Baerbock: Annalena, die „Maskulinisten“ und der böse Russe

Baerbock: Annalena, die „Maskulinisten“ und der böse Russe

Baerbock: Annalena, die „Maskulinisten“ und der böse Russe

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Teils die gleichen Medien, die eine Kampagne für die grüne Kanzlerkandidatin entfacht haben, sehen nun eine „Hass-Kampagne“ gegen Baerbock. Unseriöse Auswüchse in Sozialen Netzwerken sind scharf zu kritisieren. Im Zuge dessen wird aber auch versucht, inhaltliche Kritik als „rechts“ zu diffamieren – oder gleich als „vom Kreml gesteuert“. Von Tobias Riegel.

Es war in den vergangenen Wochen in vielen großen Medien eine massive und distanzlose Kampagne für die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, zu erleben (Beispiele unter vielen anderen etwa hier oder hier oder hier). Wiederum einige große Medien stellen nun aber eine „Hass-Kampagne“ gegen Baerbock in den Vordergrund.

Zum einen ist es kaum verwunderlich, wenn zu einer als gleichförmig empfundenen Medienkampagne für die Lieblingskandidatin von mutmaßlich transatlantisch motivierten Journalisten eine Gegenbewegung entsteht. Da dieses Empfinden in den etablierten Medien so gut wie keinen Raum findet, äußert es sich vor allem in den Sozialen Netzwerken. Dass die Antipathien gegen Baerbock dort eine teils unseriöse oder gar hässliche Gestalt annehmen, ist scharf zu kritisieren, etwa die Verbreitung von gefälschten Nacktbildern. Aber es sollten doch die Verhältnisse und die Relevanz erwähnt werden: Die teils peinlich-kritiklosen und dadurch unseriösen Baerbock-Unterstützer in vielen großen Medien entfalten eine erheblich größere und dadurch manipulierendere Wirkung als die nun überbetonten Blogs und Facebook-Postings.

Kritik an Baerbock soll diffamiert werden

Durch eine wiederum manipulierende Darstellung dieser teils sehr unseriösen Reaktionen im Netz auf Baerbock soll mutmaßlich auch versucht werden, alle Baerbock-Kritiker und die Kritik an ihr allgemein zu diskreditieren. Beispielhaft steht dafür etwa ein vielfach zitierter Artikel in der „Bild“, der hinter der „Kampagne gegen Baerbock“ einmal mehr den bösen Russen sieht. Cem Özdemir (Grüne) darf hier etwa als Motivation für den „Hass“ gegen Baerbock und eine angebliche Kreml-Kampagne gegen sie den aufrechten und von Baerbock ausgefochtenen Kampf gegen „Diktatoren“ ins Feld führen:

„Wir stehen klar an der Seite des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny und positionieren uns eindeutig gegen Nord-Stream 2. Das schmeckt Putin nicht.“ Baerbock, so Özdemir weiter, „kuschelt nun Mal nicht mit Diktatoren“.

Ein anderer Strang der Berichterstattung vieler großer Medien möchte die Baerbock-Kritik gerne als „rechts“ abtun. Und das, obwohl viele Kritikpunkte, etwa an der stramm transatlantischen Ausrichtung Baerbocks und den daraus resultierenden heftigen und gefährlichen antirussischen Ressentiments, eindeutig einen linken Charakter haben – zumindest in den Sinne, in dem das Wort „links“ vor der massiven Umdeutung einmal zu verstehen war.

Beispielhaft für diese Richtung kann ein aktueller Gastkommentar im „Spiegel“ stehen. Hier wird Kritik an Baerbock als eine „Hass-Kampagne“ von „Maskulinisten“ bezeichnet, die nicht nur den Wahlkampf der Grünen sabotieren soll: „Sie soll Frauen generell einschüchtern und sie von Machtpositionen fernhalten“, so die Autorin.

Manipulation und Verzerrung

Wie manipulierend hier vorgegangen wird, zeigt unter anderem dieser Absatz des Spiegel-Artikels, in dem Oskar Lafontaine indirekt Sexismus und Demokratiefeindlichkeit unterstellt wird:

„Man kann aus inhaltlichen Gründen die Politik von Annalena Baerbock nicht teilen und das Programm der Grünen kritisieren. Doch Aussagen wie etwa jene von Oskar Lafontaine, man qualifiziere sich wohl in den Augen der Grünen bereits hinreichend fürs Regieren, wenn man »zwei Kinder großzieht«, sind sexistisch. Sie befeuern rechte, antifeministische Gruppen. Wer sich davon nicht abgrenzt, macht selbst misogyne und damit demokratiefeindliche Politik.“

Dazu ist zunächst zu betonen, dass es große Medien waren, die das Muttersein von Baerbock sowie ihr Geschlecht teils als politischen Bonus herausgestellt und dadurch ins Zentrum der Debatte gerückt haben. So schreibt etwa (als nur ein Beispiel) die „Zeit“ unter der Überschrift „Eine wie keine“:

„Mit Annalena Baerbock könnte erstmals eine Mutter Bundeskanzlerin werden. Schon ihre Kandidatur macht Millionen Eltern Hoffnung, die die Grünen nicht enttäuschen sollten.“

Es kann als dominante mediale Marotte bezeichnet werden, Baerbocks Geschlecht und Muttersein über politische Inhalte und über das Kriterium der politischen Erfahrung zu stellen. Lafontaine hat mit seinem Beitrag wohl auch auf solche Artikel wie den hier zitierten aus der „Zeit“ reagiert. Wenn man Lafontaines Äußerungen nicht aus dem Zusammenhang reißt, wie der „Spiegel“ das tut, dann klingt das in seinem Facebook-Post folgendermaßen:

„Es wäre in der Wirtschaft undenkbar, dass jemand Chef von sagen wir VW, Daimler oder BASF wird, der noch nie in einem kleinen Betrieb Geschäftsführer war, oder in einem mittleren Unternehmen Abteilungsleiter oder Vorstandsmitglied. Die Grünen und viele ihre Anhänger im Journalismus sind mit Annalena Baerbock offensichtlich der Meinung, wenn man Mitarbeiterin einer grünen Fraktion war und zwei Kinder großzieht, sei man hinreichend qualifiziert, Bundeskanzlerin der größten Wirtschaftsnation Europas zu sein.”

Ablenkung von Baerbocks drastischen Standpunkten

Wie gesagt: Es waren eher Beiträge in großen Medien, die sich auf das Geschlecht und das Muttersein Baerbocks konzentriert haben – mutmaßlich, um einerseits die Unerfahrenheit und andererseits die teils drastischen Standpunkte der Kandidatin zu verschleiern. Einige der zahlreichen kritikwürdigen politischen Standpunkte, für die Baerbock steht, hat kürzlich Jens Berger in diesem Artikel thematisiert:

„Es gibt in Deutschland wohl wenig Politiker gleich welchen Geschlechts, die auf den Feldern der Außen- und Sicherheitspolitik derart aggressiv unterwegs sind wie Frau Baerbock. Das letzte Mal, als die Freude über einen grünen Kanzlerkandidaten so groß war, hieß der Auserwählte Joschka Fischer. Es endete mit Hartz IV, Rentenkürzungen, völkerrechtswidrigen Angriffskriegen und Bomben auf Belgrad. (…)

  • Erst kürzlich bekannte Baerbock in einem Interview mit dem ZDF, Deutschland brauche „dringend eine klare außenpolitische Haltung gegenüber dem russischen Regime“ (sic!) und forderte abermals „schärfere Sanktionen“ gegen das „System Putin“.
  • Baerbock fordert schon lange einen sofortigen Baustopp der Pipeline Nord Stream 2. Vor allem die Begründung hat es in sich: Die Pipeline laufe – so Baerbock – „den geostrategischen Interessen der EU“ zuwider, „destabilisiere die Ukraine“ und „konterkariere den klaren Russlandkurs auf EU-Ebene“. Victoria („Fuck the EU“) Nuland wäre stolz auf die grüne Kandidatin.
  • Baerbock tritt klar für höhere Ausgaben für Verteidigung und Bundeswehr ein und befürwortet zusätzliche Auslandseinsätze. „Wir dürfen uns nicht wegducken“, so Baerbocks sicherheitspolitisches Mantra. „Wenn der Westen Ländern wie China, Russland oder der Türkei nicht das Feld überlassen will“, müsse „Europa seine Friedensrolle in der Welt ernster nehmen“. Das sind genau die bellizistischen Töne, mit denen die Grünen sich bereits seit Langem von ihrer früheren Friedenspolitik verabschiedet haben.
  • Dem neuen US-Präsidenten Biden will Baerbock dann auch „ein ambitioniertes Angebot für eine erneute transatlantische Agenda unterbreiten“.“

Baerbock: Völkerrecht, Habeck: Schweine und Kühemelken

Die mutmaßlich fehlende Seriosität von aktuellen „Vorwürfen“ gegen Baerbock, sie hätte die tatsächliche Bedeutung ihres Teil-Studiums in London aufgebauscht, soll hier nicht bewertet werden. Aber wer sich so unsympathisch das Prädikat der „Völkerrechtlerin“ ans Revers heftet, wie Baerbock in dem hier folgenden kurzen Video-Ausschnitt, der muss sich nicht wundern, wenn mal genauer hingesehen wird, wie fundiert denn diese Eigendefinition tatsächlich ist.



Titelbild: Foto-berlin.net / Shutterstock