RT DE: Von YouTube gelöscht – jetzt über Satellit

RT DE: Von YouTube gelöscht – jetzt über Satellit

RT DE: Von YouTube gelöscht – jetzt über Satellit

Ulrich Heyden
Ein Artikel von Ulrich Heyden

RT DE – früher RT deutsch – will ab dem 16. Dezember über einen Satelliten ein Fernsehprogramm in deutscher Sprache ausstrahlen. Der Weg zum RT-DE-Fernsehen war lang und steinig. Seit dem Start des vom russischen Staat finanzierten Internetportals RT deutsch in Berlin-Adlershof 2014 laufen in den großen deutschen Medien immer neue Kampagnen gegen den russischen Konkurrenten, der sich erfolgreich im deutschen Medienmarkt behauptet. YouTube löschte den Kanal von RT DE und die deutschen Behörden verweigerten eine Sendelizenz. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was RT DE bringt, aber für mich ist offensichtlich, dass es den Prinzipien von Demokratie und Meinungsfreiheit widerspricht, den von Moskau finanzierten Sender aus der deutschen Gesellschaft auszuschließen. Eine Analyse von Ulrich Heyden, Moskau.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

2014 nahm im Berliner Osten, im Stadtteil Adlershof, ein Team von Russen und Deutschen die Arbeit auf. Es ging darum, ein Internetportal mit Texten und Videos in deutscher Sprache auf die Beine zu stellen. Finanziert wurde das Projekt von dem 2004 gegründeten staatlichen russischen Fernseh-Unternehmen Russia Today, das damals bereits auf Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch und Russisch sendete.

In Berlin-Adlershof musste man bei Null anfangen. Eine Video-Plattform, auf der die russische Sicht auf die Welt in deutscher Sprache verbreitet wird, hatte es in Deutschland bis dahin nicht gegeben.

Themen, über die das deutsche Fernsehen nicht berichtete

RT DE wurde schnell bekannt, denn es präsentierte andere Sichtweisen auf die Ukraine-Krise und den Krieg im Donbass, der damals die Menschen in Deutschland beunruhigte. Ein Krieg zwischen der Nato und Russland schien damals möglich.

Die deutschen Mainstream-Medien behaupteten 2014, Russland und Putin seien am Krieg im Donbass schuld. Doch diese Behauptung stieß in großen Teilen der Bevölkerung auf Widerspruch. Es entstanden neben RT deutsch – wie es damals hieß – zahlreiche alternative Internetportale, welche den Westen – und insbesondere die USA – für den Staatsstreich und den Krieg in der Ukraine verantwortlich machten.

Die deutschen Medien kamen ihrem Informationsauftrag immer weniger nach. Die letzten Vor-Ort-Berichte aus den „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk gab es 2015. Seitdem berichten viele deutsche Mainstream-Medien aus dem Donbass – bis auf ein, zwei Ausnahmen – nur noch von ihren Redaktionsstuben in Deutschland. Die entstandene Lücke füllte RT DE mit Reportagen von vor Ort.

Ab 2014 begannen die großen deutschen Medien alternative Positionen und Sichtweisen zum Konflikt zwischen den Nato-Staaten und Russland aus ihren Sendungen zu streichen. Russland wurde zunehmend dämonisiert und auf die Personen Putin und Navalny reduziert.

RT DE war die einzige Video-Plattform mit großer Reichweite, in der Kritiker der Nato-Osterweiterung aus allen Teilen der deutschen Gesellschaft zu Wort kamen und die These von der Maidan-Revolution, die angeblich den Willen der Mehrheit des ukrainischen Volkes ausdrückt, hinterfragt wurde.

Das Russland-Bild des Mainstreams: Einseitig und monoton

RT deutsch füllte dadurch eine entstandene Lücke in der Berichterstattung. Die Nachfrage nach alternativen Sichtweisen war groß. Je eintöniger die Berichterstattung über den „autoritären“ russischen Präsidenten, den Freiheitshelden Navalny, das angebliche Nowitschok-Opfer Skripal und die angeblichen Giftgasattacken von Assad in Syrien wurde, desto mehr verlangte der interessierte deutsche Bürger Informationen von der anderen Seite. Der Kanal RT deutsch wurde zu einem der populärsten deutschen Video-Kanäle. Im Bereich News und Politik lag RT DE im August 2021 bei Nachrichtenkanälen auf Platz 5 der Videoaufrufe.

RT deutsch wird hochprofessionell gemacht. Ein breites Spektrum von Meinungen in Deutschland kam zu Wort, vom Leiter der Polizeigewerkschaft, einem deutschen General, einem ehemaligen deutschen Botschafter in Moskau bis hin zu Politikern der Partei Die LINKE und der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland.

Fernsehkanal war schon 2014 geplant

Bereits seit seiner Gründung bemüht sich RT DE um eine Sendelizenz für einen Fernsehsender in Deutschland. In dem Berliner Stadtteil Adlershof mietete RT deshalb bereits 2014 große Räumlichkeiten an.

Doch erst am 16. Dezember 2021, also nach sieben Jahren, startet das Projekt – weil keine Sende-Lizenzen erteilt wurden, via Satellit. In den letzten Monaten wurde das Personal deshalb aufgestockt. Über Stellenanzeigen wurden Mitarbeiter für den Fernsehsender gesucht.

Auf dem Weg in die Fernseh-Welt mussten zahlreiche Hürden überwunden werden. RT DE hat mächtige Gegner in der deutschen Politik, den Geheimdiensten und den großen deutschen Medien.

Am 28. September 2021 wurde der RT-DE-Video-Kanal ohne Vorwarnung von YouTube gelöscht. Der Kanal hatte zu diesem Zeitpunkt 614.000 Abonnenten und mehr als 547 Millionen Zugriffe.

Medien-Kampagnen gegen RT DE

Seit dem Bestehen von RT deutsch gibt es in den deutschen Medien eine massive Kampagne gegen das aus Moskau finanzierte Portal. Bei den deutschen Mainstream-Medien gehört es zum guten Ton, sich von RT DE und Putin in ironischem, gehässigem oder auch aggressivem Ton zu distanzieren. Der Vorwurf lautet: RT DE will Deutschland destabilisieren, Misstrauen säen und Widersprüche zuspitzen, indem es deutschen Rechtspopulisten, Esoterikern, Faschisten und Corona-Leugnern eine Plattform bietet.

Der angebliche Beweis: RT deutsch veröffentlicht Streams, auf denen Demonstrationen von Migrations- und Impf-Gegnern in Deutschland und Gelb-Westen in Frankreich zu sehen sind.

Die Kampagne gegen RT DE war teilweise erfolgreich. Wer in Deutschland Beiträge von RT DE auf Facebook oder Twitter verlinkt, braucht Mut, zumindest aber ein dickes Fell. Denn Vorwürfe und Gehässigkeiten kommen garantiert.

Das Weltbild vieler Mainstream-Redaktionen ist meiner Meinung nach schlicht und einfach undemokratisch. RT DE wird das Recht abgesprochen, scharfen Kritikern der deutschen Politik eine Bühne zu geben. Gleichzeitig nehmen die deutschen Mainstream-Medien wie selbstverständlich das Recht für sich in Anspruch, regelmäßig scharfe Putin-Kritiker aus dem Lager der russischen Liberalen zu zitieren und vor die Kamera zu holen. Der Verweis auf die staatliche Finanzierung von RT kann hier nur begrenzt als Argument wirken.

Im Herbst dieses Jahres kam in deutschen Mainstream-Medien sogar die Behauptung auf, RT DE versuche, die Bundestagswahlen zu beeinflussen. Es wurde jedoch kein einziger Beweis geliefert.

An der Kampagne gegen RT DE beteiligten sich zuletzt das US-amerikanische Nachrichtenunternehmen Politico, das Ende September 2021 vom deutschen Springer-Konzern gekauft wurde, das Portal medium.com, das transatlantische Bündnis Alliance for Securing Democracy und die Schweizer Tageszeitung NZZ.

Der Vorwurf: „Befehle aus dem Kreml“

RT DE wurde von den deutschen Mainstream-Medien dämonisiert. Es wurde so getan, als ob in Berlin-Adlershof irgendwelche geheimen Dinge passieren und sich der RT-Chefredakteur täglich per Telefon seine Instruktionen aus dem Kreml holt. RT-DE-Aussteiger, die den Sender später kritisierten, oder Journalisten, die sich in den Sender eingeschmuggelt hatten, in der Hoffnung, später sensationelle Enthüllungen an die Öffentlichkeit zu bringen, waren gern gesehene Gäste im deutschen Fernsehen und bei der „Bild“-Zeitung.

Chef des deutschen Journalisten-Verbandes: „Das ist kein Journalismus“

Seit langem behaupten die deutschen Mainstream-Medien, dass das, was RT DE macht, „kein Journalismus“ ist. Das Stichwort für diesen harten Vorwurf lieferte ausgerechnet der Vorsitzende der Deutschen Journalisten-Verbandes, DJV, Frank Überall. Im Januar 2019 forderte er die Landesmedienanstalten auf, dem Kanal Russia Today keine Rundfunklizenz zu erteilen, da RT „kein Informationsmedium, sondern ein Propagandainstrument des Kreml“ sei.

Merkwürdig nur: Die Mainstream-Journalisten und Politiker großer Parteien weigern sich strikt, sich mit den Texten und Videos auf RT DE inhaltlich auseinanderzusetzen. Mit der Bemerkung, „das ist doch Putin“ und „kein Journalismus“, hat die deutsche Intelligenz zum Thema RT alles gesagt. Über schlimme Entgleisungen der Sensationspresse in Deutschland – ich meine insbesondere die Bild-Zeitung – schweigt man derweilen.

Große Schadenfreude

Erstaunlich auch: Auf der einen Seite tut der Mainstream so, als ob es RT DE als journalistisches Produkt nicht gibt. Auf der anderen Seite werden alle Aktivitäten von RT argwöhnisch beobachtet. Und immer, wenn bei RT mal etwas nicht klappt, wird lauthals Schadenfreude geäußert.

Einen Tag nach der Bundestagswahl, bei der die Partei „Die LINKE“ Stimmen verlor und deshalb im Bundestag nun mit weniger Abgeordneten vertreten ist, twitterte die Russland-Expertin des Berliner Tagesspiegel, Claudia von Salzen, voller Freude, „Alexander Neu (von der Partei Die LINKE, U.H.) gehört dem nächsten Bundestag nicht mehr an. RT deutsch muss sich wohl einen neuen Experten suchen.“

Die „Unabhängigkeit“ des öffentlich-rechtlichen TV

Hämisch waren auch die Reaktionen großer deutscher Medien, als alle Versuche von RT DE, in Deutschland oder Luxemburg eine Sendelizenz zu bekommen, scheiterten.

Begründet wurde das damit, dass RT deutsch nicht unabhängig vom russischen Staat ist. Es wurde argumentiert, dass die deutschen Fernsehsender unabhängig vom Staat sind. Dabei decken sich in Deutschland die im Fernsehen verbreiteten Meinungen sehr oft mit den Meinungen der Regierung. Die „Unabhängigkeit“ des Mainstream-Fernsehens in Deutschland erschöpft sich darin, dass die Kosten für das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen über Gebühren vom Fernsehzuschauer eingezogen werden.

YouTube löscht Kanal von RT DE

RT DE scheiterte nicht nur bei den Sendelizenzen. Auch mit YouTube gab es Probleme. Am 21. September 2021, unmittelbar vor der Bundestagswahl, bekam RT DE einen sogenannten Strike von YouTube, so dass eine Woche lang keine Videos hochgeladen werden konnten. Ein Sprecher von YouTube erklärte, „RT DE wurde eine Verwarnung für das Hochladen von Inhalten ausgesprochen, die gegen unsere COVID-19-Richtlinie über medizinische Falschinformationen verstoßen.“

Am 28. September 2021 kam der zweite Schlag. Ohne Vorwarnung wurden die Kanäle RT DE und „Der fehlende Part“ wegen angeblich „schwerer oder wiederholter“ Verstöße gegen die Gemeinschaftsrichtlinien gelöscht.

Die RT-Chefin Margarita Simonjan war nicht überrascht über die Löschung, denn es hatte bereits zahlreiche Maßnahmen gegen RT DE gegeben. Ende Februar 2021 hatte die Commerzbank erklärt, man werde die Konten von RT deutsch Ende Mai schließen. Ein Sprecher der Bundesregierung bestritt, dass die deutsche Regierung etwas mit der Konten-Kündigung zu tun habe.

Simonjan erklärte, Deutschland habe Russland den „medialen Krieg“ erklärt. Die Löschung von RT deutsch sei „eine zu erwartende Geschichte, weil kein normaler Mensch an Redefreiheit in diesen wunderbaren Ländern glaubt. Die Frage bleibt offen, wie Russland darauf reagieren wird. Wir warten auf eine Reaktion.“

Die RT-Chefin äußerte die Erwartung, dass Moskau mit Konsequenzen gegen die Deutsche Welle sowie die Büros von ARD und ZDF in Moskau reagieren wird. Doch die deutschen Fernseh-Studios in Moskau arbeiten weiter. Der russische Präsident erklärte auf dem Waldai-Forum, mit Gegenmaßnahmen müsse man „vorsichtig sein“.

Die eiskalte Ironie des “Spiegel“

Den Vorwurf, Deutschland führe einen „Medienkrieg“ gegen Russland, wollte „Der Spiegel“ so nicht stehenlassen. Der Moskauer Spiegel-Korrespondent, Christian Esch, schrieb in eiskalter Ironie, „Deutschland hat in dieser Woche mal wieder Russland mit einem Krieg überzogen.“ Dass Krieg auch um das Denken in den Köpfen geführt wird, davon will Herr Esch nichts wissen. So weicht er aus und schreibt sinngemäß, „es ist ja noch niemand in Russland gestorben“.

Die Behauptung des russischen Außenministeriums, die Bundesregierung unterstütze die Löschung von RT DE „schweigend“, sei – so Esch – „nicht belegt“. Und die Forderung von Simonjan, deutsche Medien in Moskau für die RT-Löschung in Deutschland zu bestrafen, findet er ungerecht, denn die Entscheidung des Google-Unternehmens YouTube gegen RT habe „nichts“ mit Deutschland zu tun.

Merkwürdig: Der Spiegel-Korrespondent verliert kein Wort darüber, dass der Privatkonzern Google entscheidet, was deutsche Mediennutzer bei YouTube sehen dürfen und was nicht. Eine Gefahr für die Pressefreiheit sieht „Der Spiegel“ in der Macht von Google nicht. Kann „Der Spiegel“ so ein Wächter der Demokratie sein?

„Tagesschau“: RT DE ist in Sachen Corona „Stichwortgeber“

Auch die „Tagesschau“ hat nichts an der Löschung des RT-DE-Kanals durch YouTube zu beanstanden. Patrick Gensing von der Redaktion der „Tagesschau“ behauptet in einem Artikel mit der Überschrift „Ein Virus des Misstrauens“, RT DE sei „einer der wichtigsten Stichwortgeber für Corona-Leugner und Impfgegner“. RT-Videos „enthielten oft irreführende oder falsche Behauptungen über Covid-19, meistens in Form von Aussagen zweifelhafter „Fachleute, die nicht überprüft oder eingeordnet wurden.“

Dieser Vorwurf entspricht nicht den Tatsachen. Bei RT DE kommen Immunologen, Ärzte und Aktivisten zu Wort. Die Stichworte kommen also nicht von RT DE, sondern von Deutschen, welche die Corona-Maßnahmen anzweifeln und kritisieren.

Die Rede vom russischen „Unterwanderer“ und „Störer“ hat Tradition

Wenn behauptet wird, RT DE sei ein „Stichwortgeber“, wird unterstellt, dass die Kritik an den Corona-Maßnahmen in Deutschland etwas von außen nach Deutschland Eingeschlepptes ist. Die Überschrift des Tagesschau-Artikels lautet: „Ein Virus des Misstrauens“ Aber wie kann man als Journalist in einer Demokratie das Wort „Misstrauen“ mit einem „Virus“ gleichsetzen?

Ist Misstrauen in einer Demokratie nicht ein geschütztes Verhalten? Macht es sich die „Tagesschau“ nicht sehr einfach, wenn sie „Misstrauen“ als etwas von außen Eingeschlepptes brandmarkt?

Warum verfangen solche Vorwürfe gegen Andersdenkende? Weil es vor allem in Westdeutschland eine lange Tradition von Russenfeindlichkeit und Antikommunismus gibt. Man kann sich noch erinnern: 1956 wurde die KPD vom Bundesverfassungsgericht verboten. Und in den 1970er Jahren hatten über 3.000 Lehrer und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ihren Arbeitsplatz verloren oder waren einem Disziplinarverfahren ausgesetzt, weil sie Mitglieder kommunistischer Parteien waren.

Man darf gespannt sein, wie die Mainstream-Medien auf den Fernsehstart von RT DE reagieren.


Dieser Text ist eine überarbeitete Fassung eines Vortrags, den der Autor am 14. Dezember im Rahmen einer Videokonferenz der Universität Woronschen (Russland) in englischer Sprache gehalten hat.


Titelbild: Von fifg / shutterstock.com

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