Die Ampel-Hölle nimmt Gestalt an

Die Ampel-Hölle nimmt Gestalt an

Die Ampel-Hölle nimmt Gestalt an

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Auch wenn Politiker immer behaupten, Personalien spielten in der Politik eine untergeordnete Rolle, so ist das genaue Gegenteil der Fall. Gerade in einer Regierungskoalition, in der das Spektrum der Positionen in vielen Bereichen sehr weit ist, ist die Frage, welche Partei welches Ressort bekommt und vor allem wer als Minister dieses Ressort anführt, von großer Bedeutung. Und hier gäbe es bei der Ampel durchaus Potential. Abhängig vom Zuschnitt und der Besetzung der Ministerien hätte die Ampel ein zumindest in Ansätzen durchaus progressives Modell werden können. Die ersten Spekulationen, die aus den Verhandlungskreisen nach außen dringen, weisen jedoch auf das exakte Gegenteil hin. So ziemlich jedes Ministerium wird offenbar von der jeweils schlechtesten denkbaren Alternative besetzt. Von Jens Berger.

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Auch wenn es heute nicht mehr politisch korrekt ist, Witze zu erzählen, die sich in Klischees suhlen, so drängt sich der alte Witz von Himmel und Hölle Europa doch als Analogie für das Thema Ampel förmlich auf.

Der Himmel ist dort, wo
die Briten die Polizisten sind,
die Franzosen die Köche,
die Deutschen die Mechaniker,
die Italiener die Liebhaber,
und organisiert wird alles von den Schweizern.

Die Hölle ist dort, wo
die Briten die Köche sind,
die Franzosen die Mechaniker,
die Schweizer die Liebhaber,
die Deutschen die Polizisten
und organisiert wird alles von den Italienern.

Nehmen wir beispielsweise einen Robert Habeck. Der Grünen-Politiker ist in der Vergangenheit bereits häufiger mit nicht eben dummen Sätzen zur Schwarzen Null oder zur Neuverschuldung aufgefallen. Als Finanzminister wäre Habeck – auch wenn er als studierter Philosoph und Literaturwissenschaftler fachlich nicht eben für dieses Fach prädestiniert ist – sicherlich nicht die schlechteste aller personellen Lösungen.

Doch nein, stattdessen pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass ausgerechnet der FDP-Vorsitzende Christian Lindner dieses Amt übernehmen soll. Der steht hingegen wie kaum ein anderer namhafter deutscher Politiker für das, was die beiden progressiven Ökonomen Joseph Stieglitz und Adam Tooze als eine „vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda“ bezeichnen. Ein Finanzminister Linder wäre den beiden zufolge ein „Crashtest“, den sich „weder Deutschland noch Europa erlauben“ könnten. Und wer mag ihnen da widersprechen? Und da Lindner wohl das mächtige Finanzministerium bekommt, will man offenbar Habeck als „Trostpflaster“ zum Superminister in einem um das Ressort Klima aufgeblähten Wirtschaftsministerium machen. Robert Habeck als Wirtschaftsminister? Kompetenz ist ja leider keine zwingende Voraussetzung für ein Ministeramt, aber wirklich schaden würde es auch nicht, wenn die Personalfragen sich nicht vollkommen im kompetenzfreien Raum abspielen.

Die nächste absolute Katastrophe bahnt sich im Außenressort an. Während „Hühner, Schweine, Kühe melken“-Habeck als Superminister die deutsche Wirtschaft managen soll, fühlt sich die selbsternannte Völkerrechtsexpertin Annalena Baerbock leider prädestiniert, um als erste deutsche Außenministerin Geschichte zu schreiben. Und diese Geschichte wird keine gute sein. Eine Außenministerin Baerbock ist der feuchte Traum aller Transatlantiker. Ihre außen- und sicherheitspolitischen Vorstellungen sind das genaue Gegenteil einer heute mehr denn je lebensnotwendigen Neuauflage der Brandt´schen Entspannungspolitik. Baerbock steht für Angriffskriege nach dem Muster „humanitärer Interventionen“ und für die „toxische Selbstgerechtigkeit“ der Grünen im Spannungsfeld Ost-West-Politik. Es ist sicher nicht übertrieben, wenn man sagt, die Welt wäre mit einer deutschen Außenministerin Baerbock ein großes Stück unsicherer, ein möglicher Krieg mit Russland käme ein Stück näher.

Schützenhilfe könnte Baerbock dabei aus dem Verteidigungsressort bekommen. Dafür ist nämlich ausgerechnet die bekennende Aufrüstungsfreundin und NATO-Cheerleaderin Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP im Gespräch. Strack-Zimmermann setzt sich nicht für ein Aufrüstungsziel von zwei, sondern sogar von drei Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt ein und fordert eine materiell und personell noch stärkere Einbindung der deutschen Streitkräfte in die NATO-Strukturen. Als Vorstand der NATO-Lobbyorganisation Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V. hat sie in der Vergangenheit schon für diese Ziele getrommelt.

Und wo bleibt die SPD beim Postengeschacher? Da die stärkste der drei Koalitionsparteien bereits den Bundeskanzler stellt und nach dem Willen von SPD und Grünen die Ämter paritätisch von Männlein und Weiblein besetzt werden sollen, sind die Sozialdemokraten bei der Postenvergabe merklich eingeschränkt. Wie viele talentierte Politikerinnen hat die SPD, die ministrabel und halbwegs kompetent sind? Und genau deshalb kramt man nun offenbar zwei Damen aus dem Hut, die zwar als ehemalige Ministerinnen formal für neue Weihen in Frage kommen, jedoch bereits in der Vergangenheit auf ihrem Posten versagt haben – Svenja Schulze und Christine Lambrecht. Erstere ist für den Fall, dass man Robert Habeck vom Wirtschaftsministerium abhalten kann, als Wirtschaftsministerin, Letztere ist als Innenministerin im Gespräch. Für das genuine SPD-Ministerium Arbeit und Soziales gilt der amtierende Minister Hubertus Heil als gesetzt. Hat die SPD denn wirklich nichts Besseres zu bieten? Zumindest eine gute Nachricht gibt es: Den Namen Heiko Maas hat noch kein Spatz von einem Dach gepfiffen.

Fehlt ein Mann, der zumindest bemessen an seiner Medienpräsenz zurzeit der (un)heimliche Star der SPD ist – Karl Lauterbach. Dessen Ziel ist es – Gott bewahre – das Gesundheitsressort als Nachfolger von Jens Spahn zu übernehmen. Lauterbach ist natürlich vor allem durch seine alarmistischen und teils skurrilen Äußerungen zu Corona allseits bekannt. Weniger bekannt ist indes, dass Lauterbach sich vor Corona vor allem als „Reformer“ des Gesundheitssystems einen Namen machte. Er hat nicht nur jede kritikwürdige Reform der Großen Koalition mitgetragen, sondern setzte auch Hand in Hand mit der Bertelsmann-Stiftung die Axt an das deutsche Gesundheitssystem, als er forderte, dass „mindestens jede dritte, eigentlich sogar jede zweite Klinik“ in Deutschland „schließen müsse“. Für das Amt des Gesundheitsministers hat Lauterbach jedoch zum Glück zwei Nachteile, für die er noch nicht einmal etwas kann – er ist Mann und kommt aus Nordrhein-Westfalen, zwei Punkte, die ihm bei der angestrebten geschlechtlichen und regionalen Vielfalt im Parlament im Wege stehen. Zudem munkelt man, dass seine mediale Omnipräsenz bei einigen einflussreichen Genossen gar nicht gut ankommt, zumal er als „One Man Show“ die offizielle gesundheitspolitische Sprecherin der Partei, Sabine Dittmar, ignoriert und marginalisiert hat. Die ist eine Frau und kommt aus Bayern. Vielleicht wird sie ja die kommende Ministerin? Zumindest dieser Kelch ginge dann an uns vorbei.

Die Hölle ist dort, wo
Christian Lindner die Finanzen regelt,
Annalena Baerbock und Marie-Agnes Strack-Zimmermann Kriegspolitik propagieren,
Robert Habeck die Wirtschaft managt,
Karl Lauterbach Krankenhäuser schließt,
und organisiert wird alles von Olaf Scholz.

Titelbild: Screenshot Tagesschau

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