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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Verwirrung um Terrorwarnungen; Irland-Krise; Portugal steht vor dem Kollaps; Finanzkrise kostet jeden Deutschen im Schnitt mehr als 9.000 Euro; Binnenmarkt reloaded; Insider-Verdacht an der Wall Street – “Wie ein Raubüberfall”; Exporte um jeden Preis; Bundesagentur bedauert Kürzungen; 594 Euro Mindest-Regelsatz für Hartz IV gemäß Bundesverfassungsgerichtsurteil; Rente mit 67? Aber gerne!; Arbeitslosigkeit von Älteren um 50 Prozent höher als offiziell benannt; wenn Krankheit in den Ruin führt; europäische Patientengruppen: Fragwürdiges Finanzgebaren; Gemeinwohl hat Vorrang; Datteln entzweit das Rot-Grün-Bündnis; Paul Krugman – Ungenutzte Macht; NATO: Afghanistan für Kinder sicherer als London oder New York; Die Angst der Grünen vor dem FDP-Effekt; Liz Mohn als „Integrations-Victoria“; Deutschland verletzt völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Bildung; WDR 5-Thementag – Schattenreich Lobbyismus. (JB/WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Verwirrung um Terrorwarnungen
  2. Irland-Krise
  3. Portugal steht vor dem Kollaps
  4. Finanzkrise kostet jeden Deutschen im Schnitt mehr als 9.000 Euro
  5. EU-„Binnenmarktakte“: Binnenmarkt reloaded
  6. Insider-Verdacht an der Wall Street – “Wie ein Raubüberfall”
  7. Exporte um jeden Preis? Zur Diskussion um das deutsche Wachstumsmodell
  8. Bundesagentur bedauert Kürzungen
  9. Rente mit 67? Aber gerne!
  10. Arbeitslosigkeit von Älteren um 50 Prozent höher als offiziell benannt
  11. Wenn Krankheit in den Ruin führt
  12. Europäische Patientengruppen: Fragwürdiges Finanzgebaren
  13. Gemeinwohl hat Vorrang
  14. Datteln entzweit das Rot-Grün-Bündnis
  15. Paul Krugman – Ungenutzte Macht
  16. NATO: Afghanistan für Kinder sicherer als London oder New York
  17. Die Angst der Grünen vor dem FDP-Effekt
  18. Jogi Löw zeichnet Liz Mohn mit „Integrations-Victoria“ aus
  19. GEW: „Deutschland verletzt völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Bildung“
  20. Tipp: WDR 5-Thementag – Schattenreich Lobbyismus

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Verwirrung um Terrorwarnungen
    Konfus und widersprüchlich, so lässt sich die Reaktion der Bundesregierung auf die aktuellen Terrorwarnungen wohl am besten beschreiben.  Erst warnt der Innenminister vor Anschlägen Ende November, dann bezeichnet der Chef des Bundeskriminalamtes plötzlich alles Gerede von konkreten Hinweisen als reine Spekulation. Eine geheimnisvolle Quelle jagt die nächste. Zurück bleiben vor allem verwirrte Bürger.
    Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA). “Wir haben konkrete Hinweise auf Verdachtspersonen”, sagt Ziercke am Wochenende, “aber wir haben keinen konkreten Hinweis darauf, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort in Deutschland ein Anschlag durchgeführt wird.”  Ziercke kritisierte die detaillierte Berichterstattung. Sie könne die verdeckten Ermittlungen und die Quellen der Behörden gefährden. “Ich gehe in jedem Fall mit meinen Kindern auf den Weihnachtsmarkt”, fügt er hinzu.
    Also doch alles nicht so dramatisch, wie es klingt? Ziercke hat die eilig anberaumte Pressekonferenz kaum verlassen, da vermeldet die Nachrichtenagentur dpa die nächste Wendung in der Terror-Geschichte. Wie die SWR-Sendung “Report Mainz” berichtet, hält das BKA die Terrorwarnungen durchaus für “grundsätzlich glaubwürdig”. Laut einem internen Papier des BKA, aus dem “Report Mainz” zitiert, liegen dem BKA Hinweise vor, wonach Terroristen Sturmangriffe oder Bombenanschläge auf Weihnachtsmärkte und den Bundestag planen würden. Als Quelle werden neben einem Al-Kaida-Aussteiger auch der US-Geheimdienst CIA und die Bundespolizei FBI genannt.
    Quelle: Web.de

    Anmerkung WL: Ich saß gestern von Istanbul kommend fast 4 Stunden im Flugzeug. Mangels Alternative konnte ich nur die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung von vorne bis hinten durchlesen. Aufmacher: „Polizei rüstet sich für Anschlag“, Seite 2 ganzseitig: „Warum wird einer Islamist?“, Seite 3 ganzseitig „Die Terroristen könnten schon da sein“.

    Ich kam aus der Türkei und es waren viele orientalische Fluggäste an Bord. Da musste ich in der F.A.S. lesen: „Terrorgefahr konkret wie nie.“, die „deutlichste Terrorwarnung in der Geschichte der Bundesrepublik“ oder „Der 22. November ist der Tag an dem eine Gruppe von Terroristen in Deutschland einreisen soll, um hier ein Blutbad anzurichten.“

    Ich muss zugeben, dass ich nach der Lektüre dieser Artikel bei mir selbst gegen das aufkommende Gefühl ankämpfen musste, jeder mit einer orientalischen Kopfbedeckung, einem Vollbart oder einem baumwollenen Hemdenanzug könnte in seiner Plastiktüte ein Päckchen Sprengstoff mit sich führen. Und das, obwohl ich nun mehrere Tage die Freundlichkeit, die Hilfsbereitschaft und die Friedfertigkeit von Menschen dieser äußeren Erscheinung erfahren hatte, obwohl ich viele Moscheen besucht hatte und dabei eine unverkrampfte Frömmigkeit (es war gerade der höchste Feiertag der Muslime, das „Opferfest“) von Muslimen erlebt hatte.

    Wie muss eine solche Berichterstattung erst auf Menschen wirken, die keine ganz überwiegend so angenehmen Erfahrungen mit orientalischen bzw. islamischen Menschen gemacht haben, denen die Mützen oder der Hemdenanzug oder der Vollbart und dazu noch die Sprache einfach nur fremd sind. Sie müssen doch in einen Angstreflex verfallen oder gar einen wahnhaften Angstzustand geraten, aus dem sie sich rational oder aufgrund von Erfahrung gar nicht mehr befreien können.

    Nun will ich die Bedrohung durch Terroristen wirklich nicht verharmlosen, was ich anprangere ist eine Berichterstattung über Terrorismus, die sich nachrichtlich auf „Sicherheitskreise“, auf „Terrorismus-Fachmänner“, auf anonyme „Behörden“ oder auf nicht näher qualifizierte Quellen des Bundeskriminalamtes stützt. Warum werden nicht wenigstens die deutschen Quellen benannt? „Stecken“ die Informanten ihre Hinweise unerlaubterweise an die Presse durch? Wo bleibt dann die Intervention der jeweiligen Behördenleiter? Wie sollen Sicherheitsbehörden ihre Aufklärungsarbeit verrichten, wenn die angeblichen Attentäter ihr Einreisedatum, ihren Anreiseweg oder ihre Anschlagsziele vorher in der Zeitung nachlesen können?
    Man stelle sich nur für einen Augenblick vor, welcher Aufschrei durchs Land ginge, wenn aus Finanzämtern solche Indiskretionen über das Steuergebaren von Steuerhinterziehern in die Medien gerieten.

    Jeder der aus einer Sicherheitsbehörde solche Informationen preisgibt, gefährdet die Sicherheit, weil er potentielle Terroristen vorwarnte. Hier müssten die Geheimdienstchefs oder der Chef des BKA zur Verantwortung gezogen werden, dass ihre Behörden ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung darstellen.

    Da werden in den Medien Terrorszenarien, wie etwa ein „Mumbai-Anschlag“, irgendwelche Videos oder „Broschüren“ die der Al Quaida (was ist das eigentlich) zugeschrieben werden über verrückteste Anschlagsszenarien zur Nachricht erhoben (an einem Pick-UP-Geländewagen sollen „vorne, hinten und auf beiden Seiten Stahlklingen, am besten von einem Metzger“ angebracht werden). Halten solche Journalisten (die sich häufig noch „Terrorexperten“ nennen lassen) wirklich gefährliche Attentäter für tatsächlich so doof? Wo bleibt da ihre sonstige Skepsis gegenüber Interneteinträgen, wo bleibt die Quellenangabe?

    Statt recherchiert, wird kolportiert.

    Bei der Ankunft betrat ich einen Polizeistaat. Schon an der Gangway Polizisten mit Maschinengewehr als Passkontrolle. Nochmalige Passkontrolle im Flughafengebäude, lange Schlangen davor, Polizisten mit schusssicheren Westen und mit der Waffe im Anschlag dahinter. Als ganz normaler Fluggast musste man nicht etwa das Gefühl von Sicherheit sondern den Eindruck bekommen, man sei ein verdächtiger Schwerverbrecher.

    An der Gepäckausgabe habe ich mit einzelnen (deutschen) Mitreisenden gesprochen. Die meisten hatten Angst. Angst von einem islamischen Land kommend nach Deutschland einzureisen, weil es dort angeblich eine Bedrohung durch Islamisten gibt.

    Wie es dazu kommt, dass in Deutschland – wenn man den Medienberichten folgt – „die deutlichste Terrorwarnung in der Geschichte“ ausgegeben werden musste, wird von niemand gefragt. Die Frage nach den Ursachen war auch der F.A.S. keine einzige Zeile wert.

    Übrigens: Im gesamten ersten Teil ging es außer in der Anzeige der Kanzlerin nicht um Finanz-, Bildungs-, Energie- oder Gesundheitspolitik. Die Terrorgefahr und die neue Sicherheitsstrategie der NATO verdrängen alle Probleme, die die Menschen in ihrem Alltag berühren.
    Angst macht eben blind. Blind auch vor Telefonüberwachung, Online-Durchsuchung, Datenspeicherung und Fingerabdrücken.
    Und das ist wohl der Sinn, warum Angst geschürt wird.

    Dazu auch:

    Terror und die deutschen Medien
    Geht es nach den Aussagen von Innenminister Thomas de Maiziere, sollte den Deutschen spätestens letzte Woche klar geworden sein, dass der Terror auch in ihrem Land lauert. Bei der Verbreitung der bevorstehenden Terrorgefahr, fanden die politischen Entscheidungsträger willfährige Verbündete: die Medien.
    Aus dem Bündnis zwischen Politikern und Journalisten heraus folgte eine Medienberichterstattung, die eine ihrer Kernaufgabe in weiten Teilen nicht mehr erfüllte: nämlich Informationen nach journalistischen Gesichtspunkten wie Abgewogenheit und kritischer Distanz aufzubereiten und den Rezipienten zugänglich zu machen.
    Spekulationen ersetzten die harten Fakten, Terrorhysterie verdrängte Sachlichkeit. Im Zentrum der medialen Berichterstattung der vergangenen Tage stand eine Bombe, die keine war, sowie ein Terrordiskurs, in dem der Konjunktiv über die Grenzen des journalistisch Zumutbaren strapaziert wurde. Eine Auseinandersetzung mit der “Terrorberichterstattung” der deutschen Medien stimmt nachdenklich: Sollte es in Deutschland tatsächlich zu den angekündigten Terroranschlägen kommen, ist mit einer Presse zu rechnen, die eine noch stärkere Allianz mit dem politischen Feld eingehen wird, als sie es im Vorfeld bereits getan hat. Es sind fatale Konsequenzen für die Berichterstattung zu erwarten.
    Quelle: Telepolis

  2. Irland-Krise
    1. Irischer Ministerpräsident kündigt Neuwahlen an
      Irland steckt nach dem Antrag auf Milliardenhilfen bei der EU in einer tiefen Regierungskrise. Ministerpräsident Brian Cowen kündigte am Montagabend vorgezogene Neuwahlen an. Er werde das Parlament auflösen, sobald der Haushalt für 2011 verabschiedet worden sei, sagte Cowen in Dublin. Seinen sofortigen Rücktritt schloss er aber aus.
      Die Regierung will das Budget für das kommende Jahr am 7. Dezember vorlegen, die Abgeordneten werden dann Anfang Januar darüber abstimmen. Cowens Koalitionspartner, die grüne Partei, hatte vorgezogene Neuwahlen in der zweiten Januar-Hälfte gefordert. Dieser Schritt würde politische Gewissheit schaffen, sagte Grünen-Chef John Gormley. Die Bürger fühlten sich “getäuscht und verraten”. Cowens wirtschaftsliberale Fianna-Fáil-Partei regiert mit den Grünen und der Unterstützung von Parteilosen. Die Regierung hat derzeit nur eine knappe Mehrheit von drei Stimmen im Unterhaus. Die Grünen stellen sechs Abgeordnete.
      Quelle: SPIEGEL Online
    2. Deutsche Bank(en)rettung auf Irisch
      Die Ackermänner dieser Republik können zufrieden sein. Irland wird jetzt doch als erstes Land unter den EU-Rettungsschirm kriechen. Damit werden den maroden irischen Banken weitere zig Milliarden in den Rachen geworfen. […]
      Die irischen Staatsfinanzen waren bis 2007 mustergültig – es gab sogar Jahre mit Überschüssen im Staatshaushalt. Auch die Leistungsbilanz war bis 2005 ausgeglichen. Das Land galt als “keltischer Tiger”, der in kurzer Zeit seinen historischen Rückstand aufholte.
      Mit Steuerdumping und Sonderwirtschaftszonen wurden Unternehmen und Kapital ins Land gezogen. Insbesondere Pharma- und IT-Unternehmen verlegten ihre Zentralen nach Irland. Neben Produktionsstätten ging es vor allem darum, Steuern im Heimatland zu vermeiden. Der Steuersatz von 12,5 Prozent war lange Zeit konkurrenzlos niedrig. […]
      Obwohl Irland 2006 noch einen ausgeglichenen Staatshaushalt hatte, schießt jetzt das Defizit auf 32 Prozent des Bruttoinlandsproduktes! Der Schuldenstand – vor wenigen Jahren 25 Prozent – beträgt dieses Jahr fast 110 Prozent. Ein gigantischer ökonomischer Absturz!
      Die EU zwingt Irland jetzt einen massiv verschärften Kürzungskurs auf. Da passt schon Schäuble auf! Jetzt soll bei den Kindern, beim Arbeitslosengeld, bei den Renten zusätzlich “gespart” werden. Die Gehälter im öffentlichen Dienst wurden bereits um 15 Prozent gekürzt. Hingegen wird das irische Steuerdumping weiterhin toleriert.
      Die Irland aufgezwungene Hilfe ist wie ein Rettungsring aus Blei. So wird das Land erst richtig nach unten gezogen. Das Beispiel Griechenlands zeigt wohin solche Rettungsringe führen: Dieses Jahr geht es dort mit fast fünf Prozent in den Keller.
      Quelle: Michael Schlecht
    3. Lieber Unternehmen als Wähler schonen
      Gestern Abend traf die irische Regierung die historische Entscheidung, ein Hilfspaket über mehrere Milliarden von ihren EU-Partnern anzunehmen. Diese hoffen, mit dem Schritt ein Übergreifen der Krise auf andere Länder der Eurozone wie Portugal und Spanien verhindern zu können. Dabei ist es Dublin gelungen, seine mit 12,5 Prozent äußerst wettbewerbsfähige Unternehmenssteuer zu retten – die Frage sei bei den direkten Verhandlungen gar nicht aufgekommen, so Premierminister Brian Cowen. Die niedrige Steuer gilt als entscheidender Faktor für die ausländischen Direktinvestitionen in der Republik Irland. Selbst im Rezessionsjahr 2010 haben ausländische Hi-Tech-Unternehmen 7.000 neue Arbeitsplätze auf der Insel geschaffen und Irland so zu einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz verholfen. Die drohende Erhöhung hatte angeblich zu Warnungen seitens Microsoft, Intel und anderer, in Irland ansässiger Unternehmen geführt. Im Vorfeld war viel über mögliche weitere Bedingungen für ein Rettungspaket spekuliert worden, nachdem Irland bereits erhebliche Sparmaßnahmen ergriffen hatte, um weiterhin Geld auf dem Rentenmarkt leihen zu können. Finanzminster Brian Lenihan wies darauf hin, die Zinsen, die Irland nun zu zahlen habe, würden „viel geringer“ ausfallen, als wenn es sich das Geld an den internationalen Finanzmärkten leihen müsste, wo der Republik gegenwärtig neun Prozent in Rechnung gestellt werden.
      Quelle: Der Freitag
    4. Dazu:

    5. “Bald kein Niedrigsteuerland mehr …”
      Welche Risikoaufschläge Irland zahlen muss, oder welche sonstigen finanz- und wirtschaftspolitischen Begleitmaßnahmen die Euro-Experten verlangen, darüber gibt es nur Spekulationen. Deutschland will nach den Worten von Außenamtsstaatssekretär Werner Hoyer – er vertrat Montag Außenminister Guido Westerwelle beim Ministerrat – in jedem Fall “über die niedrige irische Körperschaftssteuer reden”. Ein Sprecher Rehns sagte zu diesem Thema, es sei “wahrscheinlich, dass Irland kein Niedrigsteuerland mehr sein wird”. Die Frage ist, ob und wie konkret dies von den Experten im Maßnahmenpakt festgeschrieben wird.
      Quelle: Der Standard

      Anmerkung Jens Berger: Da steht dann wohl Aussage gegen Aussage. Es ist natürlich verständlich, dass Westerwelle und Hoyer die Iren zu einer Anhebung der Körperschaftssteuer antreiben wollen, schließlich leidet auch (aber nicht nur) Deutschland unter dem Steuerdumping der Iren. Umso erstaunlicher, dass dieses Thema offensichtlich bei den direkten Verhandlungen überhaupt nicht zur Sprache kam. Ferner stellt sich die Frage, wie Irland überhaupt Pläne für eine Haushaltskonsolidierung aufstellen will, ohne die Steuern zu erhöhen.

  3. Portugal steht vor dem Kollaps
    “Ich glaube, es wird noch schlimmer als in Griechenland”, sagt ein Banker. Jeden Tag verschwinden in Portugal über 200 Arbeitsplätze, jeden Tag geht ein neues Unternehmen pleite. Immer mehr rückt das Land ins Zentrum der Euro-Krise.
    Quelle: Tagesspiegel
  4. Finanzkrise kostet jeden Deutschen im Schnitt mehr als 9.000 Euro
    Die Finanzkrise hat der deutschen Wirtschaft enorme Kosten beschert. Besonders ins Gewicht fällt dabei der Verlust an Wirtschaftsleistungen in den Jahren 2009 und danach. Je nach Annahmen über den weiteren Erholungspfad summieren sich diese Verluste in den wahrscheinlichsten Szenarien auf 740 Milliarden Euro bis etwa 2.200 Milliarden Euro. Dies entspricht Kosten von 9.000 Euro bis etwa 27.000 Euro für jeden Deutschen.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 115 KB]
  5. EU-„Binnenmarktakte“: Binnenmarkt reloaded
    Ende Oktober stellte die Kommission die sogenannte „Binnenmarktakte“ (benannt in Anlehnung an die „Einheitliche Europäische Akte“) vor, mit der der Binnenmarkt bis zu seinem 20. Geburtstag im Jahr 2012 „wiederbelebt“ und ein neuer Wachstumsschub ausgelöst werden soll. Anstelle der damaligen 222 stellt die Kommission nun zwar nur 50 Initiativen vor, die Richtung ist jedoch die gleiche wie in und seit den 80ern: Mehr Liberalisierung, mehr Deregulierung, mehr Privatisierung. Wenngleich die dahinter stehenden Vorhaben (sofern sie, wie in einigen Fällen, nicht bereits begonnen wurden) meist nur wolkig umschrieben sind und erst in den nächsten zwei Jahren konkretisiert werden sollen, wird an vielen Stellen bereits deutlich, welchen Sprengstoff diese Vorschläge bergen und wie genau man ihre Ausgestaltung im Auge behalten, kritisch begleiten oder oft wohl auch bekämpfen muss.
    So geht es unter anderem darum, den Binnenmarkt für Dienstleistungen zu vertiefen, den Verkehrssektor weiter zu liberalisieren und den Energiebinnenmarkt voranzutreiben…Auch die angekündigten Initiativen im Bereich der Daseinsvorsorge und der möglichen Ausschreibungspflicht von Dienstleistungskonzessionen (um private Mittel in öffentliche Infrastruktur zu lenken) lässt Befürchtungen aufkommen, dass noch mehr öffentliche Aufgaben wie Hafendienste, Wasserversorgung oder möglicherweise auch soziale Dienste dem privaten Sektor übertragen und somit dem Gewinnmaximierungsstreben ausgesetzt werden. Auch die Initiativen für soziales Unternehmertum und innovative Unternehmensprojekte im sozialen Bereich erleichtern Privatisierungen der sozialen Dienste und öffnen sie noch stärker für Investitionen des Finanzmarkts. Die zumeist an höheren Kosten und unzureichender Transparenz gescheiterten Öffentlich-privaten Partnerschaften sollen durch die Binnenmarktakte einen deutlichen Schub bekommen. Im Bereich der Unternehmenssteuern soll eine stärkere Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen erfolgen, nicht jedoch der Steuersätze – was durch die höhere Transparenz zu einer deutlichen Verschärfung des Steuerwettbewerbs führen wird. Dies dürfte durchaus im Sinne des Oberziels der „günstigen rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen“ sein.
    Quelle: Gegenblende
  6. Insider-Verdacht an der Wall Street – “Wie ein Raubüberfall”
    Der Wall Street droht der größte Insider-Skandal ihrer Geschichte. Dutzende Firmen sollen sich illegal Spekulationsvorteile verschafft haben. Manche Branchenvertreter halten die Vorwürfe für überzogen – der Handel mit geheimen Informationen gehöre nun mal zum Geschäft. […]
    Am Montag bestätigte das FBI Razzien bei zwei Hedgefonds, Diamondback Capital Management und Level Global Investors. Level bestätigte die Durchsuchungen. Weitere offizielle Informationen gab es aber nicht. Das Ausmaß der dräuenden Klagewelle beunruhigt selbst die Wall Street, für die Insider-Handel kaum ein neues Phänomen ist. Die Straf- und Zivilverfahren, die vom FBI, der New Yorker Staatsanwaltschaft und der US-Börsenaufsicht SEC gemeinsam geführt würden, seien das Ergebnis dreijähriger Ermittlungen, heißt es. Sie beträfen Firmenberater, Investmentbanker, Hedgefonds- und Investmentfonds-Manager sowie Börsenanalysten “im ganzen Land”. Auch die Wall-Street-Bank Goldman Sachs und die Deutsche Bank werden genannt, jedoch ohne konkretere Angaben.
    Den Recherchen zufolge zielen die Anklagen auf ein gigantisches, weitverzweigtes Netzwerk aus “mehreren Insider-Handel-Ringen”, die Millionensummen erschwindelt hätten – zu Lasten von Laien-Investoren. Im Mittelpunkt dieses Netzwerks stehe die 1,7 Billionen Dollar schwere Hegdefonds-Branche. “Falls sich die Ermittlungen bestätigen, könnten sie eine Kultur des tiefgreifenden Insider-Handels an den US-Finanzmärkten enthüllen”, so das “WSJ”.
    Quelle: SPIEGEL online
  7. Exporte um jeden Preis? Zur Diskussion um das deutsche Wachstumsmodell
    Der deutsche Drang nach Exportüberschüssen ist problematisch, für das Land selbst und seine europäischen Nachbarn. Zu kritisieren ist vor allem die ihnen zugrunde liegende Lohn- und Wirtschaftspolitik, denn die Überschüsse wurden maßgeblich durch geringe Lohnsteigerungen und ein Zurückbleiben staatlicher Ausgaben begünstigt. Folge war einerseits ein Anstieg der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, andererseits eine Schwächung der Binnendynamik und des gesamtwirtschaftlichen Wachstums. Diese Politik schadete zugleich den Euro-Mitgliedsländern.
    Diese weisen spiegelbildlich einen Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, steigende Handelsdefizite und eine zunehmende Auslandsverschuldung auf. Statt einer überzogenen Sparpolitik, die die Verschuldungskrise weiter verschärft, bräuchten diese Länder neue Wachstumsimpulse über Außenhandelsüberschüsse zum Abbau ihrer hohen gesamtwirtschaftlichen Schuldenquoten.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF 108 KB]
  8. Bundesagentur bedauert Kürzungen
    In Ostdeutschland sei die Nachfrage nach Ein-Euro-Jobs deutlich größer als das Angebot, sagt BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt. Die geplante Streichung vieler dieser Maßnahmen werde die soziale Lage vieler Langzeitarbeitsloser weiter verschlechtern.
    Die geplante Streichung zahlreicher Ein-Euro-Jobs im kommenden Jahr stößt in der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf Kritik. Auch wenn die Arbeitslosenstatistik dadurch möglicherweise „noch etwas ehrlicher“ werde, werde sich die soziale Lage vieler Langzeitarbeitsloser verschlechtern, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt der Zeitschrift „Super Illu“ laut einem am Sonntag vorab veröffentlichten Interview. Alt wies zugleich Einwände zurück, wonach die Ein-Euro-Jobs häufig eine billige Konkurrenz für reguläre Jobs sind, nur wenige Erwerbslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt bringen und darum gänzlich abgeschafft werden sollten.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung Jens Berger: Dass Ein-Euro-Jobs sehr wohl reguläre Arbeitsplätze verdrängen und Langzeitarbeitslose nur selten in den ersten Arbeitsmarkt bringen, wissen nicht Nachdenkseiten-Leser, sondern auch der Bundesrechnungshof.

  9. Rente mit 67? Aber gerne!
    Arbeiten bis 67 – für viele Arbeitnehmer ist das ein Alptraum. Doch nicht für alle: Eine neue Generation von Alten mischt gerne länger mit. Auch im Berufsleben.
    Dietrich Wagner, 66, ist zum Symbol geworden. Das hat er so nicht gewollt – und die Konsequenzen wird er bis an sein Lebensende spüren. Aber das Foto, das ihn mit blutenden Augen zeigt, steht für den Protest gegen Stuttgart 21. Neben Schülern, Studenten und jungen Familien demonstrieren in diesem Herbst auffallend viele Grauhaarige gegen den Bahnhofsumbau in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Wissenschaftler und Journalisten diskutieren nun über das Phänomen der in die Jahre gekommenen Protestler, die jegliche Veränderung ablehnen, oder revolutionäre Geister, die gegen die Staatsmacht aufbegehren. […]
    Was spricht also dagegen auch länger zu arbeiten? Seit Jahren debattiert das Land über die Rente mit 67. Für viele Menschen ist es ein Alptraum, länger zu arbeiten. Doch muss das immer so bleiben? Eine neue Generation von Alten könnte schon bald heilfroh sein, wenn sie länger im Job bleiben kann. Denn Arbeit bedeutet auch: Man nimmt aktiv am gesellschaftlichen Leben Teil, man tut etwas Sinnvolles. […]
    In der Welt der Schauspieler und Musiker hat sich der Wandel längst vollzogen. Marius Müller-Westernhagen, 61, war gerade auf Tournee, Annette Humpe vom Duo Ich+Ich feierte Ende Oktober ihren 60. Geburtstag und hat in jüngster Zeit ein paar erfolgreiche Hits abgeliefert. Iris Berben, 60, und Hannelore Hoger, 68, dürfen selbst in der öffentlich-rechtlichen Samstagabend-Unterhaltung ein Liebesleben haben. Als Inge Meysel und Heidi Kabel im gleichen Alter waren, undenkbar. […] Die ersten Generationen, die signifikant von einem späteren Renteneintritt betroffen sein werden, sind die in den fünfziger und sechziger Jahren Geborenen. Viele von ihnen waren in den siebziger und achtziger Jahren an der Uni – dem Zeitalter der Bummelstudenten, als man sich mit dem Abschluss gerne auch schon mal bis 30 Zeit ließ. In diesen Generationen haben sich auch andere Lebensabschnitte deutlich nach hinten verschoben: Heiraten etwa oder die Geburt des ersten Kindes. Da ist ein späterer Eintritt ins Rentenalter nur konsequent.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Man muss die SPIEGEL-Online-Redakteurin Lisa Erdmann wahrlich um ihr klares und einfaches Weltbild beneiden. Erst Bummelstudent und dann revolutionärer Greis, der gegen die Staatsmacht aufbegehrt – so geht das ja nun nicht, lieber Rentner in spe! Wer demonstrieren kann, kann auch arbeiten. Schließlich ist für viele Schauspieler und Musiker mit 66 Jahren auch noch lange nicht Schluss. Im Gegenteil, die kommenden Senioren könnten, so weiß Frau Erdmann, sogar froh sein, wenn sie nicht in Rente gehen müssen, schließlich tun sie so ja was Sinnvolles. Ob der Bandarbeiter, die Klofrau oder die Politesse nun so viel Sinn in ihrer Arbeitstätigkeit sehen, spielt da ebenso wenig eine Rolle, wie die Frage, ob körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten überhaupt von Senioren ausgeübt werden können. Schließlich macht uns Jopi Heesters ja vor, dass man auch mit 106 Jahren noch fröhlich seine Arbeit verrichten kann. Wenn man aus einem fernen Land kommt und Erdmanns Artikel liest, könnte man glatt glauben, die Deutschen werden zwangsverrentet. Dem ist natürlich nicht so, jeder Rentner kann auch heute schon so lange arbeiten, wie er Lust und Laune hat, womit der Inhalt des Artikels schon einmal nicht stichhaltig ist. Wahrscheinlich war der Artikel ohnehin als Glosse gedacht und der Chef vom Dienst hat ihn lediglich versehentlich im Politik-Ressort eingestellt.

  10. Arbeitslosigkeit von Älteren um 50 Prozent höher als offiziell benannt
    Bundesregierung rechnet 149.000 ältere Arbeitslose aus Statistik. Renten-Experte Rürup fordert Gesetzesänderung und “statistische Ehrlichkeit”.
    Die tatsächliche Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitslosen über 58 Jahren ist um etwa 50 Prozent höher als aus der offiziellen Zahl der Bundesregierung hervorgeht. Das belegen Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit, die dem ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ vorliegen.
    Demnach werden zurzeit rund 149.000 Arbeitslose über 58 Jahren nicht in der offiziellen Arbeitslosenzahl (Oktober 2010: 2,95 Mio.) berücksichtigt. Der Grund: 63.000 über 58-Jährige sind mit “arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen” beschäftigt. Dazu gehören u.a. Bewerbungstraining oder Existenzgründungsförderung. Sie stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung und gelten somit nicht als arbeitslos. Hinzu kommen 85.960 Langzeitarbeitslose (Stand: Oktober 2010), die aufgrund einer “vorruhestandsähnlichen Regelung” aus den offiziellen Arbeitslosenzahlen herausfallen.
    So waren im Oktober 2010 nicht nur 302.970 über 58-Jährige ohne Job, sondern tatsächlich rund 450.000. Das sind fast 50 Prozent mehr.
    Die Zahl der älteren Langzeitarbeitslosen, die unter die sogenannte “vorruhestandsähnliche Regelung” fallen, steigt zudem stark an. Wurden im Oktober 2009 noch 45.009 Langzeitarbeitslose aus der offiziellen Arbeitslosenzahl heraus gerechnet, sind es heute bereits 85.960.
    Quelle: Report Mainz
  11. Wenn Krankheit in den Ruin führt
    100 Millionen Menschen rutschen jedes Jahr in die Armut ab, weil sie nicht krankenversichert sind – nicht nur in Entwicklungsländern. Kritik übt die WHO auch an der Politik der schwarz-gelben Koalition in Berlin.
    Die von der schwarz-gelben Koalition forcierten Vorkasse-Tarife in der gesetzlichen Krankenversicherung stoßen bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf Kritik. Im Weltgesundheitsbericht, der heute veröffentlicht wurde, heißt es, derartige Zahlungssystem führten in der Regel zur Verschwendung und zur Überversorgung.
    Als Grund nennt die WHO die bei diesen Modellen fehlende Kostensteuerung durch die Krankenkassen. Die Organisation plädiert stattdessen für Systeme, bei denen es möglichst keine direkten Finanzbeziehungen zwischen Ärzten und Patienten gibt.
    Aus dem Bericht, der sich mit der Finanzierung der Gesundheitssysteme weltweit beschäftigt, geht hervor, dass jährlich 100 Millionen Menschen in Armut abrutschen, weil sie nicht krankenversichert sind. Die unzureichende Finanzierung der Gesundheitsversorgung sei nicht nur ein Problem von Entwicklungsländern.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  12. Europäische Patientengruppen: Fragwürdiges Finanzgebaren
    Die Grenzen zwischen Interessenvertretern von Patienten und der Pharmaindustrie verwischen zusehends. Beleg hierfür ist das Sponsoring von Patientenorganisationen durch Pharmafirmen. Politiker fordern mehr Unabhängigkeit und Transparenz. […]
    Einen weiteren Beleg dafür, dass Patientenvereinigungen, die bei wichtigen EU-Institutionen lobbyieren und so politische Entscheidungen beeinflussen, von der Pharmaindustrie gesponsert werden, liefert eine aktuelle Studie des internationalen Gesundheitsnetzwerks Health Action International (HAI). Demnach erhielten zwei Drittel der Patientenorganisationen, die mit der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) in London zusammenarbeiten, in den Jahren 2006 bis 2008 Gelder von Pharmaunternehmen. Die Zuschüsse machten zwei bis 99 Prozent des Finanzierungsvolumens der einzelnen Gruppen aus.
    HAI hatte 23 Organisationen befragt und im Internet nach weiteren Informationen gesucht. Heraus kam auch, dass der Anteil der Sponsorengelder von Jahr zu Jahr gestiegen war. Lagen die Zuschüsse 2006 bei durchschnittlich 185 500 Euro, betrugen sie 2008 bereits 321 230 Euro. Weniger als die Hälfte der Vereinigungen hatten die Öffentlichkeit über die Sponsoren und die Höhe der Zuwendungen informiert. Dabei verlangen die Verfahrensregeln der EMA, dass Patientenvertretungen, die mit der Behörde zusammenarbeiten, ihre Finanzierung offenlegen. Das betrifft sowohl die Nennung der Finanzierungsquellen als auch Angaben über die Höhe des Sponsorings und dessen Anteil am Finanzierungsvolumen.
    Zu ähnlichen Ergebnissen wie HAI kam auch das europäische Analyseinstitut Corporate Europe Observatory (CEO). Einer CEO-Studie zufolge werden mehr als die Hälfte der mit der EMA kooperierenden Patientenorganisationen von der Industrie finanziell unterstützt. Dies gilt beispielsweise für die International Alliance of Patients’ Organizations (IAPO). Die Vereinigung erhielt zum Untersuchungszeitpunkt 97 Prozent ihrer Mittel von Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft, darunter Pfizer, Glaxosmithkline und andere große Pharmakonzerne.
    Das European Patients’ Forum (EPF), dem 44 Patientenorganisationen angehören und das nach eigenen Angaben die Interessen von etwa 150 Millionen Patienten in Europa vertritt, bestritt im selben Zeitraum 88 Prozent seiner Einnahmen über die Industrie. Das EPF ist seit circa vier Jahren erster Ansprechpartner der EU-Kommission bei Fragen rund um den europäischen Patienten.
    Quelle: Ärzteblatt
  13. Gemeinwohl hat Vorrang
    Die Einführung einer Bürgerversicherung ist verfassungsrechtlich möglich – wenn es dabei um mehr als nur um symbolische Politik geht.
    Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Sozialversicherung schon immer großen Gestaltungsspielraum gelassen, vor allem wenn es um die Sicherung der Funktionsfähigkeit ging. Die Einführung einer radikalen Form der Bürgerversicherung, die wirklich etwas bewirkt, wäre deshalb eher zu rechtfertigen als halbherzige Schritte, die vor allem symbolische Wirkung haben.
    Wenn die private Krankenversicherung (PKV) abgeschafft und verboten würde, wäre das ein massiver Eingriff in die Berufs(wahl)freiheit. Dies wäre nur möglich zum Schutz eines “überragenden Gemeinwohlguts”. Gutachten müssten dann belegen, dass die gesetzliche Krankenversicherung nur durch Einbeziehung der bisher privat Versicherten funktionsfähig bleibt. Die Hürde wäre niedriger, wenn private Kassen nur unter das gemeinsame Dach einer Bürgerversicherung gezwungen würden. Die Privatkassen müssten dann zwar nach gleichen Regeln wie die gesetzlichen wirtschaften, blieben aber bestehen. Ein solcher Eingriff in die Berufs(ausübungs)freiheit kann durch “jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls” gerechtfertigt werden, so Karlsruhe – wenn die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleibt.
    Quelle: taz
  14. Datteln entzweit das Rot-Grün-Bündnis
    Die Koalition von Grünen und SPD in Nordrhein-Westfalen steht kurz vor dem Zusammenbruch. Schuld daran ist der umstrittene Bau des Megakraftwerks an Rhein und Ruhr. Das Ende des Bündnisses hätte unabsehbare Folgen. […]
    Vor rund einem Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht Münster der Klage eines Bauern recht gegeben und den alten Bebauungsplan wegen zahlreicher Verfahrensmängel für ungültig erklärt. Nun kann der RVR entscheiden, ob er es dabei belässt oder aber einen neuen Regionalplan entwirft. Die Vorlage für die Sitzung Anfang Dezember sieht vor, den Standort des Kraftwerks nachträglich genehmigungsfähig und den Einsatz von Importkohle möglich zu machen. Die Grünen sind entsetzt über die Vorlage mit der SPD-Handschrift. „Wir wollen nicht im Interesse von Eon handeln“, sagt die Grüne Sabine von der Beck der Frankfurter Rundschau. Notfalls könne die „Koalition mit der SPD nicht durchgehalten werden“.
    Platzt Rot-Grün im Essener Ruhrparlament, ist dort politisch nur eine große Koalition aus SPD und CDU möglich. Nach Informationen der FR hat die CDU der SPD schon konkrete Angebote für eine Zusammenarbeit gemacht. „Sie sehen ihre Chance gekommen“, heißt es. Schließlich ist der Vorsitzende der Ruhr-CDU Oliver Wittke zugleich Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  15. Paul Krugman – Ungenutzte Macht
    Kann US-Präsident Obama kämpfen? Leider nicht. Lieber verhandelt er mit sich selbst – mit dürftigen Resultaten. […]
    Auch nach den Kongresswahlen hat sich nichts gebessert. Man nehme nur mal die Bemerkungen des Präsidenten zu zwei Hauptthemen der vergangenen Tage. Auf dem G20-Gipfel in Südkorea, der vorhersehbar unproduktiv ausfiel, forderten China und Deutschland von Obama, er möge die lockere Geldpolitik der US-Zentralbank stoppen. Die ist aber nun mal eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten, die US-Wirtschaft in Gang zu bringen. Obama hätte antworten müssen, dass Länder, die große Handelsüberschüsse produzieren, sich gefälligst bei der Frage rauszuhalten haben, wie die USA ihre eigene Wirtschaft voranbringen. Aber was hat Obama gesagt? „Die Entscheidung war nicht dazu gedacht, die Wechselkurse zu beeinflussen.“ Das klingt ja enorm kämpferisch.
    Kommen wir zur Steuerfrage. Der Präsident sollte die Republikaner dafür prügeln, dass sie an der Steuersenkung für Reiche festhalten und die Mittelschicht dafür bluten lassen wollen. Er könnte herausstellen, dass die Verlängerung der Bush’schen Steuersenkung für die Reichen ein gewaltiges Etat-Problem verursacht. Stattdessen verhandelt er mal wieder mit sich selbst, bevor er sich mit den Republikanern an einen Tisch setzt.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  16. NATO: Afghanistan für Kinder sicherer als London oder New York
    Kinder leben nach Ansicht der Nato sicherer in Afghanistan als in London oder New York. In Kabul und in anderen Städten des Landes gebe es sehr wenige Bomben, sagte der oberste zivile Beauftragte der Nato, Mark Sedwill, in einem Interview für eine Kinder-Nachrichtensendung der BBC, die am Montag ausgestrahlt werden soll. “Die Kinder sind hier wahrscheinlich sicherer als in London, New York oder Glasgow oder vielen anderen Städten.” In Kabul lebende Kinder hatten zuvor dem Moderator der Sendung ihre Ängste geschildert. Sie fühlten sich auf den Straßen der Stadt unsicher, weil sie Bomben befürchteten.
    Die Kinderrechtsorganisation Safe the Children reagierte empört auf die Aussagen Sedwills. “Eins von fünf Kindern stirbt bevor es fünf Jahre alt wird. Zu sagen, hier ist es sicherer als in London, New York oder Glasgow ist bescheuert”, sagte ein Vertreter der Organisation, der namentlich nicht genannt werden wollte, um offen sprechen zu können. Sedwill vermittle ein Bild der Sicherheit, das es nicht gebe. “Es ist gefährlich für Kinder, es ist ein unsicherer Ort.” […]
    Daten der Vereinten Nationen zufolge sind zwischen September 2008 und August 2010 in folge des Krieges 1795 Kinder getötet oder verletzt worden. Zuletzt seien die Opferzahlen gestiegen. In der ersten Jahreshälfte 2010 seien bei Bombenattentaten oder Selbstmordanschlägen 74 Kinder ums Leben gekommen, 155 Prozent mehr als im selben Zeitraum ein Jahr zuvor.
    Quelle: Der Standard
  17. Die Angst der Grünen vor dem FDP-Effekt
    Die Grünen haben derzeit vor allem vor einem Angst: dem FDP-Effekt. Der geht so, dass man seinen Wählern vor der Wahl das Blaue in den Geldbeutel verspricht, hinterher nichts davon einlösen kann und von zweistelligen Wahlergebnissen auf kaum noch messbare Umfragewerte abstürzt. Sie gehen daher den umgekehrten Weg und versprechen ihrer Kernklientel, einem eher wohlsituierten, ökologisch gesinnten Bürgertum, nur eines: Zumutungen. Das ist nicht nur gewagt. Es ist das Gegenteil nachhaltiger Politik.
    Die Zusatzbelastungen aus Verminderung des Ehegattensplittings, Krankenkassenumbau, Gewerbesteuerpflicht für Freiberufler und höherem Spitzensteuersatz können sich leicht auf einige Tausend Euro jährlich summieren. Graubrot ohne Olympische Spiele sozusagen.
    Und damit soll keineswegs der ökologische Umbau finanziert werden, der dem Großteil der Wähler am Herzen liegen dürfte, sondern der Ausbau des Sozialstaats auf ein komfortables Niveau – rund 60 Mrd. Euro jährlich soll das kosten.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Jens Berger: Da bleibt dem FTD-Leitartikler die Spucke weg. Da will eine Partei doch tatsächlich Besserverdiener zur Kasse bitten um den Sozialstaat “auszubauen”. Ei der Daus! Das hört sich ja irgendwie links an, was die Grünen da fordern. Aber keine Angst, liebe FTD. Den Grünen droht nicht der FDP-Effekt, sondern eher der SPD-Effekt – vor den Wahlen links blinken, um dann mit Vollgas halbrechts abzubiegen.

  18. Jogi Löw zeichnet Liz Mohn mit „Integrations-Victoria“ aus
    Liz Mohn, bedankte sich für die „Goldene Victoria für Integration“ und mahnte:
    „Wir müssen verstehen, die Menschen mitzunehmen und zu vermischen. Es gibt wenige Themen, die so bedeutsam sind, wie Integration. Dieser Preis ist für mich ein großer Ansporn, er bedeutet mir sehr viel.“
    Sie betonte: „Jeder von uns ist gefragt. Ob eine Gesellschaft von Toleranz oder Intoleranz geprägt ist, hängt von unserem Handeln ab.“
    Quelle: Bild.de

    Anmerkung WL: Es ist bezeichnend für die politische Haltung der Deutschen Zeitungsverleger, dass der „Integrationspreis“ des Verbandes Deutscher Zeitungsverleger (VDZ) nun gerade an Liz Mohn ging. Und es zeigt das falsche Spiel das hier getrieben wird, dass nun gerade Liz Mohn, die mit dem Anti-Integrations-Buch Sarrazins aus der zu ihrem Bertelsmann-Konzern gehörenden DVA-Verlag Millionen gescheffelt hat, mit einem „Integrationspreis“ ausgezeichnet wurde: Hetze gegen Türken und Araber, damit auch noch Geld machen, ein paar heuchlerische Phrasen über Integration dreschen und sich dafür von den Verlegerkollegin feiern zu lassen.
    Man beachte nur einmal in der angebotenen Bildfolge, wer sich zu dieser doppelbödigen Selbstbeweihräucherung alles eingesellt hat.

  19. GEW: „Deutschland verletzt völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Bildung“
    Die Bundesrepublik Deutschland verletzt den von ihr ratifizierten Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Das ist das Ergebnis des Alternativberichts zur Umsetzung des Pakts in Deutschland, den die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Vereinten Nationen (UN) vorgelegt hat. „Das Recht auf Bildung ist ein völkerrechtlich verbrieftes Menschenrecht. Mit der Einführung von Studiengebühren, dem Festhalten am selektiven Schulsystem, dem Mangel an Kindertageseinrichtungen und dem Streikverbot für verbeamtete Lehrkräfte verstößt Deutschland gegen dieses Menschenrecht“, erklärte GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller am Montag in Genf. Hier stellte er den Mitgliedern des für die Überwachung des Pakts zuständigen UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte den Alternativbericht der Bildungsgewerkschaft vor.
    Quelle: GEW
  20. Tipp: WDR 5-Thementag – Schattenreich Lobbyismus
    Ob Stuttgart 21, Banken-Rettungsschirm, Atomlaufzeiten, CO2-Ausstoß oder die Pflegereform – bei nahezu jedem Thema sind Lobbyisten mit am Werk. Sie sind die fünfte Gewalt im Staat. Eine unsichtbare Macht. Einen Tag lang widmet sich WDR 5 dem Thema Lobbyismus. Mit spannenden Reportagen, hintergründigen Berichten und Expertenrunden.
    Am 25. November 2010.
    Quelle: wdr.de

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