prozent.
    Das «Human Rights and Business Resource Center» schlägt eine ganze Reihe von Massnahmen vor, um missbräuchliche Klagen zu unterbinden. Unternehmen sollten sich öffentlich von solchen Klagen distanzieren, wie es beispielsweise Adidas, Unilever, die niederländische Bank ABN-Amro bereits vorgemacht haben. Gefordert seien nicht zuletzt die Regierungen. Sie sollten über Anti-SLAPP-Gesetze strategische Klagen unter abschreckend wirkende Strafe stellen.
    Auch in Europa häufen sich solche Klagen. Kürzlich gab es solche in Deutschland, Malta, Frankreich und insbesondere Italien. Mehr als hundert europäische Nicht-Regierungsorganisationen haben deshalb kürzlich die EU aufgefordert, eine Richtlinie gegen strategische Klagen zu beschliessen.
    Quelle: Infosperber
  16. Hiroshimas Unglück und Heidelbergs Glück
    Während im Zweiten Weltkrieg fast alle deutschen Städte von den Alliierten in Schutt und Asche gelegt wurden, blieb dem idyllischen Heidelberg dieses Schicksal auf geheimnisvolle Weise erspart. Das Verschonen der Neckarstadt rief zwei Mythen auf den Plan: Heidelberg sei früh als Hauptquartier der US-Streitkräfte in Deutschland ins Auge gefasst worden und Dwight D. Eisenhower, seit Dezember 1943 Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Nordwesteuropa, habe hier studiert.
    Beide Behauptungen sind aus der Luft gegriffen. Tatsächlich hatten Strategen in Washington nämlich das genaue Gegenteil im Sinn: Die Stadt mit ihren damals knapp 100.000 Einwohnern war als unverfälschtes Testgebiet für den ersten Abwurf der Atombombe reserviert. (…)
    Offizielle Quellen für Heidelberg und Dresden als Zielgebiete sind nicht bekannt, jedoch war der legendäre “Atomspion” Klaus Fuchs über solche Details informiert. Der deutschstämmige Nuklearphysiker war maßgeblich an der Konstruktion der Plutoniumbombe Fat Man beteiligt. 1950, vier Jahre nach seiner Rückkehr nach Großbritannien, wurde Fuchs als der sowjetische Spion entlarvt, der es Stalin ermöglicht hatte, das amerikanische Atomwaffenmonopol schnell zu brechen. Fuchs wurde 1959 begnadigt, ging in die DDR und arbeitete am Zentralinstitut für Kernforschung in Rossendorf bei Dresden. Bereits im April 1967 wurde er ins Zentralkomitee der SED aufgenommen und wechselte 1974 an die Akademie der Wissenschaften nach Berlin. (…)
    Am 6. und 9. August 2020 jähren sich die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zum 75. Mal. Die Kernwaffen Little Boy mit einer Ladung aus Uran und die Plutoniumbombe Fat Man töteten 65.000 Menschen sofort, bis zum Jahresende 1945 stieg die Zahl der Opfer auf über 200.000. Das seltene Glück, im Zweiten Weltkrieg nicht durch alliierte Luftangriffe zerstört worden zu sein, verdankt die älteste Universitätsstadt Deutschlands demnach der Tatsache, dass man sie als deutsches Hiroshima einplante.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Albrecht Müller: Interessant, aber die Behauptung, es sei falsch, dass die USA Heidelberg bewusst schonen wollten, kann ich nach eigener Anschauung und Erinnerung nicht bestätigen. Ich bin in der Nähe Heidelbergs aufgewachsen und habe noch die Erzählung im Ohr, dass US Flieger über Heidelberg Flugblätter abgeworfen haben mit der Botschaft: Heidelberg wollen wir schonen, denn darin wollen wir wohnen.

  17. Europa ist (nicht) der Nabel der Welt
    Das Fernsehen galt lange als Fenster zur Welt, und für die meisten Zuschauer*innen stimmt das noch immer: Ihr Wissen über andere Kontinente verdanken sie in erster Linie den TV-Nachrichten. Der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez von der Universität Erfurt stellt „Tagesschau“, „heute-journal“ oder „RTL aktuell“ jedoch ein schlechtes Zeugnis aus: weil die Berichterstattung zu einem latenten Rassismus führe. …. Hafez spricht in diesem Zusammenhang von strukturellem Diskurs-Rassismus: „Wir sagen zwar nicht ‚Alle Muslime sind Islamisten’, aber wenn im Kontext mit dem Islam immer nur von Terrorismus die Rede ist, muss das nicht mehr explizit formuliert werden.“ Er weist aber auch Auswege auf: „Letztlich brauchen die Sender nicht mehr als den Mut zu Reformen, ein bisschen Geld sowie neugierige und hungrige Journalisten.“ Große Hoffnungen macht er sich allerdings offenbar nicht, wie eine Anekdote zeigt: „Als ich einem ARD-Intendanten mal eine internationale Talkshow vorgeschlagen habe, hat er erwidert: ‚Das will doch niemand sehen.’“
    Hafez bezeichnet das als „reine Schutzbehauptung, für die es keinerlei Belege gibt. Die Sender begeben sich selbst in eine kognitive Falle, wenn sie davon ausgehen, dass das Publikum etwas ablehnt, was noch gar nicht ausprobiert worden ist. Es steht doch gar nicht fest, dass sich die Menschen immer nur für die gleichen eingefahrenen Themen interessieren.“
    Quelle: Verdi
  18. Covid-19-Statistik

    Die Zahl der aktiv am Coronavirus erkrankten und positiv getesteten Bürger in Deutschland stieg in der letzten Woche um 1.976 auf 9.730, wie Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) für Infektionskrankheiten zeigen. In der letzten Woche sind lt. RKI 49 Menschen an Covid-19 gestorben.

    In der Kalenderwoche 31 wurden 573.802 Tests vorgenommen, von denen 1,0% positiv ausfielen.

    Laut DIVI-Intensivregister sind zur Zeit 234 (-26 zur Vorwoche) Covid-19-Fälle in intensivmedizinischer Behandlung.

    Die NachDenkSeiten werden diese Statistik wöchentlich in den Hinweisen des Tages aktualisieren.

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