Ein solides Stück Volksverdummung – von „Der Tag“ in hr2

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Eine weitere, ehemals kritische Redaktion hat sich de facto der Meinungsmache gegen die Gesetzliche Rente angeschlossen. Kai Ruhsert

Die Sendungen des Hessischen Rundfunks der Reihe „Der Tag“ sind meist gut recherchiert und stellen sich häufig dem Medien-Mainstream entgegen.

Am vergangenen Dienstag ging es um die Rente mit 67 („Altes Eisen – Der beste Rohstoff für den Arbeitsmarkt?“, Datum 16.11.2010). Das ist eigentlich ein dankbares Thema für Journalisten, die Aufklärung für eine ihrer wichtigsten Aufgaben halten.

Doch an diesem Tag war alles anders. Die Minuten vergingen, und ein „Experte“ nach dem anderen durfte den geläufigen Unsinn verbreiten: Dass Deutschland die Lohnnebenkosten senken müsse, um das Wachstum zu steigern; dass der Altersquotient bald besorgniserregend hoch sei; dass der Generationenvertrag nur durch private Vorsorge zu retten sei; und so weiter, und so fort.

Nur die geringe Erwerbsquote der über 60-Jährigen wurde erwähnt. Davon abgesehen, brachten weder die Moderatorin noch einer der Interviewpartner Gegenargumente, etwa das Mackenroth-Theorem, wonach die arbeitende Generation immer die Rentner ernährt, auch bei privater Vorsorge; oder dass die Lohnnebenkosten Bestandteil des Gehalts sind und Deutschland gewiss nicht unter zu hohen Löhnen leidet; und dass der Altersquotient allein wenig aussagt, sondern es auf das Verhältnis von Erwerbstätigen zur Gesamtbevölkerung ankommt und ein steigender Altersquotient teilweise durch einen sinkenden Jugendquotienten kompensiert werden kann.

Die Naivität der Moderatorin Karen Fuhrmann war stellenweise geeignet, dem etwas besser informierten Zuhörer körperliche Schmerzen zu bereiten: „Das ist jetzt aber interessant, was Sie sagen. Bedeutet dies etwa, dass der Generationenvertrag in der bisherigen Form nicht mehr zu halten ist?“

Da war es schon zwei Minuten vor Schluss – und alle Hoffnung erloschen, in dieser Sendung noch Intelligentes über das Thema zu hören.
Gegenpositionen zur Rente mit 67 und zur privaten Altersvorsorge sind im Web ausführlich dokumentiert, u.a. auf den NachDenkSeiten. Ist ein wenig Recherche wirklich zu viel verlangt? Oder ist nun tatsächlich auch die Redaktion von hr2 in die Verdummungskampagnen eingebunden?

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