Video: Wie man Journalisten auf Linie bringt

Video: Wie man Journalisten auf Linie bringt

Video: Wie man Journalisten auf Linie bringt

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Medienkonzerne, die intern Regierungstreue von den Journalisten einfordern – und Journalisten, die solchen internen Leitlinien teilweise Folge leisten: In einem Video bestätigt der Chef eines großen Medienunternehmens Vorgänge, die bisher als „Verschwörungstheorie“ abgetan wurden. Medienkritiker werden nicht überrascht sein, aber die im Video dokumentierte Unverfrorenheit kann Wirkung entfalten. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Chef des Medienkonzerns Ringier, Marc Walder, macht in einem kürzlich aufgetauchten Video entlarvende Aussagen zum Verhältnis von Konzern und Regierung. Er gibt darin vor allem zwei Sichtweisen Nahrung, die beide bisher als „Verschwörungstheorie“ abgetan wurden. Zum einen: Der in der Schweiz ansässige Ringier-Konzern mit seinen über 6000 Mitarbeitern in mehreren Ländern hat sich entschieden, die Corona-Politik der Regierung aktiv zu unterstützen, anstatt sie distanziert und kritisch zu begleiten. Das wurde von „ganz oben“ intern verfügt. Zum anderen: Offenbar werden solche internen Losungen der Konzernführung von den Redaktionen auch weitgehend befolgt – zumindest kann die jüngere Berichterstattung von Ringier-Medien diesen Eindruck vermitteln.

Prinzipienlosigkeit als Leitlinie

Das journalistische Prinzip der Distanz wurde also von der Konzernführung bewusst begraben – und diese Prinzipienlosigkeit wurde dann (offensichtlich erfolgreich) als interne Linie festgelegt. Solche Vorgänge sollten auch Anhänger der Corona-Politik beunruhigen, weil es hier um Grundsätze geht und der Vorgang darum über konkrete politische Inhalte hinausgeht.

Andererseits sind die Erkenntnisse aus dem Video für kritische Medienbeobachter nicht überraschend. Bereits lange vor Corona fragten sich skeptische Bürger, wie gleichförmige Presseberichte in zahlreichen Medien entstehen – etwa zum „War on Terror“, zum Maidan, zur Dämonisierung Russlands, zur Weißwaschung der USA, zu Steuern, Renten, sozialen Fragen, zum Wirtschaftssystem, zu Privatisierungen, Aufrüstung und vielen anderen Themen.

Aber selten wird eine Praxis der vorgegebenen inhaltlichen Linien so unverblümt, „offiziell“ und von einem Eingeweihten ausgesprochen und auf Video aufgezeichnet: Das Video und die dort wiedergegebene Deutlichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der die eigentlich ungeheuerlichen Aussagen getätigt werden, können Wirkung entfalten:

Interne Leitlinien streitet die Ringier-Konzernführung dennoch ab. Auf die Frage, ob inhaltliche Vorgaben des Verlags für die Redaktionen bei Ringier üblich seien, hieß es von dort laut Medien:

„Die Redaktionen und Mitglieder der Konzernleitung (…) tauschen sich konstant aus. Die Verantwortung und Hoheit der publizistischen Berichterstattung liegt stets bei den Redaktionen.“

Komplizenschaft zwischen Staats- und Medienmacht

Zuerst berichtet hatte vor einigen Tagen das Schweizer Medium „Nebelspalter“ über das Video, das bereits einige Monate alt ist und eigentlich nicht zur Veröffentlichung bestimmt war. Das Medium spricht angesichts der Aufnahmen von „unverfrorener Komplizenschaft zwischen Staats- und Medienmacht“. Diese Komplizenschaft erkläre, warum die Zeitungen der Ringier-Gruppe, darunter das „Bild“-Pendant „Blick“, immer so gut über Pläne der Regierung informiert gewesen seien und sie die Regierungspolitik immer so freundlich begleitet und kommentiert hätten.

Weitere Berichte gab es unter anderem bei Norbert Häring. Häring zitiert auch ein aktuelles NZZ-Interview mit Ringier-Chef Marc Walder zu dem Vorgang. Darin entschuldigt sich Walder für seine Bemerkungen über die „Bild“-Zeitung, deren damaliger Chefredakteur Julian Reichelt inzwischen geschasst worden ist.

So beklagt Walder im Video etwa die „unglaubliche Härte“ der „Bild“ gegenüber der deutschen Regierung. Mit dieser „Härte“ aus dem Hause Springer war es mit Julian Reichelts Abgang jedoch weitgehend vorbei – dem Rest der etablierten deutschen Medienlandschaft konnte man eine solche Haltung ohnehin zu keinem Zeitpunkt der Corona-Phase unterstellen. Im Gegenteil: Fast alle Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der großen Privatmedien haben die destruktive, nicht angemessene und nicht evidenzbasierte Corona-Politik in Deutschland unterstützt oder sogar noch härtere Maßnahmen verlangt.

„Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung“

Weist man auf solche medialen Gleichförmigkeiten hin, wird oft entgegnet, eine gezielte „Gleichschaltung“ der Journalisten sei ja in der Praxis gar nicht möglich. Aber zum einen beweist die Medien-Realität bei Corona und bei den oben aufgezählten Themen, dass die Gleichförmigkeit sehr wohl existiert und tagtäglich stattfindet. Wie das (zumindest beim Medienkonzern Ringier) praktisch zustande kommen kann, dazu geben Aussagen Walders in dem diskutierten Video Einblick:

„Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‚Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.‘“

Walder nennt als ein Beispiel die Blick-Gruppe: „Auch die Blick-Gruppe, die jetzt in der Schweiz sehr prägend ist in der Covid-Berichterstattung, könnte deutlich härter (…) sein.“ Aber, so Walder: „Das (die harte Kritik, Red.) nützt im Moment niemandem etwas.“ Man müsse „versuchen“, dass „die Politik das Volk nicht verliert“. Walders Definition der Medienarbeit gleicht einem Blankoscheck für die Regierung – und das egal, „ob sie jetzt genug schnell, genug hart, zu wenig hart und so weiter“ agiere. Die Medien dürften keinen Keil treiben, so Walder.

Kommunikation verroht

Dabei entsteht ein solcher Keil aber auch durch die eindeutige Positionierung („Komplizenschaft“) vieler großer Medien an Regierungsseite. Die Gräben durch die Corona-Politik kommen noch zu bereits bestehenden (vor allem sozialen) Spaltungen hinzu. Brücken beim Thema Corona könnten die etablierten Medien bauen, indem sie alle Sichtweisen abbilden würden und Kritik an der Regierung aus der Bevölkerung ebenfalls wiedergeben würden, anstatt diese pauschal zu diffamieren. Wenige Aspekte bringen die Menschen so auf die Palme wie die extrem unseriöse Berichterstattung (nochmals gesteigert) seit Corona. Die Medienkampagnen sind ein Hauptproblem der Corona-Phase, auch gutmeinende Politiker würden nur mit Mühe dagegen ankommen. Neben der nationalen Kommunikation verroht momentan auch die internationale, etwa gegenüber Russland.

Proteste werden nach der Logik von Walder nicht durch die berechtigte Wut auf die unangemessenen und nicht evidenzbasierten Maßnahmen ausgelöst – Bürger-Widerstand gegen die Corona-Politik wird demnach von Medien erst geschürt. Zumindest für Deutschland kann man diese These ausschließen. Aber für den Medienkonzernchef liegt die Verantwortung der Medien auch darin, bereits potenzielle Proteste zu vermeiden, indem man die Regierungslinie nicht kritisch und distanziert begleitet, sondern (anscheinend vorbehaltlos) unterstützt.

Hätte sich dieser Vorgang in einem nicht-westlichen Land zugetragen, er würde nun maßlos ausgeschlachtet: Wie nennen es westliche Medien sonst, wenn sich „unabhängige“ Propagandisten mit der Regierung zusammentun?

Gründe für Opportunismus lassen sich immer finden

Eine Ausrede für diesen wahrscheinlich bald als „Ausrutscher“ und „Schwarzes Schaf“ kleingeredeten Vorgang wird sein: Es herrscht „Ausnahmezustand“, wir haben schließlich Pandemie! Doch „erhabene“ Gründe für Opportunismus lassen sich immer finden, wenn das Prinzip der journalistischen Distanz erst einmal beschädigt ist. Dieses Prinzip gilt unabhängig von politischen Inhalten. Und gerade im angeblichen oder tatsächlichen Ausnahmezustand wäre eine kritische Presse besonders wichtig.

Sind überhaupt extreme Ausnahme-Situationen denkbar, in denen eine Symbiose von Staat und Journalismus gerechtfertigt sein könnte, um ein höheres gesellschaftliches Gut zu sichern? Möglicherweise ja – aber die Corona-Pandemie ist keine solche Situation.

Viele Mainstream-Journalisten, vermutlich auch solche von Ringier-Medien, werden nun rufen: „In unseren Redaktionen findet eine inhaltliche Bevormundung nicht statt!“ Zahllose Medienbeiträge zeigen aber jeden Tag das Gegenteil. Diese Gleichförmigkeit bei zentralen Themen entsteht entweder nach der im Video beschriebenen „Ringier“-Methode – oder diese Methode ist wegen vorauseilendem Gehorsam vieler Journalisten gar nicht nötig. Beide Varianten sind beunruhigend.

Titelbild: AndryDj / Shutterstock

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