Corona und Umfragen: Die simulierte Übereinstimmung

Corona und Umfragen: Die simulierte Übereinstimmung

Corona und Umfragen: Die simulierte Übereinstimmung

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Wenn wir „den Umfragen“ glauben, dann herrscht ein großer Konsens: „Mehrheit der Deutschen mit Corona-Maßnahmen einverstanden“ heißt es, oder: „Mehrheit befürchtet zweite Corona-Welle“. Jetzt bescheinigt eine Umfrage auch den Medien: „Mehr Menschen halten Medien in Deutschland für glaubwürdig“. Aber: Wie weit ist diesen Umfragen zu glauben? Darf die Demoskopie die Demokratie ersetzen? Profitieren die Medien von der selber geschürten Angst? Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Ein Notstand ist eine Zeit, in der einige demokratische Mechanismen bewusst ausgesetzt werden. Im aktuellen, mit der Corona-„Pandemie“ begründeten Zustand ist das ähnlich. Die wegen der Corona-Praxis fehlende demokratische Basis vieler aktueller Verordnungen soll darum auch durch regelmäßig veröffentlichte Umfragen einen „Ersatz“ finden. So wird eine „Überprüfung“ der Maßnahmen durch die Bürger simuliert, die Maßnahmen gelten bei „Zustimmung“ als gerechtfertigt. Diese Praxis wäre bereits dann kritikwürdig, wenn die Umfragen vom Verdacht der Manipulation freigesprochen werden könnten. Das ist aber nicht der Fall. Und so kommt zur fragwürdigen Praxis einer mit den Mitteln der Demoskopie simulierten Demokratie der dubiose Charakter vieler Meinungsumfragen noch hinzu, der weiter unten verdeutlicht wird.

„Mehrheit erfolgreich mit Angst aufgeladen“

Aufgrund solcher „Umfragen“ wird ein ums andere Mal verkündet: „Mehrheit der Deutschen laut Umfrage mit Corona-Maßnahmen einverstanden“. Interessant sind auch Ergebnisse wie das folgende, in dem sich nicht eine Meinung der Bürger spiegelt, sondern genau die Bürger-Ängste abgerufen werden, die Medien und Politik zuvor selber geschaffen haben: „Mehrheit befürchtet zweite Corona-Welle“. Dieser Satz sagt nichts über die rationale Basis dieser Furcht vor einer „Zweiten Welle“ aus, er bestätigt nur den Erfolg, den sich viele große Medien bei der unverantwortlichen Panikmache anrechnen können. Diese Umfrage wurde übrigens „im Auftrag der Ergo-Versicherung“ durchgeführt. Der Titel des Artikels könnte auch lauten: „Mehrheit erfolgreich mit Angst aufgeladen“.

Nun hat eine neue „Studie“ von WDR und Infratest dimap Wahlberechtigte in Deutschland zu ihrem Vertrauen in die Arbeit der Medien befragt. Demnach würde die Corona-Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in Tageszeitungen durch die Deutschen überwiegend positiv beurteilt. Insgesamt zwei Drittel würden die Informationen in deutschen Medien für glaubwürdig halten – so viele wie noch nie. Tageszeitungen und öffentlich-rechtliche Sender würden von drei Viertel bzw. vier Fünftel als glaubwürdig eingeschätzt. Im Vergleich zu den Vorgängerstudien sei das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestiegen: 70 Prozent der Befragten gaben an, großes oder sehr großes Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu haben.

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Der dubiose Charakter vieler Umfragen

Wenn sie zuträfen, wären diese Ergebnisse sehr bedenklich. Hier müssen aber einige Einschränkungen erwähnt werden. Zum einen der generelle Verdacht, unter dem Umfragen stehen – die NachDenkSeiten haben das Potenzial für Manipulationen durch Umfragen etwa in den Artikeln „Zusammenspiel von Umfrageinstituten, Medien und Politik“ oder „Gezielte Manipulation mit Umfragen“ oder „Umfragen – Meinungsmacht und Gradmesser für Meinungsmache“ beschrieben.

Setzte man aber andererseits voraus, die WDR-„Studie“ sei vertrauenswürdig, so ist ein bekannter Krisen-Effekt zu beobachten: Bürger sammeln sich in Phasen der (auch irrationalen oder vorsätzlich geschürten) Ängste um das Vertraute. Dieser Effekt ist berechenbar. Dabei ist zu betonen, dass viele Medien die Krise, von der sie aktuell in Form von Reichweite und „Vertrauen“ profitieren, zum großen Teil selber hergestellt haben: Ohne die begleitenden Panik-Berichte in vielen Medien wäre die aktuelle Corona-Politik nicht möglich. Ohne diese Panik-Berichte wäre auch die (angebliche) „Zustimmung“ der Bevölkerung zu den aktuellen und gravierenden Vorgängen undenkbar. Darum ist diese angebliche „Zustimmung“ zu den Corona-Maßnahmen noch kein Wert an sich – selbst wenn sie real sein sollte: Sie basiert auf unseriöser Panikmache.

Man beobachtet einen Zirkelschluss: Viele Medien machen den Menschen Angst, darum stimmen viele Bürger den Maßnahmen der Regierung zu – dadurch wiederum erhalten auch die Medien mehr Zuspruch, weil sie als offizieller Verteidigungsapparat der Regierungslinie wahrgenommen werden und auch praktisch so fungieren. Zuspruch für die Regierung kann in dieser Situation indirekt auch Zuspruch für die großen Medien bedeuten, weil die ihre Distanz zur Politik aufgegeben haben. Dieser Zuspruch basiert auf einer selber hergestellten Angst. Wie man an der „Studie“ des WDR sieht, wenn man ihr Glauben schenkt, profitieren viele große Medien von dieser Angst – aus diesem Grund sehen sie auch keinen Anlass, den Bürgern diese Angst wieder zu nehmen.

Man kann nicht erst seit Corona große Defizite in der deutschen Medienlandschaft feststellen, aber seit dem Ausrufen der „Pandemie“ hat sich die mediale Gleichförmigkeit nochmals massiv gesteigert.

„Die Wissenschaft“ wird mit Füßen getreten

Gegen die Ausrufung von Krisenmaßnahmen sollte man nicht prinzipiell opponieren, wenn eine Gefahr für die Gesellschaft seriös begründet ist. Auch die Einschränkungen persönlicher Freiheiten sind – bei seriös begründeten Gefahren für die Gesellschaft – zu akzeptieren! Aber eben diese Gefahren werden bisher nicht seriös begründet: „Die Wissenschaft“, auf die sich die Verteidiger der Corona-Maßnahmen stets berufen, wird unter anderem durch den Einsatz absoluter Zahlen permanent mit Füßen getreten – um eine Gefahr zu dramatisieren, die die Bürger (angeblich) wieder an die großen Medien bindet.

Anmerkung: Der Begriff „Notstand“ wurde teils irreführend verwendet, die Stellen wurden geändert.

Titelbild: Antonio Guillem / Shutterstock

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