Die Manipulateure des Jahres: Spiegel und Bild zu Innereien der Linken

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Wir haben uns daran gewöhnen müssen, dass sich der Spiegel mit Bild gemein macht und gemeinsam Kampagnen trägt. Ein immer wiederkehrendes Aktionsfeld ist der Versuch, jede politische Alternative links von der Union unmöglich zu machen. Dazu gehört insbesondere die Dauerkampagne gegen die Linkspartei und dort insbesondere gegen jenen Teil, den man in dieser Kampagne die Fundamentalisten nennt. Mit dem Spiegel dieser Woche begann das Spiel aufs neue – mit der Meldung über einen angeblichen Aufstand gegen den Vorsitzenden Klaus Ernst. Der Spiegel begann in seiner gedruckten Ausgabe. Schon am Sonntag, den 19. Dezember, verbreitete Bild die “Nachricht” weiter und dann folgte der übliche Rattenschwanz in anderen Medien. Die Frankfurter Rundschau setzt heute den Reigen mit einem Interview mit dem berühmten Politiker der Linken Dietmar Bartsch fort. Eine Auswahl der “Medienereignisse” zum Thema hängt als Anlage an. Albrecht Müller

Das übliche Spiel – Angebliche Realos gegen angebliche Fundis. Mit neuer Besetzung: Ernst statt Lafontaine in der Schusslinie

Immer wenn der Spiegel sich mit der Partei DIE LINKE befasst, geht es nach folgendem Muster: Im Osten arbeiten die guten Realos, im Westen gibt es fundamentalistische Spinner. Als Lichtgestalt feierte der Spiegel regelmäßig den ehemaligen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Als Bösewicht funktionierte lange Jahr der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine.

Im jüngsten Heft meldet der Spiegel: „In der Linken droht der Aufstand gegen den Vorsitzenden Klaus Ernst. Die Realos in der Partei denken über einen Austritt oder eine Spaltung nach.“ In früheren Zeiten hatte der Spiegel in regelmäßigen Abständen Aufstände gegen Oskar Lafontaine gemeldet. Das Personal hat jetzt gewechselt. Die Rolle des Bösewichts hat die Spiegel-Redaktion Klaus Ernst zugewiesen. Die Lichtgestalt Dietmar Bartsch blieb dem Spiegel erhalten. „Der 11. Januar dieses Jahres ist vielen Linken noch in schmerzhafter Erinnerung. Es war der Tag, an dem Fraktionschef Gregor Gysi seinen früheren Mitstreiter Dietmar Bartsch öffentlich demütigte, in dem er dem damaligen Bundesgeschäftsführer Illoyalität vorwarf und ihn zum Rückzug zwang.“ Man spürt regelrecht den mitfühlenden Schmerz der Spiegel Redaktion und erfährt, „am 11. Januar 2011 sinnen nun die Realos, die vor allem im Osten der Republik stark sind, auf Rache. In der Einladung zu einem Treffen an dem symbolträchtigen Datum heißt es neutral, man wolle die Gründung einer Landesgruppe Ost diskutieren… Die Landesgruppe Ost soll ein Bollwerk gegen die fundamentalistische Ausrichtung der Partei werden und einen Gegenpol zum glücklosen Vorsitzenden Ernst bilden.“

Als Kronzeugen führt der Spiegel diesmal den sächsischen Bundestagsabgeordneten Michael Leutert an, der in der Bundestagsfraktion nicht gerade als intellektueller Überflieger gilt. Die Spaltungsfantasien des Spiegels kollidieren allerdings mit der Realität der ostdeutschen Linkspartei. Als die Gruppe um Bartsch versuchte, die von Gregor Gysi ausgehandelte neue Führungsstruktur der Partei, die satzungsmäßig abgesichert werden musste, zu blockieren, fiel sie nicht nur im Westen sondern auch im Osten auf die Nase. Mit großer Mehrheit billigten die Mitglieder die neue Satzungsänderung und ließen die von der Presse so oft gehätschelte Reformergruppe auflaufen. Sollte in dieser Gruppe tatsächlich der eine oder andere Realo Spaltungsfantasien haben, so würde er vermutlich von der ostdeutschen Mitgliedschaft auf den Boden der Realität zurückgeholt.

Um die Putschgedanken der Realos in kräftigen Farben zu schildern, schreibt der Spiegel: „Die Landtagswahlen Anfang nächsten Jahres werden so zum großen Test für die Führung, die bislang keine eigenen Erfolge vorweisen kann. Ob es gelingt, in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einzuziehen, ist offen. Klappt es nicht, steht die Führungsfrage sofort auf der Tagesordnung.“

Sind die ostdeutschen Realos wirklich so erfolgreich, wie sie und ihre publizistischen Handlanger suggerieren

Der Spiegel übersieht, dass in der Linkspartei nicht nur darüber diskutiert werden müsste, ob die Linke in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg in den Landtag kommt. Vielmehr müsste es schon lange ein parteiinternes und öffentliches Thema sein, warum die Wahlergebnisse der ostdeutschen Landesverbände, die sich bei den Strategiediskussion besonders häufig zu Wort melden, bei den Landtagswahl deutlich unter dem Ergebnis der Bundestagswahlen liegen:

  • Berlin: Bundestagswahl 20,2 Prozent, Landtagswahl 13,4 Prozent,
  • Sachsen-Anhalt: Bundestagswahl 32,4 Prozent, Landtagswahl 24,1 Prozent,
  • Mecklenburg-Vorpommern: Bundestagswahl 29 Prozent und Landtagswahl 16,8 Prozent.

Die über den Spiegel verbreitete Drohung, nach den Landtagswahlen käme die Führungsfrage auf den Tisch, könnte zum Bumerang werden. Unterbieten die ostdeutschen Landesverbände bei der jeweiligen Landtagswahlen das Bundestagswahlergebnis deutlich, so würde man in der Partei eher diskutieren müssen, ob nicht der Realo-Kurs, der in den genannten Landesverbänden z.B. den weiteren Beschäftigungsabbau im öffentlichen Dienst ankündigt, die Ursache für dieses schlechte Abschneiden ist.

Eine stellvertretende Parteivorsitzende, die die Illusion eines Grundeinkommens vertritt – dass sich eine Partei einen solchen Wahnsinn leistet, ist beachtlich. Das gab’s bisher nur bei der CDU mit dem berühmten Politiker Althaus.

Als nächste Kronzeugin des Ost-West Konfliktes dient der Spiegel-Redaktion die Vize-Vorsitzende Katja Kipping. Als Markenzeichen trägt sie seit Jahren die Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen vor sich her. Zwar wird die Idee, jedem Deutschen ohne jede Vorbedingung monatlich 1000 Euro aufs Konto zu überweisen, auch in der Linkspartei als Spinnerei abgetan. Aber selbst der Hinweis darauf, dass von vornherein Tausend Milliarden aufgebracht werden müssten, um das bedingungslose Grundeinkommen zu verwirklichen, hindert Katja Kipping nicht daran, an ihrem Mantra festzuhalten.
Solche Fundis hält die Linke aus? Das ist beachtlich. Denn einen größeren Blödsinn kann man sich kaum vorstellen.

Nebenkriegsschauplatz Saarlandlinke-Satzung

Als weiteres Problem der Linken erwähnt der Spiegel die Satzung des saarländischen Landesverbandes, in der die „Diffamierung“ der Partei und ihrer Mitglieder als parteischädigendes Verhalten qualifiziert wird. Angeblich sympathisiert der Parteivorsitzende Klaus Ernst mit dieser Satzungsbestimmung. Hier sehen insbesondere die stellvertretende Bundesvorsitzende Halina Wawzyniak und Bundesschatzmeister Raju Sharma alte überwunden geglaubte SED-Methoden. Wenn so etwas in die Bundessatzung aufgenommen werde, „ist das nicht mehr meine Partei“, wird Halina Wawzyniak zitiert. Dies wäre nun wirklich ein Verlust, von dem sich die Linke so schnell nicht mehr erholen würde, verbinden doch die Wählerinnen und Wähler die Partei die Linke in erster Linie mit dem Namen Halina Wawzyniak.

Spiegel, Bild und im Gefolge andere Medien wollen die Linke auf einen erfolglosen Kurs drängen – so einfach ist das. Wäre ich der Stratege der Rechten, würde ich das auch so machen.

Die Strategie dieser Medien und ihrer Hintermänner ist deutlich erkennbar eine Doppelstrategie: Sie nagen am positiven Image der Linkspartei und sie versuchen, die innerparteiliche Willensbildung zu beeinflussen.
Der Partei Die Linke ist zu raten, an dem Kurs festzuhalten, der ihr bisher Erfolge beschert hat und der im Wesentlichen auf das vom Spiegel stets getadelte „Fundi-Lager“ um Oskar Lafontaine zurückgeht. Nur so erklärt sich der Einzug der Partei die Linke in sieben westdeutsche Landtage und das hervorragende Bundestagswahlergebnis von 11,9 Prozent. Der in dem Spiegel Artikel an die Wand gemalte Zerfall der Linken in ihre Ursprungsbestandteile PDS und WASG müsste auch daran scheitern, dass sich die ostdeutsche Linke an den letzten Bundestagswahlkampf der PDS unter der Regie Dietmar Bartschs erinnert. Die PDS landete bei vier Prozent. Und dahin will im Osten, auch wenn der Spiegel das gerne sähe, wirklich niemand mehr zurück.
Es gibt innerhalb der Linken die beruhigende Vorstellung, trotz der immer wiederkehrenden hämischen Angriffe des Spiegel auf Klaus Ernst wachse in der Partei die Zustimmung zu dem IG-Metaller und WASG-Gründer. Das scheint mir ziemlich optimistisch zu sein. Jedenfalls wird es der aufklärenden Gegenkampagne zum Spiegel und seiner Gefolgsleute in den Medien und innerhalb der Linkspartei bedürfen. Man tut gut daran, die Kampagne des Spiegel und seiner Kombattanten ernst zu nehmen.
Mir scheint innerhalb der Linken nämlich jetzt eine Konstellation vorzuliegen, die ich als Sozialdemokrat und als Wahlkampfplaner der SPD mehrmals erlebt habe: Den Rechten innerhalb dieser Parteien, heute nennt man sie Realos bei der Linken, sind die Wahlergebnisse schnurzegal, solange sie innerparteilich nicht die totale Macht haben. Das war so bei der SPD zu Willy Brandts Zeiten. Man hat ihn innerparteilich ohne Rücksicht auf Verluste beim Wähleransehen und bei Wahlen attackiert. Heute haben die Seeheimer und die Netzwerker dort das Sagen, aber die Macht ist weg und auch keine Perspektive da.

Anlage
Auswahl von Medien zum Thema:

  1. News-Ticker Bild
    Sonntag, 19. Dezember 2010, 19:58 Uhr
    Linke: Bündnis gegen Ernst geplant?
    Berlin – In der Bundestagsfraktion der Linken formiert sich offenbar Widerstand gegen Parteichef Klaus Ernst. Mehrere Abgeordnete überwiegend aus dem Osten wollen sich zusammenschließen, um künftig gegen den fundamentalistischen Teil der Partei besser aufgestellt zu sein. Das berichtet der „Tagesspiegel”. In Fraktionskreisen wurde dem Blatt bestätigt, dass für den 11. Januar die Gründungsversammlung für ein Bündnis geplant ist, das als „Landesgruppe Ost” oder „Gruppe Vernunft” auftreten wolle. Linken-Schatzmeister Raju Sharma, Abgeordneter aus Schleswig-Holstein, klagte, eine große Gruppe des linken Parteiflügels würde in der Fraktion oft „gnadenlos” Entscheidungen durchziehen. (…)
    Quelle: BILD.de
  2. Die Welt.Online 21.12.2010
    Die Linke steht vor harten Zeiten

    Berlin – Der Linken droht eine Zerreißprobe. Die Kritik an dem Vorsitzenden Klaus Ernst wird immer lauter. Vielen Mitgliedern ist er zu selbstherrlich. Es heißt sogar, er mache die Debatte über das zukünftige Parteiprogramm zu einer Farce. Ostdeutsche Mitglieder wollen deshalb schon Anfang Januar eine Landesgruppe Ost gründen, hatte der “Spiegel” berichtet. Das würde in dieser angespannten Situation praktisch zu einer Spaltung der Partei führen. (…)
    Quelle: WELT Online
  3. Stern 21.12.2010
    “Landesgruppe Ost”: Gysi: Bildung einer Anti-Ernst-Gruppe ist “Blödsinn”

    Nicht nur bei den Liberalen häufen sich die Ablösegerüchte um ihren Parteichef, auch die Linke führt derzeit eine heftige Personaldebatte. Fraktionschef Gregor Gysi tat die Gründungsgerüchte über eine neue Gruppe von Ernst-Gegnern derweil als “Blödsinn” ab.
    Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, rechnet nicht mit der Gründung einer gegen Parteichef Klaus Ernst gerichteten neuen Gruppe von Bundestagsabgeordneten. In einem dapd-Interview nannte er entsprechende Meldungen am Montag “Blödsinn”. “Weder glaube ich daran, dass eine solche Gruppe gebildet wird, noch, dass sie nötig wäre”. Die Co-Parteichefin Gesine Lötzsch reagierte gelassen: Es gebe es bereits “so allerlei Gruppen”. Es sei für sie eher eine Überraschung, dass es eine “Landesgruppe Ost” noch nicht gebe. Sie sehe das nicht als Spaltung. (…)
    Quelle: STERN
  4. Frankfurter Rundschau – Politik – 20 | 12 | 2010
    Die Linke
    Ernst unter Beschuss

    Von Holger Schmale
    Kurz vor Weihnachten droht es noch einmal recht unfriedlich zu werden in der Partei Die Linke. Der Grund ist die wachsende Unzufriedenheit mit der Arbeit der Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, wobei vor allem der aus dem Westen stammende Ernst den Unmut vieler aktiver Genossen im Osten auf sich zieht. Der Generalvorwurf lautet, dass die Vorsitzenden zu wenig tun, um die Linke ins öffentliche Gespräch zu bringen. Sinkende Mitglieder- und Umfragezahlen tun ein Übriges.
    Stein des Anstoßes war nun eine von Ernst möglicherweise scherzhaft gemeinte, von anderen aber als sehr schwerwiegend verstandene Äußerung des Vorsitzenden über eine Satzungsänderung der Saar-Linken. Dort können Genossen wegen parteischädigenden Verhaltens belangt werden, die „vertrauliche Parteivorgänge“ an die Öffentlichkeit bringen, ein in der Linken durchaus weit verbreitetes Verhalten. Ernst soll nun gesagt haben, das könne er sich auch für die Bundespartei vorstellen.
    Der Vorsitzende wies das gestern scharf zurück. „Das ist Unfug“, sagte er der Frankfurter Rundschau. „Ich empfehle den Parteifreunden lieber Wahlkampf zu machen, als sich in den Medien mit innerparteilichen Debatten zu profilieren.“
    Flügelübergreifend war gestern Widerstand gegen angebliche Pläne zu vernehmen, in der Bundestagsfraktion eine „Landesgruppe Ost“ nach dem Vorbild der CSU einzurichten. Nach Zeitungsberichten vom Wochenende war die Gründungsversammlung für den 11. Januar geplant. Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, nannte das Vorhaben „Blödsinn“. „Weder glaube ich daran, dass eine solche Gruppe gebildet wird, noch, dass sie nötig wäre“. (…)
    Quelle: FR
  5. FR 22.12.2010

    AM vorweg: Interessant, wie sich die FR als Stichwortgeber mit einspannen lässt. Den Journalisten Holger Schmale muss man sich merken. Der Typus von PR-Journalist. Gleich mit dem „richtigen“ Stichwort: „Stalinistische“ Linke

    Dietmar Bartsch im Interview
    „Wir haben kulturelle Probleme“
    Will keine stalinistische Linke: Dietmar Bartsch.

    Herr Bartsch, was meinen Sie: War dieses Jahr für die Linke ein gutes oder ein bitteres Jahr, wie der Vorsitzende Klaus Ernst es genannt hat?

    Es war mit Sicherheit nicht so gut wie 2009, mit 11,9 Prozent bei der Bundestagswahl, einer weiteren Regierungsbeteiligung in Brandenburg und Riesenwahlerfolgen in Thüringen und im Saarland. Da war 2010 schwieriger. Wir hatten den Erfolg bei der Landtagswahl in NRW, aber es war ein Jahr mit Schwierigkeiten.

    Wo denn?

    Da es nur diese eine Wahl gab, wäre es nötig gewesen, die inhaltliche Profilierung, die strategische Orientierung voranzubringen und den Aufbau der Partei zu stärken. Da hätten wir mehr leisten müssen. Die Partei ist auch nicht so aktionsfähig, wie sie sein müsste. Aber: Die Linke ist erst drei Jahre alt, da gibt es noch manche Kinderkrankheit.

    Die innerparteilichen Kämpfe nehmen gerade wieder zu …

    Es ist offensichtlich so, dass wir kulturelle Probleme haben. Man sieht das auch an solchen Dingen wie der Satzungsänderung im Saarland, wo ich klar sage: Das kann nicht in die Satzung der Bundespartei kommen. Das wäre eine andere Partei als die, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben. (…)
    Quelle: FR

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