Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock – promotet by WEF

Wolf Wetzel
Ein Artikel von Wolf Wetzel

Warum heben die meisten Medienkonzerne, die wahrlich keine „grüne“ Agenda haben, Annalena Baerbock aufs Schild? Es lohnt sich, hinter die doppelte Fassade dieses Vorganges zu schauen. Von Wolf Wetzel.

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) und sein Boss diskutieren sehr gerne über den Tellerrand hinaus. Und sie kommen gerne zusammen, um (sich) heute für das Morgen zu sorgen. Das machen sie mit Menschen, die man heute fördert, damit sie morgen da sind, wo man sie übermorgen braucht. Das nennt man im Sport Talentschmiede, beim WEF nennt man das ein Ausbildungs- und Vernetzungsprogramm bzw. Class 2020.

Am Beispiel der Spitzenkandidatin der GRÜNEN, Annalena Baerbock, kann man nachzeichnen, dass Erfolg und Karriere keine Zufälle sein müssen, in Markenbereich ‚Elite‘ fast nichts dem Zufall überlassen wird. Man muss das richtige Händchen dafür haben und man muss in den richtigen Händen sein, in denen genug Geld liegt.

2018 wurde sie zur Bundesvorsitzenden der GRÜNEN gewählt und man hat schnell erkannt, dass sie Potenzial nach oben hat.

Annalena Baerbock wurde im Jahr 2020 in den Kreis der Young Global Leader „gewählt“. Damit gehört sie zu den Teilnehmern der ‚Class 2020‘ im Forum of Young Global Leaders – welches vom Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, ins Leben gerufen wurde und als Stiftung in den Geschäftsfeldern des Weltwirtschaftsforums agiert. Dass man für die Auserwählten einen guten Riecher hat, beweisen unter anderem Jens Spahn (deutscher Gesundheitsminister) und Angela Merkel (deutsche Bundeskanzlerin), die das Programm durchlaufen haben. Young Global Leaders besteht mittlerweile aus etwa 1.300 Mitgliedern und Alumni.

Die Ziele sind ganz bescheiden formuliert: Aufgenommen und gefördert wird man, um „die Welt zu einem besseren Ort zu machen“:

„By connecting them to a community of remarkable peers and investing further in their leadership abilities, the aim is to create a ripple effect over five years that benefits their organizations and the world. (Meet our Young Global Leaders for 2020)

„Indem man sie mit einer Gemeinschaft bemerkenswerter Gleichgesinnter verbindet und weiter in ihre Führungsfähigkeiten investiert, will man über fünf Jahre hinweg einen Welleneffekt erzeugen, der ihren Organisationen und der Welt zugute kommt.“

Nun rechnet man Baerbock gar gewisse bis gute Chancen aus, mit der Bundestagswahl 2021 zur Nachfolgerin von Angela Merkel gewählt zu werden. Das hört sich bei ihr so an (Vorlagenblatt 2525):

„Die Zukunft entsteht nicht einfach so – sie wird gemacht. Von mutigen Menschen, die jeden Tag über sich hinauswachsen. Wir alle haben jetzt in der Hand, das kommende Jahrzehnt zu einer Ära des klimagerechten Wohlstands zu machen, von dem alle profitieren.“

Dass DIE GRÜNEN nur noch für Ewiggestrige und Nostalgiker etwas mit ökologischem Gewissen und Visionen zu tun haben, hat auch der Unternehmerverband „Südwestmetall – Verband der Metall- und Elektroindustrie“ erkannt und dieser Partei gute 100.000 Euro zukommen lassen, damit ein bisschen Elektroauto mit ganz viel Waffengeschäften zu einem ganzheitlich Neuen/Alten zusammenwachsen.

Wer meint, dass das purer Zufall oder gar ein Versehen sei, der liegt weit daneben: Auf die Partei DIE GRÜNEN ist gerade in Kriegslagen und -zuständen Verlass. Ohne sie hätte ein stinknormaler, völkerrechtswidriger Krieg wie der gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 keine so perverse Begründung bekommen: Man wolle, wie der damalige Außenminister Joschka Fischer allen Ernstes behauptete, ein „zweites Auschwitz“ verhindern. Auf eine solch widerwärtige Art, einem Krieg ein antifaschistisches Label zu verpassen, wären die anderen Parteien nicht gekommen. Dafür braucht man die GRÜNEN. Dafür schätzt man sie.

Aber auch in ihren Kern„kompetenz“bereichen, die man den GRÜNEN irgendwie zugutehält, haben sie bewiesen, dass sie zu allem bereit sind: Als es um die Räumung und Rodung des Dannenröder Forstes ging, vergaßen die GRÜNEN einfach ihr „grünes“ Markenzeichen – in der Kabine.

Und auch auf dem Feld einer weiteren Kernkompetenz der GRÜNEN haben sie gezeigt, dass Staatsraison ganz oben steht, während alles andere optional ist – so eben auch der Kampf gegen Neonazismus und Antisemitismus. Seit Jahren tun die GRÜNEN als Regierungspartei im Landtag in Wiesbaden alles, um die Aufklärung der NSU-Morde zu verhindern. Der vorläufig letzte Akt besteht darin, dass sie mit den Stimmen des Regierungspartners CDU gegen die Aufhebung der Verschlussfristen für NSU-Akten gestimmt haben.

Ausgangspunkt für diese geheime Abstimmung im hessischen Landtag war eine von circa 125.000 Menschen unterschriebene Petition, die die Freigabe von NSU-Akten forderte:

„Die Sitzung des Ausschusses war zwar nicht-öffentlich. Doch auch andere Medien, darunter die taz, berichten von dem Votum der Landtags-Grünen und der CDU. Nur SPD, Linke und AfD hätten für die Offenlegung gestimmt, die FDP habe sich enthalten, schreibt das Blatt. Das CDU-geführte Innenministerium hatte ein Kerndokument, ein 300-seitiges Dossier, ursprünglich bis ins Jahr 2134 gesperrt. Mittlerweile sei die Frist auf 30 Jahre herabgesetzt.“ (merkur.de vom 18.5.2021)

Das ist nichts weiter als Beihilfe zur Nicht-Aufklärung.

Belassen wir es bei dieser Aufzählung. Die GRÜNEN haben bewiesen, worauf es ankommt: Sie sind MusterschülerInnen in der Befolgung der Staatsraison. Denn zur Regierungstauglichkeit gehört auch, dass man jene möglichen Straftaten der Koalitionspartner mitdeckt, die nicht verjähren. Dass genau das keine abstrakte Möglichkeit ist, sondern eine sehr ernsthafte Gefahr, wird deutlich, wenn man die Rolle des hessischen Verfassungsschutzes im Kontext der NSU-Morde betrachtet. Der von Angehörigen erhobene Vorwurf der „Betreuung“ von neonazistischen Mördern durch den Verfassungsschutz ist erst dann ausgeräumt, wenn u.a. die unter Verschluss gehaltenen NSU-Akten zugänglich gemacht werden.

Die Home-Story-Industrie auf Hochtouren

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendeine rührende Geschichte von und mit Annalena Baerbock publiziert wird oder auf Sendung geht. Man kann darüber schmunzeln und sollte jede Gelegenheit zum Spaß nutzen. Aber man sollte diese außergewöhnlichen Umstände nicht weglächeln. Dass nun auch eine Gegenströmung sichtbar wird, wie es Tobias Riegel beschrieben hat, ändert an dem doch dominanten Trend nichts.

Es ist ein besonderer Vorgang, wenn von BILD bis Spiegel, von ARD bis RTL Homestorys vom Stapel gelassen werden. In den allermeisten Fällen sind diese Homestorys wohlwollend, wenn nicht gar unterstützend. In der ‚BILD am Sonntag‘, bekanntlich das Frontblatt im Kampf gegen das Patriarchat, spricht Annalena Baerbock sogar über ihn, ihren Mann:

„Mein Mann übernimmt die volle Verantwortung und Arbeit zu Hause.“

Da will das Magazin „Spiegel“ nicht hinten anstehen und fällt gleich mit der Tür ins Haus:

„Ihr Partner Daniel Holefleisch habe schon in den vergangenen Jahren seine Stunden im Job reduziert, da sie ‚frühmorgens aus dem Haus gehe und in der Nacht nach Hause‘ komme. Ab August werde er eine Auszeit nehmen und dann ‚ganz zu Hause‘ sein, um beim Schulanfang der jüngeren Tochter da zu sein. ‚Mein Mann ist es, der sich vor allem um Kita, Schule, Hausaufgaben und Pausenbrote kümmert‘. Sollte Baerbock siegen, wird die Deutsche Post einen »Senior Expert Corporate Affairs« verlieren, also einen Lobbyisten. Diesen Posten bekleidet Holefleisch derzeit. ‚Wenn ich ein Regierungsamt annehme, ist ganz klar, dass mein Mann seine Arbeit dort so nicht fortführen wird‘, so Baerbock.“ (spiegel.de vom 16. Mai 2021)

Und ganz aus dem Häuschen ist der ‚Focus‘:

„Annalena Baerbock wird seit ihrer Ernennung zur Kanzlerkandidatin der Grünen fast wie eine Heilsbringerin gefeiert. In Umfragen liegt sie im direkten Vergleich deutlich vor ihren Konkurrenten Laschet und Scholz und scheint, zumindest im Moment, gute Chancen für die Nachfolge von Angela Merkel im Bundeskanzleramt zu haben.“ (focus.de vom 18. Mai 2021)

Eine systemimmanente „Vorwahl“

Warum heben Medienkonzerne, die wahrlich keine „grüne“ Agenda haben, Annalena Baerbock aufs Schild? Es lohnt sich, hinter die doppelte Fassade dieses Vorganges zu schauen.

Zum einen ist bemerkenswert, mit welcher Verve die persönliche Annalena Baerbock in den Vordergrund gerückt wird. Eine selbstbewusste, emanzipierte Frau, eine moderne Ehe, ein aufgeschlossener Ehemann, irgendwie sehr hipp und doch ganz und gar nicht angsteinflößend.

Was fast völlig in den Hintergrund gerät, ist die Politikerin Annalena Baerbock. Sie vertritt alles, was schon in den letzten 30 Jahren die deutsche Politik bestimmt hat, vor allem die Außenpolitik. Man will endlich eine ganz normale Außenpolitik wie die anderen imperialen Staaten auch. Man will nicht nur hinter den Kulissen (Scheckbuch-Diplomatie) mitentscheiden, sondern auch an der Front, also gerade auch militärisch. Man will die „dunkle Vergangenheit“ (den deutschen Faschismus) nicht mehr als Grund für eine Demilitarisierung deutscher Außenpolitik gelten lassen, sondern als Begründung für (noch mehr) militärische Einsätze im Ausland mobilisieren:

„Baerbock tritt klar für höhere Ausgaben für Verteidigung und Bundeswehr ein und befürwortet zusätzliche Auslandseinsätze. „Wir dürfen uns nicht wegducken“, so Baerbocks sicherheitspolitisches Mantra. „Wenn der Westen Ländern wie China, Russland oder der Türkei nicht das Feld überlassen will“, müsse „Europa seine Friedensrolle in der Welt ernster nehmen“. Das sind genau die bellizistischen Töne, mit denen die Grünen sich bereits seit Langem von ihrer früheren Friedenspolitik verabschiedet haben.“ (Jens Berger, 20.4.2021)

All das könnten Laschet und Scholz ebenso. Dafür bräuchte man keine (BT-)Wahl. Bei der medialen Vorwahl geht es gerade auch um die Anerkennung und Behebung eines systemischen Problems, um die anhaltende Krise der politischen Legitimation.

Dass sich weder CSU/CDU noch SPD ihren politischen Glaubwürdigkeitsverlust eingestehen können, liegt in der „Natur“ der Sache. Aber interessant wird es, wenn sich so etwas wie das systemische Wissen artikuliert. Laschet ist kein Knaller, sondern eine ganz biedere Lösung und an Scholz kleben so viele Mitmachtugenden (Agenda 2010, ‚schlanker‘ Staat, Entfesselung des Finanzsektors) und organisierte Patenschaften (Warburg Bank in Hamburg), dass das neue „soziale“ Image, das man ihm verpasst hat, kaum einen Blick in den Spiegel überlebt. Insgesamt zeichnet sich das politische System durch einen massiven Vertrauensverlust aus, den die Corona-Maßnahmen noch vergrößert haben.

Von systemischem Wissen kann man sprechen, wenn Entscheidungen getroffen bzw. favorisiert werden, auch wenn sie damit eigene Verluste in Kauf nehmen. Selbstverständlich wäre es normal, wenn alles auf ein ödes Duell zwischen Laschet und Scholz getrimmt und gehypt wird. Doch zurzeit ist vieles nicht normal. Es gibt große Zweifel, dass die alten Gäule noch laufen, also in doppelten Sinn des Wortes noch ankommen. Natürlich kann man alles so laufen lassen, bis das Erwartbare eintritt. Aber man kann auch frühzeitig eine andere, dritte Option begünstigen und favorisieren. Und genau danach sieht es aus.

Annalena Baerbock bietet ganz viel, damit alles so bleibt und doch anders aussieht. Sie hat den enormen Vorteil, dass an ihr wenige „Skandale“ festzumachen sind, die bei Mitgliedern des inneren „Circle“ ganz selbstverständlich sind. Sie ist in den Kernthemen (also was die Hardware machtpolitischer Interessen angeht) nicht von den anderen Parteien (CSU-CDU-FDP-SPD) zu unterscheiden. Sie unterstützt vehement und weiblich alle Kriegseinsätze und jede Gelegenheit, damit Deutschland auch militärisch wieder auf der Weltbühne mitspielt.

Aber, und das ist der Unterschied zu Laschet/Scholz, sie macht dies modern, ganz fortschrittlich, als taffe Mutter, die ihren Mann steht. Man kann es so zusammenfassen: Um weiter Kriege zu führen, um weiter Weltmachtpolitik betreiben zu können, muss man sich eben auch um ein gutes Klima kümmern, sonst wäre alles andere – letzten Endes – für die Katz.

Quellen und Hinweise:

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