Warum wird der Konflikt in der SPD in Sachen Ukraine so hochgespielt?

Warum wird der Konflikt in der SPD in Sachen Ukraine so hochgespielt?

Warum wird der Konflikt in der SPD in Sachen Ukraine so hochgespielt?

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

In der SPD gibt es bei der Frage, wie man mit Russland in Sachen Ukraine umgeht, verschiedene Meinungen. Die gibt es anderswo auch. Aber die Differenzen in der SPD sind in den letzten Tagen eines der beherrschenden Themen in nahezu allen Medien. Es fing am Montag massiv an. Am Ende dieses Textes finden Sie im Anhang eine Auswahl der Meldungen, die eine Google-Umfrage vom 1. Februar vormittags ergeben hat. Hinter dieser Konzentration auf die SPD stehen aus meiner Sicht Manipulationsabsichten. Albrecht Müller.

Im Kern soll mit der Darstellung der Differenzen in der SPD und der Kritik an der SPD vor allem die Botschaft transportiert werden, dass normale freundschaftliche Beziehungen zu Russland nicht und Waffenlieferungen an die Ukraine angebracht sind. Das geht nach der Methode B sagen und A meinen. A, ein Bündel von Botschaften lautet: die Russen sind ein Problem, wir müssen den Ukrainern gegen die Russen helfen, und erweitert kommt dann noch hinzu: die alte entspannungspolitische Linie der SPD ist überholt, das ist Geschichte. Die Botschaft B, die die gewünschten Botschaften A transportieren sollen, heißt, in der SPD wird darüber gestritten.
Hinzu kommt aus aktuellem Anlass, dass der sozialdemokratische Bundeskanzler Scholz am kommenden Montag beim US-amerikanischen Präsidenten zu seinem Antrittsbesuch sein wird. Bei dieser Gelegenheit muss er, muss Scholz „so klein mit Hut“ erscheinen. Er muss sich in der Defensive befinden und sich dann der Defensive entsprechend verneigen. Auch das wird mit der jetzigen Debatte besorgt.
Zwei Medienereignisse sind besonders aufschlussreich:

  1. Die ARD-Tagesschau hat am Montag, den 31. Januar, um 15:56 Uhr einen Text veröffentlicht, an dem man gut zeigen kann, wie die Argumentation verläuft und was der Sinn dieser erstaunlichen Konzentration auf die SPD und ihre Haltung zum Problem Ukraine/Russland ist. Das Stück wird Analyse genannt und fängt so an:

    ANALYSE

    SPD und Russland

    Hardliner, Altstrategen und freie Radikale

    Entspannungspolitiker, Hardliner und Ex-Spitzenpolitiker mit kontroversen Meinungen: Die Unterschiede in der Haltung zu Russland innerhalb der SPD könnten kaum größer sein.

    Von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio

    Michael Roth, Ex-Staatsminister und jetzt Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, und Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, werden Hardliner genannt. Das ist wohl richtig. Richtiger wäre gewesen, darauf hinzuweisen, dass diese beiden und ihr Zirkel wohl die Außenpolitik der SPD bestimmen. Der Ex-Wahlverlierer von Baden-Württemberg, Nils Schmid, wurde wie Zieten aus dem Busch außenpolitischer Sprecher und Michael Roth war erstaunlicherweise geadelt als Staatsminister im Auswärtigen Amt und ist jetzt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Die Karriere dieser Person zeigt gut, wie es um die entspannungspolitische Linie in der SPD bestimmt ist – auf der Verliererstraße.

    Das wird auch sichtbar in der Bezeichnung, die der „Analytiker“ der Tagesschau für Fraktionschef Rolf Mützenich und Matthias Platzeck findet: „Altstrategen“. Das soll ja wohl nicht heißen, dass diese beiden Personen schon etwas älter sind. Es soll heißen, dass ihre Position, die Position, mit der die SPD-Geschichte geschrieben hat und die in ihren letzten Grundsatzprogrammen, dem Berliner Programm von 1989 und dem Hamburger Programm von 2007, noch festgeschrieben war, in der modernen Zeit nichts mehr zu sagen hat. So die Botschaft.

    Übrigens: Bundeskanzler Olaf Scholz könnte die amerikanischen Freunde beim Antrittsbesuch damit überraschen, dass er auf die Aktualität der außenpolitischen und friedenspolitischen Grundpositionen seiner Partei im Berliner Programm vom 20. Dezember 1989 verweist. Unter anderem heißt es dort:

    • „Unser Ziel ist eine gesamteuropäische Friedensordnung auf der Grundlage gemeinsamer Sicherheit“
    • „Unser Ziel ist es, die Militärbündnisse durch eine europäische Friedensordnung abzulösen. … Die Bündnisse … müssen, bei Wahrung der Stabilität, ihre Auflösung und den Übergang zu einer europäischen Friedensordnung organisieren. Dies eröffnet auch die Perspektive für das Ende der Stationierung amerikanischer und sowjetischer Streitkräfte außerhalb ihrer Territorien in Europa.“ (Die ehedem sowjetischen Streitkräfte haben sich auf ihr Territorium zurückgezogen, die US-amerikanischen Streitkräfte sind leider immer noch da und werden je nach Lust und Laune nach Osten an die russische Grenze verlagert.)
    • „Von deutschem Boden muss Frieden ausgehen“
    • „Wir wollen Frieden. Wir arbeiten für eine Welt, in der alle Völker in gemeinsamer Sicherheit leben, ihre Konflikte nicht durch Krieg oder Wettrüsten, sondern in friedlichem Wettbewerb um ein menschenwürdiges Leben austragen“

    Bundeskanzler Scholz könnte seinen amerikanischen Gesprächspartnern, zuallererst dem amerikanischen Präsidenten Biden und dem Außenminister Blinken, erläutern, dass diese Position seiner Partei, wie sie im Dezember 1989 formuliert worden ist, nicht veraltet, sondern ausgesprochen modern und zukunftsweisend ist.

  2. Das zweite hervorzuhebende Medienereignis kommt von einem Journalisten, den manche Zeitgenossen als einigermaßen progressiv einordnen würden: Christoph Lütgert. Er schrieb zum Thema auf dem Blog der Republik:

    DIE JÄMMERLICHE SPD

    CHRISTOPH LÜTGERT

    Was für ein jämmerliches Geschwurbele sonderte SPD-Chef Lars Klingbeil am Montagabend in den ARD-Tagesthemen ab. Moderator Zamperoni konnte sich noch so wacker bemühen, Klingbeil vollführte immer weiter seinen Eiertanz und behauptete dann auch noch, er habe sich doch ganz eindeutig geäußert. Thema war die Haltung der Sozialdemokraten im Ukraine-Konflikt nach dem Spitzentreffen führender SPD-Politiker, das eigentlich Klarheit schaffen sollte. Es blieb beim „eigentlich“….

    Wie heruntergekommen die deutsche Journaille schon ist, wird in Äußerungen Lütgerts zu Wolfgang Ischinger, bis jetzt Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und unverbrüchlicher Atlantiker, sichtbar. Lütgert feiert Ischinger:

    Wolfgang Ischinger ist gewiss einer der profundesten Kenner der internationalen Szene. Ein Mann mit aus- und abgewogenem Urteil. Früher hochrangiger Mitarbeiter bei der UN, dann Staatssekretär im Außenministerium unter Joschka Fischer, danach Botschafter in Washington und London, jetzt Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Macht man sich diese Kompetenz-Ballung bewusst, wiegt das Verdikt Ischingers umso schwerer: Wegen seiner unklaren Haltung in der Ukraine-Frage stehe Deutschland nun in den USA und bei anderen Bündnispartnern „in einem miesen, schlechten Licht“ da. „Deutschland hat bei einer ganzen Reihe von Partnern bereits Vertrauen verloren oder riskiert, es gerade zu verlieren“, sagte Ischinger der Deutschen Presse-Agentur. Die Bundesregierung sei ihrer selbstgesetzten europäischen Führungsaufgabe nicht gerecht geworden. Kurze Nachbemerkung: An der Diskussion der SPD-Spitzenpolitiker zur Ukraine-Frage hatte Bundeskanzler Scholz nicht teilgenommen. Er versucht wohl nicht einmal mehr, jene Führung vorzutäuschen, derer er sich früher mal gerühmt hatte.

    Soweit Lütgert. Auch an seinem Beitrag wird sichtbar, dass die Debatte über die Haltung der SPD benutzt wird, um die Abgrenzung gegenüber Russland zu befördern.

  3. Anhang: Google Recherche zu den Stichworten SPD Ukraine:

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