Zur Diskussion: Geopolitischer Paukenschlag? Das mögliche Militärbündnis zwischen Russland und China

Zur Diskussion: Geopolitischer Paukenschlag? Das mögliche Militärbündnis zwischen Russland und China

Zur Diskussion: Geopolitischer Paukenschlag? Das mögliche Militärbündnis zwischen Russland und China

Ein Artikel von: Redaktion

Dass China Russland den Abschluss eines formellen Militärbündnisses vorgeschlagen hat, wurde bereits im Februar bekannt. Weil das Thema in vielen deutschen Medien bislang nicht angemessen behandelt wird, wollen wir hier einen Artikel des russischen Thinktanks „RusStrat“ vorstellen, den unser Leser Cay Gabbe freundlicherweise für uns übersetzt hat. Damit wollen wir uns nicht mit diesen Positionen gemein machen. Aber wir denken, es ist von großer Wichtigkeit, die Tragweite der Entwicklung zu begreifen. Neben den in diesem Papier formulierten Positionen zum Verhältnis Peking/Moskau wirft die Annäherung auch Fragen für Deutschland und andere EU-Staaten auf. Wir würden die Fragen gerne auch an unsere Leser richten: Treibt das vor allem im Interesse der USA wirkende feindliche Auftreten Deutschlands und der EU gegenüber Russland dieses teils europäische Land „in die Arme“ Chinas? Was würde das russisch-chinesische Bündnis für Deutschland bedeuten? Welche Position in der aktuellen internationalen Blockbildung wäre am ehesten im Interesse der Bürger der EU-Länder? Was bedeutet die Entwicklung für das Verhältnis Deutschland/USA und was für den Umgang mit den starken transatlantischen Einflüssen hierzulande? Schreiben Sie uns an leserbriefe(at)nachdenkseiten.de Ihre Meinung. Von Redaktion.

Beginn der Übersetzung (mit Anmerkungen des Übersetzers. Die Anmerkungen sind kursiv in Klammern):

Moskauer Institut für internationale politische und wirtschaftliche Strategien (RusStrat)
MOSKAU, 8. Februar 2021, RusStrat-Institut.

Am 4. Februar 2021 führten die Außenminister Russlands und Chinas, Sergej Lawrow und Wang Yi, ein Telefongespräch, dessen Bedeutung kaum zu überschätzen ist.

Im Rahmen der Neuunterzeichnung des Vertrages über Freundschaft und gute Nachbarschaft, der bald ausläuft, schlug Peking vor, den neuen Vertrag mit epochalen Inhalten zu füllen, die nicht nur den Wunsch beider Länder widerspiegeln, ihre eigene und die Sicherheit des jeweils anderen zu schützen, sondern auch die Sicherheit der Nachbarstaaten. In der Tat kann man sagen, dass Peking Moskau den Abschluss eines formellen Militärbündnisses vorgeschlagen hat.

Es ist wichtig zu beachten, dass das, was passiert ist, keine plötzliche Initiative Pekings ist. Nach den zahlreichen Vorbehalten und Erklärungen, auch von Spitzenbeamten, zu urteilen, wurde dieses Thema seit 2016 unter vier Augen diskutiert, und bis 2020 gab es eine ernsthafte Annäherung der gegenseitigen Ansichten.

Insbesondere sagte der russische Präsident am 22. Oktober 2020 in Nowo-Ogarewo, dass es durchaus möglich ist, ein Militärbündnis zwischen den beiden Ländern zu schließen, obwohl sie es „im Allgemeinen“ nicht brauchen. Die chinesische Seite hat darauf sofort „sehr herzlich“ reagiert.

So ist die globale geopolitische Annäherung zwischen Russland und China ein natürlicher und unvermeidlicher Prozess. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die beiden Länder sehr ähnliche Ziele und langfristige Strategien haben, die sich zudem auch in absehbarer Zeit nicht überschneiden. Das bedeutet, dass es für mindestens ein halbes Jahrhundert, wenn nicht mehr, keine ernsthaften Konflikte zwischen unseren Ländern geben sollte, die sich zu einer bewaffneten Konfrontation entwickeln könnten.

Und für diesen gesamten Zeitraum haben wir einen gemeinsamen, hinreichend ernst zu nehmenden Gegner und das gleiche geopolitische Ziel.

Chinas Interesse an dieser Allianz liegt in drei Punkten.

Erstens ist es der strategische Nuklearschirm Russlands. Allein gegen China könnten sich die Vereinigten Staaten, wenn auch sehr theoretisch, auf einen Atomkrieg einlassen – sagen wir, begrenzt auf taktische Sprengköpfe. Aber gegen eine Allianz mit Russland – eindeutig nein.

Zweitens kann Peking, nachdem es eine Garantie für die Deckung des eigenen Rückens erhalten hat, die Armee in einem ausreichend schmalen „östlichen“ Teil der potenziellen Front konzentrieren und so die entscheidende Überlegenheit an Stärke und Mitteln dort sicherstellen (oder: erzielen).

Drittens würde ein solches Abkommen China nicht nur die Hände in Bezug auf die „Taiwan-Frage“ entbinden, sondern auch die informelle Anerkennung seitens Russlands bedeuten, diese „Frage“ nach eigenem Ermessen zu lösen.

Was könnte Russlands Interesse an einer solchen Allianz sein?

Zunächst einmal würde die Unterzeichnung eines solchen Vertrages China automatisch dazu zwingen, eine aktivere und eindeutig pro-russische Haltung in einer Reihe von internationalen Fragen einzunehmen, die für uns wichtig sind. Angefangen von der Anerkennung der Krim und den Sanktionen gegen SP-2 (gemeint ist Nordstream-2) bis zur Unterstützung der russischen Wirtschaft mit Finanzen und der Industrie mit Technologie.

Darüber hinaus bildet sie implizit eine hervorragende Grundlage für eine klare Interessenteilung zwischen den beiden Ländern in Zentralasien und dem übrigen postsowjetischen Raum, in dem noch zu viele Unklarheiten (Uneindeutigkeit) bestehen (geblieben sind). Und während bezogen auf Zentralasien und Turkestan (gemeint ist nicht der Staat Turkmenistan, sondern die Bezeichnung bezieht sich auf ein Gebiet zwischen dem Kaspischen Meer und China, das eine 2000-jährige Geschichte hat, mehrere Staaten betrifft und vielfach Herrschaftsverhältnisse und Bezeichnungen geändert hat) ein breites Spektrum gemeinsamer Interessen möglich sind, kann Peking an den westlichen Grenzen Russlands nur die Formulierung unterstützen, dass diese Gebiete in der Zone der russischen strategischen Interessen liegen, genauso wie Taiwan in der Zone der strategischen Interessen Pekings liegt.

Die Hauptsache ist, dass dadurch die Möglichkeit besteht, die gegenseitigen Positionen über die Zweckmäßigkeit der Aufrechterhaltung des europäischen Integrationsprojekts zu synchronisieren. Wir werden uns in dieser Frage eindeutig festlegen müssen, ohne dass es Optionen gibt (gemeint sei, dass es eine zwangsläufige Entscheidung sei, die alternativlos sei). Mit der Unterstützung von Chinas wirtschaftlicher „Megamaschine“ (Macht) wird es für Russland jedoch viel einfacher sein, dieses Problem zu lösen, als es das alleine könnte.

Natürlich hat das mögliche Militärbündnis zwischen Russland und China neben den Vorteilen auch seine strittigen Punkte. Einige von ihnen sind recht bedeutend. Man könnte sagen, dass sich Moskau angesichts des unterschiedlichen wirtschaftlichen Gewichts und der Größe der außenpolitischen Probleme sowie einiger weltanschaulicher Divergenzen im Falle der Unterzeichnung eines solchen Vertrages bis zu einem gewissen Grad von der Außen- und Innenpolitik Pekings abhängig machen würde. Und dies ist in der Tat der Fall.

Aber auch das Gegenteil ist der Fall. China befindet sich in genau der gleichen Abhängigkeit. Und wenn es dem Vertrag zustimmt, bedeutet das, dass die herrschende Elite des Landes dieser gegenseitigen Abhängigkeit zustimmt.

Es ist also nicht auszuschließen, dass ein offizielles Militärbündnis zwischen Russland und China bereits in diesem Jahr, spätestens aber 2022, geschlossen wird.

Ende der Übersetzung (übersetzt von Cay Gabbe)

Anmerkung der Redaktion 8.4.2021: Aktuell hat Russlands Außenminister laut RT zum chinesischen Vorschlag festgestellt, dass die russisch-chinesischen Beziehungen zwar das beste Niveau in ihrer Geschichte erreicht hätten, diese engen Beziehungen beider Länder jedoch nicht zur Schaffung eines Bündnisses von Streitkräften „als Konkurrenz zur NATO“ führen würden.

Titelbild: LukeOnTheRoad / Shutterstock

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