„Die Latte der Zensur liegt so niedrig wie nie“

„Die Latte der Zensur liegt so niedrig wie nie“

„Die Latte der Zensur liegt so niedrig wie nie“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Presse- und Meinungsfreiheit sind natürlich weiterhin gegeben, doch wer gehört werden darf und wer nicht, entscheidet kein ordentliches Gericht, sondern eine unsichtbare Instanz von Tech-Oligarchen, die über den Gesetzen steht“, sagt der Journalist und Autor Mathias Bröckers im Interview mit den NachDenkSeiten. Ein Interview über die Berichterstattung in der Pandemie, den Kampf um die Deutungshoheit und die „Desinfektion des Meinungsspektrums“. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Herr Bröckers, die Landesmedienanstalten gehen gegen alternative Medien vor, die Commerzbank kündigt die Konten von RT DE und die großen Medien haben ihre Reihen in der Pandemie geschlossen. Kritischen Stimmen, die die Corona-Maßnahmen hinterfragen, wird mit maximaler Ablehnung begegnet.
Was ist da los?

Nachdem Big-Tech sogar dem noch amtierenden Donald Trump einfach das „Megafon“ wegnehmen und ihn auf allen sozialen Medien löschen konnten, ohne dass sich jemand im liberalen Wertewesten groß darüber aufregte, gilt festzuhalten: Die Latte der Zensur liegt so niedrig wie nie. Oder andersherum: Wenn man den Kommandeur der größten Weltmacht ungestraft von der Kommunikation abschneiden kann, ist auf dieser nach oben offenen Trump-Skala dann alles möglich und kein kleinerer Akteur muss sich mehr wundern, wenn ihm der Saft abgedreht wird. Presse- und Meinungsfreiheit sind natürlich weiterhin gegeben, doch wer gehört werden darf und wer nicht, entscheidet kein ordentliches Gericht, sondern eine unsichtbare Instanz von Tech-Oligarchen, die über den Gesetzen steht und auch einen gewählten Präsidenten einfach abschalten kann. Da müssen sich dann erfolgreiche Journalisten, Blogger oder YouTuber nicht wundern. Mit der Pandemie hat die Desinfektion des Meinungsspektrums jetzt geradezu groteske Formen angenommen und wie die Rodelpolizei schlittenfahrende Kinder jagt, wird medial an 100-prozentiger Diskurshygiene gearbeitet. Willkommen im Fake-News-Ministerium von Facebook, der demokratischen Bewegtbild-Kontrolle von YouTube, dem Verfassungsschutz von Twitter und im Wahrheits-Ministerium von Google.

Wer in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit der Pandemie etwas zu laut von Grund- und Menschenrechten gesprochen hat, wurde medial gesteinigt. Wie haben Sie die Berichterstattung wahrgenommen?

Ich musste zunächst mal an die Zeit nach dem 11. September und den Krieg gegen den Irak denken. George W. Bush hatte damals verkündet, „Hüten wir uns vor Verschwörungstheorien, die mit frevelhaften Lügen von den wahren Schuldigen ablenken” und keine Alternative zugelassen: „Mit uns oder mit den Terroristen“. Wer die Verkündigungen des Weißen Hauses kritisierte, war damit quasi Al-Qaida-Sympathisant. Und so ähnlich wie damals mit der Angst vor dem Terror wurde jetzt auch mit der Angst vor dem Virus operiert. Wenn die Alarmglocken der Kirche der Angst läuten und drohende Gefahr beschwören, lässt sich auch in der widerborstigsten Herde rasch Konsens („Sanktionen!“/ „Krieg!“/ „Lockdown!“ usw.) herstellen. Wer dann noch zweifelt oder widerspricht, muss sich nicht nur den Vorwurf gefallen lassen, das Löschen eines Brands („Saddams Massenvernichtungswaffen!“) mit Hinweisen auf den Wasserschaden („Völkerrechtswidrige Invasion!“) zu verhindern, sondern stellt eine konkrete Gefahr für „Sicherheit“ / „Wehrkraft“/ „Volksgesundheit“ usw. dar, die bekämpft werden muss. Im Ausnahmezustand gilt: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ Also ein Gegner/ Gefährder/ Feind, und das auch dann, wenn seine Hinweise der Wahrheit entsprechen.

Seit damals sind fast 20 Jahre vergangen. In der Zeit ist viel passiert. Immer mehr alternative Medien sind entstanden, einige von ihnen verfügen über eine große Reichweite. Hat sich der Kampf um die Deutungshoheit verändert?

Wenn auch einem US-Präsidenten mit 75 Millionen Followern der Twitter-Kanal einfach abgeschaltet und gelöscht werden kann, zeigt das deutlich, wo die eigentliche Macht mittlerweile beheimatet ist. Tech-Oligarchen und ihre „Faktenchecker“ entscheiden, was in den Medien als Realität simuliert werden darf und Reichweite erhält. Vor 20 Jahren reichte es zur Durchsetzung eines Narratives noch aus, wenn die Konzernmedien es in ihre Wiederholungsschleifen aufnahmen und die Handvoll Kritiker als üble „Verschwörungstheoretiker“ denunzierten, mittlerweile müssen auch die sozialen Medien überwacht und kontrolliert werden, denn jeder mit einem Handy ist ja prinzipiell auch ein „TV-Sender“ und kann große Reichweiten erzielen. Und somit die Durchsetzung der offiziellen Deutung von Ereignissen unterlaufen.

Wie erklären Sie sich, dass so viele alternative Medien entstanden sind und so einen großen Zulauf erfahren haben?

Ziemlich einfach: Weil die Großmedien ihren Job nicht machen. Weil sie ihre Funktion als Wachhund der Demokratie nicht erfüllen, weil sie nicht mehr „sagen, was ist“, wie es Rudolf Augstein einst vorgegeben hatte, sondern statt kritischem, investigativem Journalismus relotious-artiges Propaganda-Infotainment produzieren. Und bei jedem illegalen Krieg freudig mitmarschieren und Fake-News verbreiten. Beim „Spiegel“ hat sich doch nichts geändert mit dem großen Mea Culpa nach dem Auffliegen der Relotius-Fakes und auch nichts bei den Institutionen, die diesen Schwurbel mit Journalistenpreisen überschütteten. Wenn es ins Narrativ passt, sind die Fakten zweitrangig und die Story kommt auf die Titelseite. Es geht nicht mehr um „sagen, was ist“, die Übermittlung und Einordnung von Fakten, sondern um pseudojournalistisches Agendasetting, um „Ausmalen, wie sich’s anfühlt”. Und das merken die Leute und kaufen diesen Medien nichts mehr ab.

Im Februar haben drei Journalisten der Süddeutschen Zeitung einen Artikel verfasst, der sich gegen Kollegen richtet, die auf der Bundespressekonferenz unbequem auftreten. Da ist von einem Missbrauch der Veranstaltung für „Propaganda und Verschwörungsmythen“ die Rede. Was lesen Sie aus der Aussage?

Als wir Anfang der 1980er in der „taz“ über die Einrichtung einer Parlamentsredaktion diskutierten, gehörte ich zu der Minderheit, die dagegen war, weil ich fand, dass diese öffentlichen BPKs selten Berichtenswertes liefern und von Ministern und ihren Sprechern nur dann kein Blabla kommt, wenn man sie im Interview konfrontiert. Das sehe ich eigentlich noch immer so, es ist ein trostloses Ritual und da wollen die „schurnalistischen“ Posteninhaber in ihren wichtigen, teuren Büros vor Ort natürlich nicht gestört werden. Und kritische Fragen stören nun mal. Und „Verschwörungsmythen“ verbreiten immer nur die anderen, während die Regierung und ihre BPK-Stenographen stets die reine Wahrheit kundtun.

Wenn man bei Google News „Zensur“ eingibt, sieht man vor allem Treffer, die mit China zu tun haben. „Zensur“ scheint bei uns kein Thema zu sein.

Das ist ja das Schöne an unserer Tech-Oligarchie: Die Datenkanäle sind privatisiert und wenn da etwas aus dem Verkehr gezogen wird, kann von staatlicher Zensur keine Rede sein. Die grundgesetzlich verbürgte Pressefreiheit ist ja weiter garantiert (Zwinker-Smiley) und jeder kann seine Meinung frei äußern… in seinem Garten. Im Zuge der Pandemie kamen sich ja nicht von ungefähr viele Ossis medienmäßig wie in einer DDR 2.0 vor, mit den Beschlüssen des CDSPU-Politbüros auf allen Kanälen – und einem Corona-Clown Karl wie seinerzeit Karl-Eduard im „Schwarzen Kanal“, mit Warnungen vor der drohenden anti-desinfektionistischen Konterrevolution. Das alte Comedy-Format „Drei Stühle – eine Meinung“ wurde gleichsam zur Dauersendung der Großmedien, und wie damals die Ost-Dissidenten ins Kirchenasyl mussten, müssen jetzt Gegenrede, Widerspruch und Kritik ins Internet flüchten, wo aber nunmehr die Silicon-Valley-Stasi und das Wahrheitsministerium von Google für Ordnung sorgen. Was kein einfacher Job ist, denn man muss den Massen ja eintrichtern, um Gottes und der Gesundheit Aller Willen „auf die Wissenschaft“ zu hören, aber gleichzeitig sämtliche wissenschaftliche Kriterien zur Prüfdauer und Effektivität von Impfstoffen über Bord zu werfen.

Gerade läuft alles auf eine Zweiteilung der Grundrechte hinaus. Geimpfte sollen Zugang zu Kinos, Hotels etc. erhalten, Nichtgeimpfte sollen draußen bleiben. Münchens Oberbürgermeister sprach davon, dass sich die Münchner doch für 24 Stunden „freitesten“ könnten, so dass sie Zugangsberichtigungen bekommen. Widerspruch in den Medien gibt es, von Ausnahmen abgesehen, kaum. Wie erklären Sie sich das? Müssten Medien, die sonst die Fahne der Menschenrechte hochhalten, nicht längst auf den Hinterbeinen sein, wenn man bedenkt, dass einem Teil der Bürger die Grundrechte nicht mehr zugestanden werden sollen?

Die Fahne der Menschenrechte wird ja nur geschwenkt, wo es passt: also zum Beispiel jetzt bei einem Betrüger wie Nawalny, während in neun Jahren Verfolgung von Julian Assange allgemeines Schweigen im Medienwald herrschte. Und so wird jetzt auch über die Wahnvorstellung von Bill Gates geschwiegen, 7 Milliarden Menschen zu impfen, genauso wie über die Rechte der Betroffenen, ein solches Impf-Abo – denn mit einem Mal ist es wegen immer wiederkehrender „Mutanten“ nicht getan – zu verweigern. Dass eine mit allen Bürgerrechten behaftete ID nur noch mit DI (Digitalem Impfpass) zu haben sein wird, ist der feuchte Traum im Silicon Surveillance Valley: Kontrolle der Körper.

Zwar gibt es noch keine „Soma”-Ausgabestellen, die wie in Aldous Huxleys Dystopie „Schöne Neue Welt“ stimmungsaufhellende Beruhigungsmedikamente an die Massen verteilen, aber vorstellbar wird das schon, wenn man sich anschaut, wie derzeit Euphorie und Hoffnungen auf nahezu ungeprüfte Vakzine geschürt werden, die Inbrunst, mit der die Impfung als Königsweg und Endlösung der Pandemie herbeigebetet wird, die schizoide Propaganda, einerseits auf „die Wissenschaft” und die Regierung zu hören, gleichzeitig aber alle wissenschaftlichen Kriterien der Zulassung eines Impfstoffs sofort zu vergessen – auch wenn der Stoff nicht psychoaktiv wie Huxleys „Soma” wirkt, driftet das Ganze doch stark in diese Richtung. Dass dort alle Krankheiten durch pränatale Impfungen ausgemerzt sind, muss heute den Massen, die vor Angst maskiert an den Fernsehern sitzen und auf die erlösende Spritze warten, geradezu paradiesisch vorkommen.

Was das Motto betrifft, mit denen unwilligen Kritikern und zögernden Skeptikern das Soma nahegebracht wurde – „Ein Gramm versuchen, ist besser als fluchen” – wird derzeit zwar noch mit etwas brachialeren Methoden gearbeitet, aber die ersten Politiker, die fordern, Kritiker der Pandemiepolitik mit einer „psychiatrischen Behandlung” zum Schweigen zu bringen, sind ja durchaus schon da. Und wenn dann noch ein Impfstoff kommt, mit der Wirkung  „alle Vorzüge des Christentums und des Alkohols ohne deren Nachteile” zu verbinden, können Dissidenten – also „Coronaleugner”, „Populisten“, „Nazis”, „Antisemiten”, „Aluhüte” und „Querdenker“ aller Art –  mit einem Pieks geheilt werden von ihrem falschen Denken. Vor ein paar Jahren hätten solche Szenarien noch wie aus einem billigen B-Picture geklungen, doch mittlerweile scheinen sie durchaus realistisch. Die neue „EU-Beobachtungsstelle gegen Desinformation“, die falsches Denken nicht-medikamentös behandeln soll, heißt übrigens jetzt SOMA (Social Oberservatory & Media Analysis)!

Mathias Bröckers veröffentlichte zuletzt „Klimalügner – Vom Ende des Kaputtalismus und der Zuvielisation“ (Zeitpunkt Verlag). Er bloggt auf broeckers.com

Titelbild: Screenshot „Der fehlende Part“ via YouTube