Fahrlässige Tötung – für den CDU-Landrat des Kreises Ahrweiler offensichtlich kein Thema

Fahrlässige Tötung – für den CDU-Landrat des Kreises Ahrweiler offensichtlich kein Thema

Fahrlässige Tötung – für den CDU-Landrat des Kreises Ahrweiler offensichtlich kein Thema

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Der ursprüngliche Arbeitstitel dieses Beitrags sollte lauten: „Warum stehen CDU und CSU trotz aller Skandale gut da – sie werden von den Medien geschont“. Einer von mehreren und thematisch verschiedenen Vorgängen, mit denen ich diese Beobachtung begründen wollte, ist seit dem 2. August in die Öffentlichkeit geraten. Endlich wird die Verantwortung des Landrates (CDU) des Kreises Ahrweiler ein Thema und endlich wird sein bzw. seiner Behörde Versagen, die betroffenen Menschen im Ahrtal am 14. Juli spätestens unmittelbar nach Kenntnis einer dramatischen Vorhersage um 17:00 Uhr und dann noch einmal ca. um 20:00 Uhr zu warnen, ein öffentliches Thema. Und endlich hat die zuständige Staatsanwaltschaft in Koblenz, die laut SWR noch am 30. Juli keinen Anlass für Ermittlungen wegen Versäumnissen bei Unwetter-Warnung sah, verstanden, dass dies eine gravierende Fehleinschätzung oder eine parteipolitisch bedingte Irrleitung ist. Wenn am Nachmittag bzw. am frühen Abend des 14. Juli gewarnt worden wäre, und nicht erst um 23:09 Uhr, dann hätten viele Menschen vor dem Tod bewahrt werden können. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die FAZ hatte schon unmittelbar nach der Katastrophe und dann in einem F.A.Z. EXKLUSIV am 30.7.2021 im Einzelnen aufgefächert, wie und wann der Kreis Ahrweiler gewarnt worden ist und was dort versäumt worden ist. Hier sind wichtige Informationen dazu:

Kreis Ahrweiler wurde präzise vor Flut gewarnt

Das Landesamt für Umwelt in Rheinland-Pfalz sendete präzise Warnungen nach Ahrweiler. Für die Nacht auf den 15. Juli wurden fast sieben Meter Pegelstand prognostiziert. Trotzdem wurde erst um 23 Uhr der Katastrophenfall ausgerufen und evakuiert.

Der Krisenstab des von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Landkreises Ahrweiler wurde präzise vor dem enormen Hochwasser gewarnt, das in der Nacht auf den 15. Juli das Ahrtal verwüstete. Die Kreisverwaltung erhielt neben online veröffentlichten Informationen im Laufe des Abends mehrere automatisierte E-Mails des zuständigen Landesamts für Umwelt, in denen auch der prognostizierte enorme Pegelstand von fast sieben Metern mitgeteilt wurden. Das sagte ein Sprecher des Landesamts der F.A.Z. Trotzdem rief der Kreis bis in den späten Abend nicht den Katastrophenfall aus und leitete zunächst keine Evakuierung ein.

In der Nacht auf den 15. Juli hatten Wassermassen das Ahrtal verwüstet. 135 Menschen starben, 766 wurden verletzt, 59 werden noch immer vermisst. Die Fluten trafen die meisten Menschen unvorbereitet. Dabei hatte das Landesamt für Umwelt schon am Nachmittag des 14. Juli Prognosen veröffentlicht, die den Pegel des sogenannten Jahrhunderthochwasser von 2016 (3,7 Meter) bei weitem überstiegen.

Die Kreisverwaltung wurde direkt informiert

Am frühen Abend prognostizierte das Landesamt zwischenzeitlich einen etwas reduzierten Pegelstand. Auf diese kurzzeitige Korrektur hatte sich zuletzt der für den Katastrophenschutz verantwortliche Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), berufen als Erklärung dafür, warum es zunächst keine Evakuierung gab. Allerdings hob das Landesamt kurz danach die Prognose wieder an. Auch informierte es, wie die F.A.Z. nun erfuhr, um 21:26 Uhr die Kreisverwaltung direkt darüber, dass in Altenahr ein Pegel von 6,9 Metern zu erwarten sei – was später in etwa zutraf. Trotzdem wurde erst nach 23 Uhr der Katastrophenfall ausgerufen und eine Teil-Evakuierung angeordnet. Doch da waren die Wassermassen schon zu hoch.

Soweit die FAZ am 30. Juli. Aber die erkennbaren Versäumnisse der Zuständigen in der Kreisverwaltung Ahrweiler wurden kein großes öffentliches Thema und auch die zuständige Staatsanwaltschaft in Koblenz brauchte bis zum 2. August, um diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Siehe hier. In diesem Beitrag des Deutschlandfunks wird berichtet, dass die Kreisverwaltung Ahrweiler schon am 14. Juli um 17:00 Uhr davor gewarnt wurde, die Ahr werde einen Pegel von 5 m erreichen – das Warnsignal für eine Katastrophe.

Die Warnungen der Kreisverwaltung Ahrweiler kamen um 23:09 Uhr des 14. Juli nicht nur um Vieles zu spät. Die in der Warnung enthaltene Aufforderung, 50 m links und rechts der Ahr die Häuser zu räumen, zeugt auch von erstaunlicher Sach-Unkenntnis. Von der Flut sind viele Häuser betroffen, die viel weiter entfernt liegen. Für die Zeltplätze war die Regel ohnehin nicht anwendbar. – Dass sich das Hochwasser nicht an die Regel von den 50 m hielt, zeigt das folgende Foto:

Quelle: Nick_ Raille_07 / Shutterstock

Man sollte sich angesichts dieser Fakten klar werden, wie hier mit dem Leben von Menschen leichtfertig umgegangen worden ist: Wenn Landrat Pföhler (CDU), wenn die Kreisverwaltung des Kreises Ahrweiler kurz nach 17:00 Uhr alle Möglichkeiten der Warnung der dort lebenden Menschen genutzt hätte, wenn sie Polizei und Feuerwehren in die Kleinstädte, Dörfer und Zeltplätze des Ahrtals geschickt hätte, um die dort lebenden Menschen zu warnen, dann würden vermutlich sehr viele der 134 im Ahrtal umgekommenen und weiterer vermisster Menschen noch leben. Es verwundert ein bisschen, dass man so wenig bzw. nichts von privaten Klagen und Anzeigen gegen die Zuständigen hört. Ist es denkbar, dass Angehörige von Menschen, die wegen zu später Warnungen umgekommen sind, sich bisher noch nicht gerührt haben, noch nicht geklagt haben?

Interessant wäre auch von der Staatsanwaltschaft Koblenz zu hören, wie sie ihren späten Sinneswandel erklärt. Was man nämlich gestern, am 2. August, wusste, das wusste man auch schon am 30. Juli, als die Staatsanwaltschaft noch keinen Anfangsverdacht sah. Und man konnte es auch schon viel früher wissen, unmittelbar nach der Katastrophe.

Die Einsicht, dass hier eine große Zahl von fahrlässigen Tötungen zu beklagen ist, wird in Deutschlands Medien, auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern des ZDF und der ARD, nur sehr sanft thematisiert. Man muss sich mal vorstellen, der Landrat käme vom linken Teil der politischen Parteien, das Scherbengericht wäre komplett und würde öffentlich angerichtet.

Nun noch zum ursprünglich geplanten Thema dieses Artikels: Wie auf den NachDenkSeiten in vielfältiger Weise und notwendigerweise immer wieder gezeigt wird, wird die Union von unseren Medien durchgehend privilegiert. Weitere Belege:

Was Werner Rügemer in 2 Beiträgen auf den NachDenkSeiten an Schwächen der Regierungszeit Angela Merkels diagnostiziert – siehe hier Arbeits-Armut, Renten-Armut: Bisheriger Höchststand in Deutschland Arbeits-Armut, Renten-Armut: Bisheriger Höchststand in Deutschland (nachdenkseiten.de) und hier Eine Bilanz der Ära Merkel – Teil zwei Eine Bilanz der Ära Merkel – Teil zwei (nachdenkseiten.de) – ist bei unseren Medien kein großes, der Sache gerechtes Thema.

Auch die im Frühjahr dieses Jahres sichtbare Korruption einer beachtlichen Zahl von CDU/CSU-Mandatsträgern und ihre Versuche, an der Coronapolitik zu verdienen, war nur kurze Zeit in der Öffentlichkeit. Als die Anstalt des ZDF noch Biss hatte, hat sie diese Korruption anschaulich und auf Fakten gestützt beschrieben. Siehe hier. Das war‘s dann auch.

Das von den meisten Medien gepflegte freundschaftliche Verhältnis zur Union wurde dadurch nicht getrübt. Entsprechend ist die Resonanz und entsprechend ist die Meinungsbildung der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler. Nach allen Umfragen liegt die Union immer noch vor allen anderen Parteien. Das hat sie nicht verdient.

Hier eine Umfragen-Übersicht, mit allen Vorbehalten:

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