Nowitschok, Nawalny, Nordstream, Nonsense

Nowitschok, Nawalny, Nordstream, Nonsense

Nowitschok, Nawalny, Nordstream, Nonsense

Ein Artikel von: Redaktion

Der Menschenrechtsaktivist, Blogger und frühere britische Botschafter Craig Murray hat sich im vergangenen Jahr ausführlich mit der angeblichen Nowitschok-Vergiftung der Skripals in Salisbury auseinandergesetzt. An der offiziellen Story machte er so viele Ungereimtheiten und offene Flanken aus, dass er sicher ist: So wie von der britischen Regierung und den Leitmedien dargestellt, kann es sich nicht abgespielt haben. Auch der Geschichte um die angeblich zweifelsfrei festgestellte Nowitschok-Vergiftung von Alexej Nawalny samt obligatorischem Fingerzeig nach Moskau begegnet Murray mit einer gehörigen Portion Skepsis und Ironie. Übersetzung von Susanne Hofmann.

Sobald Nawalny in Berlin war, war es nur eine Frage der Zeit, ehe man erklärte, dass er mit Nowitschok vergiftet wurde. Die Russenfeinde sind entzückt. Dies beseitigt natürlich die letzten Reste eines Zweifels daran, was mit den Skripals passiert ist, und beweist, dass Russland isoliert und zu Tode sanktioniert werden muss und wir unzählige Milliarden für Waffen und Sicherheitsdienste ausgeben müssen. Wir müssen auch die Überwachung im Inneren verstärken und gegen abweichende Meinungen im Internet hart durchgreifen. Es beweist auch, dass Donald Trump eine russische Marionette ist und der Brexit ein russisches Komplott.

Ich werde zweifelsfrei beweisen, dass ich ein russischer Troll bin, indem ich die Frage nach dem „cui bono?“ stelle, die von Ben Nimmo von der Integrity Initiative so messerscharf als sicheres Zeichen russischer Einflussnahme ausgemacht wurde.

Ich könnte darlegen, dass ich mir sehr gut vorstellen kann, dass ein mächtiger Oligarch oder ein Arm des russischen Staates versucht haben könnte, Nawalny zu ermorden. Er ist ein kleines Ärgernis und hierzulande wesentlich bekannter als in Russland, doch keine große Bedrohung darzustellen, schützt einen in Russland nicht vor einem politischen Attentat.

Schwer vorstellen kann ich mir allerdings, dass Nawalny – sollten Putin oder andere sehr mächtige russische Akteure seinen Tod wollen und hätten ihn daher während seines Aufenthaltes in Sibirien angegriffen – heute in Deutschland noch am Leben wäre. Wünschte Putin seinen Tod, dann wäre er tot.

Sehen wir uns zunächst einmal die Angriffswaffe an. Wenn wir eines über „Nowitschok“ sicher wissen, dann, dass es nicht sonderlich gut zum Ermorden zu taugen scheint. Die arme Dawn Sturgess ist die einzige, die je angeblich an „Nowitschok“ gestorben ist, versehentlich, laut offiziellem Narrativ. „Nowitschok“ hat die Skripals nicht getötet, die das eigentliche Ziel waren. Wollte Putin, dass Nawalny tot ist, dann würde er zu einem Mittel greifen, das funktioniert. Wie eine Kugel im Kopf oder ein tatsächlich tödliches Gift.

Bei „Nowitschok” handelt es sich um keine spezifische Chemikalie, sondern um einen Typ von chemischen Kampfstoff, der entwickelt wurde, um vor Ort aus üblichen Haushalts- oder Industrievorläufern ohne Vorbereitung zusammengestellt zu werden. Es ergibt durchaus Sinn, ihn im Ausland einzusetzen, da man das eigentliche Nervengift nicht mit sich herumtragen kann und möglicherweise die Bestandteile vor Ort kaufen könnte. Aber im eigenen Land, in dem der FSB oder die GRU nach Belieben mit jeder tödlichen Waffe hantieren können, ergibt es absolut keinen Sinn, hausgemachtes Nervengift in der Spüle zusammenzumischen. Warum sollte man das tun?

Des Weiteren sollen wir glauben, dass der russische Staat – nachdem er Nawalny vergiftet hatte – dessen Flugzeug dann auf einem Inlandsflug erlaubte notzulanden, damit er schnell ins Krankenhaus gebracht werden konnte. Wenn die russischen Geheimdienste, wie behauptet, Nawalny vor dem Start am Flughafen vergiftet hätten, warum sollten sie dann nicht darauf bestehen, dass das Flugzeug seinen ursprünglichen Flugplan einhält und ihn im Flugzeug sterben lassen?

Sodann sollen wir glauben, dass der russische Staat, nachdem er Nawalny vergiftet hatte, nicht in der Lage war, seinen Tod auf der Intensivstation eines russischen staatlichen Krankenhauses herbeizuführen. Wir sollen glauben, dass der böse russische Staat zwar imstande war, alle seine toxikologischen Tests zu fälschen und die Ärzte daran zu hindern, die Wahrheit über seine Vergiftung zu sagen, aber der böse russische Staat hatte nicht die Macht, das Beatmungsgerät für ein paar Minuten auszuschalten oder etwas in seinen Tropf zu schmuggeln. In einem russischen staatlichen Krankenhaus.

Als nächstes sollen wir glauben, dass Putin, nachdem er Nawalny mit Nowitschok vergiftet hatte, ihm erlaubt hat, nach Deutschland geflogen zu werden, damit man ihn rettet, um so sicherzugehen, dass das Nowitschok auch entdeckt wird. Und dass Putin dies tat, weil er sich wegen der wütenden Merkel sorgte, und nicht begriff, dass sie womöglich noch wütender sein könnte, wenn sie draufkam, dass Putin Nawalny mit Nowitschok vergiftet hatte.

Vollkommen unglaubwürdige Punkte reihen sich wie Perlen aneinander, und jeden einzelnen davon müsste man schlucken, um dem westlichen Narrativ zu folgen. Ich persönlich glaube keinen einzigen davon, aber ich bin ja auch ein unverbesserlicher russlandfreundlicher Verräter.

Die Vereinigten Staaten brennen in der Tat darauf, Deutschland daran zu hindern, die Nord-Stream-2-Pipeline fertigzustellen, die Deutschland in großem Umfang mit russischem Gas versorgen wird, was etwa 40 Prozent seiner Stromerzeugung decken würde. Ich persönlich bin aus ökologischen wie strategischen Gründen gegen Nord Stream 2. Ich fände es besser, wenn Deutschland seine erhebliche Industrie-Macht in erneuerbare Energien und Energieunabhängigkeit stecken würde. Aber meine Gründe unterscheiden sich erheblich von denen der USA, die sich um den Flüssiggas-Markt für US-Produkte in Europa und um die US-Verbündeten am Golf sorgen. Wichtige Entscheidungen zur Fertigstellung von Nord Stream 2 stehen jetzt in Deutschland an.

Die USA und Saudi-Arabien haben zum jetzigen Zeitpunkt also allen Grund, eine Spaltung zwischen Deutschland und Russland herbeizuführen. Nawalny ist sicherlich ein Opfer der internationalen Politik. Dass er ein Opfer Putins ist, würde ich eher bezweifeln.

Titelbild: IU Liquid and water photo / Shutterstock

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