Massen-Kontrolle: „Alle nutzen Google und Facebook und haben jetzt plötzlich Datenschutz-Bedenken“

Massen-Kontrolle: „Alle nutzen Google und Facebook und haben jetzt plötzlich Datenschutz-Bedenken“

Massen-Kontrolle: „Alle nutzen Google und Facebook und haben jetzt plötzlich Datenschutz-Bedenken“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Mit dem Verweis auf private Leichtfertigkeit soll massiver Zugriff auf die Daten der Bürger gerechtfertigt werden. Das ist zurückzuweisen. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Aspekt der Überwachung ist zentral, auch beim Thema Corona. Die Verstärkung von Tendenzen zur massenhaften Kontrolle, die teils schon vor der Corona-Episode bestanden, ist deutlich. Diese Tendenzen werden von aktuellen Debatten um Alltagseinschränkungen zum Teil verdeckt – aber die nun im Schatten der Masken-Diskussionen vorangetriebenen Überwachungs-Strukturen werden vermutlich von Dauer sein. Diese Entwicklungen äußern sich in verschiedenen Formen und Intensitäten: Da ist, als sanfte Form, eine Gewöhnung an eine freiwillige Selbstüberwachung, etwa über eine Corona-Tracking-App. Darauf können geplante Bescheinigungen wie ein „Immunitätsausweis“ oder der EU-Impfpass folgen, basierend auf einer nur scheinbaren „Freiwilligkeit“. Die Entwicklungen zur Überwachung der Bürger am Arbeitsplatz sind bereits jetzt bedrohlich und spitzen sich durch Corona noch zu. Begleitet werden diese Vorhaben von aktuellen Vorstößen wie dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) zur Verwertung von Daten Krankenversicherter. Außerdem werden monströse internationale Pläne, etwa eine „digitale Identität“ für jeden Erdenbürger einzuführen, vorangetrieben. Details zu diesen Aspekten folgen weiter unten.

Der eine Missbrauch rechtfertigt nicht den anderen

Wenn man dieser Tage jedoch auf die Gefahren dieser Entwicklungen zur Massenkontrolle hinweist, erhält man oft die Antwort: „Die Menschen nutzen sowieso Google und Facebook und schenken so ihre Daten an Konzerne – warum haben diese Menschen jetzt plötzlich Datenschutz-Bedenken?“ Beispielhaft für diese Haltung ist etwa dieser Artikel, der feststellt:

„Wie paradox. Wie inkonsequent. Warum vertraue ich einem riesigen, oft skrupellosen, amerikanischen Konzern, der Menschen bis über die Grenze des Belastbaren auspresst, um möglichst viel Geld zu machen, meinen Fingerabdruck an, dem deutschen Staat aber nicht? Warum bin ich strikt gegen Gesichtserkennung in öffentlichen Räumen, aber verschicke gerne „lustige“ Videos mit Instagram-Filtern, die mein Gesicht abscannen und die Technologie bestimmt auch für andere Dinge nutzen, als mir eine zum schießen komische Nase ins Gesicht zu zaubern?“ 

Diese Aussage ist aus mehreren Gründen irreführend. Zunächst sind beide Missbräuche der Bürger-Daten in der unkontrollierten Form abzulehnen: Der eine bestehende Missbrauch rechtfertigt nicht den anderen, der noch zusätzlich folgen soll. Die Bürger sollten vor beiden Varianten der unkontrollierten Überwachung geschützt werden. Aus dem Versagen, eine angemessene Kontrolle von Firmen wie Apple oder Google versäumt zu haben, kann man nicht ableiten, dass diese Leichtfertigkeit nun auch auf staatliche Daten-Begehren auszuweiten ist. Im Gegenteil: Der fehlende Datenschutz für Bürger bei der Nutzung von Internetdiensten muss vom Gesetzgeber endlich eingeführt und von den Behörden durchgesetzt werden. Dieser so hergestellte Schutz muss dann auch für Zugriffe von staatlicher Seite gelten. Privatfirmen sollen in diesem Text keineswegs moralisch oder politisch über staatlichen Stellen eingeordnet werden.

Die Menschen wurden in die Sozialen Medien hineingelockt – auch im naiven Glauben, eine angemessene Kontrolle der Netzwerke und ein Schutz der Bürger durch die Rechtssprechung hätte im Rechtsstaat Deutschland vorausgesetzt werden können. Inzwischen ist die bestürzende Praxis im Umgang mit privaten Daten durch Internetkonzerne vielen Menschen zwar deutlich, aber die Nutzung vieler Internetdienste ist mittlerweile so stark mit dem Alltag verwoben, dass ein Ausstieg kompliziert ist.

Internet-Konzerne sind zweischneidig

Das führt zu einem weiteren Punkt: Google und Facebook haben für die Bürger immerhin einen teilweisen Nutzen, auch wenn der Preis in Form von zur Verfügung gestellten Daten zu hoch ist: Journalisten etwa könnten auf den Service von Google nur schwer verzichten. Auch die Wirkung von Facebook oder Youtube ist zweischneidig: Einerseits spielen die Dienste eine wichtige Rolle für viele Alternativmedien und damit für eine neue Öffentlichkeit. Andererseits vereinen sie zahlreiche negative Aspekte großer privater Konzerne in sich: Selbstherrlichkeit, Steuervermeidung, Datenmissbrauch, Arbeitsbedingungen, Zensur etc. Betont werden muss auch immer wieder, dass die dort gesammelten Daten über Umwege bei Kreditinstituten oder Krankenversicherern landen können, was etwa zur Verweigerung von Krediten führen kann. „Lustige“ Gesichts-Apps können zum Aufbau von Datenbanken zur Gesichtserkennung genutzt werden. Der Aspekt, dass viele Internetfirmen zunehmend eine private und fragwürdige Form der Zensur politischer Inhalte ausüben, soll hier betont, aber nicht im Detail betrachtet werden.

Dass internationale Geheimdienste die internationalen Kommunikationen scannen, ist lange bekannt. Das bedeutet nicht, dass man diesen Zustand akzeptieren soll. Und schon gar nicht bedeutet es, dass man den „eigenen“ Geheimdiensten oder gar den Arbeitgebern ähnliche Möglichkeiten eröffnen sollte.

Es trifft im Übrigen nicht zu, dass „wir alle“ bei Internetdiensten sind. Eine Minderheit hat sich den Versuchungen tapfer verweigert, sie hat dafür viele soziale Nachteile erfahren müssen und sie fühlt sich betrogen, wenn sie nun mit den „leichtfertigen“ Facebook-Nutzern in einen Topf geworfen wird. Dazu kommt, dass etwa Polizeibehörden (zumindest offiziell) nicht einfach auf die Daten der Internetprovider zugreifen dürfen, hier gibt es (zumindest offiziell) immerhin juristische Hürden, die zu nehmen sind. Das löst nicht das Problem mangelhafter Sicherheit, durch das inoffizielle/illegale Zugriffe auf die Datenströme permanent möglich sind. Aber immerhin gelten diese Zugriffe noch als illegal, bei Bekanntwerden dieser Praxis droht eine Untersuchung oder gar ein Skandal. Darum sind juristische Hürden gegen Datenmissbrauch zu begrüßen, auch wenn sie diesen Missbrauch nicht unterbinden können.

Corona: Das Potenzial der Überwachung

Das Potenzial der Überwachung der Corona-Episode haben die NachDenkSeiten in zahlreichen Artikeln thematisiert. In dem Artikel „Niemand hat die Absicht, einen Immunitätsausweis einzuführen“ wird beschrieben, dass trotz des zwischenzeitlichen Zurückruderns beim Immunitätsausweis die Pläne auf europäischer Ebene längst ausgearbeitet seien, wie auch der Journalist Norbert Häring in diesem Artikel darlegt. Diese elektronischen Immunitäts-Informationssysteme könnten ein Einfallstor sein: Es wäre nicht das erste Mal, dass mit schönen Worten (hier zum Gesundheitsschutz) destruktive Maßnahmen eingeführt werden. Wohin die Reise langfristig gehen könnte, das hat Häring ebenfalls beschrieben. So gibt es Indizien dafür, dass einflussreiche Akteure es anstreben, für alle Weltbürger eine „digitale Identität“ anzulegen, in der laut Häring „Reisehistorie, Bankdaten, Hotelübernachtungen, Mietwagenbuchungen, Dokumente von Universitäten, Ämtern und sehr vieles mehr“ gespeichert würden. Der aktuell debattierte Impfstatus, das Tracking „zur Virus-Prävention“ und andere angebliche gesundheitliche Sachzwänge können nach dieser Deutung als Türöffner für eine viel umfassendere Vision interpretiert werden. Häring beschreibt, das Fernziel der Bestrebungen sei eine personalisierte, portable, biometrisch verbundene digitale Identität, die auf Lebenszeit besteht. Unterstützt werde das Vorhaben von einigen der größten Firmen und Stiftungen der USA.

Wie gerade mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz der „oberste Datenschützer und 73 Mio. Bürger ausgetrickst“ worden seien, hat etwa „Telepolis“ in diesem Artikel beschrieben. Wie im Schatten von Corona eine bis vor kurzem undenkbare Überwachung in die Arbeitswelt einziehen könnte, das haben die NachDenkSeiten im Artikel Corona als Türöffner für Überwachung der Mitarbeiter beschrieben.

Titelbild: oneinchpunch / Shutterstock


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