Leserbriefe zu „Auch die rechte „Mitte“ gilt als links – mit Folgen für die nächsten Wahlen“

Ein Artikel von:

Albrecht Müller weist in diesem Beitrag darauf hin, dass durch den Kampf gegen rechts mittlerweile eine „Verschiebung des Blicks auf die politische Geographie“ zugunsten der konservativen Positionen zu beobachten ist. Zu befürchten ist, dass das „für die Rechtskonservativen und Rechten positive, für die fortschrittlichen, linken Kräfte bittere Folgen“ haben könnte. Danke für die Leserbriefe. Hier nun eine Auswahl. Zusammengestellt von Christian Reimann.

1. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

zunächst ein konkretes Erlebnis, vor etwa einem Jahr. Gespräch mit einem Gründungsmitglied der Grünen, auf lokaler Ebene aktiv, Akademiker. Als ich etwas erwähnte, was inhaltlich auf “Verständigung und Kooperation mit Russland” hinaus lief, kam, wie aus der Pistole geschossen: “Aber die Annexion der Krim”. Zu weiteren Erklärungen, z.B. dass es keine Annexion war, bin ich gar nicht mehr gekommen. Der hatte ein fest gezimmertes Mainstreamweltbild. Als ich, anlässlich der Nawalny-Affaire, ihm gesagt habe, man müsse die Hetze führender Köpfe der Grünen gegen Russland stoppen, das sei falsch und gefährlich, kam nur noch, dass er das anders sähe und nicht mit mir darüber reden wolle. Lagerdenken und Diskussionsverweigerung bei den Grünen. Wo sitzen jetzt die Rechten?

Nun meine Vermutung, was dahintersteckt. Auf der persönlichen Ebene, nicht als gesellschaftliches Komplott. Ich denke, es ist die Sehnsucht, gleichzeitig Elite und progressiv zu sein. Damit gehört man auf jeden Fall zu den “Guten”. Im Detail geht das so. Man sucht sich ein Feindbild, dass unbestritten ist. Also Antisemitismus. – Nach 6 Millionen ermordeter Menschen mit jüdischem Bezug durch Nazideutschland ist das mit Recht allgemeiner Konsens (was ist mit den 27 Mio Sowjetbürgern?) – Nun muss man nur noch das Zentrum des Kampfes gegen Antisemitismus in der aktuellen israelischen Politik und ihrem Unterstützer, den USA, verorten. Also, pro US-Politik, und allem was damit zusammenhängt. Damit gehört man zur Elite. Und gegen “Antisemitismus” (hier stehen Anführungsstriche, weil das in diesem Kontext ja eine Schimäre, eine Ideologie ohne praktischen Bezug ist) und alles was “rechts” ist. Und damit ist man an der Spitze des progressiven Lagers. Ist man natürlich nicht,. Aber man kann sich dafür halten, wenn man den Blickwinkel nur eng genug einstellt. Auf eine weltfremde Schmalspurideologie.

Herzliche Grüße und besinnliche Feiertage wünscht,
Rolf Henze


2. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

ich teile Ihre Beobachtungen vollständig. Die von Ihnen prognostizierten Auswirkungen auf das Wählerverhalten sind in diesem Zusammenhang verwirrend. Wie konnte die Verschiebung der politischen Koordinaten aber gelingen? Ich glaube, es liegt an dem Versäumnis, nicht hinreichend herauszustellen, was linke Positionen bedeuten. Hier ließe sich eine Technik der “Meinungsmache” einmal im positiven Sinne einsetzen: das ständige Wiederholen der wesentlichen Kriterien, die linke Politik eigentlich ausmachen

– in Fragen der gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung
– in Fragen der Solidarität
– in der klaren Position zur Friedenspolitik

Das war es schon, mehr muss sich der Bürger nicht merken. Wo bitte schön sind bei diesen Prinzipien die “neuen” Linken mit Frau Merkel an der Spitze zu verorten? Ich denke, das lässt sich sehr einfach erkennen. Man darf sich die Meinungshoheit hier nicht aus der Hand nehmen lassen.

Mit freundlichen Grüßen
Björn Ehrlich


3. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Albrecht, liebes Nachdenkseite-Team,

herzlichen Dank für Ihre sehr wertvolle Arbeit grundsätzlich und für Ihren interessanten Artikel “Auch die rechte Mitte gilt als links….”. 
Sie fragen uns Leser am Ende des Artikels ob wir diese Beobachtungen teilen, diese Frage möchte ich mit einem klaren JEIN beantworten.

Als Begründung möchte ich unterscheiden zwischen Außen- und Innenpolitik. Außenpolitisch betrachtet gebe ich Ihnen recht, mit Ausnahme der durch die Präsidentschaft von Trump eingefrorenen Beziehungen zu den USA hat sich nichts nach links verschoben; man ist weiterhin klar transatlantisch, anti-russisch und zunehmend auch anti-chinesisch eingestellt. 

Innenpolitisch sehe ich jedoch eine deutliche Verschiebung der CDU/CSU nach links in den letzten 15 Jahren. Unter folgendem Link finden Sie das Wahlprogramm der CDU/CSU aus dem Jahr 2005, mit dem Frau Merkel an die Macht kam:

https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=6c914ac8-7c46-b010-b1a1-24aa4261d24b&groupId=252038

Einige beispielhafte Punkte aus diesem Wahlprogramm:
Aussetzung des Kündigungsschutzes bei Neueinstellungen in Betrieben bis 20 Mitarbeiter (S. 12)
Aufhebung der Beschränkung von befristeten Arbeitsverträgen (S. 13)
Senkung der Einkommenssteuer auf 12% Eingangs- und 39% Spitzensteuersatz (S. 17)
“Wir brauchen die Kernkraft”, Laufzeitverlängerungen (S. 20)
Begrenzung der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt auf Mangelberufe (S. 34)
Europa: “Wir verhindern weiteren Zentralismus und holen uns Kompetenzen zurück” (S. 35) “Strikte Auslegung des Stabilitätspaktes” (S. 36)

Natürlich hat sich die Welt in 15 Jahren verändert, man muss doch aber feststellen, dass die CDU insbesondere in den Bereichen Energie, Zuwanderung und Europa sämtliche, ehemals konservativ besetzte Felder, aufgegeben hat. Damit hat man sich der SPD und nun auch den Grünen soweit angenähert, dass eine Koalition natürlich erscheint. 

Daraus folgt eine Parteienlandschaft bei der sich CDU/CSU, SPD und Grüne innenpolitisch wenig und außenpolitisch überhaupt nicht mehr unterscheiden – eine solide Mehrheit dieser drei Parteien ist auf absehbare Zeit gegeben. Ich stimme Ihnen zu, dass die AFD von dieser Konstellation nur profitieren kann, jedoch werden sich daraus nie Machtoptionen ergeben.

Somit ist die Verschiebung der rechten Mitte nach links aus meiner Sicht keine Kommunikationsstrategie, sondern eine innenpolitische Tatsache, resultierend aus Merkels viel beschworener “asymmetrischen Demobilisierung”.

Mit besten Grüßen
Stefan Sch.

Anmerkung Albrecht Müller: Interessant. Eine andere Sichtweise. Danke vielmals. Es gibt Zugeständnisse der CDU/CSU. Aber aus meiner Sicht haben wir es insgesamt mit Rückschritten bis hin zur Restauration zu tun. Siehe dazu auch die am 23. Dezember wiedergegebene Einführung in „Die Revolution ist fällig.“ Die außen- und sicherheitspolitische Position der Union und auch der beiden anderen genannten Parteien wird immer reaktionärer, und innenpolitisch ist zum Beispiel die tatsächliche und moralische Aufrüstung der Polizei alles andere als links und beruhigend.


4. Leserbrief

Lieber Herr Müller,
 
Ihren Artikel über die allg. Definition des Begriffs „links“ fand ich sehr interessant, Sie haben ja schon öfter über dieses Thema geschrieben und ich kann Ihnen nur zustimmen.
 
Ich selbst stamme aus einer sozialdemokratischen Familie (3 Generationen), bei uns wurde viel diskutiert und ich bin im fortgeschrittenen Alter eigentlich erst so richtig links geworden, wie ich mich mehr mit sozialer Ungerechtigkeit etc. beschäftigen konnte.
 
Trotzdem finde ich den Begriff „links“ problematisch ( vielleicht weil dieser Begriff in Bayern noch nie so richtig salonfähig war):
 
Erstens wird dieser Begriff, wie Sie selbst wahrnehmen können,  inzwischen falsch angewendet und gar nicht mehr richtig definiert, er ist so richtig schwammig geworden und jeder versteht was anderes darunter.
 
Zweitens wird er bei vielen Leuten immer noch als synonym für sozialistisch, kommunistisch, Gleichmacherei usw abgespeichert.  Im konservativen Bayern ist man dann auch noch unchristlich, atheistisch und was sonst nicht alles.
 
Drittens wird unbewußt links z. B.  mit linkisch und falsch assoziiert, rechts  dagegen mit  richtig und gerecht.
Diese unbewußten Assoziationen darf man nicht unterschätzen, sie prägen still schweigend unsere Gedanken und Handlungen.  Siehe auch das Thema Framing, wo ähnlich gearbeitet wird)  
 
Auf der anderen Seite wird der Begriff „ liberal“  mit Freiheit assoziiert, obwohl er meist als wirtschaftsliberal gemeint ist und von daher in meinen Augen für viele Menschen eher zu Unfreiheit und sozialer Ungerechtigkeit führt. Diese Wort sollte meiner Meinung nicht mehr verwendet werden ohne klarzumachen, was man genau meint.
 
Ich würde mich selbst nie als liberal bezeichnen , obwohl Freiheit für mich das Wichtigste ist, solange sie nicht auf Kosten meiner Mitmenschen geht.
 
Was Sie beschreiben ist sicher eine neue Entwicklung, doch war die negative Konnotation des Begriffes Links auch schon vor der Merkel-Ära zu spüren.
Jetzt werden viele als links bezeichnet, obwohl sie es gar nicht sind.
 
Früher war die CDU rechts und die SPD links, und rechts sein war positiv, zumindest in Bayern.
Jetzt ist der Begriff rechts  für viele negativ geworden und man bekämpft die Rechten.
Unbewußt ist der Begriff rechts aber positiv konnotiert und das sind die Rechten, Richtigen und Gerechten.
Viele Mitglieder der AfD sind ja hoch „moralisch“.
 
Vielleicht sollten die Menschen, die für eine gerechte Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit, eine freie und tolerante Gesellschaft und eine friedliche Welt eintreten, sich ganz anders nennen.
 
Ich möchte mich für eine gemeinwohlorientierte, ökologisch ausgerichtete und egalitäre Gesellschaft einsetzen, in der Menschen liebevoll und fürsorglich füreinander da sind und dasein können, weil sie die innere und äußere Freiheit dazu haben.
 
Wie soll man das aber in einem einzigen Wort definieren?
 
Ich bin zudem in mancher Hinsicht stockkonservativ, behandle naturheilkundlich, bin religiös wenn auch ohne bestimmte Glaubensrichtung usw. usw.
Wenn ich nicht ausdrücklich mich als links outen würde,  würde niemand auf die Idee kommen, dass ich links bin im politischen Sinne.
 
Vielleicht sollte man den Begriff links schärfer definieren oder durch einen anderen Begriff ersetzen. Vielleicht ist die Zeit aber noch nicht reif.
 
Ich wünschen Ihnen und dem ganzen Nachdenkseiten-Team frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr.
Maria McCray


5. Leserbrief

Sehr geehrte NDS, sehr geehrter Herr Albrecht,

Ob ich diese Beobachtungen teile? Selbstverständlich. Für mich ist es unverständlich, wie man unsere Regierung links oder mittig einordnen kann, die Corona-Politik spricht doch eine deutliche Sprache … gegen das Volk. Wie sagte doch FJS so schön : Rechts von der CSU ist eine Wand. Vor dieser Wand stauen sich aktuell viele Parteien, nicht nur die CSU oder die AfD. Die Kriegstreiberei unserer Kriegsministerin würde ich auch nicht gerade als links bezeichnen, und unser Aussenminister hat ja scheinbar auch keine Berührungsängste mit Rechtsextremen wie er in der Ukraine und auch mit Besuch des brasilianischen Ministerpräsidenten gezeigt hat.

Einen Kampf gegen Rechtsextremismus sehe ich nicht bei unseren Politikern, allenfalls einen Schaukampf unseres Innenministers und anderer Politiker. Dazu braucht man sich nur ansehen was gegen den Rechtsextremismus in der Polizei und der Bundeswehr unternommen wird, nicht viel. Ganz zu schweigen vom eigentümlichen NSU Prozess oder was nach den rechtsextremen Attentaten passiert ist. Stattdessen gibt es einen Kampf gegen links, besonders gut sichtbar bei allen Polizeiaktionen und Prozessen die im Zusammenhang mit dem G20 Gipfel in Hamburg stattfanden und immer noch stattfinden; aktuell gerade ein Prozess gegen 5 Jugendliche denen keine Straftaten vorgeworfen werden können, nur das sie bei den Demonstrationen mitgelaufen sind, quasi Kontaktschuld.

Viele Grüße
Ingo Erik Moltzen

P.S.: Es wäre schön wenn Herr Albrecht mal einen Vergleich anbringen könnte wie Politik in seiner aktiven Zeit betrieben wurde und wie Sie heute betrieben wird, wenn das möglich ist. Früher war sicherlich nicht alles besser, aber der Ton war doch deutlich freundlicher und man war offener gegenüber anderen Meinungen. Gerade für die jüngere Generation wäre dieser Vergleich sicherlich sehr interessant.

Anmerkung Albrecht Müller: Das ist ein gefährliches Terrain. Es könnte nostalgisch wirken.


6. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Albrecht Müller,

sie finden mich erstaunt ob ihrer jetzigen Erkenntnis. Ich verfolge diese Entwicklung gedanklich schon seit gut 30 Jahren.

Und wenn ich mich nicht irre habe ich in mindestens einer Mail an ihre Redaktion, auch schon einmal die Frage der politischen Bedeutung  philosophischer und politisch ideologisch Begriffe versucht zu erörtern. Über die Frage rechts oder links zu diskutieren und ihre grundlegenden Richtungen darzulegen, erfordert die Auseinandersetzung mit solchen Begriffen´. Und heute ist dies noch viel wichtiger , das beweist das Internet und hier ganz besonders die verheerende politische, philosophische und geschichtlich ja sogar kulturell und wissenschaftlich ins Nirvana führende Wirkung durch Portale wie Wikipedia. Wer heute wie sie es auch in ihrem Buch “Glaube wenig, Hinterfrage alles, Denke selbst” zu Recht fordert, sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu der ja auch die politischen gehören auseinandersetzen will, muss sich vor allem mit den Philosophen und ihrer Auseinandersetzung zur Definierung von Begriffen befassen. Grundlage für die “Neoliberale”rechte Entwicklung sind eben die Verunstaltung und Sinnentfremdung von Begriffen wie Faschismus( Holocaust- Nationalsozialismus), Klassen, Klassenkampf, Demokratie,Freiheit Recht Gerechtigkeit (soziale Gerechtigkeit).
 
Ich behaupte dass wenn sie ein Umfrage zu den gebräuchlisten Begriffen wie Demokratie, Freiheit, Staat, Gesellschaft, System (Kapitalismus, Sozialismus, Imperialismus, Kommunismus- Reihenfolge hier unwichtig) und ihre inhaltliche Bedeutung und seine möglichen Alternativen machen würden, würde ihr Entsetzen noch größer sein. Meine Erfahrung ist, dass viele überhaupt keinen Begriff deuten geschweige denn definieren können. Aber ohne die grundlegenden Kenntnisse über Wirkungsweise von den Gesetzmäßigkeiten in der Natur und Gesellschaft kann ich auch und gerade in dieser Gesellschaft nichts verändern. Die Linke hat sich genauso wie die SPD selbst verraten, denn sie unterstützt Geschichtsklitterung und Begriffsverfälschung sowie die unwissenschaftliche Arbeit in solchen Portalen wie Wikipedia. Sie hat sich dem Kapital zu und vom Klassenkampf abgewandt genauso wie die Gewerkschaften. Damit haben sie ihre eigenen politischen oder gewerkschaftlichen
Ziele längst verlassen. Die Linke ist nicht wenig Schuld an diesem Dillema. Sie hat die Arbeiter, die Angestellten und die Bauern im Stich gelassen.Also den großen Teil der Menschen die von politischer Bildung sowieso schon von Staats wegen ausgeschlossen ist. Ihr Agenda geht in die Mitte der Gesellschaft und wird dort endgültig begraben werden. Die Mitte ist für mich nicht anderes als Augenauswischerei. 
Die Linke lässt ihre progressivsten Kräfte verdorren. Über die Rechte brauche ich dabei nicht zu reden. Von denen erwarte ich nichts anderes. Nur wenn wir klare Linien in der Politik auch begrifflich objektiv definieren können und diese bei allen Gegensätzen ausdiskutieren, und mit der Zielstellung Veränderung zum besseren im Sinne der Menschheit versehen, werden wir etwas verändern.
 
Heute ist die politische Bildung auf einem so niedrigen Niveau, wie ich es im ganzen Leben noch nicht erfahren habe. Und die Ursache ist die Unwissenheit über poltische wirtschaftliche soziale und kulturelle Zusammenhänge und der Glauben, der aber Wissen nicht ersetzen kann. Und dafür hat vor allem die Neo & Liberale Politik gesorgt, deren Vertreter heute selbst nichts mehr richtig definieren können und denen Linke Führungskräfte auch schon Reihenweise auf den politischen Leim gegangen sind.

Und die Philosphen die dem Staat in den Anus kriechen sind, obwohl sie unabhängig sein sollten ein besonderes Übel im Kampf um politische Bildung der Menschen.

Ich sehe im Moment auch nicht das Querdenken daran etwas ändern kann. Wir brauchen eine neue Volksbewegung, die alle progressiven Kräfte in sich vereint. Ansonsten wage ich hier nicht zu sagen, wohin wir wandern, obwohl ich denke das ich es weiß.

Mit freundlichen Grüßen J.Karsten


7. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,
 
schlimm ist, dass das Image mehr Beachtung erfährt als die Inhalte. Da ist leider kaum noch ein Unterschied, zumindest bei denen die im Bundestag sitzen, zu erkennen. Wenn sich jetzt auch noch Die Linke angleicht, dann noch weniger.
Die ÖR sind, wie Sie schon schreiben, noch nie das gewesen, was immer behauptet wird. In den letzten circa 30 Jahren ist es noch weniger geworden, was da an kritischen Berichten gezeigt wird, wenn dann zu später Abendstunde.

Volker Pisper hat schon vor Jahren gesagt, dass der Deutsche an sich ein bißchen Schizo ist, 70-80% sind gegen Krieg, aber Wählen trotzdem die Parteien, die für Krieg sind.

Die Propaganda wirkt anscheinend gut.
 
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Haack


8. Leserbrief

Hallo Herr Müller,

ich sehe es ähnlich wie Sie, aber doch auch ein bißchen anders. Ich denke, die große Verwirrung bei der politischen Verortung hängt auch damit zusammen, dass ausgehend von der 68er Bewegung – teils einer inneren ideologischen Logik folgend, teils aber wohl auch von außen gesteuert – ein Prozess der politischen Transformation der Linken stattgefunden hat:
Ein erheblicher Teil der sich links wahrnehmenden Gruppen hat sich in eine Art “domestizierte Linke” verwandelt. Und darunter ist wiederum ein nicht kleiner Teil, den man sogar als “dressierte Linke” bezeichnen kann:
Diejenigen unter den sich selbst als links verortenden Kräfte, die bereitwillig über jedes Stöckchen springen, welches ihnen die Herrschenden hinhalten. Das sind dann die “Linken”, die sich selbst als besonders moralisch überlegen erachten, aber mit Begeisterung bei jeder Schweinerei mitmachen. Z.B. bei völkerrechtswidrigen Angriffskriegen. Man muss diese nur als humanitäre Wohltat umdeklarieren. Bomben für den Regenbogen und humanitäres Kindertotschlagen (wie Jürgen Todenhöfer es sinngemäß bezeichnete). Wenn Regierungen oder nationale Herrscher den westlichen Interessen im Wege stehen, so reicht es diese zu dämonisieren. Man malt diesen einfach einen Seitenscheitel und Hitlerbärtchen auf und zeigt dieses dann gewissen Zeitgenossen, und schon haben diese Schaum vorm Mund und schreien nach der Mobilmachung der “humanitären” NATO-Bombern. (Die Hitler-Inkarnationen sind in den letzten Jahren so vielfältig geworden, dass man diese kaum noch zählen kann.)

Und statt sich um soziale Gerechtigkeit zu sorgen, statt die Verteilungs- und Machtfrage zu stellen, toben diese “Linke” sich lieber auf Ersatzfeldern aus, wo sie die Interessen der Herrschenden nicht stören. All diese Themen des linksliberalen Zeitgeistes*, wo man sich selber und den anderen der eigenen Blase gegenüber versichern kann, was für ein guter und toller Mensch man doch sei. (Der selbstgefällige Narzissmus des linksliberalen Establishments.) Und hier trifft man dann aber in der Tat auf eine große “Einheitsfront” von Medien, Politik und Gesellschaft, wo sich (radikale) Kulturliberale mit (radikalen) Wirtschaftsliberalen eins sind, und sich auch vehemente Vertreter des transatlantischen Imperialismus wiederfinden: Man spricht sich für Diversität aus, man zeigt wie weltoffen und multikulturell man ist und gendert ganz vorbildlich die Sprache. Und das ist es, was heute das Bild von “links sein” bestimmt. Dieses wird von weit rechts bis hin zu bürgerlichen Kreisen, die da etwas abseits stehen, als links wahrgenommen.

Und man kann ja nicht abstreiten, dass ein nicht unerheblicher Teil des bürgerlichen und des wirtschaftsliberalen Spektrums sich auch bewußt kulturliberal gibt. Während umgekehrt als links geltende Kräfte (wie die SPD oder die Grünen) sich für Wirtschaftsliberalismus, Transatlantizismus bis hin zum Imperialismus stark machen. (Man denke nur an Marieluise Beck und ihren Ehemann Ralf Fücks und deren Zentrum Liberale Moderne.)

Mit besten Grüßen
Marco Merten

*) Das hört sich etwas abfällig an, ist so aber nicht gemeint. Es gibt da natürlich durchaus Themen, die wichtig sind und ihre Berechtigung haben. Abzulehen ist es nur, wenn diese Themen als Ablenkung und Alibi fungieren, und man sich im Klein-Klein der Befindlichkeiten noch so kleinster
Randgruppen verliert.


9. Leserbrief

Guten Tag,

ich wollte zu dem o.g. Beitrag ein Statement loswerden, weil es mich echt beschäftigt.
Inzwischen ist ja irgendwie alles links, nur nicht die AFD. Obwohl da teilweise auch , zwar selten, gute Stellungnahmen kommen.
Ich bin eher politisch links einzuordnen, also das wirkliche links, auch wenn ich “ganz normal” lebe. Ich bin jetzt kein Aussteiger aus dem System.
Aber zumindest meine Ansichten sind richtig links. Gegen Kriege, und auch gegen die westlichen Interventionskriege , für soziale Gerechtigkeit , auch in Deutschland, für eine Millionärssteuer und eine Steuer für Konzerne und große Unternehmen, gegen Privatisierungen öffentlicher Güter, gegen die Macht der globalen Konzerne und der Finanzmärkte und daraus folgend für richtige Bürgerdemokratie. Auch wenn ich wählen gehe, alle paar Jahre. Eine richtige Demokratie ist das für mich nicht.
Aber Einwanderung nach Deutschland, auch wenn die Linke das befürwortet, sehe ich als keine linke Politik.
Ich bin da eher auf Wagenknecht Linie.
Aber die aktuelle Politik in Deutschland als links zu bezeichnen ist echt absurd.

Schon erschreckend, dass die Menschen das alles glauben, was für sie alles links ist. Und die Medien spielen das Spiel richtig gut mit.

Wie man da wieder rauskommt?
Schwierig.
Vielleicht immer wieder in Gesprächen und in den sozialen Netzwerken versuchen, den Menschen das mitzuteilen.

Aber ich fürchte, dass schwarz- grün im nächsten Jahr an die Macht kommt.
Beide Parteien sind alles andere als links und für mich unwählbar.

Schöne Grüße
Tim R.


10. Leserbrief

Lieber Herr Albrecht Müller,

mir fiel diese Entwicklung eigentlich schon seit sehr langer Zeit auf. Es fing ziemlich genau mit dem Einzug der AfD in den Bundestag an und hier ist durchaus eine gewisse Strategie zu erkennen, die dahin läuft, das z.B. die erzkonservative, ultrarechte und sozialfeindliche CDU/CSU sich plötzlich allen Ernstes als “links” oder zumindest “linksliberal” rein gewaschen und bezeichnen darf, obwohl sie inhaltlich seit Kohl sehr hart nach rechts gerückt ist. Eine sogg. “Politik der Stärke” beispielsweise (Aufrüstung des Militärs gegen ausgedachte “Feinde”), die alle führenden CDU-Politiker seit einiger Zeit wie eine geheiligte Monstranz vor sich hertragen, war eigentlich immer eine der Hauptforderungen der Rechts-Aussen und zu Kohls Zeiten verpönt bis dort hinaus. Heute gilt das ganz ernsthaft als “Links”!

In den Reden von Rechtsaussen wie Björn Höcke sind im Grunde alle “links” oder “linksgrün versifft”, die nicht NPD oder AfD sind. Sogar die extrem unsoziale Reichen-Partei CDU (oft wesentlich passender als “Club Deutscher Unternehmer” bezeichnet) wird z.B. in vielen Foren-Diskussionen allen Ernstes als “links” verortet, weil Merkel damals unter eindeutigem Bruch der Dublin-Verträge im Syrien Krieg alle Deutschen Grenzen für eine völlig unkontrollierte Flüchtlingsaufnahme (“am Deutschen Wesen soll die Welt genesen”) geöffnet hatte.

Auch unsere sogenannte “Linke” ist gnadenlos auf diesen Propaganda Trick hereingefallen, indem sie Wagenknecht (die für eine Europäisch ausgewogenere Flüchtlingspolitik bzw eine realistische Begrenzung des Zustroms eintrat) in völlig absurder Weise als “Rechtsradikal” bzw “Nazi” angefangen haben aus der Parteiführung zu mobben. Siehe auch fliegende Torten von völlig hysterischen “linken” Parteiangehörigen in ihr Gesicht bei einer Parteisitzung. Das hier staatlich engagierte “Agent Provocateurs” am Werk waren, um eine der wichtigsten und beliebtesten Oppositions-Politikerinnen endgültig mundtot zu machen, ist zumindest sehr naheliegend!

Von den inzwischen stock-konservativ gewordenen Grünen (eigentlich kaum noch von der CDU zu unterscheiden!) ganz zu schweigen. So hat sich fast der gesamte ehemals linke Sektor ziemlich radikal nach rechts verschoben. Die SPD war nur der Anfang.

Es hängt in gewisser Weise mit dem in ihrem Buch beschriebenen Propaganda-Trick “B sagen und A meinen” zusammen. Die AfD betätigt sich auch hier – gut versteckt!-  als reine System-Partei. Sie legitimiert im Grunde ultra-rechte und klassisch Arbeitnehmer-feindliche Parteien wie die CDU/CSU samt Grüne und der heutigen Konzern-SPD  als “Soziale” bzw. “linke” Parteien, indem sie sie als “linksgrünversifft” bezeichnen. Die konservative Rechte wird so plötzlich zur “Linken Mitte”, obwohl sie sich programmatisch eigentlich genau ins Gegenteil, nämlich stramm nach rechts verschoben hat.. Die AfD hat so dem erzkonservativen Mainstream im Grunde einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Sehr schlaue Strategie, muss man ehrlich zugeben.

Zu bemerken wäre noch, dass unsere inzwischen an Oberflächlichkeit kaum mehr überbietbaren Medien das ganze perfide Spielchen “aus rechts mach links” brav wie immer mit spielen, indem eine SPD und Grüne Partei tatsächlich immer noch als “zum linken Spektrum gehörend” identifiziert werden.

Mit Freundlichen Grüssen,
M.H.


11. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

treten Sie einen Schritt zurück und blicken Sie auf das, was die Politik dieser Tage anbietet. Blicken Sie auf das gesamte Parlament, abzüglich der AfD.
Was sind die wichtigsten, die fünf größten Themen, die wir bei allen vorfinden?

– Wirtschaftsmigration aus arabischen Ländern und vom afrikanischen Kontinent nach Deutschland muss mindestens in Höhe einer Großstadt pro Jahr stattfinden. Wer das kritisiert ist ein Nazi. Grenzen müssen fallen, Grenzen sind Nazi.

– Die Corona-Maßnahmen müssen ungeachtet der offiziellen Zahlen des RKI und des Statistischen Bundesamts und bar jeglichen gesunden Menschenverstands immer weitergeführt und verschärft werden. Wer das kritisiert ist ein Verschwörungstheoretiker, Nazi und / oder braucht psychologische Betreuung (Zitat Merkel). Der Gesamtbevölkerung einen experimentellen, gentechnischen Wirkstoff verabreichen ist gut und wünschenswert.

– LGBTQXY und Gendersprache sind von enormer Wichtigkeit, Männer sind die Feinde der Frauen, weiße Männer sind die Feinde der ganzen Welt. Rassismus ist böse, aber permanent auf rassistischer Basis von Schwarzen und “PoC” zu reden um sie herauszuheben ist kein Rassismus. Wer das kritisiert ist ein Chauvinist, Rassist und ein Nazi. Dass Linke die Front zwischen Reich und dem Rest begreifen müssen und sich die Menschen nicht untereinander aufhetzen lassen dürfen, das wird tunlichst vergessen.

– Grassierende Umweltzerstörung lässt sich auf den Klimawandel runterbrechen, der Klimawandel lässt sich auf CO2 runterbrechen. Wir werden gerettet, wenn wir eine globale CO2-Gesetzgebung akzeptieren. Wer das kritisiert leugnet die Wissenschaft und ist ein Nazi. Eventuell ist Glyphosat noch ein Problem, das tatsächliche globale Ausmaß synthetischer Gifte in der Landwirtschaft und überhaupt alles andere sparen wir aus.

– Donald Trump ist böse. Ja warum eigentlich? Begann ein Obama nicht etwa mehr Kriege? Mordete und spähte aus, dass einem das Blut in den Adern gefriert? Stellt Trump sich nicht eigentlich gegen das Establishment, wird daher in diesem Ausmaß bekämpft? Hat er etwa nicht Stimmen dazugewonnen bei der Wahl, und kann nur durch enorme “Unregelmäßigkeiten” abgesägt werden? Nein, Trump ist böse und wer Trump unterstützt ist ein Nazi.

Nun werden Sie leicht erkennen, dass besonders das linke politische Spektrum sich auf diese fünf Themen ausnehmend fokussiert, ihnen geradezu kultisch nachläuft. Monopolbildung, Ausbeutung der Arbeiterschaft, die Ausbeutung des Planeten, Eingriffe in die persönliche Freiheit, die Gefahren des Transhumanismus, nichts davon ist heute Teil linker Politik. Diese fünf Themen werden jedoch identisch von den Parteien und Personen besetzt, die Sie als “nicht links” wahrnehmen. Sie werden auch von den Massenmedien identisch, großflächig und propagandistisch verbreitet. Sie werden auch von den Konzernen 1:1 so vertreten und u.a. durch Werbung verbreitet. Die großen Tech-Konzerne zensieren munter und immer stärker alles was der heutigen Linken missfällt.

Sie sehen: die Linke ist selbst der größte Verfechter eigentlich nicht-linker Themen und Tendenzen, und mit allen die sie historisch bekämpfen müsste ganz vorne im Boot.

So wird verständlich, dass der Globalismus, der sich in den fünf Themen gerade am extremsten niederschlägt, als links wahrgenommen wird. Für mich, lange Jahre selbst links, ist aktuell im Hinblick auf die Umstrukturierung der globalen Verhältnisse im Zuge der Corona-“Krise”, der Technokommunismus unter Führung globaler Finanzeliten die größte Bedrohung unserer Zeit und ich sehe keinerlei echtes linkes Potential im Sinne des frühen 20. Jahrhunderts, sondern ausschließlich die enormen Gefahren linken Gedankenguts des 21. Jahrhunderts. So sehr ich z.B. die klassisch sozialdemokratische Ausrichtung der nachdenkseiten schätze, handelt es sich um eine Nische ohne gesellschaftlichen Einfluss, während leider ein rechtes Gegengewicht zu den globalen Entwicklungen zwingend notwendig wird.

Ich empfehle zum Thema Theodore Kaczynskis Manifest “Industrial Society and its Future”, in dem er den Zustand der Linken bereits 1995 sehr hellsichtig beschrieben hat. 25 Jahre später hat sein Text nur an Bedeutung gewonnen.

Beste Grüße
EG


12. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

danke, danke, danke für diese „historische“ Publikation. Ich bete für Sie, dass Sie noch lange Zeit unter uns weilen und weiterhin so klug publizieren.

Sie haben mit Ihrem Artikel vermutlich den Kern unserer gesellschaftlichen und politischen Probleme getroffen.

Ob die Eliten das so geplant haben – keine Ahnung. Mittlerweile ist daraus natürlich ein schein-linkes Diktat entstanden. Einst so fruchtbare Dialoge zwischen Rechts und Links, zwischen Tradition und Moderne, werden via Gruppenzwang heute von vorn herein unterdrückt oder strikt abgelehnt. Das fing schon mit der ständig voranschreitenden sprachlichen Hygiene an. Die mag ja ganz hilfreich und nobel sein, der politische Blickwinkel ist dadurch aber sehr, sehr schmal geworden.

Leider gilt die sprachliche Fairness derzeit nicht gegenüber den Kritikern der Corona-Maßnahmen. Als ob alle sprachlichen Fesseln der letzten Jahrzehnte knallend zerplatzen würden – so laut und vulgär schallt es. Auch, und gerade aus den Kehlen der deutschen links-grünen Intelligenz. Man kann und muss unterschiedlicher Meinung sein bei diesem schwierigen Thema, aber doch nicht so. Covidioten? Rechte Antisemiten? Einfach skandalös und eine pauschale Verhöhnung aller Opfer dieser Maßnahmen.

Zu Trump: Puh . . . Schon aus Dullheit (norddeutsch: eigensinniger Quergeist) habe ich manchmal Position FÜR diesen Mann ergriffen. Einfach, um nicht permanent auf die üblichen Klischees eingehen zu müssen.  Ob Kunst, Intelligenz oder Biedermann – alle haben auf ihn eingedroschen. Das hat schon sehr genervt. Auch deshalb, weil die Demokratie gerade hier seit Merkel sehr, sehr gelitten hat. Also das, was Sie beschreiben, auch diese perfide Art von Hochmut.

Ob die Leitmedien wohl überhaupt merken, dass sie einseitig berichten (nicht nur Corona)? Das wüsste ich, ehrlich gesagt, gerne.

Mit freundlichen Grüßen
Juergen Wehrse


13. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Albrecht Müller,

ich verstehe die Welt nicht mehr.

Diejenigen, die jahrzehntelang unser Gesundheitssystem kaputtgespart, privatisiert und dadurch die Beschäftigten in diesem Bereich an den Rand des Machbaren gestoßen haben, nur damit ein paar Reiche noch reicher werden, was soll an denen links sein ?

Es ist Mutti doch die ganze Zeit über am A… vorbei gegangen, wie es in unseren Alten- und Pflegeheimen zugegangen ist und jetzt plötzlich diese Fürsorglichkeit, für die wir alle zur Solidarität gezwungen werden?

Wenn jetzt die Inhaber großer Digitalkonzerne, die über Aktien mit den Pharmakonzernen verschränkt sind, durch die Maßnahmenkrise den großen Reibach machen, während prekär Beschäftigte kaum mehr über die Runden kommen, was soll an dieser Politik links sein ?

Wer soll das, was die Maßnahmenkrise angerichtet hat bezahlen, wenn nicht wir, die Steuerzahler ? Die Reichen zahlen doch eh keine und lassen sich diese, dank Cum ex auch noch zurückzahlen, was nicht links ist sondern link.

Bei den USA handelt es sich nicht um eine Demokratie, sondern um eine Plutokratie, d.h. das nur derjenige Dreckskerl Präsident wird, der den Gewinnerwartungen der anderen entspricht. Trump mag etwas plump aufgetreten sein, weil er sagte was er dachte, weshalb er jetzt unter dem Freudengeheul der “Linken” durch den senilen Heuchler Biden abgelöst wird. Aber was soll an dem bitteschön links sein? Seine Demokraten haben gerade 740 Milliarden Dollar Militärausgaben zugestimmt, was haben die damit vor ?!?

Das jetzt diejenigen, die für den Rechtsanspruch unserer Verfassung auf die Straße gehen, vom Verfassungsschutz observiert werden, ist das auch links?

Da soll man noch wissen, wo einem der Hut steht.  Ob wir Männlein oder Weiblein sind haben wir bei all dem Sternchengendergedöns doch eh schon lang vergessen. Aber das ist doch nun wirklich links, oder?

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Dennerlein


14. Leserbrief

Lieber Albrecht Müller,
 
zu Ihrem Artikel ein paar grundsätzliche Gedanken:
 
Der Begriff “links-liberal” ist in sich ein Widerspruch. “Links” und “liberal” sind Gegensätze, die sich eigentlich ausschließen. “links” bedeutet so viel wie “sozial” und “gewerkschaftsfreundlich”, “liberal” dagegen so viel wie “kapitalistisch” und “unternehmerfreundlich”. Diese Gegensätze werden allerdings überlagert durch die Positionen “progressiv” und “konservativ”. Was gemeinhin heute als “links-liberal” bezeichnet wird, müßte korrekterweise mit “liberal-progressiv” bezeichnet werden. Richtig “links” gibt es bei den Parteien überhaupt nicht mehr.l
 
Nun gibt es aber – um die Verwirrung komplett zu machen – unter dem Label “liberal-progressiv” zwei Varianten: einmal die wirtschaftlich Liberalen mit ihrem progressiven Globalismus, also dem grenzenlosen internationalen Wettbewerb, der Schwächung der staatlichen Steuerung, der Privatisierung von Gemeineigentum und der Spaltung der Gesellschaft in Arme und Superreiche. Dazu gehören auch die militärischen Ambitionen, gegen die sich zu Recht die Nachdenkseiten immer wieder wenden.
 
Zum anderen gibt es aber auch die kulturellen Liberalen, die fälschlich als “links-liberal” bezeichnet werden. Sie propagieren ebenfalls eine Grenzenlosigkeit und sind in diesem Sinn echte Liberale, nämlich die Grenzenlosigkeit der Geschlechtsidentität (Genderismus), die Grenzenlosigkeit des Eheschlusses für alle und vor allem die Grenzenlosigkeit des Staates (No borders – No nations, kein Mensch ist illegal), siehe Migrationspolitik und Multikulturalismus. Die Vertreter dieser Richtung sitzen vor allem bei den Grünen und Linken und halten sich selbst für “links”, sie sind aber nur eine andere Variante von “progressiv” und kulturell eben extrem liberal.
 
Demgegenüber stehen die “Konservativen”, die sich heute vor allem in der AfD versammeln und deren Hauptthema die Bewahrung der alten Ehe und der Erhalt der Nationalstaaten mit gesicherten Grenzen ist. Sie sind andererseits überwiegend Wirtschaftsliberale, es zeigt sich aber gerade im Osten auch eine stärkere soziale Einstellung. Die AfD mit ihrer konservativen Einstellung wird von den Altparteien, die samt und sonders “Progressive” geworden sind, wahlweise als “rechts”, “rechtsradikal” oder gar als “Nazipartei” bezeichnet. Meiner Meinung nach überwiegend zu Unrecht. Die AfD vertritt nur den seit Merkel vernachlässigten konservativen Sektor der Politik (siehe mein Schema im Anhang. Bitte auf “Bearbeitung aktivieren” klicken).*
 
Ich denke, daß alle Positionen im oben abgebildeten Schema berechtigt sind. Es besteht allerdings eine deutliche Schieflage in der heutigen Realität zu Ungunsten von “konservativ-sozial”. Das ist meine Position.
Beste Grüße
Rolf Freitag

*Anmerkung: Diese Meinung halte ich für eine Fehleinschätzung, A. M.


15. Leserbrief

Anmerkung zur Frage von A.M.
“Ob Sie diese Beobachtungen teilen?”

Ich teile diese Beobachtungen im Grundsatz. Eine – erfolgreiche –  Merkel-Taktik kann ich mir vorstellen, eine Baerbock Fast-Strategie auch. SPD und Linke sind offensichtlich weder taktisch noch strategisch ernsthaft und aussichtsreich positioniert.

Dass WEF, Gates und Soros sich links gerieren, ist offensichtlich. Auch ohne großen Plan kommt zusammen was passt. Es ist einfach praktisch, Gewinnsicherung, effektive Machtpolitik und sprunghafte Ausweitung von Kontrolle, Überwachung und Zensur als Progressives Projekt – also links? – zu deuten. Von NYT über Guardian bis taz  wird gerne die nützliche Medienumgebung geliefert.

Der Befund muss noch schärfer und unfreundlicher gefasst werden. “Links” ist eben nicht an sich gut und damit kann dann alles schlechte nicht links sein. Diese sympathische Grundposition von A.M. trägt leider nicht. Es gibt sie eben, die autoritäre Linke, Frau Esken ist ein vorzügliches Beispiel, Baerbock sowieso (mit dem Unterschied, dass sie ein politisch so starker Typ ist, der eine quasi-linke Attitüde nicht benötigt).

In höflicher Ausdrucksweise: Die Grundrechtsmuffel sind innerhalb der Linken Legion. Merkwürdigerweise sind Substanz-Konservative, Substanz-Liberale (wie z.B. Kubicki) und bürgerrechtsbewusste (= Grundrechte + Sozialrechte), also antiautoritäre Linke zur Zusammenarbeit verpflichtet (verdammt?), damit Rest-Chancen für einen Wandel gesichert und neue Chancen geschaffen werden.

Das ist eine Annäherung eines ehemaligen (natürlich Ex-) FDP-Politikers, der beharrlich linksliberal geblieben ist (Rechtsstaat und solches Gedöns).

Jürgen Kunze


16. Leserbrief

Lieber Herr Müller,
 
ich mache diese Beobachtung auch schon seit längerer Zeit und erlebe in Diskussionen genau diese Standpunkte. Nicht (nur) von Bildzeitunglesern, vielmehr auch von gebildeten Menschen.
Meines Erachtens ist es den neoliberalen Akteuren nicht nur gelungen, Begriffe des bürgerlichen Lagers zu okkupieren, wie es Frank Schirrmacher vor einigen Jahren beschrieben hat. 
Man hat sich ebenso klassisch linke Themen wie die Gleichstellung von Minderheiten, erneuerbare Energien, Klimaschutz usw. angeeignet und nutzt sie für die eigene neoliberale Agenda.
In Diskussionen entgegne ich dann mit der Frage: Sind  „linke“ Themen nicht Vermögenssteuer, Stärkung der gesetzlichen Rente, Arbeitnehmerrechte, Abrüstung und z.B. Umweltschutz ?
Das bringt dann einige Menschen doch zum Nachdenken.
Leider teile ich Ihre These, dass die Gewinner dieser Täuschung die -sich als rechts gebende, aber im Kern neoliberale –  AfD sein wird.
Verantwortlich dafür sehe ich vor allem  Schröder-SPD, Fischer-Grün und  in jüngster Zeit auch Kipping-Linke, die den Bürgern mit Symbol- und Identitätspolitik die Sicht vernebeln.
 
Besonders von der Linkspartei hätte man erwarten sollen, dass sie in der „Corona-Krise“ eine eigene Position einnimmt. Aber leider Fehlanzeige. Traurig.
 
Der Soziologe Volkmar Sigusch schrieb vor vielen Jahren einmal(sinngemäß), dass die katholische Kirche durch ihre Bekämpfung der Sexualität dieser erst die Bedeutung verschaffte, die sie heute hat.
Ersetzt man Katholische Kirche durch „Pseudo-Linke“ und Sexualität durch „Rechte“ ist das nach meiner Ansicht treffend.
 
Grüße
Hermann Jahns


17. Leserbrief

Sehr geschätzter Albrecht Müller,

eine wie ich finde nicht einfach zu durchschauende Kampagne (musste den Artikel 2 x durchlesen :-)). Doch ich würde mich Ihrer Meinung/Einschätzung grundsätzlich anschließen!

Von mir ein paar spontane Anmerkungen/Gedanken die mir während und kurz nach des Lesens kamen:

Warum lassen sich die vielen im Artikel gennannten Menschen/Organisationen/Institutionen, insbesondere konservative/reaktionäre Parteien/PolitikerInnen, relativ widerspruchslos in eine “linke” Ecke schieben? Insbesondere für politisch denkende/mündige Menschen ist dies m.E. nicht nachvollziehbar. Für mich ein Zeichen das eine Kampagne dahinter steckt die  – grob gesagt – linke Politik “vereinnahmen” soll. Auch das m.E. bewusst erzeugte Wirrwarr von Begriffen/Wortschöpfungen wie “linksversifft” oder rechtsoffen” gehört zu dieser Kampagne. Die Herausforderung für die Betreiber der Kampagne ist es m.E., so viele Wählerschichten wie möglich abzugreifen und sie innerhalb der “Grenzen” sogenannten politischen “Mitte” (m.E. eine der gewalttätigsten, menschenverachtendsten, aggressivsten Politik Stile die wir haben, was die Gegenwart und die Vergangenheit zeigt) zu vereinen – in Abgrenzung zur z.B. AfD nach rechts und zur Partei Die Linke nach links. Politisch aufgeklärte/mündige Bürger/Wähler lassen sich hierdurch jedoch nicht beirren. Weniger bzw. nicht politisch aufgeklärte/mündige Bürger/Wähler aus meiner Sicht schon.

Eine solche Kampagne zielt m.E. natürlich – und da bin ich mit Ihnen einig – vorrangig auf linke Wählerschichten ab. Gleichzeitig hat sie sicherlich Einfluss auf die grundsätzliche “Ausrichtung” (Parteiräson) ehemals bzw. dem Namen nach linker/dem linken Spektrum zuzuordnenden Parteien. Aber das wichtigste, damit diese Kampagne bei den Wählerschichten auch funktioniert, hat mit der seit Jahrzehnten meiner Ansicht nach bewusst betriebenen (und m.E. auch institutionell vorangetriebenen und auf verschiedenste Arten funktionierenden) Entpolitisierung (was Manipulation mit einschließt) der Menschen/der Gesellschaft zu tun. Diese Entpolitisierung/Manipulation bringt ahnungslose aber Meinungsstarke, politisch unmündige Bürger/Menschen hervor! Wie gesagt, dies ist nicht die Schuld der Bürger/Menschen und ist auch nicht despektierlich diesen gegenüber gemeint! Die Schuldigen sind die die Manipulation betreibenden Protagonisten.

Diese Kampagne halte ich für eine, die in großer Tradition steht zu der spätestens seit Bismarck gnadenlosen Ächtung linker (Arbeitnehmer-/Menschenfreundlicher, antikapitalistischer) bzw. sozialdemokratischer Politik.

Herzliche Grüße
Andreas Rommel


18. Leserbrief

Sehr geehrtes Team der Nachdenkseiten,

persönlich halte ich diese Ordinatenverschiebung für das Ergebnis fehlender Differenzierung. Für viele liberal-konservative gilt alles staatlich-autoritäre als DDR/Sozialismus. Dabei wird vollkommen ausgeblendet, dass es auch kapitalistisch-autoritäre Staaten gibt (Chile unter Pinochet).

Ich möchte die Begriffe folgendermaßen verwenden: Links als progressiv-sozialistisch, Rechts als konservativ-kapitalistisch. Links ist der Versuch, bestehende Privilegien und materielle Ungleichheiten abzubauen; Rechts ist der Versuch, beides zu rechtfertigen und beizubehalten (“unternehmerisches Risiko”, “Leistungsgesellschaft”, etc.).

Im Kapitalismus fließen die Gewinne der Unternehmen in private Taschen (wo der Inhaber von 100 Aktien eben mehr profitiert als der Inhaber von nur 10 oder nur 1 Aktie), im Sozialismus fließen sie in staatliche Taschen (in der Hoffnung, dass davon Straßen und Schulen für alle gebaut werden, und nicht etwa eine neue Villa für das Staatsoberhaupt).

Ob ein Staat nun ein liberaler Grundrechtsstaat ist, oder aber ein autoritärer Überwachungsstaat, ist eine davon völlig unabhängige Frage und beliebig kombinierbar: Großbritannien ist liberal-kapitalistisch, Schweden mag von manchen als liberal-teilsozialistisch gesehen werden; Chile unter Pinochet war autoritär-kapitalistisch, DDR unter Honecker war autoritär-sozialistisch.

Da der marxsche Sozialismus internationalistisch war (“Arbeiter aller Länder, vereinigt euch”), und Nationalisten häufiger bei den Konservativen angetroffen werden, pressen viele den Gegensatz nationalistisch/internationalistisch(multinationalistisch) ebenfalls in ihr persönliches links/rechts-Schema – aber da gehört er nicht hin! Es ist ein eigener Gegensatz, der beliebig kombinierbar ist! Auch wenn bestimmte Korrelationen häufiger vorkommen als andere.

Nun können die Kapitalkonzerne mit Nationalismus ebensowenig anfangen, wie mit Sozialismus. Sie haben wenig Probleme damit, Waffen für Konflikte zu verkaufen, durch die Flüchtlingsströme erzeugt werden, die hierzulande für billige Arbeitskräfte sorgen und damit ihre Lohnkosten senken. Eine Politik im Dienste der Kapitalkonzerne gibt daher den Nationalismus zugunsten eines konzernfreundlichen Multinationalismus auf, wodurch sie in den Augen ihrer angestammten Klientel “nach links” rücke. Tatsächlich aber bleibt die Politik rechts (kapitalistisch), muss also als kapitalistisch-multinationalistisch beschrieben werden.

In den letzten beiden Jahrzehnten (seit 9/11?) war eine verstärkte Tendenz weg vom liberalen Grundrechtsstaat, hin zum autoritären Überwachungsstaat zu erkennen, welche sich in diesem Jahr extrem verstärkte. Der Staat, zu dem wir uns im Augenblick entwickeln, ist m.E. Autoritär-kapitalistisch-multinationalistisch.

Einen solchen Staat als irgendwie “links” zu bezeichnen, kann nur jemand, dessen links-rechts-Schema ausschließlich auf den Annahmen fußt, alles autoritäre sei automatisch links, Multinationalismus sei das sowieso, und der Gegensatz sozialistisch/kapitalistisch bräuchte bei dieser Einordnung keine Rolle zu spielen.

Ein weiteres Problem ist es, dass viele die freie Marktwirtschaft nur im Gegensatz zur sozialistischen Planwirtschaft sehen, und daher nicht erkennen können, dass sie zwar bedroht wird, aber eher von einer kapitalistischen Monopol-/Oligopolwirtschaft. Den derzeitigen Druck auf das freie Unternehmertum (Gaststätten, Clubs, Frisöre, etc.) verorten sie daher automatisch als “von links kommend”.

Wenn dann von einer “linksgrün-versifften” Presse geredet wird, stützt man sich oft darauf, dass viele Journalisten ein weltoffen-ökologisches Weltbild hätten (was von Umfragen auch gestützt wird), also “irgendwie links” seien, obwohl eben dies das herkömmliche links/rechts-Schema so nicht hergibt. Darüberhinaus verkennen sie, dass es eher nicht die einzelnen Journalisten, sondern eher die Chefredakteure sind, die im Auftrag der nicht selten milliarenschweren Eigentümer die Linie des Blattes vorgeben. Und die sind ganz sicher nicht sozialistisch.

Unter Nennung meiner Initialen darf dieser Beitrag gern veröffentlicht werden.

Mit freundlichen Grüßen,
O.H.


19. Leserbrief

Hallo NDS!
 
Auch ich habe die Beobachtung gemacht, dass Merkels Politik als “links” oder “Mitte – links” dargestellt wird. Als Beispiele werden die Einführung des Mindestlohns und die Möglichkeit der Homo – Ehe genannt. Ob auch die Flüchtlingspolitik auch dazugehört, weiss ich nicht mehr genau. Jetzt muss man sich fragen, ob diese Punkte ausreichen, von einer linken Politik sprechen zu können.
 
Mit freundlichen Grüssen
Markus Hülsmann


20. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,
sehr geehrtes Nachdenkseitenteam,

ich stimme Ihren Beobachtungen voll und ganz zu.

Diese Verschiebung der Ordinate könnte ihren Ursprung darin haben, dass, wie es James Galbraith in seinem, auch auf den Nachdenkseiten erwähnten, Buch “Predator State” darstellt, Sozialdemokraten weltweit die Wirtschaftspolitik der Konserativen übernommen haben, zu einem Zeitpunkt, als diese konservative Wirtschaftspolitik in den 90er Jahren von der Wirtschaftswissenschaft vollständig widerlegt wurde und Konservative diese Wirtschaftspolitik eigentlich gar nicht mehr selbst verfolgt haben und stattdessen, nach Meinung von James Galbraith, eigentlich nur noch “Plünderung” betreiben. Joseph Stiglitz meint sogar, dass die konservative Wirtschaftspolitik vollständig als Unsinn enttarnt wurde.

Es handelt sich eindeutig um ein weltweites Phänomen. In den USA die Demokraten, in Großbritannien “New Labour” bei uns die SPD und später Die Grünen, aber eigentlich weltweit haben ehemals linke, progressive, sozialdemokratische Parteien plötzlich den Neoliberalismus übernommen, also genau genommen, die Wirtschaftspolitik, die Konservative immer gepredigt haben. Also Privatisierung öffentlicher Güter, “Lohnzurückhaltung” oder gar Lohnsenkung, Abbau des Sozialstaates, Abbau von Arbeitnehmerrechten, Deregulierung aller Märkte aber insbesondere Deregulierung der Finanzmärkte, Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, also alles, was die Angebotsseite (vermeintlich) besser stellt und Ignorierung der Nachfrageseite, usw.
Wobei klar sein sollte, dass der heutige “Neoliberalismus” nichts mehr mit dem Neoliberalismus der Nachkriegszeit (Freiburger Schule) zu tun hat, der einen starken Staat wollte, der in die Wirtschaft eingreift und sie reguliert und stabilisiert. Der heutige “Neoliberalismus” will das Gegenteil davon, einen schwachen Staat, Deregulierung und es wird (fälschlicherweise) angenommen, dass die Marktwirtschaft besser funktioniert, wenn sich der Staat raushält. Das gilt natürlich nur bis zu dem Punkt, wo die Märkte kollabieren und vom Staat “gerettet” werden müssen.
Wäre es nicht besser, wir würden, wie es in angelsächsischen Ländern üblich ist, es nicht mehr Neoliberalismus nennen, sondern Neokonservatismus?

Darüber, warum Sozialdemokraten plötzlich die konservative Wirtschaftspolitik übernommen haben, lässt sich spekulieren.
Möglicherweise hat eine Rolle gespielt, dass sich Sozialdemokraten darin profilieren wollten, als die besseren Problemlöser, bzw. “Umsetzer” zu erscheinen, als die Konservativen. Sie haben ja schließlich umgesetzt, was bereits die Regierung Kohl vor ihnen umsetzen wollte, aber nie geschafft hat. (Agenda 2010 und “Hartz-Reformen”).
Eine Rolle hat sicherlich der mediale Druck und die Propaganda gespielt.
Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre konnte man den Fernseher nicht anmachen, ohne von neokonservativer Propaganda bombardiert zu werden und es gab nur wenige Gegenstimmen, die meistens nur schwach wahrnehmbar waren. (Wobei es heute nicht anders ist). Sozialdemokraten konnten sich so als modern und “zeitgeistig” darstellen und auch so fühlen. Sie haben ja das umgesetzt, was zu diesem Zeitpunkt “alle” gefordert haben.
Eine weitere Rolle hat wahrscheinlich auch einfach Korruption gespielt. Schröder wurde im Wahlkampf von Unternehmern wie Maschmeier gesponsort und selbstverständlich musste er nach gewonnener Wahl an diese Unternehmer liefern.

In dieser Situation, also in der Sozialdemokraten die konservative Wirtschaftspolitik umgesetzt haben, fiel es leicht die links-rechts Ordinate zu verschieben. Man konnte leicht CDU/CSU und SPD in einen Topf werfen, und als “links” bezeichnen, schließlich waren es (ehemals) Linke, die nun auch den Neoliberalismus umsetzten und Konservative konnten so tun, als seien ihre Parteien sozialdemokratisiert, weil sie ja ökonomisch, genau das vertreten, was Sozialdemokraten gerade umgesetzt haben. Dazu kommt, dass CDU/CSU sich offen gezeigt haben, in anderen Bereichen Zugeständnisse zu machen, die man links einordnen würde, wie z.B. Homosexuellenrechte, Flüchtlingspolitik, Umweltpolitik etc., die ihre Klientel, also “das große Geld”, als nicht so wichtig betrachten, also in allen Bereichen außer der Wirtschaftspolitik, die die Superreichen begünstigt. Wobei die Flutung des Arbeitsmarkts wohl doch eher zum Interesse der Arbeitgeber und des “Großen Geldes” gezählt werden müsste.

Möglicherweise spielt auch direkte Unterwanderung eine Rolle. Wer verhindert denn, dass Konservative in die SPD eintreten oder zu den Grünen gehen?
In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Spielfilm “Vice – Der zweite Mann” (die Geschichte des Aufstiegs von Dick Cheney) von Oliver Stone hinweisen, wo dargestellt wird, wie in den Kaderschmieden, in denen die Nachwuchspolitiker ausgebildet werden, entschieden wird “Du gehst zu den Demokraten und Du zu den Republikanern”.

Außerdem muss man sich daran erinnern, dass in der CDU/CSU bereits seit längerer Zeit davon geredet wurde, eine neue rechtskonservative Partei zu gründen, die man immer die “Henkelpartei” nannte.
Diese wurde dann bekanntlich tatsächlich gegründet, von drei jahrzehntelangen CDU/CSU-Mitgliedern und einem FDP-Mitglied Hans-Olaf Henkel, der sich anfangs allerdings im Hintergrund hielt. Mich würde es nicht wundern, wenn plötzlich herauskäme, dass die AfD mit voller Unterstützung, bzw. sogar auf Anweisung der CDU/CSU-Parteiführung, bzw. der Parteistrategen gegründet wurde, quasi als neue Schwesterpartei der CDU/CSU. So hat die CDU/CSU doch eigentlich nur strategische Vorteile von der Existenz der AfD. Nun, da es eine noch weiter rechts stehende Partei gibt, fällt es noch leichter sich als links bzw. sozialdemokratisiert darzustellen.
Man kann nun immer auf diese ganz Rechten zeigen und sich selbst noch besser als “die Guten” darstellen. Gleichzeitig wird die AfD als Protestpartei inszeniert, die auch von enttäuschten ehemaligen SPD-Wählern, Arbeitnehmern, Arbeitslosen und Gewerkschaftern gewählt wird, wodurch man das linke lager schwächt und gleichzeitig das eigene Lager stärkt. Meiner Meinung nach, ist die vorgebliche Ablehnung der AfD nur Schein. Wie man nach der Landtagswahl in Thüringen gesehen hat, wird die CDU/CSU sobald es mehrheitlich reicht, eine Koalition mit FDP und AfD bilden und dann alles umsetzen, was sich die Superreichen und Arbeitgebervertreter wünschen.

Es ist also alles Absicht.

Um dieses Schlamassel zu überwinden, müssten Sozialdemokraten und andere ehemals progressive Parteien weltweit glaubhaft erklären, dass es ein Fehler war, auf die konservative Propaganda reinzufallen und die Wirtschaftspolitik der Konservativen zu übernehmen, die sowieso als Unsinn feststeht. Man müsste den Neoliberalismus klar darstellen, als Politik der Konservativen, die nur die Interessen des “Großen Geldes” umsetzt. Und als sozialdemokratische Parteien wieder wirklich sozialdemokratische Politik vertreten, die die Interessen der Schwachen, Abgehängten und Arbeitnehmer vertritt und umsetzt.

Vielen Dank für Ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit und alles Gute.
J.S.


21. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller

Auch die “Anstalt” hatte sich bereits einmal dieses Themas angenommen (Parteienlandschaft in einem Koordinatensystem und die Verschiebungen, die dazu führen, dass letztlich keine Partei mehr wirklich links steht, in einer Tafelnummer).

Allerdings hatte ich auch schon damals, im Oktober 2016, den Eindruck, man hätte das Ganze durchaus noch stärker argumentativ untermauern können. So kam das Ganze eher spaßig oder bestenfalls halb ernst gemeint herüber, und wirkte daher nicht allzu aufklärerisch und dem Ernst der Thematik auch nicht gänzlich angemessen.

In der Mediathek nicht und auf Youtube nur in einer gekürzten Fassung auffindbar, aber bei von Wagner noch in voller Länge abrufbar (Episode ungefähr ab Minute 26:20 – Einleitung bzw. 27 – Tafelnummer):

https://www.claus-von-wagner.de/tv/anstalt/20161004-deutsche-innen-und-aussenpolitik

Mit freundlichen Grüßen
R. Feltens


22. Leserbrief

Lieber Herr Müller,
 
zu den Beiträgen auf den NachDenkSeiten vom 18.12.2020 „Auch die rechte „Mitte“ gilt als links – mit Folgen für die nächsten Wahlen“ und vom 19.05.2020 „Weder links noch rechts! – also nirgendwo“ möchte ich etwas beitragen.
Seit geraumer Zeit versuche ich, Menschen, die wie ich schockiert sind über die politischen Zustände, in denen wir leben, mit dem Buch „Warum schweigen die Lämmer“ von Prof. Rainer Mausfeld bekannt zu machen.
In der Ausgabe des Westendverlags 2018 heißt es auf S. 177: „Demokratie bedeutet in den Worten von Ingeborg Maus, die „Vergesellschaftung von Herrschaft“ auf der Basis des egalitären Prinzips der „Anerkennung aller als Freier und Gleicher, ungeachtet ihrer faktischen Differenzen“.
Weiter steht auf S. 209 der gleichen Ausgabe: „Um den tatsächlichen Kern der Links-rechts-Unterscheidung besser zu verstehen, ist es hilfreich, in die Zeit der Aufklärung zurückzugehen. Aus den damaligen Kontroversen, insbesondere der sogenannten radikalen Aufklärung, lassen sich zentrale Merkmale herausarbeiten, die sich in ihrem Kern so zusammenfassen lassen:
 
Rechts ist, wer die jeweiligen Zentren der Macht (z. B. die Monarchie oder ökonomische Eliten) und die Strukturen, auf denen diese Macht basiert (wie Kirche, Kolonialismus, Sklaverei oder Konzernkapitalismus) zu stabilisieren und zu erhalten sucht.
Links ist, wer sich für die Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Menschen („universeller Humanismus“) und für eine demokratische Einhegung von Macht einsetzt.“
 
Mausfeld zeigt auf, wie von den Herrschaftseliten mithilfe der Unterwanderung unserer Psyche diese klare Unterscheidung zum Verschwinden gebracht werden soll. U. a. sind die Dekontextualisierung und das Unsichtbarmachen von Sachverhalten solche Mittel.
Man muss sich grundsätzlich zunächst bewusst sein, dass wir in einer rechten Gesellschaft leben. Es gibt hier klare Machtstrukturen. Wäre unsere Gesellschaft demokratisch, hätten wir eine ganz andere gesellschaftliche Struktur.
Es hilft mir in der gegenwärtigen Situation aber sehr, mich genau an dieser Definition von „links“ und „rechts“ zu orientieren.
 
Ich glaube, heute neigen wir dazu, nur den politischen Akt, der am Ende steht, in links und rechts einteilen zu wollen. Dann kann man zu sehr falschen Ergebnissen kommen.
 
Wenn also Frau Merkel im September 2015 zumindest laut Medienberichten „die Grenzen öffnet“, dann gilt dies zunächst als Akt der Humanität. Es wird dann in den Köpfen als „links“ interpretiert.
Die Tatsache, dass sie sich in dem Fall ohne Absprache über geltendes EU-Recht hinwegsetzt, findet kaum Erwähnung. Ebenso ihr Verhalten vor der Zuspitzung der Krise gegenüber Ländern an den Außengrenzen der EU. Es gab keinerlei Unterstützung für Italien oder Griechenland, die mit dem Flüchtlingsansturm allein fertig werden mussten. Schon gar nicht wird darüber berichtet, wer denn die Kriege anzettelt, vor denen die Menschen dann fliehen müssen, und welche Rolle Deutschland dabei spielt, für die Frau Merkel als Bundeskanzlerin die Verantwortung trägt.
Man muss den Akt also in einen größeren Kontext einbetten, um zu verstehen, aus welchen Motiven hier gehandelt wird. Das geschieht in den Medien aber nicht oder nur ganz unzureichend. Außerdem ist der Satz von Hannah Arendt „Meinungsfreiheit ist eine Farce, wenn die Information über die Tatsachen nicht garantiert ist.“ dabei natürlich ganz entscheidend.
 
Zudem sollte man sich m. E. auch bewusst sein, dass ein politisch „rechts“ stehender Mensch Mitleid empfinden und dies auch in seinen Handlungen ausdrücken kann. Allerdings geschieht dies dann immer aus einer Art Paternalismus heraus. Dies widerspricht im Grunde aber der Anerkennung aller als Gleichwertige und kann daher nicht „links“ sein. Ein rechtes Menschenbild führt im ersten Schritt nur zur Bevormundung, im zweiten und dritten Schritt aber zur Abwertung und dann zur Gleichgültigkeit gegenüber dieser Person.
 
Um auf Ihre im Artikel vom 18.12.2020 gestellte Frage zu antworten: Ja, ich erlebe das in meinem Umfeld ganz deutlich. Die Gesellschaft ist links-grün versifft. Die Regierung unter Angela Merkel ist so links wie die unter Helmut Schmidt, wir brauchen dringend jemanden wie Friedrich Merz, der für „konservative Werte“ steht etc. Mich belastet das sehr, aber was soll man erwarten? Die Probleme der Weimarer Republik haben auch nicht zu mehr Demokratie geführt….
 
Im festen Glauben an das Kind in der Krippe wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten und ein besseres Jahr 2021.
Katharina Dieck


23. Leserbrief

Hallo Herr Müller,
 
es handelt sich nicht nur um eine Verschiebung des Blickwinkels. Sie müssen zwischen gesellschaftspolitisch links und wirtschaftspolitisch links unterscheiden, denn hier genau verläuft die Bruchlinie. Ich sehe es wie sie, dass es in Bezug auf die Wirtschaftspolitik und Außenpolitik in der CDU keine Sozialdemokratisierung gegeben hat. In Bezug auf die Gesellschaftspolitik dagegen schon und nur das ist gemeint, wenn ein Konservativer über die Sozialdemokratisierung jammert. Alles was sich zum Beispiel unter Feminismus, Gender, Einwanderungspolitik, Homo-Ehe, PoC, traditionelle bzw. “moderne“  Familie, Diversität einordnen lässt ist die gesellschaftspolitisch linke Seite, die auch ohne Zweifel als links bezeichnet werden kann und insoweit liegen die Konservativen dann nicht falsch. Wirtschaftspolitik, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Außenpolitik werden dabei ausgeblendet, beziehungsweise wird der sogenannte “Altlinke“, der wirtschaftspolitisch auf der Linie der Nachdenkseiten steht, aber in seinen gesellschaftlichen Ansichten eher konservativ eingestellt ist, wie zum Beispiel Corbyn, untergebuttert. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, ist es auch besser zu verstehen, was bei der SPD, den Grünen und der Partei die Linke geschieht und was Frau Sahra Wagenknecht passiert ist, die dort gesellschaftspolitisch als zu konservativ gesehen wird.
 
mfG
V.Henning


24. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,
 
irgendwie ist es Gedankenübertragung, denn seit Wochen wollte ich Ihre Meinung zum Thema einholen.
 
Wie viele Ihrer Artikel, spricht mich auch dieser aus der Seele. In den Alternativmedien wie z.B. RT DE oder Wagenkenchts Woche sind sehr viele Foristen der Meinung, dass die Regierung links ist und dass Merkel eine DDR 2.0 einführen will. Wenn ich schreibe, dass nichts an unserer Regierung sozial ist, sondern neoliberal, stoße ich auf Mißverständnis, egal wie viele Beispiele ich aufzeige: Privatisierung der Institutionen des öffentlichen Daseins, Verarmung der Bevölkerung, Erodierung der Renten etc. Das wollen sie nicht verstehen. Eine typische Reaktion in Wagenkencht’s YouTube Kanal ist “Ich würde Sie wählen, aber Sie sind in der falschen Partei.” Die Foristen können partout nicht verstehen, dass soziale Gerechtigkeit traditionell eine linke Position ist. Es gibt auch rechte Kanäle, die ich als sehr gefährlich einschätze, z.B. Ach Gut Pogo mit Hendryk M. Broder oder Tichy’s Einblick. Beide erheben berechtigte Kritik an die Regierung, aber sie bieten keinerlei Alternativen an. Ihre Lebensberechtigung ist das Herummotzen und subtile Hetzen. Bei diesen Kanälen, werden die Herren von den Foristen kritiklos in den Himmel hochgejubelt, obwohl sie keine soziale Positionen vertreten. Ich glaube, das ist das hervorstechende Merkmal der rechten kritischen Kanälen. Auch hier wird davor gewarnt, dass die Regierung zu links ist, bzw. im Begriff ist den Kommunismus wiederauferstehen zu lassen.
 
Ich denke, dass paradoxerweise, Die Linke es noch schwerer haben wird, ihre Beliebtheitswerte in den kommenden Bundeswahlen zu verbessern. Von der SPD rede ich nicht, weil sie sich von der sozialen Gerechtigkeit längst verabschiedet hat und ein billiger Abklatsch der CDU ist und Die Grünen, haben sich bis zur Unkenntlichkeit verändert.
 
Auch dieses Jahr werde ich für NDS spenden. Die Aufklärungsarbeit, die Sie und Ihr Team leisten, ist enorm. Dafür danke ich Ihnen.
Zum Schluss, wünsche ich Ihnen Frohe Weihnachten, Gesundheit, Tatendrang, Kampfbereitschaft und einen guten Rutsch in ein unsicheres Jahr 2021.
 
Mit besten Grüßen
O.M.


25. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

die von Ihnen angesprochene Verschiebung der Perspektive ist nach meiner Erinnerung  spätestens seit 1998 im Gang. Die Übernahme neoliberaler Orientierung durch den Kanzler Schröder hat dazu geführt, dass ein ansehnlicher Teil auch der politisch interessierten Wähler inzwischen an dem Punkt angelangt ist, dass es keinen Sinn mehr macht, die Unterscheidung von links und rechts in der Argumentation überhaupt noch zu verwenden. Linke Parteien haben in weiten Teilen der Sozial-, Bildungs- und Friedenspolitik auf eigene Vorschläge verzichtet und sich auf den moralischen Zeigefinger, das Mahnen beschränkt, statt praktische Alternativen in einer breiten Öffentlichkeit zur Diskussion zu stellen. So kann man reale Zustände  nicht verändern. Auch Mitglieder der Partei Die Linke nehmen z. B. oft an, dass es hinreichend sei, Begriffe zu besetzen und Visionen vorzutragen, während man sich gleichzeitig stromlinienförmig in die realen Bedingungen einfügt. Ein Beispiel dafür ist für mich die Reduktion der parteiinternen politischen Bildungsarbeit bei gleichzeitigem Neubau eines Gebäudes für die Rosa-Luxemburg-Stiftung in günstiger Lage mit bestmöglicher räumlicher und technischer Ausstattung für die Arbeit einer Generation junger Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler, die nach dem Abitur über ein Stipendiatensystem, Nebenjobs in der Parteiorganisation, Gewerkschaften und wissenschaftliche Arbeit in verantwortliche Positionen gelangen, ohne jemals selbst mit der materiellen Produktion in Kontakt geraten zu sein.  In den Lebensläufen von Herrn Spahn, Herrn Kühnert oder Frau Helm ist die persönliche Distanz zu den Notwendigkeiten des materiellen Lebens, der materiellen Produktion und Reproduktion ein parteiübergreifendes Merkmal. Parteiensystem und Parteifinanzierung wurden und werden nicht in ihren Herrschaftsfunktionen wahrgenommen, sondern als ein möglicher Weg persönlicher Existenzsicherung.   Menschen mit einem derartigen Erfahrungshintergrund denunzieren die Kritik an Machteliten als rechts, weil sie ihre eigene Einbindung in das Herrschaftssystem völlig verkennen.

Ich fürchte, dass ich bei den nächsten Wahlen keine Partei auf dem Stimmzettel finden werde, die meinen Zielen punkto soziale Sicherheit und Frieden auch nur ansatzweise gerecht wird.  So geht es den meisten Menschen in meinem Bekanntenkreis. Die Parteiendemokratie deutscher Prägung wird nicht mehr als Möglichkeit angesehen, vertrauenswürdige Vertreter bestimmter, praktischer Ziele  zu bestimmen. Alle Parteien, die in Zusammenhang mit Regierungsbildung und Koalitionen  genannt werden, sind in Spendenaffären, Korruption und Lobbyismus verstrickt und verfügen kaum noch über Personal, das als integer und aufrichtig eingeschätzt wird.

Verursacht wurde dieser Zustand durch ein entsetzliches Politikversagen gerade der linken Parteien. Roberto J. De Lapuentes Buch “Rechts gewinnt, weil links versagt” – enthält leider zu viele Wahrheitskörnchen.  Ich selbst habe Politik in Bewegungen  gelernt und geübt. Weder die traditionellen noch die neueren Parteien haben es geschafft, sich in themenbezogenen sozialen  Bewegungen als sachkundige Partner mit politischem Profil zu erweisen. Was tun? Im Jahre 2020/21 kann man diese Frage  nicht mehr mit Zitaten von Schriften aus den Tagen des Kaiser- oder Zarenreichs beantworten. Aktuelle Alternativen fehlen. Die Zukunft ist  in einem beängstigendem und ermutigendem Ausmaß offen.

Vielen Dank Ihnen und allen Mit- und Zuarbeitern der Nachdenkseiten.  Ihre Arbeit ist angesichts der herrschenden Zustände notwendig und hilfreich.

Mit freundlichen Grüßen
Christa P. Meist


26. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

genau das von Ihnen beschriebene fällt mir immer häufiger auf. Anfangs ware es vor allem Übersetzungen aus dem Amerikanischen, wo Sanders dann sozialistisch oder sogar marxistisch genannt wurde. Dabei wird von den Amerikanern die Bezeichnung links meist (oder sogar immer) mit etwas negativem verbunden. Rechte Amerikaner beschimpfen dann gerne alles was ihnen nicht passt als sozialistisch, kommunistisch, marxistisch oder sogar stalinistisch. Das scheint bei denen so ziemlich alles in eine Rubrik zu gehören. Was bei uns in Deutschland der Neonazi ist, scheint in den USA der Sozialist zu sein.
Leider schwappt genau diese Sprachregelung auch nach Deutschland. Ich persönlich habe auch den Verdacht, dass das genau so gesteuert wird. Auch in Blogs findet man überall Leute, die die Grünen, Frau Kipping, die SPD als links oder linksversifft bezeichnen. Und diese Gruppen als Beweis dafür nehmen, dass linke Politik nur Heuchelei sein soll. Ich kann da gar nicht so oft reingrätschen wie ich möchte, die Bezeichnung links möchte man dann doch nicht einfach aufgeben. Insbesondere weil dann die vergangenen linke Politik komplett entwertet wird. Ich persönlich verbinde linke Politik mit Gerechtigkeit, Pazifismus, Freiheit des einzelnen, mit einer für das Volk sinnvollen Politik. 
Es scheint den Kommentatoren Spaß zu machen, linke Politik mit der Heuchelei der Grünen, der aktuellen SPD, der Demokraten in den USA oder auch Teilen der linken zu verbinden. Diese Kommentatoren sehen sich selber eher rechts und empfinden alles linke als Heuchelei. Das kann man ihnen noch nicht mal übelnehmen. Die freuen sich, dass das linke für was schlechtes steht. Sind es ja geraden die sich selber linke nennenden, die gerne immer alles böse in der afd oder bei den nicht zur Willkommenskultur gehörenden sehen. Aber ich denke auch ddiesen Kommentatoren sollte klar sein, dass die Grünen nicht links sind sondern eher rechts- und heuchelversifft. Das Schlimme was ich da auch sehe, ist das so auch eine Geschichtsverfälschung praktiziert wird. Das Etikett links wird aktuell zu was schlechtem umgewandelt. Man muss befürchten, dass in 10 Jahren niemand mehr weiß, das links was anderes ist als Heucheln, korrupt und unsozial sein. Dass das überhaupt möglich ist geht nur, weil Parteien wie die Grünen, die SPD, der “linken” Medien und auch viele der Partei  “Die Linke” selber als links gelten. Wir selber sollten die auch nicht mehr links nennen. Sie gehören alle zu der radikal unsozialen “Mitte” der Politik.
Momentan könnte ich vor aliem zwei Personen nennen, die eine linke Poltitik (versuchen zu) machen, Oscar Lafontaine und Sahra Wagenknecht: Schon was seltsam, das Frau Wagenknecht gerne als rechts bezeichnet wird. Auch das ist ein Umetiketieren der Wirklichkeit.

Vielen Dank für ihre Engagement. Die Nachdenkseiten haben einiges bewegt.

VG,
JB


27. Leserbrief

Sehr geehrter Albrecht Müller,

über die merkwürdige Einordnung der CDU als „sozialdemokratisiert“ und der öffentlich-rechtlichen Medien (zuzüglich SZ, ZEIT usw.) als „links“ oder „linksversifft“ bin ich auch schon gestolpert.

Das mag damit zu tun haben, dass zur Zeit die Forderung nach einem halbwegs menschlichen Umgang mit Flüchtenden schon als „links“ gilt und eine Bejahung der gleichgeschlechtlichen Ehe als „linksgrünversifft“. Wirtschafts- oder sozialpolitisch treten die genannten Medien hingegen kaum durch irgendwie als „fortschrittlich“ erkennbare Themensetzungen hervor. Und die Kanzlerin Merkel hat sich im Umgang mit Folgen der Finanzkrise von 2008 auch nicht als „Sozialdemokratin“ von sich reden gemacht, sondern – nicht zuletzt indem sie den IWF in Sachen Griechenland ins Boot geholt hat – im Gegenteil als treue Sachwalterin der neoliberalen sogenannten „Reformen“.

Leider gibt das linke Lager aber auch wenig Anlass zu Hoffnung, wenn man „Hoffnung“ mit einer an sozialen Fragestellungen orientierten Politik gleichsetzt. Der österreichische Philosoph Robert Pfaller hat mit „Erwachsenensprache“ vor ein paar Jahren ein Buch vorgelegt, das sich mit der Aufgabe sozialpolitischer Themen durch die sozialdemokratische Linke befasst und die Schwerpunktsetzung auf identitätspolitische Themen beklagt. Nicht dass diese unwichtig wären, aber sie dürfen nicht als Feigenblatt dienen und den Umstand verschleiern, dass im sozialen Bereich im engeren Sinne, da wo es um Löhne und allgemein um Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand geht, kein Fortschritt mehr angestrebt wird, der diesen Namen verdiente.

In diesem Zusammenhang ist vielleicht die Beobachtung des US-amerikanischen Philosophen Michael J. Sandel bemerkenswert, die er in seinem aktuellen Buch „The Tyrrany of Merit“ macht, nämlich dass das fortschrittliche Lager in den letzten Jahrzehnten zunehmend die ichbezogene Rhetorik des Neoliberalismus übernommen hat: wer es zu etwas gebracht hat, der hat es auch „verdient“, und wer es nicht schafft, sich auf dem weltweiten Markt der Arbeitskräfte gewinnbringend anzudienen, dem ist ein persönliches Versagen anzulasten. Dementsprechend wird auch in den USA lagerübergreifend Bildung als Allheilmittel angepriesen, ohne sich der realen und zunehmenden Ungleichheiten anzunehmen. Bekanntlich gibt es seit Jahrzehnten praktisch keine Reallohnzuwächse in den USA, während die entstandenen Produktivitätszuwächse auf den Konten der Kapitaleigner landen.

Wir haben es also mit einem zweifachen Angleichungsprozess zu tun: das konservative Lager ‚klaut‘ dem fortschrittlichen Lager die ‚weichen‘ Themen, ausgerechnet diejenigen, auf die das fortschrittliche Lager gesetzt hatte, nachdem es die ‚harten‘ Themen – wachsende Ungleichheit, stagnierende Löhne, erodierende soziale Absicherung – immer mehr aus den Augen verloren hat und eine solide, wirtschaftswissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung à la Flassbeck damit scheut.

C.P.


28. Leserbrief

Hallo Herr Müller,

was ist links, was ist rechts? Die politische Linke ist Produkt der klassischen Industriegesellschaft “des Westens”. Ihre soziokulturelle Quelle waren Großbetriebe mit Massenbelegschaften, ihre Ziele ökonomisch basiert – Verteilungsfragen und Machtfragen. Diese Gesellschaften gibt es heute in dieser Form über die EU gemittelt nicht mehr. Das kommunistisch inspierierte Experiment ist gescheitert, die Sozialdemokraten besitzen kein eigenständiges Gesellschaftsmodell mehr, sie haben mehr oder weniger mit den Gewerkschaften gebrochen und sind Vertreter des gutmeinenden Teiles der abgesichert “unproduktiv” arbeitenden Bevölkerung geworden (öffentlicher Dienst, Lehrer, Journalisten, Akademiker usw.), der die Welt meist so sieht, wie er glaubt, dass sie zu sein hätte, aber nicht, so wie sie ist. Die aktuelle Linke ist zum moralischen Appendix des globalisierten Kapitals rudimentiert. Insofern ist es logisch, alles, was nicht dezidiert nationalistisch und rechts ist, als links zu bezeichnen. Einzig Frau Wagenknecht, die in ihrem Buch “Reichtum ohne Gier” neue Strukturen für die Wirtschaft anspricht, ist hier als Beispiel für seltene Ausnahmen zu nennen.

Für die in den letzten Jahrzehnten entstandenen allseitig heterogen strukturierten Beschäftigungsverhältnisse in den Dienstleistungsbereichen hat die Linke keinerlei Angebote. Und der Pseudointernationalismus in der Migrationspolitik verschärft das Problem. Gerade in den geringqualifizierten Arbeitsbereichen ist jeder zusätzliche Mensch in erster Linie Konkurrent. Kulturelle Aspekte sowie den Problemkreis Identitätspolitik lasse ich jetzt weg. Das würde zu weit führen. Die genannten Schlagworte ließen sich beliebig unterfüttern. Ein praktisches Beispiel im Rahmen von Corona soll das illustrieren: Amazon und Paketdienste dürfen im Lockdown weiterarbeiten (Warum eigentlich?). Und warum wird das nicht von einem SPD-Arbeitsminister an die Einführung von ordentlichen Tarifverträgen und Arbeitsbedingungen geknüpft?

Viele Grüße, frohes Fest und ein gesundes neues Jahr!
Bernd Matthes


29. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

die Rede von der „Sozialdemokratisierung der Union“ mag Sie zwar mit gutem Grund erzürnen, doch beruht Ihr berechtigter Zorn auf einer falschen Voraussetzung, nämlich derjenigen, daß es sich bei Bezugsgröße, der real existierenden SPD, um eine sozialdemokratische Partei im historischen Sinn des Begriffes handelt. Sie wissen dies doch selbst am besten, denn existierte „Ihre“ Sozialdemokratie noch, in der Sie jahrzehntelang gearbeitet haben, würde es Ihr Projekt „NachDenkSeiten“ vermutlich nicht oder nicht in dieser Form geben.

Doch Ihre Sozialdemokratie ist untergegangen: Der letzte Sozialdemokrat, der den SPD-Parteivorsitz innehatte, war Oskar Lafontaine, der 1999 den Machtkampf verlor, „fliehen“ mußte und später dann an der Etablierung einer im Grunde sozialdemokratischen Partei namens „Die Linke“ federführend beteiligt war; viele Sozialdemokraten sind seither ebenfalls aus der SPD geflüchtet, vermutlich ein Großteil zu Lafontaines „LINKE“;  ironischerweise ist Lafontaine in der Partei, die er aus der Taufe zu heben half, mittlerweile erneut – wie 1999 in der SPD – an den Rand gedrängt und immer weniger wohl gelitten (gleiches gilt für seine Ehefrau Sahra Wagenknecht, die während der besseren Jahren der Partei noch deren Aushängeschild war).  In der real existierenden SPD mag es noch vereinzelt Sozialdemokraten geben, doch befinden diese sich entweder in der inneren Emigration oder – wie etwa Rudolf Dreßler – im verdienten Ruhestand. Nicht von ungefähr ließ der Kabarettist Georg Schramm eine seiner Bühnenfiguren, den hessischen Sozialdemokraten August, häufig von der AG “Sozialdemokraten in der SPD” berichten – dies war zur Hälfte Witz, zur anderen Hälfte Zustandsbeschreibung.

Statt sich umzuetikettieren, behielt die SPD kontrafaktisch das Label „sozialdemokratisch“ bei und trug als Regierungspartei nicht nur einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen ein Land mit, das Jahrzehnte zuvor bereits von Hitlers Wehrmacht terrorisiert wurde, sondern legte mit der Teilprivatisierung der Rentenversicherung, der Einführung der Fallpauschalen in der GKV und den sog. „Hartz-Reformen“ im SGB die Lunte an die Fundamente des Sozialstaates bundesrepublikanischer Prägung. Die SPD verlor seither nicht nur zahlreiche Mitglieder, sondern sammelte auch fleißig Wahlniederlagen, ohne an ihrem politischen Kurs im Grundsatz etwas zu ändern. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß dies die „Spitzen“-Funktionäre der Partei offensichtlich nicht kümmert? Es ist, als ob sie Didier Eribons „Rückkehr nach Reims“ gelesen hätten und sich sagen würden: Sollen die „deplorables“ doch das Weite suchen – Jetzt erst recht! Und weshalb auch nicht: Sowohl im Bund als auch in den Ländern, in Kommunen sowie Behörden und Anstalten konnten nach wie vor lukrative Sinekuren behauptet oder frisch an Land gezogen werden; die zahlreichen „Großen Koalitionen“, die im Zeitverlauf schrumpften, wurden dadurch möglich, daß sich Union und SPD einander anglichen.

Ein ähnlicher Entkernungsprozeß ist bei der LINKEN im Gange, die von einer sozialdemokratischen Lafontaine-Linken zu einer „Bertelsmann-Linken“ umgeschliffen wird, zu einer Partei, die das EU-Fähnchen hochhalten, das segensreiche Wirken der NATO akzeptieren und ein aberwitziges Grundeinkommen sowie „no-borders-no-nation“ propagieren wird. Die „LINKE“ muß, um die Eintrittskarte in das neoliberale Parteienkartell zu lösen und Zugriff auf Posten und Dienstwagen zu erhalten, aufhören, eine linke Partei zu sein; das Etikett kann sie zu Werbezwecken weiterhin führen, solange sie sich irreversibel dem Credo des transatlantisch ausgerichteten, „progressiven Neoliberalismus“ (Nancy Fraser) verpflichtet, wie es mustergültig in den „vier Grundfreiheiten“ der EU zum Ausdruck kommt. Friedrich von Hayek und Ludwig von Mises können zufrieden sein.

Mit freundlichen Grüßen,
Frank Graf


30. Leserbrief

Lieber Albrecht Müller,

und ob wir “diese Beobachtungen teilen”!

Großen Dank für Ihre aufschlussreiche Analyse!

Herzliche Grüße!
Helene+Ansgar Klein

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Leserbriefe

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