Craig Murray berichtet vom Auslieferungsverfahren Julian Assanges

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Wie es um die Justiz eines Landes bestellt ist, zeigt sich unter anderem daran, wie transparent ihre Verfahren ablaufen. Nimmt man das als Maßstab für das Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange, das gestern in London fortgesetzt wurde, wird einem angst und bange um den Zustand des Rechtswesens in einer der ältesten Demokratien der Welt. Der frühere britische Botschafter Craig Murray, dem die Öffentlichkeit den detailliertesten Einblick in die kafkaesken Anhörungen im Fall Julian Assange zu Jahresbeginn verdankt, berichtet von den Rahmenbedingungen dieses Prozesses im altehrwürdigen Old Bailey. Darin wird entschieden, ob einer der wichtigsten Aufklärer unserer Zeit in die USA ausgeliefert wird, wo er wahrscheinlich den Rest seines Lebens in Einzelhaft verbringen müsste. Übersetzung von Susanne Hofmann.

Von Craig Murray

Julian Assange ist ein Licht in d[ies]er Finsternis. Wikileaks hat ein Fenster in die verborgene Welt der Kriegsverbrechen, des Mordens und der Korruption geöffnet, die einem beträchtlichen Teil des Regierungshandelns zugrunde liegt, unter dem wir in der „freien“ Welt leben. Kurz nachdem es der Öffentlichkeit dämmerte, dass man uns schamlos in die Zerstörung des Irak hineingelogen hatte, schien es eine Zeit lang so, als würde uns Assange in ein neues Zeitalter führen, ein Zeitalter, in dem Whistleblower, Bürgerjournalisten und ein demokratisches Internet die Aufklärung der Öffentlichkeit revolutionieren und den Würgegriff der Milliardäre ein für alle Mal abschütteln würden.

Diese Hoffnung schwindet heute, da die Welt des Internets selbst Züge eines Konzerns angenommen hat. Julian ist im Gefängnis, und ein Auslieferungsverfahren wird heute (7. September) fortgesetzt, das einen einzigen Verfahrensmissbrauch darstellt. Die haarsträubenden Bedingungen der Einzelhaft, in denen er im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh ohne Zugang zu seinen Anwälten oder einem funktionierenden Computer, zu seinen Unterlagen oder zu seiner Post festgehalten wird, haben seiner körperlichen und geistigen Gesundheit stark zugesetzt. Der UN-Sonderbeauftragte hat erklärt, dass er ein Folteropfer ist. Die Medien, die wegen des höchst dubiosen Angriffs auf Navalny in heller Aufregung sind, haben für Assange als Opfer staatlicher Folter nichts als Verachtung übrig.

Julians Unterstützer fragen ständig, warum die Medien den Angriff auf einen Herausgeber und Journalisten nicht als Bedrohung für sich selbst ansehen. Die Antwort lautet, dass die staatlichen Medien und die Konzernmedien auf ihre feste Allianz mit den Machthabern vertrauen. Sie haben nicht die Absicht, den Status Quo infrage zu stellen. Sie sind sicher vor jenen, die Assange treten, weil sie beim Treten mitmachen.

Ich hoffe, heute und während der gesamten Auslieferungsverhandlung im Gericht zu sein. Der Zuschauerrang wurde „wegen Covid“ von 80 auf neun Plätze reduziert. Fünf Plätze sind für Julians Familie und Freunde reserviert, und ich habe heute (7. September) einen davon – wie es danach aussieht, ist ungewiss. Es gibt nur vier Plätze für die allgemeine Öffentlichkeit.

Journalisten und NGOs werden die Anhörung online verfolgen – aber nur „zugelassene“ Journalisten und NGOs, die vom Orwellschen Justizministerium erwählt wurden. Ich habe gestern Abend mit Assange-Unterstützern von einer Reihe eingetragener NGOs zu Abend gegessen, von denen kein einziger „zugelassen“ wurde. Ich hatte mich als Vertreter von Hope Over Fear beworben und wurde abgelehnt. Für diejenigen, die als Journalisten einen Online-Zugang beantragt haben, gilt das gleiche Spiel. Nur die offiziell “zugelassenen“ dürfen zusehen.

Dies ist ja eigentlich eine öffentliche Anhörung, der in normalen Zeiten jeder von der Straße weg von der großen Zuschauertribüne aus und jeder mit einem Presseausweis im Pressebereich beiwohnen können sollte. Wie lässt sich die politische Auswahl der Zuschauer rechtfertigen? Es wurde ein außergewöhnliches Online-System eingerichtet, bei dem die vom Staat bevorzugten Beobachter online „Räume“ bekommen, in denen nur die identifizierte Person zugelassen wird. Selbst bei genehmigten Organisationen ist es nicht so, dass eine Organisation über ein Login verfügt, das jeder verwenden kann, nicht einmal einer nach dem anderen. Nur gezielt aufgerufene Personen verfügen vor Beginn des Verfahrens über einen Zugang. Wird ihre Verbindung zu irgendeinem Zeitpunkt unterbrochen, werden sie an diesem Tag nicht wieder zugelassen.

Angesichts dieser Beschränkungen war mir bewusst, dass ich mich möglicherweise ab 5 Uhr morgens anstellen muss, um einen der vier öffentlichen Plätze zu bekommen, sollte ich von der Familienliste gestrichen werden. Also bin ich heute um sechs Uhr morgens zum Old Bailey gefahren, um mir die Warteschlange anzusehen und mir klarzuwerden, nach welchem Prinzip das Zulassungssystem funktioniert. Die ersten sechs Leute in der Warteschlange waren alles Menschen, die auf eigene Faust, ohne mein Wissen und ohne sich untereinander abzustimmen, gekommen waren, als die Stadt noch schlief, nur um einen Platz für mich zu reservieren. Ich war hin und weg angesichts ihrer Herzensgüte, ihres Vertrauens in mich und ihrer schieren humanitären Sorge um Julian und wegen des ganzen Justizirrtums. Ich plauderte eine Weile fröhlich mit ihnen und ging dann zurück, um dies zu schreiben. Ich schaffte es gerade mal um die Ecke, ehe ich in Tränen ausbrach, ich war einfach überwältigt von dieser Liebenswürdigkeit.