Ökofonds – notwendiger Klimaschutz oder Akt kollektiver Selbsttäuschung?

Ökofonds – notwendiger Klimaschutz oder Akt kollektiver Selbsttäuschung?

Ökofonds – notwendiger Klimaschutz oder Akt kollektiver Selbsttäuschung?

Ein Artikel von Thomas Trares

Das Geschäft mit nachhaltigen Finanzen brummt. Das verwaltete Vermögen von Fonds mit europäischem Ökolabel überschritt im Oktober erstmals die Marke von einer Billion Euro. Rund ein Fünftel des gesamten deutschen Fondsvermögens entfällt inzwischen auf nachhaltige Produkte. Doch die schöne neue grüne Finanzwelt bekommt erste Kratzer. Greenwashing-Vorwürfe kommen aus der Finanzbranche selbst und nun auch von der unabhängigen Bürgerbewegung Finanzwende. Von Thomas Trares

Letztere hat zusammen mit dem Analyseunternehmen Morningstar über 300 in Deutschland angebotene grüne Fonds unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die Verteilung der angelegten Gelder zwischen nachhaltigen und konventionellen Fonds unterscheidet sich kaum. Oftmals werden weder besonders problematische Unternehmen noch schädliche Sektoren ausgeschlossen. Auch ein Schwerpunkt auf klar zukunftsträchtige Investments ist nicht erkennbar. Das Fazit der Studie: Nachhaltige Geldanlagen tragen in vielen Fällen nicht zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise bei. Ohne klare Vorgaben des Gesetzgebers bleibt Nachhaltigkeit oft nur ein Werbeversprechen.

Das Ergebnis deckt sich weitgehend mit den Schilderungen zweier Brancheninsider, die zuletzt für Schlagzeilen sorgten. Einer davon ist Desirée Fixler, ehemalige Nachhaltigkeitschefin bei der Deutschen-Bank-Tochter DWS, der nach Allianz Global Investors zweitgrößten deutschen Vermögensverwalterin. Ein halbes Jahr lang hat Fixler das Ressort geleitet, im März dieses Jahres wurde sie gefeuert. Nun wirft Fixler ihrem früheren Arbeitgeber vor, die Anleger zu täuschen. „Es ist schrecklich, wenn Führungskräfte dieses Thema als Marketinginstrument missbrauchen“, sagte sie.

Insider packen aus

Konkret geht es um Anlageprodukte mit dem Kürzel ESG, das sich an den Märkten inzwischen als der Nachhaltigkeitsstandard etabliert hat. ESG steht für Environment, Social und Governance, also für Ökologie, Soziales und (gute) Führung. In ihrem Jahresabschluss 2020 schreibt die DWS, dass mehr als die Hälfte des verwalteten Vermögens, nämlich 459 Milliarden Euro, in Portfolien „mit ESG Integrationsansatz“ stecken würden. In einer internen Bestandsaufnahme vom Februar 2021 war aber anderes zu lesen: „Nur ein kleiner Teil der Investmentplattform wendet die ESG-Integration an“, hieß es dort. Fixlers Enthüllungen haben hohe Wellen geschlagen. Anfang August griff die US-Finanzzeitung „Wall Street Journal“ den Fall auf. Nun droht der DWS Ärger mit der US-Justiz.

Ein weiterer Insiderbericht kommt von dem Kanadier Tariq Fancy. Er war von Januar 2018 bis September 2019 Chefanlagestratege für nachhaltige Investments bei Blackrock, dem mit rund neun Billionen Dollar verwaltetem Vermögen größten Vermögensverwalter der Welt. Ende August stellte Fancy sein Essay „Das geheime Tagebuch eines nachhaltigen Investors“ ins Internet. Darin bezeichnete er nachhaltige Investments als „gefährliches Placebo“. Das Pamphlet schlug ebenfalls hohe Wellen. Pikant dabei: Fancys früherer Chef ist kein Geringerer als Blackrock-Gründer Larry Fink, der sich inzwischen gern als Klimaretter inszeniert und seinen jährlichen Brief an die CEOs dazu nutzt, den Firmenchefs dieser Welt ins „grüne Gewissen“ zu reden.

Was taugen die grünen Investments wirklich?

All diese Fälle werfen Fragen auf: Sind grüne Investments tatsächlich ein Gewinn für die Umwelt, wie die Finanzbranche unterstellt, oder doch nur ein Marketinginstrument, wie die Kritiker behaupten? Klar ist: Angesichts des Megatrends Nachhaltigkeit kann sich die Finanzbranche eine Verweigerungshaltung wie vor 20, 30 Jahren, als man Umweltschutz noch als „Jobkiller“ bezeichnete, gar nicht mehr leisten. Heute präsentiert sie sich viel lieber als Teil der Lösung. Auf der Homepage der DWS heißt es beispielsweise: „Anleger spielen im Kampf gegen den Klimawandel wie auch im Hinblick auf grundlegende ökologische und soziale Fragen in Zukunft eine wichtige Rolle.“

Kritiker indes sagen, dass sich das Geschäft vor allem für die Fonds selbst lohnt, weil sie für nachhaltige Investments höhere Gebühren kassieren können. Die britische Ökonomin und frühere Labour-Beraterin Daniela Gabor sprach bereits vor zwei Jahren von einem „Wall Street Climate Consensus“, der letztlich nichts anderes bedeutet, als dass die Wall Street einen Weg gefunden hat, wie sie mit dem Klimawandel Geld verdienen kann. Die entscheidende Stellschraube dafür seien die ESG-Kriterien. Hier könne die Finanzbranche selbst definieren, was nachhaltig ist und was nicht.

„Nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit“

Doch sind es tatsächlich nur Kapital- und Machtinteressen, die einer nachhaltigeren Finanzwelt bzw. einer sozial-ökologischen Transformation der Wirtschaft im Wege stehen? Oder handelt es sich bei all dem grünen Finanzzinnober nicht doch eher um einen Akt kollektiver Selbsttäuschung, bei dem sich gerade die umweltbewussten Anleger besonders bereitwillig täuschen lassen? Letzteres zumindest unterstellt der Wiener Soziologe Ingolfur Blühdorn. Dieser hat bei dem Thema Nachhaltigkeit eine Art stillschweigende Übereinkunft, ja eine Art Komplizenschaft zwischen Unternehmen, Verbrauchern und Politik ausgemacht. Demnach würden Umwelt- und Klimaschutz von allen Beteiligten so lange geduldet oder gar propagiert, so lange sie Wohlstand und Lebensstil nicht bedrohen.

Blühdorn zufolge hat sich die klimapolitische Debatte in einer Art Endlosschleife verfangen. Seit Jahren, ja seit Jahrzehnten würden immer die gleichen Forderungen und Warnungen ausgesprochen, ohne dass sich grundlegend etwas geändert hat. Was der SPD-Politiker Erhard Eppler 1975 in seinem Buch „Wende oder Ende“ beschrieb, wiederhole exakt 45 Jahre später die Ökonomin Maja Göpel in ihrem Bestseller „Unsere Welt neu denken“. Der Tenor sei immer derselbe: „Ja, es ist fünf vor Zwölf. Aber wenn wir jetzt handeln, ist es noch nicht zu spät. Und zum Glück nehmen Umweltbewusstsein und Handlungsbereitschaft der Bürger ja jetzt zu.“ Ungeachtet dessen setzt sich die Umweltzerstörung immer weiter fort. Der Ausstoß von Treibhausgasen liegt heute 60 Prozent höher als zu Zeiten des Mauerfalls. Blühdorn bezeichnet all dies als „nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit“.

Das Grünen-Paradoxon

Dass es sich bei dieser „nachhaltigen Nicht-Nachhaltigkeit“ um einen erstaunlich stabilen Zustand handelt, führt Blühdorn darauf zurück, dass er von allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen mitgetragen wird, selbst die NGOs sind Teil des Spiels. So lässt sich denn wohl auch das Paradoxon leichter verstehen, dass die meisten Vielflieger ausgerechnet unter den Anhängern von Bündnis90/Die Grünen zu finden sind. Dies zumindest hatte 2014 eine Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) ergeben. Besonders kurios: Unter den Befragten, die noch nie in ihrem Leben geflogen waren, befanden sich Wähler aller Parteien, nur nicht von den Grünen.

Titelbild: sarayut_sy /shutterstock.com

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