Der Neoliberalismus hat ausgedient, sagt der Chef des Weltwirtschaftsforums. Von Oskar Lafontaine.

Oskar Lafontaine
Ein Artikel von Oskar Lafontaine

„Der Neoliberalismus in dieser Form hat ausgedient“, sagt jetzt auch der Chef des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, in der „Zeit“: „Ich bin davon überzeugt, dass die unternehmerische Kraft jedes Einzelnen die Triebfeder für echten Fortschritt ist – und nicht der Staat. Aber diese individuelle Kraft muss in ein System von Regeln eingebettet werden, das ein Überborden in die eine oder andere Richtung verhindert. Diese Funktion muss ein starker Staat erfüllen. Der Markt löst allein keine Probleme.“ Er hält auch eine Besteuerung von Millionen-Vermögen für „sozial gerechtfertigt“. Damit ist Klaus Schwab weiter als Kanzlerin Merkel oder „zurück an die Arbeit“-Friedrich Merz. 

Doch während mittlerweile selbst dieser Guru des Kapitalismus den Neoliberalismus in Frage stellt und davor warnt, dass die sozialen Ungleichgewichte weiter zunehmen und die Umweltzerstörung fortschreitet, bleiben Regierende und viele Mainstream-Medien bei uns stramm auf Kurs. Die Krankenschwestern, Busfahrer und Müllfahrer, denen eben noch für ihren unverzichtbaren (systemrelevanten) Einsatz in der Corona-Krise Beifall gespendet wurde, sollen sich nun gefälligst in der Tarifauseinandersetzung zurückhalten. „Schon schräg: Die Seuche reißt Milliarden-Löcher in die öffentlichen Kassen, Bundestagsabgeordnete verzichten auf Diätenerhöhungen, Rentner müssen 2021 mit einer Null-Runde rechnen, und der Öffentliche Dienst langt kräftig zu“, jammert „Bild“, nachdem das deutsche “Wahrheitsmedium“ sich vor kurzem noch gar nicht einkriegte, um die Leistungen dieser Menschen zu würdigen. Gleichzeitig hat „Bild“ keine Hemmungen, für eine neue Autokauf-Prämie zu trommeln, für viele Steuermillionen an die  Autokonzerne der armen Milliardärsfamilien Quandt, Klatten und Porsche, obwohl VW, Daimler und BMW zig Milliarden auf der hohen Kante haben.

Vielleicht warnt der Chef des Weltwirtschaftsforums vor allem deshalb vor einem ungezügelten Kapitalismus, weil er ansonsten Revolten befürchtet. „Wenn wir dagegen nichts unternehmen, werden die Veränderungen irgendwann auf anderem Wege kommen, durch gewalttätige Konflikte oder Revolutionen etwa.“ Vielleicht ist ihm auch der Schreck in die Glieder gefahren, als er Albrecht Müllers neues Buch „Die Revolution ist fällig“ gelesen hat, das ich nur jedem empfehlen kann.

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