Rettet den Rundfunk – Vor Privatisierung und vor der eigenen Propaganda

Rettet den Rundfunk – Vor Privatisierung und vor der eigenen Propaganda

Rettet den Rundfunk – Vor Privatisierung und vor der eigenen Propaganda

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unter Beschuss: vonseiten der Privatmedien, vonseiten aufgebrachter Bürger und von Teilen der CDU: Letztere wollen den ÖRR gar privatisieren. Dagegen muss das Prinzip eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks verteidigt werden. Aber diese Verteidigung war wegen der massiven inhaltlichen Verfehlungen der Sender selten so schwer wie heute. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Teile der CDU bringen aktuell die Forderung ins Spiel, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu privatisieren, wie Medien berichten. Dieser Vorschlag, mit dem die Partei möglicherweise in den Wahlkampf ziehen will, ist destruktiv. Man sollte sich nicht zu einer Unterstützung hinreißen lassen – auch nicht wegen der nur allzu berechtigten inhaltlichen Kritik an ARD, ZDF und Deutschlandfunk: Eine private Alternative zu Öffentlich-Rechtlich kann nicht die Lösung des jetzigen Zustands sein, auch wenn der nur schwer erträglich ist. Darum lautet das Handlungsmotiv beim Umgang mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Scharfe Kritik, ja. Abschaffung, nein!

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) ist im Moment besonders schwer zu verteidigen. Die öffentlich-rechtlichen Medien müssen ganz aktuell noch mehr als in der Vergangenheit kritisiert werden, wegen des bedenklichen Umgangs vieler ihrer Mitarbeiter mit den Corona-Vorgängen: Die teilweise Unterstützung einer unseriösen Panikmache, das Einfügen in einen breiten Gleichklang, die Teilnahme an Diffamierungen von Andersdenkenden und andere unseriöse Praktiken legen einen zusätzlichen Makel auf das Bild dieser Institutionen, auch wenn einzelne positive journalistische Ausnahmen immer wieder diesem Urteil gegenüberstehen.

Privatisierung des ÖRR verbessert nicht die Medienlandschaft

Kritikwürdige Praktiken sind nicht erst mit dem Ausrufen der „Pandemie“ beim ÖRR eingezogen, die Bürger waren auch vorher bereits an fehlende journalistische Seriosität gewöhnt: etwa von den Kampagnen (unter anderem) zu Syrien, zur Ukraine, zu den USA, zu Streiks, zu Mindestlöhnen, zu Krieg und Aufrüstung oder zur „liberalen“ Wirtschaftsordnung. Noch einmal massiv zugenommen haben aber seit Corona die Gleichförmigkeit der Inhalte, der Umgang mit absoluten und aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen und mit irreführenden Begriffen wie „Neuinfektionen“, wie die NachDenkSeiten kürzlich im Artikel „Eine Woche ohne Massen-Medien – Ein Selbstversuch“ geschrieben und folgende Punkte ergänzt haben: Der Wille zur Übertreibung. Der giftige Umgang mit begründeten Bürger-Sorgen vor Überwachung und einem langfristigen Umbau der Gesellschaft über Corona hinaus. Der aggressive Umgang mit Skeptikern. Die moralischen Posen, die der Realität nicht standhalten. Die Ignoranz gegenüber Verhältnismäßigkeiten. Die unhaltbare Darstellung einer „Alternativlosigkeit“. Wie auch der ÖRR zu einer Verwischung der politischen Begriffe beiträgt, hat Albrecht Müller gerade in dem Artikel „Auch die rechte ‚Mitte‘ gilt als links“ beschrieben.

Eine Abschaffung bzw. Privatisierung der Sender wären aber trotzdem keine Verbesserung der Medien-Situation in Deutschland, eher im Gegenteil. Die Pläne der CDU sind darum konsequent abzuwehren. Medien berichten zu den Details, dass die CDU mit den Privatisierungserlösen einen Medienfonds speisen wolle, aus dem künftig einzelne Programminhalte finanziert werden könnten. Bis es so weit sei, solle der ÖRR laut CDU auf Aufgaben beschränkt werden, „die private Anbieter nicht oder nur unzureichend gewährleisten können“. In Zukunft dürften demnach nicht mehr ganze Sender, sondern nur noch Senderinhalte gefördert werden. Die CDU-Signale sind widersprüchlich: Im Gegensatz zu dem Wahlkampf-Papier verlautete aus der Partei, dass Generalsekretär und Parteivorsitzende zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk „stehen“ würden. Weitere Hintergründe zu dem Vorstoß finden sich etwa in diesem Artikel auf Telepolis.

Der Umgang mit dem ÖRR und der geplanten Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,36 Euro pro Monat schlug kürzlich andernorts Wellen, weil mit Sachsen-Anhalt ein Bundesland aus dem Konsens der Länder ausgeschert ist. Jetzt soll der Streit vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden. Die politischen Positionen der LINKEN zum ÖRR finden sich unter diesem Link und die der SPD unter diesem Link.

Opportunismus und journalistischer Gleichklang

Wie gesagt: Der inhaltliche Zustand des ÖRR ist weitgehend (positive und mutige Ausnahmen bestätigen die Regel) unhaltbar. Wenn man also das wichtige öffentlich-rechtliche Prinzip auch langfristig verteidigen können möchte, bleiben die drängenden Fragen: Wie kann ÖRR formal konkret reformiert werden? Wie gelingt es, dort ein breiteres Meinungsspektrum abzubilden? Wie können Opportunismus, Gleichklang und andere journalistische Defizite gemindert werden? Welche organisatorischen Änderungen, etwa bei der Zusammensetzung der Rundfunkräte, wären sinnvoll?

Bürger können die Vorgänge innerhalb der Privatmedien kaum beeinflussen. Im Vergleich dazu haben die Gremien von ARD, ZDF und Deutschlandfunk (wenigstens in der Theorie!) einen zumindest offiziellen „demokratischen“ Auftrag. Wenigstens in der Theorie kann man sich mit Programmbeschwerden an sie wenden, man kann sich – statt auf den zahnlosen Presserat – auf konkrete Gesetzestexte berufen, etwa auf den offiziellen Auftrag, „einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben“. Die Beschwerden gegen die zahllosen Verstöße des ÖRR gegen den eigenen Auftrag werden oft abgeblockt, das ist frustrierend – aber immer noch besser, als gäbe es nicht einmal die theoretische Möglichkeit. Der ÖRR steht dadurch, und wegen seiner verminderten Tendenzfreiheit, unter höherem Druck, sich inhaltlich zu rechtfertigen, als private Konzernmedien. Mit einer Abschaffung oder Schwächung des öffentlich-rechtlichen Systems werden die zahlreichen und berechtigten Kritikpunkte am ÖRR nicht abgestellt und die Qualität der deutschen Medienlandschaft insgesamt nicht verbessert.

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