Eine Ergänzung zum Presseclub: Von Höfers Frühschoppen bis zu Schönenborns Einheitsrunde

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Der Historiker Rudolf Reddig ergänzt den Text vom 2.September 2010 („Selbstgleichschaltung der Hauptmedien auf der Stufe der Ignoranz“) um einige interessante Gedanken. Albrecht Müller.

“In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre versuchte Karl Eduard v. Schnitzler mit der Sendung “Sonntagsgespräch des Deutschlandsenders” zur gleichen Sendezeit wie Höfers “Internationaler Frühschoppen” ein Pendant zu dieser populären allsonntäglichen Diskussionsrunde in den ARD auch im (Ost-) Deutschen Fernsehfunk zu schaffen. Während Höfer es vermochte, Journalisten mit unterschiedlichen Meinungen an einen Tisch zu versammeln und zu einem meist kultur- und manchmal sogar humorvollen Streit anzuregen, wodurch seine Sendung feuilletonistischen Kultstatus erlangte, blamierten sich die Ostfernsehmacher durch die öffentliche Zurschaustellung einer journalistischen Selbstgleichschaltung.

Da saßen zumeist  4 Journalisten an einem Tisch, um sich, von dem Moderator v. Schnitzler ermuntert, jeweils ihrer gleichen richtigen Meinung zu vergewissern, sich gegenseitig zu ergänzen oder bis dahin noch nicht Gesagtes hinzuzufügen. Besser konnte eine in gewissen Grenzen gehaltene Meinungsvielfalt oder gar -freiheit gegenüber einem staatlich verordneten und selbst auferlegten Meinungseinheitsbrei nicht offenbar werden.

Die Grenzen bundesrepublikanischer Meinungsfreiheit zeigten sich jedoch, als Höfer es nach dem Honecker-Besuch in Bonn 1987 wagte, den Korrespondenten des Fernsehens der DDR in Bonn Lutz Renner zusammen mit Günter Gaus in seinen Frühschoppen einzuladen und unter Renners Namensschild die Bezeichnung des zweiten deutschen Staates vollständig ausschreiben zu lassen. Einen solchen Fauxpas hatte es in den bundesdeutschen elektronischen Medien noch nicht gegeben.

Dort hatte seit Beginn der 1970er Jahre zwar das Kürzel DDR, aber niemals die volle Staatsbezeichnung in den Medien Einzug gehalten und die Offiziellen wehrten sich vehement gegen die Versuche beispielsweise mancher Grüner, das im Osten seit Beginn der 1970er Jahre gebräuchliche Kürzel BRD für die BuDe zu akzeptieren. Die Springerpresse setzte sogar ebenso papiertigern wie kaltkriegerisch bis zum Schluss das Kürzel für den verhassten Arbeiter- und Bauernstaat in Anführungszeichen.

Nach dem Fauxpas in Höfers Frühschoppen, erinnerten sich “plötzlich und unerwartet” einige einflussreiche Leute an Höfers lange bekannte Tätigkeit beim Goebbelschen Reichsrundfunk und an dort gemachte umstrittene Äußerungen über Juden, was dann zu seinem vorzeitigen Rückzug führte. Höfer hatte übrigens von v. Schnitzler nach 1945 einen “Persilschein” zur Bestätigung seiner Unbedenklichkeit ausgestellt bekommen, was erklärt, warum beide nie mit offenem Visier gegeneinander im Ätherkrieg zu Felde gezogen waren.

Unter Leitung von Gerhard Fuchs glitt die Nachfolgesendung des Frühschoppens “Der Presseclub” dann nach meiner von Günter Krause und Wolfgang Schäuble organisierten Befreiung vor allem bei Wirtschafts- und Sozialthemen nicht inhaltlich, aber der Form und Art der gleichgeschalteten Diskussion nach auf des Niveau des Meinungseinheitsbreis des einstigen Sonntagsgesprächs des Deutschlandsenders. Von da ab beherrschte das Dogma eines vorgeblich postideologischen oder gar ideologiefreien, aber in jedem Fall alternativlosen Neoliberalismus den Presseclub.

So hat sich wohl kein sozial gesinnter, gleichsam freiheitsliebender wie vielfaltsbefürwortender Mensch die Vereinigung beider deutscher Staaten vorgestellt, geschweige denn gewünscht. Sie brachte auch auf diesem Feld keine Verbesserung, sondern, um mit Höfer zu sprechen, allenfalls eine Verschlimmbesserung.“
Rudolf Reddig

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