Serie zu den Parteien im Wahlkampf: Die LINKE

Serie zu den Parteien im Wahlkampf: Die LINKE

Serie zu den Parteien im Wahlkampf: Die LINKE

Ein Artikel von: Tobias Riegel

In einer Artikel-Reihe zum Bundestagswahlkampf stellen wir die Parteien einzeln vor. Die LINKE hat unter den im Bundestag vertretenen Parteien auf den Feldern des Sozialen und der Friedenspolitik die vielversprechendsten Punkte im Programm. Die von außen wahrgenommene Dominanz eines „Anti-Wagenknecht-Flügels“ und internes Mobbing gegen Andersdenkende trüben das Bild aber erheblich. Auch besteht die Gefahr, dass in einer unter Umständen möglichen rot-rot-grünen Koalition wichtige Standpunkte über Bord gehen würden, etwa zur Friedenspolitik. Die Positionen zu Corona sind zum Teil hanebüchen und sie beschädigen die Partei. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Partei Die LINKE tritt mit ihren Spitzenkandidaten – Co-Parteichefin Janine Wissler und Fraktionschef Dietmar Bartsch – unter folgendem Slogan zur Bundestagswahl an:

„Zeit zu handeln: Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!“

Das vollständige Programm der Partei findet sich unter diesem Link, eine kurze Zusammenfassung findet sich unter diesem Link. Zum Thema Arbeit lauten die stichwortartigen Forderungen etwa:

„Mindestlohn auf 13 Euro erhöhen. Tarifverträge allgemeinverbindlich machen: Für alle Beschäftigten einer Branche müssen Tarifverträge auf Antrag einer Gewerkschaft für verbindlich erklärt werden können. Unbefristeter Arbeitsvertrag von Anfang an. Kein Lohndumping mit Leiharbeit: Wir wollen Leiharbeit abschaffen und durch feste Arbeitsplätze ersetzen. Bis dahin muss gelten: Gleicher Lohn ab dem 1. Tag. Mitbestimmung erweitern: Auch in wirtschaftlichen Fragen brauchen Betriebs- und Personalräte ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht.“

Zum Thema Bildung:

„200 000 Erzieher*innen mehr, Keine Gebühren im öffentlichen Bildungssystem, In Bildung investieren: Kitas ausbauen, Schulen sanieren, flächendeckende Ganztagsbetreuung und bessere Inklusion ermöglichen, BAföG, das zum Leben reicht.“

Zum Thema Rente:

„Solidarische Mindestrente von 1.200 Euro, Ab 65 abschlagsfrei in die Rente sowie mit 60 Jahren bei 40 Beitragsjahren. Benachteiligung der ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner endlich beenden. Für alle Erwerbseinkommen müssen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden. Zeiten der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung und Pflege müssen besser abgesichert werden, damit sie nicht zu Armutsrenten führen.“

Charakterisierend für die Partei sind auch die Forderungen zu den Punkten Steuern oder soziale Sicherheit oder Wohnen oder Flucht und Migration. Auf das Thema „Krieg und Frieden“ wird weiter unten näher eingegangen.

Koalitionen

Eine theoretisch mögliche Koalition könnte je nach Wahlausgang eine aus SPD, LINKEN und Grünen sein. Im Vorfeld wurde dafür jedoch die Abschwächung vor allem der friedenspolitischen Positionen der LINKEN zum „Prüfstein“ für eine angebliche Regierungsfähigkeit erhoben. Die Partei blieb bislang zwar – trotz irritierender Signale einzelner Parteiverantwortlicher – programmatisch weitgehend standhaft. Wie es aber in der Realität von Koalitionsverhandlungen damit aussehen könnte, das hat Dietmar Bartsch bereits vergangenen August[*] im Interview mit dem Deutschlandfunk deutlich gemacht:

„Dietmar Bartsch, Co-Vorsitzender der Fraktion der Linkspartei im Bundestag, sagte im Interview der Woche des Deutschlandfunks, es sei absurd zu glauben, die Linken wollten eine Auflösung der NATO zur Voraussetzung für einen Regierungseintritt machen. Dies werde aber suggeriert. ‚Die Linke wird die NATO nie auflösen‘, sagte Bartsch. Das sei eine ‚Überschätzung sondergleichen’. Die Linke sei auch in der Außenpolitik diskussionsfähig und regierungsfähig.“

Weiter sagte Bartsch dem DLF:

„Zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr verwies Bartsch darauf, dass die Mitglieder seiner Fraktion in der Vergangenheit schon unterschiedlich über Bundeswehreinsätze abgestimmt hätten. Es sei absurd anzunehmen, Linke würden sich an dem Tag, an dem ihre Partei Regierungsverantwortung übernehme, ‚in die Flugzeuge setzen und die Jungs zurückholen‘. Die Linke werde die Frage von Auslandseinsätzen in einer Regierung ‚natürlich diskursiv behandeln‘, sagte Bartsch.“

Die LINKE, Krieg und Frieden

An den Worten mit der Selbstüberschätzung mag ja etwas dran sein. Aber wie man kurz vor der Wahl ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal des eigenen Programms so stark relativieren kann, wie Bartsch es hier tut, ist rätselhaft. Ist es zudem ein kluges strategisches Vorgehen, bereits lange vor (möglicherweise nie stattfindenden) Koalitionsverhandlungen einen wichtigen Trumpf des eigenen Programms zu entwerten? Das Wahlprogramm der LINKEN jedenfalls widerspricht Bartsch. Dort finden sich zum Thema Krieg und Frieden einige gute Positionen. Hier die betreffenden Programm-Punkte im Wortlaut:

„■ Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat. Wir fordern, Verhandlungen über einen deutsch-Russischen Vertrag aufzunehmen, um Versöhnung und Freundschaft zwischen Deutschland und Russland zu erreichen und zu verstetigen.

Unabhängig von einer Entscheidung über den Verbleib Deutschlands in der NATO wird DIE LINKE in jeder politischen Konstellation dafür eintreten, dass Deutschland aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses austritt und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen wird.

Wir fordern ein Menschenrecht auf Frieden. Wir wollen, dass die Bundesregierung sich innerhalb der UN-Gremien für die Umsetzung des Rechts auf Frieden im Sinne der Santiago-Deklaration durch Verankerung in einem völkerrechtlichen Vertrag einsetzt und ihn in allem politischen Handeln konsequent umsetzt.

DIE LINKE lehnt eine Vermischung von zivilen und militärischen Maßnahmen ab. Internationale Hilfe darf niemals Teil einer militärischen Strategie sein, sondern muss sich am Gebot der Hilfe für von Hunger, Klimakatastrophen und Krieg betroffene Bevölkerungen orientieren.“

Die nächste Prüfung für die Stabilität diese Grundsätze könnte ein akuter „Rettungseinsatz“ der Bundeswehr in Afghanistan sein. Der außenpolitische Sprecher der LINKEN, Jan van Aken, ist dafür, dass seine Fraktion diesem Mandat unter bestimmten Voraussetzungen zustimmt:

„Ich bin dafür, dass wir unter zwei Bedingungen zustimmen. Wenn es Absprachen mit den Taliban gibt und wenn alle Ortskräfte und alle Menschenrechtsaktivist:innen mitgemeint sind. Das ist im Mandat der Bundesregierung, das am Mittwoch abgestimmt werden soll, total unklar.“

Die LINKE und Corona

So begrüßenswert die (zumindest programmatische) Positionierung der LINKEN zu Kriegseinsätzen (noch) ist, so problematisch ist – neben dem Wagenknecht-Bashing und identitätspolitischen Nebengleisen – das öffentliche Auftreten vieler LINKER beim Thema Corona. Es gibt eine Kluft zwischen den teils richtigen, unter „Corona“ verzeichneten Programmpunkten und dem öffentlich vermittelten Eindruck. Doch auch das Programm hat bei dem momentan vieles überlagernden Thema Leerstellen: Denn zwar finden sich einige sehr gute Forderungen, etwa nach Verbesserungen von Arbeitsbedingungen, Personalschlüsseln und Löhnen im Gesundheitssystem oder nach einer “Vermögensabgabe ab 2 Millionen Euro“. Aber es gibt nur wenig Gehalt zur drohenden digitalen Massen-Überwachung, zur grundsätzlichen Ablehnung des Prinzips „Lockdown“, zum indirekten Impfzwang, zu verbotenen Demos, zur Diffamierung Andersdenkender und einer durch Medienkampagnen und zahlreiche Politiker ganz allgemein vergifteten gesellschaftlichen Kommunikation. Immerhin schreibt die Partei aber auch:

„Kein Lockdown für die Demokratie – Bürgerrechte sind systemrelevant! Es darf keine Entmachtung der Parlamente geben. Politische Betätigung muss möglich sein. Allgemeine Versammlungsverbote sind Gift.“

Auf der anderen Seite wird aber die extrem fragwürdige Datenbasis der destruktiven Corona-Politik von LINKEN-Politikern nicht angemessen in den Blick genommen – zumindest nicht in einer Form, die beim „Normalbürger“ hörbar und wirkungsvoll ankommen würde. Diesem Eindruck der öffentlichen Darstellung folgend, scheint es, dass die LINKE etwa die folgenden Aspekte nicht angemessen thematisiert, die die NachDenkSeiten kürzlich aufgelistet haben:

„So werden mit unfassbarer Sturheit seit 18 Monaten absolute Zahlen als aussagefähig hingestellt, es werden einfachste Regeln der Statistik glatt ignoriert, es wird (vorsätzlich) eine „Daten-Erhebungs-Katastrophe“ und ein gewollter Zustand des „Nichtwissens“ angerichtet. Zusätzlich werden all die inzwischen gewonnenen Erkenntnisse ignoriert, die allesamt der Corona-Panikmache und dem Prinzip Lockdown entgegenstehen: etwa die unseriöse Zählweise der „an oder mit dem Virus Verstorbenen“ oder die fragwürdigen Aussagen der PCR-Tests oder die unbegründete Angst vor der vernichteten Lebenserwartung oder die unbegründete Angst vor zu wenig Intensivbetten oder die (ausbleibende) Übersterblichkeit oder die „Unwissenheit“ der Regierung zu den konkreten Wirkungen von Lockdowns.

Neben dem durch die Corona-Maßnahmen (nicht durch das Virus) gesteigerten Welthunger muss außerdem auf die Reichtums- und Armuts-Explosion, den Grundrechtsentzug, die Protest-Verbote, die sich anbahnende Massenkontrolle und Überwachung, die eingesperrten Kinder und die zum einsamen Sterben verdammten Alten hingewiesen werden. Und darauf, dass mittlerweile ohne jeden Zweifel festgestellt werden kann, dass die extrem destruktiven Wirkungen der Lockdown-Politik in keinem angemessenen Verhältnis zum Gefahrenpotenzial des realen Corona-Virus stehen.“

Und im Artikel “Neue Corona-Beschlüsse: Politische Notlage von irrationaler Tragweite” haben wir kürzlich geschrieben:

„Am Dienstag hat jedenfalls – erwartungsgemäß – auch das von einem LINKEN-Ministerpräsidenten regierte Thüringen den neuen Beschlüssen zugestimmt. Und das, obwohl etwa die Test-Regelungen vor allem arme Teile der Bevölkerung treffen werden. Sozial benachteiligte Bürger ohne Impfung werden somit doppelt getroffen: durch die billige Diffamierung durch impffreudige Lockdown-Verantwortliche einerseits und durch die geplanten finanziellen Härten bei Tests andererseits.“

Von CDU, SPD und Grünen hätte man wohl ohnehin keinen nennenswerten Widerstand gegen die massiven Auswüchse der Corona-Politik erwarten dürfen – von der LINKEN dagegen schon. Doch statt den Menschen gegen eine aus dem Ruder gelaufene „Virus-Politik“ (in der öffentlichen Debatte wahrnehmbar) beizustehen, hat man den Eindruck, viele LINKE würden sich in unrealistischen und darum destruktiven Gedanken von „Solidarischen Lockdowns“ verlieren. Zahlreiche LINKE unterstützen sogar die radikale und abzulehnende Lehre von „ZeroCovid“.


Titelbild: Screenshot



[«*] Aktualisierung 31.08.2021: Diese Zeitangabe wurde geändert.

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