Mike Pompeo in Amazonien – Das Bolsonaro-Regime als Steigbügelhalter der US-Attacken gegen Venezuela

Mike Pompeo in Amazonien – Das Bolsonaro-Regime als Steigbügelhalter der US-Attacken gegen Venezuela

Mike Pompeo in Amazonien – Das Bolsonaro-Regime als Steigbügelhalter der US-Attacken gegen Venezuela

Frederico Füllgraf
Ein Artikel von Frederico Füllgraf

US-Außenminister Mike Pompeo unternahm zwischen dem 17. und 19. September eine überraschende Blitztour durch vier amazonische Anrainerstaaten – Suriname, Guyana, Brasilien und Kolumbien – mit Ausnahme der ehemaligen niederländischen Kolonie allesamt Nachbarn von Venezuela. Ein Bericht von Frederico Füllgraf.

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Die politische Zielsetzung des Pompeo-Blitzbesuchs war klar. Obwohl eine Niederlage Donald Trumps bei den Präsidentschaftswahlen vom kommenden November keinesfalls als sicher vorausgesagt werden kann, liegt der zur Wiederwahl antretende US-Präsident zwischen 5 und 10 Prozent hinter seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden. Also flüchtete sich die durch sinkende Popularität (August 2020: 42 Prozent) lädierte Trump-Administration in den so oft bewährten dialektischen Trick der Außenpolitik als Mittel zur Kompensation der Innenpolitik und holte sich Zustimmung von Trump-freundlichen, rechten bis faschistoiden Regierungen, allen voran des Bolsonaro-Regimes.

Mit neu befeuerten Erklärungen zum seit Jahren angedrohten Sturz der Regierung Nicolás Maduro in Venezuela und ebenso aufgewärmten Attacken gegen Russland und China sollte die Standfestigkeit der Hinterhof-Verbündeten unter Beweis gestellt werden. Ziel der Angriffe Pompeos war die Bedienung der innenpolitischen Klientel, insbesondere die 32 Millionen potenzielle Wähler zählende Latino-Community in den USA, deren jüngere, vor allem die dritte, Generation von rechtsextremen Exilkubanern der skrupellosen Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik der republikanischen Elite den Rücken kehrt und zum politischen Zentrum und nach links abdriftet.

„Strafaktionen“ und ökonomische Vereinnahmung der Karibik

Artikulierte sich in den Attacken Pompeos zunächst eine rein wahlpolitische Taktik, nutzte der ehemalige CIA-Chef im Gewand des Außenministers die Gunst der Stunde zur ungenierten Mobilisierung imperialer Wirtschaftsinteressen und militärischer Machtausdehnung. Der Fund gewaltiger Erdölvorkommen in Guyana – einer armen, ehemaligen britischen Kolonie, der mit 85 Prozent und einem enormen Abstand 2020 die Führung des weltweiten Wirtschaftswachstums vorausgesagt wird – stimuliert den Appetit des US-amerikanischen Big Oils.

Doch ebenso veranlasste der Disput Guyanas mit Venezuela über die Zugehörigkeit des Esequibo-Grenzterritoriums eine schlagartige militärische US-Vereinnahmung Guyanas, deren bescheidene Seestreitkraft anlässlich des Pompeo-Besuches zu ebenso demonstrativen wie lächerlichen Manövern mit der US-Navy vor der Küste Venezuelas „gegen den Drogenschmuggel der Maduro-Diktatur” genötigt wurde; eine Nötigung, die allen Anzeichen nach in der Einrichtung eines US-Militärstützpunktes gipfeln kann und mit den bestehenden Militärbasen in Kolumbien und der Konzession der Alcantara-Raumfahrtbasis durch das Bolsonaro-Regime die komplette militärische Umzingelung Venezuelas vollzieht.

Signalisierte Donald Trumps Wahlsieg 2016 die Wiedererweckung des Kalten Krieges in der Karibik, so verdeutlicht seine erneute Kandidatur die Bereitschaft zu einer Offensive des „Alles oder nichts“. Ihre Speerspitze richtet sich auf die mit allen, inklusive militärischen Mitteln, in Szene gesetzte Verdrängung Chinas als in Lateinamerika führender Handels- und Investitionspartner sowie Russlands als Anbieter militärischer Technologie und Beratung.

In Suriname wurde China von Pompeo ins Visier genommen. Mit neoliberaler Militanz forderte er dessen Regierung dazu auf, mit US-amerikanischen und nicht-chinesischen Firmen zusammenzuarbeiten. Keine staatliche Firma sei in der Lage, „die Produkt-Qualität und Dienstleistungen privater amerikanischer Unternehmen zu übertreffen. Wir haben gesehen, wie die Kommunistische Partei Chinas in Länder investiert. Zunächst scheint alles großartig zu sein, und dann bricht alles zusammen, wenn die damit verbundenen politischen Kosten klar werden”, lautete der Nonsens Pompeos in einem Gespräch mit dem neugewählten surinamischen Präsidenten Chan Santokhi.

Sodann teilte der ehemalige CIA-Chef – der für sein Bekenntnis „Beim CIA logen, betrogen und stahlen wir” bekannt ist – gegen Russland, Kuba und den Iran aus. Die drei Länder würden einen „bösartigen Einfluss“ auf Venezuela ausüben, unterstellte der US- Außenminister. Die anti-russische Militanz des State Department in der Karibik startete im Jahr 2018 mit Sanktionen gegen Jamaika und Guyana und wurde noch einmal als Nachspiel der Präsidentschaftswahlen vom März 2020 gegen Guyana fortgesetzt. Im ersten Fall richteten sich die Sanktionen gegen die Präsenz der russischen Bergbaufirma Rusal, die in Guyana 90 Prozent der in Berbice ansässigen Aroaima Bauxite Company von Guyana Inc. besitzt und mehrheitlich an Jamaikas Windalco-Betrieb beteiligt ist, deren Ewarton-Raffinerie Bauxit zu höherwertigem Aluminiumoxid verarbeitet, das Russland und andere überseeischen Märkte versorgt.

Doch Pompeo, dem CIA, dem Pentagon und den US-Alt-Rights ist vor allem die militärische Abschirmungs-Technologie russischen Ursprungs in Venezuela ein Dorn im Auge.

„Let’s get him out of there“…

„Wir werden ihn da rausschmeißen!“, skandierte der State-Department-Chef in Begleitung seines brasilianischen Kollegen Ernesto Araújo mit einem neuen Aufruf zum Sturz des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro. Zu der Brachial-Inszenierung gehörte die Androhung, die USA werden die für kommenden Dezember geplanten venezolanischen Parlamentswahlen nicht anerkennen, gar boykottieren; eine Kampfdevise, der sich Bolsonaro ungebeten anschloss.

Das hätte Pompeo auch in Brasilia sagen können, doch er tat es in Roraima, im brasilianischen Grenzgebiet zu Venezuela, mit einer kaum diskreten Anspielung auf die Rolle des Bolsonaro-Regimes als Wachhund und outgesourctem Aggressor. Obwohl von den US-Streitkräften ausrangiert und daher von kaum mehr als symbolischem Wert, waren zwei Tage zuvor im südbrasilianischen Hafen Paranaguá ein paar Dutzend US-amerikanische Panzer entladen worden. Das Geschenk sollte offenbar das Versprechen Bolsonaros in Erinnerung rufen, Nicolás Maduro zu „outen“, was seit mehr als einem Jahr ohne Folgen blieb.

Als Bühne von Pompeos Auftritt diente ein Flüchtlingslager von Maduro-Gegnern in Roraimas Landeshauptstadt Boa Vista. Der Chef des State Department ließ sich zur medialen Ausschlachtung mit Flüchtlingsfamilien ablichten und schoss sodann drohende Warnungen in venezolanische Richtung, wie zum Beispiel „Venezuela bietet Terroristen Unterschlupf“, die er anschließend in Kolumbien wiederholte. „Abflug von Boa Vista. Die Vereinigten Staaten sind ein langjähriger Partner und Freund der brasilianischen Bevölkerung. Wir sind Nachbarn, und was mit einem passiert, betrifft uns alle”, twitterte Pompeo am 19. September. Den Satz „Let’s get him out of there“ will Pompeo so nicht gesagt haben. Das sei wohl ein Übersetzungsfehler, doch was er gesagt haben will, „daran kann ich mich nicht mehr erinnern“, erklärte Trumps Außenminister.

Pompeo in Roraima und Venezuelas Raketen auf Manaus gerichtet

Die dreistündige Stippvisite wurde von kritischen Medien und Oppositionspolitikern in Brasilien als Skandal bezeichnet. Altpräsident Luis Inácio Lula da Silva erklärte, die USA sollten gefälligst „ihre Nase aus lateinamerikanischen Sachen heraushalten“. Der der Arbeiter-Partei (PT) nahestehende Kolumnist Marcelo Zero schrieb, „Trumps USA, unterstützt von ihren regionalen Wachhunden Bolsonaro und Araújo, ziehen es vor, gegen die Lebensfähigkeit des friedlichen und konstitutionellen Weges mit der Destabilisierung der Maduro-Regierung durch gewaltsame, konventionelle oder hybride Kriegsgewalt zu wetten. Pompeos Besuch ist unter diesen Bedingungen ein Schlag gegen unsere Souveränität.“

Waffen- und Logistik-Experte Paulo José Jarava führte gar den Casus Belli und die doppelte Demütigung vor:

„Die Regierung Nicolás Maduro schloss nicht nur die Grenzen zu Brasilien und platzierte Truppen und Panzer neben Barrikaden, sondern schaltete auch das russische Boden-Luft-Raketensystem S-300 VM ein, das kaum 11 Kilometer von Pacaraima in Roraima entfernt ist. Die Radargeräte dieses russischen Systems sind sehr leistungsfähig und bilden in der Praxis eine Flugverbotszone mit einem Radius von 300 km. Dieser Radius erreicht die Flughäfen Boa Vista (RR) und Manaus (AM). Letzterer ist Standort der Basis der brasilianischen Luftwaffe (FAB), wo ebenfalls die 12 russischen MiG-35 neben Super-Tucanos die einzigen Angriffshubschrauber Brasiliens darstellen. Die Mobilisierung der Maduro-Streitkräfte bedeutet, dass sie an der Grenze bereits Bewegungen der brasilianischen Luftwaffe und Armee kontrollieren; einschließlich des berühmten Dschungelbataillons in Manaus, das von neu gebauten Helibras-Hubschraubern transportiert werden könnte. In der Praxis wird fast der gesamte Flugverkehr über Manaus und Boa Vista von Maduro kontrolliert. Es ist eine enorme Demütigung.“

Titelbild: lev radin/shutterstock.com

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