Ein faszinierendes Publikum beim Gespräch mit Heiner Flassbeck

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Am Samstag Nachmittag trafen sich rund 200 Menschen – mehrheitlich wohl Leserinnen/e der NachDenkSeiten – in Pleisweiler-Oberhofen zum Gespräch mit HF. Es war auch nach 3 Stunden noch spannend. – die Rede und die Diskussion. Flassbeck war beeindruckt vom Sachverstand der Diskutanten. Von den Runden mit Politikern und manchen Kollegen aus der Wissenschaft ist er das wohl nicht gewöhnt. – Das Video mit der Rede Flassbecks kommt vermutlich am Mittwoch ins Netz. Die Diskussion folgt. Meine Einführungsrede hängt hier an. Albrecht Müller

Einführung (Kurzfassung)
zum 20. Pleisweiler Gespräch mit Dr. Heiner Flassbeck

Thema: Deutschland braucht eine neue Wirtschaftspolitik: Ende der Spekulation und Teilhabe der Menschen

am 20. November 2010 um 14.00 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus von Pleisweiler-Oberhofen

Liebe Gäste,

wir treffen uns heute zum 20. Pleisweiler Gespräch. Auch die 19 Vorgänger fanden großes Interesse, aber nie waren so viele unserer Einladung nach Pleisweiler-Oberhofen gefolgt. Und noch nie kamen Gäste von so weit her wie heute. Aus Mönchengladbach und aus München, aus Nürnberg und Saarbrücken, aus Borken im Nordhessischen und aus Berlin (…)

Dass Sie so weite Wege auf sich genommen haben, haben wir in erster Linie Dr. Heiner Flassbeck zu verdanken. Wir begrüßen ihn und seine Frau Stephanie ganz herzlich. (…)

Heiner Flassbeck war schon einmal hier. Dass wir ihn noch einmal gebeten haben zu kommen, hat damit zu tun, dass er dem Anforderungsprofil der Pleisweiler Gespräche wie wenige gerecht wird: Dazu sollen Menschen eingeladen werden, die weiter vorausdenken als üblich und Mutiges zu sagen haben. Das können wir auch heute wieder erwarten.Dass Heiner Flassbeck trotz Überlastung gekommen ist, verdanken wir wohl auch seiner Sympathie für unser Projekt, die Internetseite www.NachDenkSeiten.de. Er ist einer der ersten Freunde und großzügigen Förderer der NachDenkSeiten.

Zu den Freunden der NachDenkSeiten zählen auch viele von Ihnen. Vielleicht die Mehrheit. Sie alle soll ich herzlich grüßen von meinem Mitherausgeber Wolfgang Lieb und den andern Freunden, die uns bei der täglichen Arbeit helfen. Derjenige, dem wir Web-Design und die tägliche Betreuung verdanken, ist unter uns: Lars Bauer.

Als Heiner Flassbeck in den Siebzigern und ich in den Sechzigern unser Studium als Diplom-Volkswirte abschlossen, hätten wir uns auch in schlechten Träumen nicht vorstellen können, dass unsere geliebte Wissenschaft noch einmal total versagen würde, dass sie ein solch jämmerliches Bild bietet wie heute und uns an den Rand einer wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe bringen würde.

Wir hatten damals gelernt, dass es Marktversagen gibt. Wir hatten gelernt, dass die Marktwirtschaft der staatlichen Rahmensetzung bedarf, um vernünftige und einigermaßen sozial gerechte Ergebnisse zu erzielen. Deshalb können wir uns heute nur die Haare raufen angesichts der Tatsache, dass nicht mehr eine sachlich orientierte ökonomische Wissenschaft die Szene beherrscht, sondern eine Ideologie, die mit Denkfehlern und Klischees gespickt ist: die neoliberale Ideologie.

Heute beherrschen so genannte Wissenschaftler und ihre Jünger in den Reihen von Politik, Wirtschaftsverbänden und Medien die Szene. Sie glauben, der Markt sei fähig, alles zum Besten zu regeln, er sei sogar fähig, Vollbeschäftigung zu schaffen, man müsse die Löhne nur weit genug sinken lassen. Deshalb sind sie stolz darauf, in Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren geschaffen zu haben. Gerhard Schröder rühmt sich dessen sogar öffentlich. Ein perverser Stolz.

Der Arbeitsmarkt ist kein Kartoffelmarkt, sagt Heiner Flassbeck. Und er hat recht damit.

Und der Kapitalmarkt sollte kein Spielcasino sein, in dem sich die Zocker austoben können, im frechen Vertrauen darauf, dass wir, die Steuerzahler, sie hinterher retten; wir taten und tun es in treuherziger Demut vor der schwarzen Kanzlerin Merkel und dem rotem ehemaligen Finanzminister Steinbrück. Und wir spielen dieses Spiel auch weiter mit.

Wir, das ist nicht irgendwer. Das sind Sie! Der miserable Zustand von Heiner Flassbecks und meiner Wissenschaft ist somit kein Problem für Theoretiker. Es ist Ihr Problem und unser Problem, wenn eine Wissenschaft alles den Märkten überlässt und den Wahnsinn der Werte vernichtenden Spekulanten mit mildem Lächeln und wissenschaftlicher Rechtfertigung begleitet:

  • Die 98 Milliarden Euro, die schon im April laut einer Mitteilung der Deutschen Bundesbank im Rahmen des Bankenrettungsschirms tatsächlich geflossen waren, bleiben an uns und an unseren Kindern und Enkeln hängen. Das dürfen wir uns nicht weiter gefallen lassen.
  • Mit 142 Milliarden garantieren wir für einzige Bank, die Münchner HRE und Ihre ausgelagerte miese Bank.

Ich glaube nicht, dass wir dieses Geld komplett zurückbekommen und ich rate auch Ihnen eindringlich, dies nicht zu glauben.
Deshalb möchte ich Sie bitten zu protestieren, wenn Ihnen wieder einmal erzählt wird, Deutschland sei bestens durch die Krise gekommen. Das ist die Unwahrheit und für Menschen, die sich noch eigene Gedanken machen, eine Zumutung. Denn das dicke Ende steht uns noch bevor.

Seit langem beobachte ich, wie wir manipuliert werden. Auch diese Einsicht verbindet mich mit Heiner Flassbeck. Er ist einer der wenigen Fachkollegen, die begriffen haben, dass es oft sinnlos ist , nach objektivem Gründen für politische Fehlentscheidungen zu suchen. Viele Entscheidungen sind damit zu erklären, dass die politischen Entscheider wie auch wir belogen und an der Nase herum geführt werden.

  • Wenn es unter dem Einfluss falscher Parolen so weitergeht wie bisher,
  • wenn die Spekulanten geschützt werden, weil sie angeblich systemrelevant sind,
  • wenn die Menschen weiter in Leiharbeit und andere Formen der prekären Arbeitsverhältnisse gedrängt werden,
  • wenn die Löhne weiter abgesenkt werden, statt sie endlich steigen zu lassen,
  • wenn weiter auf die Mehrung der glorifizierten Exportüberschüsse gesetzt wird, statt die Binnenkonjunktur richtig zu beleben, von der die meisten Menschen und auch die meisten Unternehmen abhängen, die Winzer genauso wie die Gastwirte, die Handwerker genauso wie die vielen Betriebe, die für den heimischen Konsum arbeiten,
  • wenn es weitergeht wie bisher, dann wird die Krise allenfalls für die Oberschicht und die Exportwirtschaft vorbei sein.

Wir brauchen eine Korrektur der Wirtschaftspolitik, der Finanzpolitik und der Währungspolitik. Wir haben Heiner Flassbeck eingeladen, damit er uns aus seiner Sicht erklärt, wie die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts aussehen müsste; wir wollen wissen, welche Regeln gesetzt werden müssten und welche kompletten Regelwerke wir zum Beispiel für eine neue Weltwährungsordnung entwerfen müssen; wir wollen wissen, was zu tun ist, damit es nicht nur den Besserverdienern und den Investmentbankern gut geht.

Anlage: Folien

Folie 1: Pleisweiler Gespräche 2010

Folie 2: Pleisweiler Gespräche 2010

Folie 3: Pleisweiler Gespräche 2010

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