„Klimaneutralität jetzt!“

„Klimaneutralität jetzt!“

„Klimaneutralität jetzt!“

Ein Artikel von Thomas Trares

Der schönen, neuen, grünen Finanzwelt scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Wir hören von „grünem Stahl“, einer „klimafreundlichen EU“ oder einer „Blue Economy“, die die Meere sauber macht. Nahezu jeden Tag kommen ökologische Finanzprodukte auf den Markt, und das nachhaltig investierte Vermögen erklimmt immer neue Höchststände. Flankiert wird das Ganze von einer Politik, die sich immer ehrgeizigere Klimaziele setzt. Über diese Entwicklung hat sich Thomas Trares für die NachDenkSeiten mit dem Siegener Ökonomen Helge Peukert unterhalten, der sich in seinem neuen Buch „Klimaneutralität jetzt!“ genau mit diesen Themen beschäftigt hat.

Herr Peukert, Sie haben mit „Klimaneutralität jetzt!“ ein umfangreiches Werk zur aktuellen Klimapolitik vorgelegt. Davor haben Sie sich lange Zeit intensiv mit dem Thema Kapitalmärkte auseinandergesetzt, insbesondere mit der großen Finanzmarktkrise von 2008. Warum nun der Schwenk hin zum Thema Umwelt?

Ich wollte eigentlich etwas zu Schattenbanken schreiben. Dann kam Corona, für mich auch ein Ausdruck unserer ökologisch übergriffigen und imperialen Lebensweise, die Bäume im nahen Wald starben wegen Dürre ab und ich las, hörte und sah überall „Hurra – wir sind jetzt oder bald klimaneutral“. Da hatte ich das Gefühl: Hier stimmt was nicht. Wie können Unternehmen, Staaten und Aktivitäten ohne größere Änderungen plötzlich klimaneutral werden? Das war der Ausgangspunkt.

Jetzt gerade wundere ich mich darüber, dass die in diesen Dimensionen völlig neuen, sintflutartigen Überflutungen nicht sofort zu einer wirkungsvollen gesetzlichen Eindämmung der nach wie vor dramatisch voranschreitenden Versiegelungen in Deutschland führt, deren Ausmaße sich auch in meiner Wohngemeinde unübersehbar bemerkbar machen, wo man für den Bau eines Parkhauses Ökopunkte einfahren kann, weil auf dem Dach ein paar Gräser nicht gemäht werden, so dass sich dort ein paar Bienchen tummeln können, aber die Wiese des Kindergartens ist weg.

Der Begriff „klimaneutral“ scheint es Ihnen ja angetan zu haben, in Ihrem Buch sprechen Sie auch von einem „Wiesel-Wort“, also einem Wort mit vager, unscharfer Bedeutung. Mal abgesehen vom inflationären Gebrauch des Wörtchens „klimaneutral“ – welche Widersprüche sind Ihnen in der Klimadebatte noch aufgefallen?

Einmal angefangen, landet man dann unweigerlich auch bei den nationalen, europäischen und internationalen Vereinbarungen, die so alle getroffen wurden. Alleine das Studium der EU-Regelungen zum Thema umfasst tausende Seiten an Bestimmungen, technischen Durchführungsbestimmungen usw. Schön und gut, aber gleichzeitig stieg und steigt die Kurve der CO2-Anreicherung der Atmosphäre und damit die Erderwärmung unbeeindruckt munter weiter an. Wie das? Das war neben der Inflation der Behauptungen zur Klimaneutralität das zweite Rätsel.

Das dritte Rätsel besteht nach wie vor für mich darin, dass die EU – immerhin – tausende von Bestimmungen zu Emissionen mit bürokratischem Technikanhang einführt, dem aber ein extrem „liberaler“ Schlendrian gegenübersteht, so dass in Rumänien die letzten Urwälder weitgehend illegal, aber bisher folgenlos, von Umweltverbrechern flachgelegt werden und die Holzprodukte dann bei uns beim Umweltheuchler Ikea in den Regalen landen. Oder denken wir an die wilden Mülldeponien auf den griechischen Inseln. Werden die geschlossen, landet der Müll dann eben vor den Deponien, wogegen sich einige griechische Umweltschützer zu wehren versuchen, sowas aber von den nicht nur deutschen Urlaubern lässig ignoriert wird. Oder nehmen wir die deutschen Gebrauchtwagen, die einen hohen Anteil daran haben, dass Sofia die Hauptstadt Europas mit der höchsten Luftbelastung ist, da sofort der Kat ausgebaut und extra verkauft wird und die Autos dann illegal, aber unbehelligt noch mal gute 100.000 Kilometer ohne rumfahren und durch deutsche und EU-Milliardensubventionen dieser Missstand durch die grüne Abwrackprämie für E-Autos, deren Herstellung der Batterien mit bis zu 17 Tonnen CO2 bei der Produktion einhergehen, gleich mit gefördert wird.

Ein weiterer Widerspruch ist sicher auch, dass es inzwischen eine unüberschaubare Vielfalt an grünen Finanzprodukten gibt – vom DKB Ökofonds TDL über den DPAM INVEST B Equities World Sustainable bis hin zum Ökoworld Rock´N´Roll Fonds, um nur einige besonders klangvolle Namen zu nennen. Dennoch ist es gar nicht so einfach, ein Produkt zu finden, das den klassischen Anlagekriterien Rendite, Sicherheit und Liquidität genügt und obendrein noch die Umwelt schützt.

Ja, je breiter diversifiziert ein grüner oder ethischer Fonds ist, desto stärker wird auch sein Anspruch verwässert. So beinhaltet der neue Euro Stoxx 50 ESG-Unternehmen wie Total, ENI, Unilever, BMW, Daimler, BASF, die Investoren mit ökologischem Anspruch etwas suspekt erscheinen dürften. Zwar gibt es Alternativen, etwa Branchenfonds. Aber wer zuletzt zum Beispiel auf die deutschen Anbieter von Photovoltaikanlagen setzte, musste schmerzlich erfahren, wie riskant es ist, alles auf eine Karte zu setzen. Mit Branchenfonds konnte man viel Geld verlieren.

ESG-Investments (2) werden häufig nach dem Best-Practice-Ansatz angelegt, so dass es reicht, wenn ein Unternehmen zum Beispiel weniger umweltschädlich agiert als der Durchschnitt. So kommt es, dass Aktien von Öl-, Gas-, Auto- und Atomenergieunternehmen in vielen ESG-Angeboten enthalten sind. Ein anderer Ansatz definiert den eher bescheidenen ethischen Anspruch über Ausschlusskriterien: Nur ein oder zwei Bereiche oder Branchen werden ausgeschlossen, zum Beispiel Waffen und Pornografie. Es gibt ferner Fonds mit Positivlisten, die definieren, welche Kriterien Unternehmen erfüllen müssen. Sie sind aber häufig sehr großzügig ausgelegt und beinhalten z.B., dass Unternehmen nur zu 40 Prozent im Ölgeschäft unterwegs sein dürfen.

Ein Anschauungsbeispiel ist der jüngst erfolgte Rauswurf der Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler direkt nach der Probezeit bei der zur Deutschen Bank gehörigen DWS, der größten deutschen Fondsfirma. Sie hat die Nachhaltigkeitsbekundungen des Chefs Asoka Wöhrmann eingefordert, wirft dem Unternehmen jetzt Greenwashing vor und kritisiert den intransparenten Umgang mit ihrer Beschwerde.

Zwar gibt es erfreulich selektive Fondsangebote wie die von Ökoworld (Ökovision Classic), meist sind dort aber recht hohe Verwaltungsgebühren und Ausgabeaufschläge von bis zu fünf Prozent fällig. Auch öffentliche Institutionen auf Landes- und Bundesebene bieten vermehrt grüne Anlagen an, die sicher und hinsichtlich grüner Komponenten ganz akzeptabel sind, aber Anlegern keine Rendite bieten.

Und weshalb erfreuen sich solche Anlagen dennoch großer Aufmerksamkeit?

Sie erlauben Unternehmen, als Teil der Lösung und nicht des Problems aufzutreten. Der Politik ermöglichen sie, die Diskussion über Grenzen des Wachstums zu vermeiden, und Bürger bekommen die Möglichkeit, guten Gewissens Geld anzulegen und damit vermeintlich sogar noch etwas für die Umwelt zu tun, die leider eher leer ausgeht, womit der Begriff „Klimaneutralität“ noch eine ganz neue, unerfreuliche inhaltliche Färbung erfährt.

Am einfachsten wäre natürlich eine Investition in ein konkretes Projekt, z.B. in einen Windpark. Dabei hat man aber das Risiko des Totalverlustes, da es sich meist um Nachrang-Anleihen handelt. Hier könnte der Staat aktiv werden und hunderte solcher Projekte bündeln und als Fonds anbieten, so dass das Risiko bei Einzelinsolvenzen minimiert wird. Ein solches Standardprodukt würde sich für grün und vernünftig risikoavers eingestellte Anleger eignen, auch als Produkt im Rahmen der in der bisherigen Form gescheiterten Riester-Rente. Ich selber habe übrigens in Zeiten des Anlagenotstands mit gutem Gefühl einiges Geld in den Wiwin Just Green Impact gesteckt, der nur weltweit in rund 70 dunkelgrüne kleine und mittlere Unternehmen investiert, aber auch höheren Wertschwankungen als die bestenfalls hellgrünen Fonds unterliegen dürfte.

Ein Problem bei den ökologischen Finanzprodukten ist ja, dass es keine einheitlichen Standards gibt. Bei den üblicherweise verwendeten ESG-Kriterien (Environment, Social, Government) handelt es sich um keinen geschützten Begriff. Das heißt, jeder Anbieter kann im Grunde machen, was er will. Die Europäische Union hat im Frühjahr mit der sogenannten Taxonomie einen Kriterienkatalog vorgelegt, der diesen Mangel beheben soll. Was ist davon zu halten?

Die EU hat die Sache über die Taxonomie wie stets sehr technisch und mit einer Kanonade an Regulierungen und Verordnungen angegangen und bereits vermittels der Technical Expert Group hunderte Seiten an Klassifikationen hervorgebracht, die neue Fachleute und für Unternehmen bürokratischen Aufwand produziert. Und in Deutschland gibt es noch extra Maßnahmen im Rahmen der Sustainable-Finance-Strategie. Man wird sehen, wozu dieses noch sehr im Fluss Befindliche führen wird, wobei der Grundgedanke, der beliebigen Begriffsverwendung einen Riegel vorzuschieben, an sich richtig ist.

Greifen wir hier nur einen Aspekt heraus. Die EU hat bisher zwei Messlatten vorgeschlagen. Diese Indices sind vor allem für institutionelle Anleger wie Pensionsfonds oder (Rück-)Versicherer, aber auch für Einzelanleger relevant. Die strengere Variante heißt Paris-Aligned-Benchmark (PAB), die weniger strenge Climate Transition Benchmark (CTB). Bei beiden ist ein Sinken des CO2-Ausstoßes um jährlich sieben Prozent gefordert. Die sieben Prozent beziehen sich auf das Gesamtportfolio eines Indexes und sind keine Minderungsvorschrift für alle enthaltenen einzelnen Unternehmen. Bei der PAB muss der CO2-Ausstoß von vorherein um die Hälfte geringer sein als bei zu vergleichenden Herkunftsindices. Bei der CTB liegt dieser Prozentsatz bei 30 Prozent. Liegt beim PAB also die verpflichtende Minderung zur Benchmark 2020 bei 50 Prozent, so ergeben sich bei vorgeschriebener geometrischer Berechnung 2021: 46,50; 2025: 34,78 und 2030: 24,20 Prozent. Bei der CTB, die mit 30 Prozent startet, landet man 2030 bei 33,88 Prozent.

Entscheidend ist: Diese Einsparungen erfolgen in erster Linie durch Umgewichtungen. So hat Tesla im Herkunftsindex MSCI World beispielsweise einen Anteil von 0,9 Prozent und im entsprechenden PAB 1,5 Prozent. So kommt es, dass der übliche MSCI World einen vom Indexanbieter MSCI berechneten ökologischen Fußabdruck von durchschnittlich 52 Tonnen C02 bei enthaltenen Unternehmen pro eine Million Dollar Unternehmenswert ausstoßen, der entsprechende SRI Carbon Select „nur“ 14. Um die sieben Prozent pro Jahr einhalten zu können, müssen gegebenenfalls jedes Jahr die Gewichtungen verändert werden.

So weit, so gut. Die Schwäche dieser grünen Indices besteht natürlich darin, dass durch Umgewichtungen unmittelbar überhaupt nicht weniger CO2 durch Unternehmen ausgestoßen wird und nur Vorgänge auf dem Sekundärmarkt ohne Neuausgabe von Aktien, die Unternehmen Finanzmittel zuführen, stattfinden. Auch werden bei der CTB überhaupt keine Aktivitätsbereiche ausgeschlossen. Bei der PAB sind ein Prozent Kohle, immerhin zehn Prozent Öl und bei Naturgas 50-Prozent-Anteile am Unternehmenswert zugelassen. Kritisch ist anzumerken, dass auch Kompensationsausgaben (offsets) in einem gewissen Rahmen anrechenbar sind, also zum Beispiel die Förderung von Windkraftanlagen in Indien, die aber bereits für wenige Euro pro Tonne erworben werden können und sich kaum nachweisen lässt, dass in einer wachsenden Wirtschaft wie der Indiens dadurch tatsächlich weniger Kohle verstromt wird. Und schließlich können Unternehmen, die gering oder gar nicht in einem der grünen Indices drin sind, weitermachen wie vorher, wenngleich zuzugestehen ist, dass schon sehr viele Unternehmen – wenn auch klimatologisch gesehen zu geringfügige – Minderungen vornehmen und transparent darüber berichten.

Da wir gerade auf der internationalen Ebene sind – die beiden Ökonomen Heiner Flassbeck und Hans-Werner Sinn sagen ja in seltener Eintracht, dass all die ganzen Klimaanstrengungen ohnehin für die Katz’ sind, solange es keine weltweit eingeführte CO2-Steuer gibt. Was ist davon zu halten?

Grundsätzlich haben die beiden natürlich recht, es gibt das grüne Paradox: Senken einige Länder den Rückgriff auf fossile Energiequellen, dann sinken die Preise für Öl, Gas und Kohle durch die geringere Nachfrage. Die Scheichs und andere Autokraten werden sicher nicht die Förderung einstellen. Das Pariser Klimaabkommen hat das Problem eher verschärft, da jedes Land nach Lust und Laune beliebige Reduktionsziele festlegen kann und man sich nicht auf den gemeinsamen Nenner von verbindlichen CO2-Reduktionszielen einigte. Sollte Öl noch billiger werden (derzeit kostet ein Liter Öl weniger als 40 US-Cent), steigen auch sicher Länder aus ihren sowieso zu geringfügigen nationalen Zusagen aus, da es überhaupt keine Sanktionen für Nichterfüllung oder Abgang gibt.

Eine gewisse Minderung des Paradoxes kann durch die Einführung der geplanten Grenzausgleichsabgabe erfolgen, wenn Importe durch einen Zoll in Höhe des Preises für CO2-Zertifikate des innereuropäischen Emissionshandels belastet werden. Sollten sich die erneuerbaren Energien aber weltweit durchsetzen, werden die Autokraten kurz vor Ultimo alles an fossilen Ressourcen raushauen, um wenigstens überhaupt noch was für ihre fossilen Reserven zu bekommen. Die einzige Lösung, die vor vielen Jahren von Massarrat vorgeschlagen und jetzt sogar von Sinn, der schon begriffen hat, dass uns das Wasser bis zum Hals steht, in Erwägung gezogen wird, ein internationales Kartell mit den Produzentenländern zu organisieren und ihnen Preis- und Absatzgarantien zu geben, natürlich gegen sehr deutlich reduzierte Fördermengen. Eigentlich müssten 80 Prozent der restlichen fossilen Ressourcen, leider gibt es noch sehr viel davon im Boden, der Förderung entzogen werden. Trotz allem Wind- und Solar-Tamtam hat sich die Kohlenstoffintensität in den letzten Jahrzehnten nicht vermindert. Wird weiter so gefördert, wie von der Internationalen Energieagentur realistischer Weise vorhergesagt, rasen wir direkt in die Klimakrise und auf drei bis vier Grad Erderwärmung zu.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ja kürzlich bei ihrer Sommerpressekonferenz gesagt, dass gemessen an dem Ziel, den weltweiten Temperaturanstieg auf das im Pariser Abkommen beschlossene Ziel, unter zwei Grad Erderwärmung zu bleiben, während ihrer Kanzlerschaft „nicht ausreichend viel passiert“ sei. Hat Sie da recht?

Da muss ich ihr ausnahmsweise ohne Wenn und Aber zustimmen, mit dem Zusatz, dass von deutscher Seite viele angepeilte Maßnahmen der EU nicht nur den Verkehrssektor betreffend aktiv behindert und vorgeschriebene EU-Umweltstandards hierzulande nicht eingehalten wurden und werden. Laut neuestem IPCC-Bericht hatten wir – obwohl konservativ berechnet – ab 2020 weltweit bei einer Wahrscheinlichkeit von 83 Prozent noch 300 Gigatonnen Restbudget an CO2-Emissionen. Ab 2022 sind das dann 230 Gigatonnen. Bei rund einem Prozent Anteil deutscher Inländer an der Weltbevölkerung bleiben uns bei gerechter Gleichverteilung demnach noch 2,3 Gigatonnen. Die sind selbst gemäß den Zielen des nachgebesserten deutschen Klimaschutzgesetzes in etwa vier Jahren aufgebraucht.

Im September steht ja auch noch die Bundestagswahl an. Sie haben sich im Vorfeld die Wahlprogramme der Parteien hinsichtlich ihrer Aussagen zum Klimaschutz angeschaut. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

In den Programmen stehen tolle Versprechen zu allerlei Umweltmaßnahmen und zur alsbaldigen Klimaneutralität, wobei man sich allerdings schon fragt, warum die in den letzten Jahrzehnten meist Regierungen stellenden Systemparteien nicht Jahrzehnte früher draufgekommen sind, denn jetzt ist das Emissionsrestbudget nach meiner Analyse eigentlich schon komplett aufgebraucht. Greifen wir einmal die Position zur E-Mobilität heraus, die in meinen Augen eine absolute Fehlentwicklung darstellt, da alleine die Produktion der Autos bereits mit mindestens 20 Tonnen CO2 einhergeht und vor Erreichen von 100 Prozent Ökostrom (in der EU sind für 2030 etwa 40 Prozent vorgesehen) zusätzliche Stromnachfrage wie die der E-Autos durch Kohle- und Gaskraftwerke befriedigt wird, also nichts mit „klimafreundlichen“ Autos.

Die AfD tritt, auf den ersten Blick vorbildlich, für den Erhalt heimatlicher Wälder ein, in denen keine Windkraftanlagen gebaut werden sollen, und sie weist auf die mangelnden Stromkapazitäten und die hohen Umweltbelastungen bei der Batterieproduktion hin. Leider erfolgen diese Aussagen im Rahmen einer letztlichen Leugnung des Klimawandels, und die AfD ist pro Braunkohle, pro Verbrennungsmotor, pro Atom und contra jegliche „Planwirtschaft“ des Green Deals der EU. Die FDP ist zwar für den Ausbau der (Schnell-)Ladesäulen, aber gegen Kaufprämien und für einen europaweiten CO2-Emissionshandel des gesamten Verkehrssektors. Technologieoffenheit ist Trumpf, auch Flugtaxis gehören dazu. Von Begrenzungen des Verkehrs oder präzisen Minderungsangaben ist außer dem wohlfeilen Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen keine Rede. Die CDU bekennt sich zum 1,5-Grad-Ziel, ist aber gegen Tempolimits und Dieselfahrverbote. Technologieoffenheit ist auch für sie der Leitwert, schließlich soll ihr zufolge der „Automobilstandort Deutschland gesichert“ werden. Auch für die SPD soll „die Automobilindustrie Leitindustrie bleiben“, aber sie tritt für einen Umweltbonus und ein Tempolimit ein und will bis 2030 insgesamt 15 Millionen E-Mobile auf deutschen Straßen sehen.

Die Grünen gestehen zu, das Auto werde für viele weiterhin wichtig sein, sie wollen aber u.a. bis 2030 die Fahrgastzahlen des ÖPNV um 50 Prozent erhöhen und alsbald Tempolimits einführen. Ab 2030 sollen nur emissionsfreie Fahrzeuge zugelassen werden, und ihr Anteil soll dann wie bei der SPD bei 15 Millionen Fahrzeugen liegen, um einen klimaneutralen Autoverkehr und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Und mit gewisser Kaufförderung unterstützte „klimafreundliche Autos“ sollen einhergehen mit einem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur. Allein die Herstellung der angestrebten Zahl an E-Autos würde 15 Millionen mal 20 Tonnen pro Fahrzeug, also 300 Millionen Tonnen CO2 bedeuten. Zurzeit sind in Deutschland 48 Millionen Fahrzeuge unterwegs. Die Umweltzerstörung durch Lithiumgewinnung und vieles mehr kommen hinzu. Wie kann man da von klimafreundlichen Autos sprechen?

Die Linke spricht sich gegen Kaufprämien und für den weitgehenden Übergang zum öffentlichen Verkehr aus. Elektro-Autos sind im Prinzip nur für Handwerker und als (öffentliche) Einsatzfahrzeuge auf den Straßen vorgesehen. Der ÖPNV soll hierzu unterstützend kostenlos sein, und es soll Tempolimits (120/80/30) geben. Neben der Linken ist nur die ÖDP für eine eindeutige Begrenzung des PKW-Verkehrs. In Städten gilt maximal ein Drittel bis 2035 als Zielwert im Rahmen eines von der ÖDP geforderten allgemeinen Stopps des Wachstumszwangs.

Die Analyse ergibt also, dass nur die ÖDP und Die Linke nicht vom Technooptimismus befallen sind und den Autokonzernen keine Milliarden an Zuschüssen hinterherwerfen wollen. Anstelle von selbstfahrenden E-Kleinbussen im 5-Minutentakt plus ergänzendem Carsharing soll es weitergehen mit dem PKW, anstelle zu fordern, dass ab 2030 keine PKW mehr für den rein privaten Gebrauch zugelassen werden dürfen und nur eine geringe Anzahl von Autos als Betriebsfahrzeuge oder für besondere Transportzwecke eingesetzt werden. Das Motto der meisten Parteien scheint zu sein: Möglichst wenig Räder stehen still, weil die marktkapitalistische Systemlogik es so will.

Herr Peukert, vielen Dank für das Gespräch.

Titelbild: metamorworks/shutterstock.com