Ökumenischer Kirchentag mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg

Ökumenischer Kirchentag mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg

Ökumenischer Kirchentag mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg

Ein Artikel von Ekkehard Lentz

Mit einem im Internet gestreamten und von der ARD übertragenen ökumenischen Gottesdienst begann am Himmelfahrtstag der dritte Ökumenische Kirchentag „schaut hin“. Vom 13. bis 16. Mai 2021 werden rund 80 digitale Veranstaltungen gesendet. Erstmals vertreten ist NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die 60-minütige Veranstaltung „Wie gelingt Friedenssicherung in einer unsicheren Welt?“ unter der Moderation von Bundesminister a.D. Thomas de Maizière wurde bereits in Frankfurt/M. aufgezeichnet und ist ab Samstag, 15. Mai, online abrufbar. Stoltenberg wird damit eine öffentlichkeitswirksame Werbeplattform geboten, von wo aus er Kriege zum Beispiel in Mali, Syrien, Irak, Afghanistan und aggressive Manöver wie Defender 2021 rechtfertigen kann. Acht Aktive aus der Friedensbewegung in Deutschland [Reiner Braun (Berlin), Kristine Karch (Düsseldorf), Ekkehard Lentz (Bremen), Pascal Luig (Berlin), Karl Heinz Peil (Frankfurt/M.), Dr. Werner Ruf (Kassel), Bernhard Trautvetter (Essen), Willi van Ooyen (Frankfurt/M.)] haben in einer Erklärung protestiert, „dass der oberste NATO-Repräsentant sein Propagandagift auf einem Kirchentag verstreuen darf und von einem ehemaligen deutschen „Verteidigungsminister“, der für Kriegseinsätze Verantwortung trägt, unterstützt wird.“ Von Ekkehard Lentz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Inzwischen hat die Öffentlichkeitsabteilung des Kirchentages auf die Erklärung reagiert. Auf Facebook kommentiert sie: “An der Veranstaltung sind neben dem NATO-Generalsekretär auch Friedensforscherinnen und Politikwissenschaftlerinnen beteiligt. Es geht um einen sachlichen und kritischen Austausch über die globale Friedenssicherung und die Bedeutung militärischer Prävention und Intervention. Thomas de Maizière moderiert dabei in seiner Rolle als höchst sachkompetenter, engagierter Christ und Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentages.”

Der ehemalige „Bundesverteidigungsminister“ ist nach Angaben der acht Friedensbewegten maßgeblich für den 67-seitigen Bericht „NATO 2030“ verantwortlich. Die Vorschläge für eine neue NATO-Agenda, die in „NATO 2030“ skizziert sind, stellen nach ihrer Auffassung gefährliche Expansionspläne vor, die die Spannungen und die Kriegsgefahr erhöhen werden.

Mehr Informationen zu NATO 2030

In der Erklärung zum Auftritt von Stoltenberg und de Maizière auf dem Kirchentag heißt es weiter: „Wir leben bereits heute in einer Zeit zahlreicher Kriege und enormer Aufrüstung. Kriege und Bürgerkriege haben unvorstellbar grausame Folgen. Über das Konstrukt der „nuklearen Teilhabe“ hat sich die Bundesregierung dem Atomkriegskurs von NATO und USA verpflichtet. Der Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen widersprechen gemäß des Rechtsgutachtens des Internationalen Gerichtshofes von 1996 dem humanitären Völkerrecht. Jeder Einsatz von Atomwaffen hätte verheerende Auswirkungen und kann nie gerechtfertigt werden! Deshalb sollten die Kirchen ein Zeichen gegen Kriege, für Frieden und Abrüstung setzen, statt Aufrüstungsbefürwortern und Militaristen ein Podium zu bieten.“

Seit der Konstantinischen Wende (circa 313 nach Christus) arbeiten die großen Kirchen kontinuierlich bis heute mit dem Militär zusammen. Fast vergessen hat man, dass Christ:innen vorher (also von Jesus Christus bis 313 n. Chr.) militärische Gewalt strikt ablehnten. Die Kirche sollte sich zurückbesinnen auf diese Wurzeln.

Im Gegensatz zu den Organisatoren der Veranstaltung, die in ihrer Einladung von der NATO als „Wertegemeinschaft freier demokratischer Staaten“ sprechen, sagt Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum, „dass die NATO – von Jugoslawien bis Libyen – eine verheerende und völkerrechtswidrige Politik betrieben hat. Sie trug auch ein verheerendes Denken in die Köpfe der Friedens- und Sicherheitspolitiker, das nur eine Richtung kennt: Aufrüstung.“

Nach Ansicht der Friedensaktivisten muss stattdessen eine „Entmilitarisierung des Denkens“ einsetzen: „Wir brauchen kooperative Nachbarschaft statt Militarisierung und aggressive Konfrontation, wir brauchen Abrüstung statt Aufrüstung, und wir brauchen faire Handelsbeziehungen statt Ausbeutung des globalen Südens.“

Nachtrag

Einen Erfolg der Friedensbewegung vermeldet dagegen die Initiative „Militärseelsorge abschaffen“: Der Kirchentag 2021 findet ohne Bundeswehr-Werbung statt. Anders als auf vergangenen Kirchentagen wird 2021 kein Militärgottesdienst gefeiert werden, weder digital noch in Präsenz. Kein Bundeswehr-Musikkorps wird spielen. Die Militärseelsorge wird keine Infostände betreiben, auch nicht virtuell. Dazu habe der Offene Brief, den 76 Friedens- und Menschenrechtsorganisationen an das Präsidium des Ökumenischen Kirchentages adressiert hatten, erfolgreich beigetragen. Veronika Drews-Galle, die bei der Bundeswehr für die Kontakte zum Kirchentag zuständig ist, schreibt: “Leider hat es keine der zahlreichen, aus dem ökumenischen Raum der Militärseelsorge eingebrachten Veranstaltungen ins Programm geschafft.” [Quelle: Veronika Drews-Galle vom “Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr”, Referat II, am 4.4.2021). Rainer Schmid, einer der Initiatoren des Offenen Briefes: „Wir fordern auch für die Zukunft militärfreie Kirchentage. Denn Image-Werbung der Bundeswehr hat auf Kirchen- und Katholikentagen nichts zu suchen!“

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