Ohne Sachverstand stolpern sie zur Zerschlagung der Bahn

Ohne Sachverstand stolpern sie zur Zerschlagung der Bahn

Ohne Sachverstand stolpern sie zur Zerschlagung der Bahn

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Aus den Gesprächen der Ampel-Parteien wurde bekannt, dass sich die Bündnis-Grünen und die FDP die Auftrennung der Deutschen Bahn in Netz und Betrieb wünschen und dass die SPD mehrheitlich vorerst noch dagegen ist. Es steht dennoch ins Haus, dass die Trennungsentscheidung kommt. Dafür spricht, dass in der dazu öffentlich geführten Debatte für die Position der SPD nur ins Feld geführt wird, dass die größte Eisenbahnergewerkschaft EVG gegen die Aufspaltung sei. Dass die Trennung auch sachlich fachlich eine groteske Fehlentscheidung wäre, wird nicht in die Meinungsbildung einbezogen. Stattdessen wird die Monopolkommission mit einem positiven Votum für die Trennung ins Feld geführt. Wie sieht die fachlich-sachliche Bewertung des Vorhabens aus? Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Einsichten der Volkswirtschaftslehre

Wenn man Volkswirtschaftslehre studiert hat und das Glück hatte, dass es unter den Lehrenden Menschen gab, die Ahnung von den sogenannten WelfareEconomics hatten, dann hat man ein gesellschaftspolitisch interessantes Handwerkszeug vermittelt bekommen. Mit WelfareEconomics ist keine Wohlfahrtspolitik gemeint, sondern die Theorie von der optimalen Verwendung der Faktoren in einer von Märkten und Wettbewerb geprägten Volkswirtschaft. Das wurde zu meiner Studienzeit nicht überall gelehrt und diskutiert, an einigen Universitäten schon. Ich hatte das Glück, in München bei einem Professor zu landen, in dessen Seminaren viel über diese Fragen gearbeitet wurde. Das war genauso zum Beispiel an britischen Universitäten.

Für unser praktisches Problem der Organisation eines schienengebundenen nationalen oder übernationalen Verkehrsunternehmens wurde gelehrt, dass wegen des Problems der sogenannten Unteilbarkeit der Produktionsmittel der private Betrieb eines solchen Unternehmens nicht sinnvoll sei. Man kann den Schienenverkehr zwischen Hamburg und Frankfurt oder zwischen Frankfurt und München oder zwischen Berlin und Basel oder Köln und Paris nicht im Wettbewerb organisieren. Die Trassen, auf denen der Verkehr stattfindet, sind nicht teilbar. Es kann nicht zur gleichen Stunde auf der gleichen Trasse von 2, von 3 oder 10 Unternehmen konkurrierend das gleiche Produkt angeboten werden.

Also, so hatten wir einmal gelernt: Es macht in einem solchen Fall Sinn, das Produkt als öffentliche Leistung anzubieten. Ich wüsste nicht, warum sich an dieser Lehre etwas geändert haben sollte.

Auch die Trennung von Netz und Betrieb hebt das Problem nicht auf. Es wird nur scheinbar und bei oberflächlicher Betrachtung aufgehoben, dann nämlich, wenn die Verfechter dieser Trennung behaupten, man könne auf einer Trasse, die sich in öffentlicher Regie befindet, den Betrieb der Züge konkurrierend betreiben. Machen Sie mal den Versuch, lassen Sie die Züge von 3 verschiedenen Anbietern, also zum Beispiel einen Zug von Flixbus, einen von der Deutschen Bahn AG und einen von den französischen Staatsbahnen in der Früh um 6:00 Uhr in Basel starten und nach Berlin fahren – zur gleichen Zeit oder ungefähr zur gleichen Zeit, zur Hauptreisezeit jedenfalls. Und dann auch zu anderen viel frequentierten Tageszeiten. – Sie werden das Problem der Konkurrenz um die besten Zeiten nicht im Wettbewerb lösen können, sondern mit einem öffentlichen Akt oder im juristischen Streit zwischen den Kontrahenten. Der Hintergrund: die Grundlage des Angebots der einzelnen Verkehrsanbieter, die zu einer bestimmten Zeit nutzbare Schienentrasse, ist nach wie vor unteilbar. Über dieses Problem wird großzügig hinweggeredet. Es wird so getan, als löse die Trennung von Netz und Betrieb das Problem.

Es gibt noch eine Fülle anderer Nachteile der Trennung: das Angebot für die Kunden wird unübersichtlicher, eine gemeinsame Werbung für den Schienenverkehr, was ja in diesen Zeiten von Klimawandel ausgesprochen wichtig wäre, ist ausgesprochen schwierig, jedenfalls im Wettbewerb nicht zu organisieren. Auch die Aufstellung der Fahrpläne des Gesamtangebots ist ja wohl nicht im Wettbewerb, sondern nur im Einvernehmen und damit nicht marktwirtschaftlich zu regeln.

Außerdem wird die vorgesehene Trennung von Netz und Betrieb wegen des erwähnten Sandes im Getriebe einen Rattenschwanz von juristischen Auseinandersetzungen nach sich ziehen – es sei denn, der Wettbewerber im öffentlichen Besitz wird von der Politik, die sehr leicht unter den Einfluss der Privatanbieter geraten kann und geraten wird, zu Konzessionen zugunsten der privaten Anbieter gezwungen.

In der Monopolkommission dominieren Juristen und einzelwirtschaftliche Interessen

Wenn Sachverstand in der öffentlichen Debatte und auch bei den öffentlich agierenden Personen nicht allzu weit gestreut ist, dann werden schon seit längerem und zunehmend mehr sogenannte Sachverständige von außerhalb herangezogen, es werden dafür extra Gremien gebildet. Ein bekanntes, schon lange wirksames Gremium dieser Art ist der Sachverständigenrat zur Beurteilung des Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ein anderes Gremium neuerer Art ist der Ethikrat. Für die hier zu besprechende und zu entscheidende Frage der Trennung der Bahn scheint die sogenannte Monopolkommission wie gerufen zu sein. In der Tat hat sich die Monopolkommission zu der anstehenden Frage der Trennung der Bahn in Netz und Betrieb Anfang November geäußert. Positiv.

Die Tagesschau berichtete: „Monopolkommission“ für Aufspaltung der Bahn.

Der Spiegel berichtete: „Pläne von FDP und Grünen. Monopolkommission befürwortet Zerschlagung der Bahn“.

Die Zeit meinte: Monopolkommission fordert Aufspaltung der Deutschen Bahn

Auch in der taz, in der Süddeutschen Zeitung und im Deutschlandfunk wird von der Monopolkommission berichtet und auf ihrer Linie die Trennung von Netz und Betrieb gefordert.

Die Monopolkommission selbst hatte schon im September 2006 für eine Privatisierung der Bahn plädiert. Das war allerdings eine andere Besetzung als heute. Aber es macht keinen Unterschied.

Weil ich wissen wollte, wie die Monopolkommission zu ihrem so eindeutigen Urteil kommt, habe ich mir die Liste und die Lebensläufe der Mitglieder der jetzt im Amt befindlichen Monopolkommission angeschaut und für unsere Leser eingescannt. Siehe hier.

Der Vorsitzende Achim Wambach hat Physik und dann auch Ökonomie studiert. Auch nach seinen Arbeitsschwerpunkten, zu denen Wettbewerbspolitik gehört, kann man annehmen, dass er etwas von der Sache verstehen müsste.

Professor Dr. Jürgen Kühling ist Jurist. Er hat sich mit Regulierungsfragen der Bundesnetzagentur beschäftigt. Forschungsschwerpunkte sind die Regulierung von Netzindustrien, das Informationsrecht und das europäische Beihilfenrecht. – Das klingt für mich nach Vorprägung für Privatisierungen und im konkreten Fall auch für Privatisierung des Betriebs des Schienenverkehrs.

Dann gibt es 3 weitere Mitglieder, die vor allem in der Privatwirtschaft tätig sind und waren und zwar teilweise in sehr großen Unternehmen. Das gilt vor allem für die beiden Frauen Dagmar Kollmann und Pamela Knapp. Bei Ihnen würde ich ein freundliches Vorurteil pro Privatisierung des Schienenverkehrs und damit für die Trennung in Netz und Betrieb annehmen.

Wenn Sie sich selbst ein Urteil bilden wollen, dann überfliegen Sie die Lebensläufe der 5 Mitglieder der Monopolkommission. Sie lernen dabei auch viel darüber, wie weit die privaten Interessen hierzulande schon in öffentliche Einrichtungen vorgedrungen sind.

Wenn die Trennung kommt, dann wird man leider feststellen müssen: FDP und Grüne können als Partner der SPD am Ende noch schlimmer werden als CDU und CSU.

Titel: Lucian Milasan / Shutterstock

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