„Heute Show“ und „Extra 3“: Ganz vorne gegen Russen und LINKE

„Heute Show“ und „Extra 3“: Ganz vorne gegen Russen und LINKE

„Heute Show“ und „Extra 3“: Ganz vorne gegen Russen und LINKE

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die öffentlich-rechtlichen „Kabarettisten“ stellen die Definition ihrer Kunstform auf den Kopf: Anstatt den bizarren Umgang mit dem Fall Nawalny zu persiflieren, schirmen sie die Medienkampagne von Kritik ab und verstärken sie noch. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In der Kampagne um die mutmaßliche Vergiftung des russischen Politikers Alexej Nawalny tun sich folgende Gruppen besonders hervor: das Personal der Partei B´90/Die Grünen, die Politik-Redakteure großer Medien – und die Kabarettisten der öffentlich-rechtlichen Sender. Auch Politiker von SPD und CDU beteiligen sich am Versuch, mit einem ungeklärten und mindestens dubiosen Kriminalfall auf die Geopolitik einzuwirken. Aber insgesamt hat man den Eindruck, zumindest Teile der Großen Koalition sind noch eher bereit, an dem wichtigen Projekt Nord-Stream-2 festzuhalten, während viele Medien-Redakteure mutmaßlich versuchen, diesen Teil der Politik vor sich herzutreiben und zu falschen Entscheidungen zu verleiten.

„Satire“: Mit dem Holzhammer gegen kritische Bürger

Die aktuellen Sendungen von Heute Show (hier die Sendung vom 11. September) und Extra 3 (hier die Sendung vom 10. September) schießen teils noch über die antirussische Meinungsmache in den Nachrichtensendungen und Kommentarspalten der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender hinaus, auch weil sie sich nicht an die dort manchmal noch praktizierte (rein sprachliche) Pseudo-Seriosität gebunden fühlen. Im öffentlich-rechtlichen „Kabarett“ darf ganz offiziell der sprachliche Holzhammer hervorgeholt werden – gegen Bürger, die eine Verständigung mit Russland fordern, gegen Bürger, die die Politik zu Corona kritisieren, oder gegen Bürger, die sich durch die Partei die LINKE vertreten fühlen. Schließlich sei diese Diffamierung ja „Satire“.

In beiden Sendungen wird das ganze erste Drittel auf Meinungsmache gegen Russland verwandt – und wie gesagt gegen Bürger, die die aktuelle Kampagne um den Fall Nawalny kritisieren. Und gegen Politiker der LINKEN, die vor destruktivem Aktionismus warnen und die Benutzung von Logik und gesundem Menschenverstand einfordern. Gleichzeitige und pflichtschuldige Verweise auf Vergehen der USA und anderer wirken angesichts der massiven Stimmungsmache gegen Russland allenfalls halbherzig. Eigentlich könnte das politische Kabarett einen Kontrapunkt zur dominanten Berichterstattung liefern, aber das Gegenteil ist der Fall. In diesen „Satire“-Sendungen spiegelt sich die ganze Eintönigkeit und das ganze Elend aus den Nachrichtensendungen.

Vorwürfe gegen Russland werden „gestapelt“

Die Sendungen nutzen altbekannte Mittel der Meinungsmache. Die hier festgestellten Befunde sind insofern nicht neu. Weil aber Propaganda auch und vor allem durch Wiederholung wirkt, ist ebenso ein stetiger Widerspruch wichtig. Das Prinzip der aktuellen Kampagne im Zusammenhang mit dem Fall Nawalny haben die NachDenkSeiten bereits in dem Artikel „Putins Gift, Putins Anschlag“ und in dem Artikel „Die traurige Realität: Eine sich selbst gleichschaltende Kampfpresse“ beschrieben. Bei den beiden hier thematisierten „Kabarett“-Sendungen kommt hinzu, dass sie mutmaßlich ein jüngeres Publikum ansprechen als die „Tagesschau“ und die „Süddeutsche Zeitung“ und darum als zusätzliches Element von Medienkampagnen wahrgenommen werden sollten.

Die üblichen Stapel an Vorwürfen gegen Russland werden in dieser Kampagne aufgetürmt – gestapelt werden dabei nicht angemessen belegte Anschuldigungen, die wegen der jeweils großen Medienresonanz noch im Unterbewusstsein der Medienkonsumenten abrufbar sind: Skripal, Syrien-Bombardements, Bundestags-Hack, „Zerstörung der EU“, russische Wahleinmischung in den USA und „dutzende Oppositionelle“ mit ungeklärtem Schicksal. Die NachDenkSeiten haben das Prinzip von im kollektiven Bewusstsein geparkten Diffamierungen, die bei Bedarf aufgewärmt werden können, ohne sie beweisen zu müssen, in dem Artikel „Strategien der Spannung und das große Schweigen danach“ beschrieben.

Rückkehr zu Logik und gesundem Menschenverstand

Zwar ist es bei seriöser Betrachtung nicht haltbar, zu behaupten, dass der russische Präsident Wladimir Putin keinen Rückhalt in der eigenen Bevölkerung habe. Aber auch im öffentlich-rechtlichen „Kabarett“ erklingt teils die falsche Botschaft, das „System Putin“ könne nur überleben, weil es Terror gegen Andersdenkende entfalten würde. Dazu muss immer wieder betont werden: Der nationalistisch bis rechtsextrem eingestellte Alexej Nawalny könnte „dem Kreml“ politisch nicht gefährlich werden, er hat keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Gefährlich wäre er für die russische Regierung aber als vergifteter Märtyrer mit der entsprechenden westlichen Medienbegleitung. Das betont auf den NachDenkSeiten auch Ulrich Heyden, etwa in diesem Artikel.

In diesem Text soll nichts ausgeschlossen werden und es soll keine konkrete Theorie vertreten werden: Auch eine Beauftragung der mutmaßlichen Gift-Attentäter durch „den Kreml“ ist möglich. Gefordert werden soll hier aber eine Zurückhaltung in der Bewertung und in der politischen Ausschlachtung eines noch ungeklärten Falles. Zudem soll eine Rückkehr zu einer von Logik und gesundem Menschenverstand geprägten Betrachtungsweise angemahnt werden.

Diese Art der „Satire“ ist keine Satire

Diese Art der „Satire“ ist keine Satire, sondern eine Form der moralischen Belehrung. Die stärkt nicht nur die Mächtigen und diffamiert Andersdenkende. Zusätzlich sind diese Predigten nicht lustig. Die Definition der eigenen Kunstform wird von den öffentlich-rechtlichen „Satirikern“ auf den Kopf gestellt: Satire wäre es, wenn Heute Show und Extra 3 die teils bizarren Reaktionen in Medien und Politik zum Fall Nawalny persiflieren und sie als Kampagne entlarven würden. Doch das Gegenteil geschieht: Einmal mehr wirken hier die „Kabarettisten“ als Unterstützer von Regierung und großen Medien, beide Bereiche werden gegen berechtigte Kritik abgeschirmt.

Ein positives Gegenbeispiel aus der Sphäre des politischen Kabaretts ist „Die Anstalt“, wobei die Qualität der Sendungen je nach Thema variiert. Weil die Sendung aber prinzipiell ein Hoffnungsschimmer ist, soll hier noch einmal auf einen Artikel zum fünften Geburtstag des Formats hingewiesen werden. Und es gab auch schon gute Ausgaben der Heute Show, wie Albrecht Müller etwa in diesem Artikel beschrieben hat.

Titelbild: Jonas Petrovas / Shutterstock

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