Das Märchen vom Star – Oder: In der ersten Reihe

Das Märchen vom Star – Oder: In der ersten Reihe

Das Märchen vom Star – Oder: In der ersten Reihe

Ein Artikel von: Redaktion

Viele Bürger haben falsche Vorstellungen über das Arbeiten in kreativen Bereichen. Während oft das Bild verwöhnter Stars diese Vorstellung dominiert, sieht die materielle Realität etwa für viele Schauspieler ganz anders aus. Eine fragwürdige Rolle spielen dabei auch die öffentlich-rechtlichen Sender. Von Matthias Bauer[1].

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Vorstellung vieler in „normalen“ Berufen hart arbeitender Menschen im Bezug auf Schauspieler oder Promis anderer Art, die ihnen in TV, Internet und Print-Medien regelmäßig begegnen, ist gerne verknüpft mit der Annahme, dass solche Menschen mit mehr als ausreichend finanziellen Mitteln versorgt sind, sie, wie man so schön sagt, in „Saus und Braus“ leben und sich um Dinge wie Lebensunterhalt oder gar Altersvorsorge keinerlei Gedanken machen müssen.

Das Bild vom „Star“, der am eigenen Pool fläzt und sich dank astronomischer Tagesgagen um die Probleme, die normale Sterbliche haben, nicht zu scheren braucht, ist in den Köpfen immer noch fest verankert.

Durch Presse und Medien wird dieses Bild auch entsprechend aufrechterhalten, indem man z.B. in schöner Regelmäßigkeit die Vermögensdaten von Hollywood-Schaffenden veröffentlicht und der deutsche Leser und Konsument dann logischerweise davon ausgeht, dass sich das hierzulande, zumindest bei den bekannteren und gern gesehenen A-, B- und C-Promis, die sich fleißig im bunten Blätterwald tummeln, ebenso verhält.

Da entsteht dann schon einmal das Stammtisch-Vorurteil: „Nix arbeiten, aber viel Kohle machen!“ In einem Land wie unserem, in dem der Sozialneid nach wie vor und breit medial geschürt und gepflegt wird, ist das dann eine gern genutzte Projektion und für jegliche ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema das ultimative Totschlagargument.

Nein, hier geht es beileibe nicht um Jammern auf hohem Niveau, sondern vielleicht eher um das Zurechtrücken eines wahren Bündels von Vorurteilen, die nicht ganz ohne Zweck und Ziel immer wieder gerne ausgepackt und befeuert werden.

Es gibt in Deutschland keine Stars, die auch nur annähernd auf dem Niveau der Gagen von Hollywoodstars bezahlt werden. Eine Handvoll deutscher Schauspielerinnen und Schauspieler hat es erfolgreich nach Hollywood geschafft und die müssen sich, zwar auf wesentlich höherem Niveau als hierzulande, aber trotzdem auch, im dort noch viel extremeren Haifischbecken des Konkurrenzkampfes behaupten. Natürlich kann diese Handvoll jenseits des Atlantiks schwer ackernder Kollegen über Schauspieler-Gagen in Deutschland nur milde lächeln.

Wir haben hierzulande eine Spitzengruppe von sehr gefragten Schauspielern und Schauspielerinnen, die fraglos und ganz sicher gutes Geld verdienen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil einige aus dieser Spitzengruppe sich Möglichkeiten geschaffen haben, ihre eigenen oder von ihnen maßgeblich mitgestalteten Stoffe für TV und Kino selbst zu produzieren oder mit zu produzieren und sich damit Zugang zu ganz anderen Einkommensmöglichkeiten geschaffen haben. Wir reden hier über etwa 20-30 sehr namhafte Kollegen und Kolleginnen.

Daran schließt sich eine zweite Gruppe von 200-300 gut und regelmäßig beschäftigten Schauspielern an, die ordentliche Gagen bekommen und von ihrer Tätigkeit gut leben können. Bereits in diesem Segment kann es jedoch für Jede und Jeden jederzeit zu längeren Durststrecken kommen. Mit opulentem, gar hollywoodartigem Luxus, wie er uns im bunten Blätterwald immer wieder entgegenschimmert, hat das allerdings nichts zu tun.

Die nächste Gruppe bildet die breite Basis. Das sind vielleicht 25.000-40.000 Schauspielerinnen und Schauspieler und solche, die es werden wollen, die natürlich vom Wunsch beseelt sind, möglichst in die nächsthöhere Liga aufzusteigen. Gut die Hälfte davon dürfte derzeit arbeits- bzw. erwerbslos sein.

Hier tobt der Überlebenskampf an allen Ecken und Enden, da muss man schon mal zwischendurch branchenfremd tätig werden, Kellnern oder Regale im Supermarkt einräumen, schlimmstenfalls HartzIV beantragen, wenn es, wie immer mal wieder, gar nicht reicht, um Miete und Rechnungen zu bezahlen.

Auch der großen Masse von US-Fernseh-Schauspielern, die von Hollywood nur träumen können, dürfte es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auch nicht viel anders gehen. Soweit also die Realität.

Was all diese Menschen in ihren völlig unterschiedlichen Lebenssituationen vereint, egal ob erfolgreich oder nicht, ist, dass sie ihren Beruf lieben und mit Leidenschaft ausfüllen, wenn sie denn die Gelegenheit dazu bekommen, auch wenn das Leben als „Freiberufler“ ansonsten weder ein Ponyhof noch eine klotzige Western-Ranch ist.

Denn leicht macht man es Schauspielerinnen und Schauspielern in diesem Land – genauso wie allen anderen Kreativen, die von ihrer Kunst leben möchten – nicht.

Auch zu der immer wiederkehrenden Diskussion über die Sinnhaftigkeit von höchst unsozial strukturierten Zwangsgebühren für den Betrieb öffentlich-rechtlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten passt vielleicht dieser Blick auf das Thema aus einem ungewöhnlichen Winkel, nämlich quasi von innen. Vonseiten eines für die Programmmacher tätigen Freiberuflers.

Würde ich das hier unter meinem realen Namen veröffentlichen, können Sie sicher sein, dass ich im öffentlich-rechtlichen Programm nie mehr ein Bein auf den Boden kriegen würde. Es gehört nun mal zum Wesen von monopolistischen Systemen, dass sie Kritik mit allen Mitteln verhindern möchten und wenn sie es nicht können, mit Ausschluss bestrafen.

Das Pseudonym ist reiner Selbstschutz, denn natürlich ist das mein Beruf und ich bin, wie die meisten anderen Kollegen auch, auf die Erträge aus meiner Tätigkeit angewiesen, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das möchte ich auch weiterhin können.

Bis auf ein paar wenige Ausnahmen habe ich in meinem bisherigen Berufsleben fast ausschließlich für die ARD bzw. deren regionale Sender und das ZDF gearbeitet.

Schauspielerinnen und Schauspieler, die bereits auf gute Erfolge zurückblicken können, verlassen sich gerne darauf, dass sie ein Gesicht haben, das aus der gegenwärtigen Fernsehwelt nicht mehr wegzudenken ist. Das ist mittlerweile eine Einschätzung, die mit gebührender Vorsicht zu bewerten ist, denn inzwischen, so scheint es, ist jeder ersetzbar. Und zwar aus einem unerschöpflichen Pool von verzweifelt nach Beschäftigung suchenden Schauspielern und solchen, die es werden möchten. Dieser Beruf und das vielen exotisch anmutende Umfeld hat eine ungebrochene Anziehungskraft. Das gilt im übrigen auch für viele andere Gewerke, die hinter der Kamera an der Herstellung von Film- und TV-Produktionen beteiligt sind.

Manche, oft große Produktionsfirmen nutzen inzwischen dieses große Interesse von jungen und lernwilligen Menschen förmlich aus und binden diese für kein oder wenig Geld, teilweise an wichtigen Schaltstellen, in arbeitsaufwändige Produktionsabläufe ein. Bis zu sechs unentgeltlich und in Produktionszeiten täglich an die zwölf Stunden arbeitende Praktikanten in einem Dreh-Team, die dann tatsächlich mittels Spenden-Sammlung von allen Team-Kollegen am Ende einer Produktion eher symbolisch und ansonsten gar nicht bezahlt werden, sind heute keine Seltenheit.

Als Schauspieler (meist) bei Fernsehauftragsproduktionen bin ich abhängig beschäftigt und arbeite, sehr zur Verwunderung vieler Außenstehender, befristet auf Lohnsteuerbasis. Ich bin in dem Fall jeweils für die Dauer meiner Tätigkeit beim jeweiligen Arbeitgeber, meist einem Auftragsproduzenten, beschäftigt. Besteuert werde ich allerdings, als würde ich das, was ich da oft in einem relativ kurzem Zeitraum von 2-4 Wochen verdiene, das ganze Jahr über durchgängig einnehmen.

Der Maximalsteuersatz ist da keine Seltenheit. Sollten sich für einen Zeitraum zwei oder mehrere Projekte überschneiden, muss dann noch eine zusätzliche Lohnsteuerklasse herhalten, die per se schon den Höchstsatz an Steuer in Abzug bringt. Wenn es „brummt“, ist das irgendwie auch gut zu verschmerzen, zumal ich die definitiv zu viel gezahlte Steuer, nach Vorlage der Steuererklärung, ein bis eineinhalb Jahre später wieder zurückbekomme oder zumindest bekommen kann.

In anderen europäischen Ländern trägt man diesem – doch der Natur nach freiberuflichen, weil vom eigenen Risiko bestimmten – Status insofern Rechnung, als dass man Schauspieler in allen Bereichen als freiberufliche Künstler, genauso wie Sänger, Dirigenten, Solisten, Autoren und Publizisten betrachtet und entsprechend besteuert. Dies dann eben grundsätzlich am oder nach dem jeweiligen Jahresende, weil eben beim Freiberufler dann erst sicher ist, was denn nun tatsächlich im jeweiligen Kalenderjahr an Brutto-Verdienst zusammengekommen ist. Aus Sicht des Betroffenen wäre das sicher die gerechtere Lösung, zumindest was drehtag-verpflichtete TV-Darsteller angeht. Bei mir und anderen Kollegen kommt es aber immer wieder zu Situationen, bei denen dann endlich – z.B. nach einem halben oder dreiviertel Jahr Durststrecke und Erwerbslosigkeit und entsprechend angespannter finanzieller Situation – erstmals wieder ein Engagement kommt. Jetzt gibt es in kurzer Zeit reichlich Geld, das entstandene Löcher füllen soll und muss, denn die Kosten sind ja im letzten halben Jahr weiter gelaufen. In der Regel muss ich bzw. der Arbeitgeber von diesem Geldsegen aber erst mal knapp die Hälfte an das Finanzamt abgeben und dann schlägt da auch noch die Provision an meine Agentur zu Buche.

Bis zu 20 Prozent vom Brutto zuzüglich Mehrwertsteuer verlangen manche Agenten, durchaus zu Recht. Selbst 10 Prozent vom Brutto sind aber dann eben auch 15-17 Prozent vom Netto und reduzieren das, was ich dann tatsächlich in der Hand behalte, oft auf weniger als 50 Prozent vom Brutto.

Das tut weh, aber ich kenne das, habe mein Leben entsprechend eingerichtet und bin das gewöhnt. Ich bin auch gewöhnt, dass mir die Segnungen staatlich subventionierter Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Bezüge verwehrt bleiben, obwohl ich ordentlich hohe Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abführen muss und eigentlich wie alle anderen angestellten, arbeitenden Menschen auch ein Anrecht auf diese staatlichen Leistungen hätte. Aber ich kriege in der dafür vorgesehenen Zeit, nach den geltenden Bestimmungen, die dafür notwendigen Sozial-Versicherungstage (240 in den letzten 30 Monaten) nicht zusammen. Das ist nur zu schaffen, wenn ich über zwei Jahre durchgehend versichert wäre, beispielsweise für eine Serienhauptrolle, und die vorgeschriebene Zahl von Versicherungstagen am Ende zusammenbrächte. Deshalb sieht mein Rentenversicherungsverlauf, den ich wie alle anderen Angestellten im fortgeschrittenen Alter vor ein paar Jahren zusammen mit einer ersten Rentenberechnung von der Deutschen Rentenversicherung bekommen habe, aus wie ein Schweizer Käse: Löcher allenthalben, Zeiten, in denen ich aus den oben beschriebenen Gründen nicht sozialversichert war und auch nicht sein konnte.

Wäre ich als freiberuflicher Schauspieler in der Lage, der Künstlersozialkasse beizutreten, sähe das anders aus. Da wäre ich, meiner beruflichen Situation weit mehr entsprechend, durchgehend, also auch in erwerbslosen Zeiten, zwar auf eigene Kosten, aber sozialversichert. Da kommen Sie nach geltendem Recht allerdings nur als selbstständiger freiberuflicher Künstler/Publizist, aber eben nicht als „weisungsgebundener“, angestellter Schauspieler hinein.

Inzwischen werden drehtag-verpflichtete Schauspieler, zumindest ist das allgemeiner Konsens, nach einer vom Bundesverband für Schauspieler vorgeschlagenen und mit den Produzenten und sog. Spitzenverbänden ausgehandelten Kompromisslösung abgerechnet. Gestaffelt nach Drehtaganzahl werden nach einem bestimmten Schlüssel Versicherungstage für Vorbereitung bzw. Rollenstudium zu den Drehtagen hinzugefügt. Obwohl so abgesprochen, ist dieses Modell, das trotz Verbesserung nach wie vor nicht dem geltenden Sozialversicherungsrecht entspricht, nicht überall in den Chefetagen der Produzenten und Programmmacher angekommen. Überdies gilt es auch nicht rückwirkend.

Nach wie vor zeigen sich also in meinem Rentenverlauf überall Löcher und Lücken, die insbesondere durch die über Jahre gängige Abrechnungspraxis verschiedener Produktionsfirmen verursacht wurden, die sich meist zunächst unbemerkt von den Betroffenen als angeblich allgemein geltende Handlungsrichtlinie durchgesetzt hat.

Auslöser für diese kleine, aber fatale Veränderung waren die Budget-Herren des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die irgendwann in den 90er Jahren auf der unermüdlichen Suche nach Einsparungen anfingen, aus den Produktions-Kalkulationen der von ihnen beauftragten Produzenten aus ihrer Sicht zu hoch veranschlagte Arbeitgeber-Sozialversicherungsbeiträge, insbesondere für drehtag-verpflichtete Schauspieler, herauszustreichen. Diese Maßnahme hatte weitreichende Folgen. Während ich noch in den 90er Jahren für eine Nebenrolle mit beispielsweise vier Drehtagen in fünf Wochen Produktion für die ganze Vertragszeit (also 5 Wochen) durchgehend sozial-, also auch rentenversichert war, so wie das das Sozialversicherungsgesetz eigentlich auch heute noch vorschreibt, hat man mich ab etwa Ende der 90er Jahre für fünf Drehtage eben auch nur fünf Tage sozialversichert. Wenn ich also einen Rentenverlauf ohne Löcher haben wollte, müsste ich mich eigentlich nach jedem Drehtag innerhalb der Vertragszeit bis zum nächsten Drehtag arbeitslos melden, um in solchen erwerbslosen Zwischenzeiten zumindest rentenversichert zu sein. Nachdem es sich aber bei den meisten Engagements um ein sogenanntes Abrufrechtsverhältnis handelt – d.h., dass sich Drehtermine aus Produktions- und/oder Wettergründen kurzfristig ändern können und der Darsteller selbstverständlich auch hierfür zur Verfügung zu stehen hat – sind verbindliche Aussagen über die Dauer der Arbeitslosigkeit gegenüber der Arbeitsagentur gar nicht möglich, wären aber leider Voraussetzung.

Vor einigen Jahren machte ich beim zuständigen (damals noch) Arbeitsamt den Vorschlag, als Arbeitsloser in Zeiten ohne Beschäftigung lediglich sozial-, vor allem aber rentenversichert sein zu wollen, ohne Arbeitslosengeld I oder II (damals noch Arbeitslosenhilfe) in Anspruch zu nehmen. Ein solches Ansinnen genügte schon, um zum „Problem-Fall“ zu werden. Es hätte nicht viel gefehlt und die Damen und Herren hätten mich damals ins nächstliegende Bezirkskrankenhaus (aufgrund akuten Realitätsverlustes) zwangseinliefern lassen.

Bleibt hier also nur die Alternative, auf die Segnungen des Staates, obwohl sie einem ja zustehen, ganz zu verzichten. Für viele Kolleginnen und Kollegen, ob namhaft oder auch nicht, ist das der Normalzustand.

Natürlich bietet sich inzwischen, wenn es mal eng wird, noch die Möglichkeit Hartz IV zu beantragen, aber was tun Sie, wenn in Ihre in vorangegangenen Monaten der Erwerbslosigkeit gerade mal so austarierte und vom Staat vollständig durchleuchtete äußerst wackelige HartzIV-Situation eine Spielfilmrolle mit, sagen wir mal, 6-8 Drehtagen platzt? Das spült zwar Brutto und im Augenblick recht viel Geld in die Kasse, aber entzieht Ihnen von jetzt auf gleich die Berechtigung für diverse Zuschüsse und Hilfen. Das wirbelt, obschon ja heiß ersehnt, ihr ganzes Leben durcheinander, aber bringt bei Weitem nicht soviel ein, dass Sie mittelfristig, d.h. für die nächsten sechs Monate, vom Staat und seinen Leistungen gänzlich unabhängig wären. Als alleinerziehender Elternteil mit einem oder mehreren Kindern dürfte das ziemlich schwierig sein.

Aber nicht nur das haben wir den öffentlich-rechtlichen Sendern und einer sogenannten Sozialreform namens Agenda 2010 zu verdanken, sondern auch eine Schwemme von privatwirtschaftlichen Aktivitäten der eigentlich öffentlich-rechtlichen Sender, die sich drastisch auf die einstmals auch in Deutschland unabhängige Film- und Fernsehwirtschaft auswirken. Sie werden in Deutschland, nicht zuletzt aufgrund der Förderpraxis und der darüber entscheidenden Gremien und Förderbanken, kaum einen in oder von Deutschland aus produzierten Kinofilm sehen, an dem kein öffentlich-rechtlicher Sender oder eine seiner privatwirtschaftlichen, 100-prozentigen Töchter als Geldgeber beteiligt ist. Im deutschen Kino ist eine Senderbeteiligung beinah schon Grund-Bedingung für den Erhalt von anderen staatlichen Förderungen und Beihilfen auf Bundes- und/oder Länderebene.

Das macht das deutsche Kino nicht unbedingt unabhängiger. Denn offenbar müssen auch Kinoinhalte, die aufgrund von einer solchen Beteiligung zwangsläufig nach der Kino-Auswertung irgendwann, meist nach zwei Jahren, im öffentlich-rechtlichen Programm auftauchen, dementsprechend angeglichen werden. So als könnte man dem deutschen Zuschauer, der sich längst an Produkte von Netflix, Amazon und Co gewöhnt hat, ein dem TV-Standard unangepasstes, deutsches Kino-Werk im Fernsehen gar nicht zumuten.

Darüber hinaus betreiben sowohl die ARD als auch das ZDF hauseigene Produktionsfirmen mit eigenen Redaktionen und reichlich festangestelltem Personal.

Pro Jahr werden allein von diesen privatwirtschaftlich organisierten Töchtern der originär Öffentlich-Rechtlichen an die hundert 90-minütige Fernsehspielfilme, manche im Rahmen von Reihen mit thematischer Klammer, hergestellt.

Für viele freie Produktionsfirmen, die sich unter anderem mit gelegentlichen Fernsehauftragsarbeiten über Wasser halten bzw. hielten und ansonsten eigentlich nicht-mainstream-orientierte, freie Kinofilme produzieren, ist das der Gnadenstoß.

Für die Sender hat das offenbar, abgesehen vom Gewinn, der da von allerlei profitorientierten und gänzlich privatwirtschaftlichen Voll- und Halb-Töchtern erwirtschaftet wird, den großen Vorteil, dass hier absolute inhaltliche Kontrolle praktiziert werden kann.

Ausgehend von der fragwürdigen Annahme, Fernsehredakteure wüssten, was das Publikum will, und vor allem, was man ihm zumuten kann, wird hier gerne an einem mehr oder weniger seichten, harmlosen und vor allem sonnigen Rama-Weltbild gezimmert, das vor allem der Generation 60+ dann auf zahlreichen dafür vorgesehenen Sendeplätzen – gerne auch in gebetsmühlenartiger Wiederholung – entgegenflimmert.

Nicht zuletzt aufgrund des immer stärker werdenden Konkurrenzdrucks beweist das öffentlich-rechtliche Fernsehen aber auch gelegentlich, dass es anders ginge. Hervorragend geschriebene, besetzte und in Szene gesetzte Spielfilme oder Serien leistet man sich schon, allerdings leider maximal ein- bis zweimal pro Jahr. Hier holt man sich für maßgebliche Figuren meist die allererste Riege deutscher Schauspieler. Im Fiktion-Bereich herrscht ansonsten, was gute Ideen und Originalität angeht, weitgehend Öde. Vorhersehbare, phantasielose Plots, in denen sich Geschichten nicht aus Figuren heraus erzählen, sondern dem gewollten Handlungsverlauf entsprechend zurechtgestrickt werden, zeichnen die öffentlich-rechtliche Serien-, Reihen- und Fernsehspielwelt aus.

Schauspieler kommen, je nach Kassenlage und aktuellem Bekanntheitsgrad, aus dieser Ödnis nicht raus, die man sich allenthalben gut trainiert schönredet oder eben mit dem berühmten „starren Blick auf die Gage“ bewältigt. Wir müssen alle unsere Miete und unsere Raten zahlen. Unsere Kinder wollen wir versorgt sehen und gelegentlich möchten wir auch mal Familien-Urlaub machen… aber zurück zum Thema.

Obwohl uns inzwischen nicht nur die US-Amerikaner mit ihrer gewaltigen und oft auch gewalttätigen Medienmaschine in Sachen TV-Qualität längst überholt haben, sind es vor allem derzeit die vormals europäischen Fernsehzwerge wie Dänemark, Schweden, Island, aber auch angestammte Kulturnationen wie Frankreich oder Spanien, deren TV-Output uns nicht nur neidisch machen, sondern uns zeigen könnte, dass man auch hierzulande endlich die Kreativen in Ruhe arbeiten lassen sollte, anstatt gute Drehbücher und authentische Geschichten von Fernseh-Redakteuren verunstalten und verschlimmbessern zu lassen.

Nein, tatsächlich: In Deutschland traut man den Kreativen offenbar nichts zu. Kein Wunder, dass viele abwandern oder sich neue Tätigkeitsfelder außerhalb des öffentlich-rechtlichen Einflussgebietes erschließen.

Wer den Öffentlich-Rechtlichen treu bleibt, muss sich anpassen – egal, ob Autor, Regisseur, Film-Komponist oder Schauspieler, vor oder hinter der Kamera – und hat in vorauseilendem Gehorsam die Schere im Kopf schon mitzuliefern. Eine ganze Generation von Berufseinsteigern, seien sie nun Schauspieler, Produzenten, Regisseure, Autoren, Kameraleute oder andere Akteure auf kreativen oder organisatorischen Positionen, die an der Realisation solcher Projekte beteiligt sind, wie auch Kostümbildner, Ausstatter, Maskenbildner und ihr jeweiliges Team, kriegt diesen Druck zu spüren und hat das inzwischen zwangsläufig vollständig verinnerlicht.

Diese Leute werden schikaniert, gedeckelt, runtergehandelt, ausgenutzt, gemobbt und oft genug erpresst.

Es stehen ja immer fünf Leute hinter dir, die deinen Job gerne hätten. Der Andrang ist groß und jeder möchte irgendwo hin und „irgendwas beim Film“ machen. Und was noch viel Schlimmer ist: Jeder, der sich auf diese Art inhaltlicher wie finanzieller Einschränkung einlässt, sorgt dafür, dass diese dann früher oder später zum (neuen) Standard werden.

Da wird halt dann mal weniger Gage verlangt, da lässt man sich auf Pauschalen ein und verzichtet auf die Extra-Bezahlung von Überstunden (ein Wort, das im Denk-Kosmos von Schauspielern und denjenigen, die sie besetzen und beschäftigen, ohnehin nicht existiert), da zahlt man seine Unterkunft beim Auswärtsdreh selbst oder verzichtet schon mal auf eigentlich selbstverständliche Spesen. Und selbst wenn man die bekommt, muss man davon dann das inzwischen allgemein übliche, täglich durchgehend bereitstehende Catering bezahlen.

Auch hier tobt ein brutaler Preiskampf. Wer billig ist, kriegt den Zuschlag, egal was für einen Fraß man bei diesen Pro-Kopf-Sätzen noch zustandebringen kann. Fairerweise muss man zugeben, dass es auch auf diesem Gebiet immer noch erfreuliche Ausnahmen gibt. Es gibt tatsächlich noch Produzenten, die wissen, wie wichtig gute und durchgängige Verpflegung für ein hart arbeitendes Dreh-Team ist.

Grundsätzlich sind dem Rotstift und der inhaltlichen Übergriffigkeit der Öffentlich-Rechtlichen jedoch keine Grenzen gesetzt, von wem auch! Diese Entwicklung macht auch vor Schauspielern und ihrer Besetzung nicht halt, die eigentlich und ursprünglich originäre Aufgabe von Regisseurinnen und Regisseuren war und auch sein sollte.

Hauptfiguren für 90-Minuten-Filme oder Reihen werden inzwischen vom Sender bzw. den zuständigen Redakteuren bestimmt. Dafür holt man sich Quotenbringer oder Kollegen, die man dafür hält. Regisseure dürfen dann bestenfalls mal ein Wörtchen beim Side-Cast mitreden. Für die kleinen Rollen von 1-2 Drehtagen werden dann gerne auch Sammel-Castings abgehalten, wo man den oft zahlreich erschienenen arbeitswilligen Schauspielern bereits vorab verlautbart, dass die Tages-Gagen auf ein bestimmtes Maximum gedeckelt sind und wer damit vorab nicht einverstanden ist, könnte gleich wieder gehen.

Außenstehende nehmen an, dass die Höhe ihrer Tagesgage von freiberuflichen Darstellern selbst oder auch ihren Agenturen festgelegt wird und sich nach ihrem derzeitigen Marktwert richtet. Dass also Faktoren wie Bekanntheitsgrad, Präsenz im TV, aber auch Einschaltquoten von Projekten, in denen sie mitgewirkt haben, hier eine entscheidende Rolle spielen. Dass der „Markt“ also, ganz im Friedmann’schen Sinne, die Sache nach Angebot und Nachfrage regelt.

In den letzten Jahren hat sich, vor allem bei öffentlich-rechtlichen Sendern, die sich aus unerfindlichen Gründen und trotz munter fließender Fernsehgebühren gern mal in finanzieller Schieflage sehen, die schöne Idee durchgesetzt, selten vorhandene, anspruchsvollere oder originellere Stoffe mit Hilfe von sogenannten Half-Budget-Produktionen zu realisieren. Heißt im Klartext, hier gibt es schöne Rollen, Spaß und Freude an der schönen Arbeit, aber eben nur die Hälfte vom Geld. Das betrifft dann vor allem das für den Dreh auf Zeit angeworbene Personal vor und hinter der Kamera. Dass Redakteure und ihre Mitarbeiter für solche Projekte ebenfalls auf die Hälfte ihrer guten Gehälter samt Altersversorgung und Weihnachtsgratifikation verzichten würden, ist mir bisher noch nicht zu Ohren gekommen.

Dafür findet man gerade solche Produkte ein paar Jahre später gerne mal im Fundus von Streaming-Portalen, natürlich nicht zum Sonderpreis. Ob der eine oder andere Kollege hier in der Lage war, eine Garantie für den Erhalt der zweiten Hälfte seiner Normal-Gage im Fall einer solchen Zweitauswertung oder gar eine Beteiligung daran auszuhandeln, entzieht sich meiner Kenntnis und würde ich auch stark bezweifeln.

Apropos Gagen: Sowohl ZDF als auch ARD führen seit mehr als 10 Jahren immer präzisere Listen über die Gagen der von ihnen engagierten Schauspieler. Nicht der Produzent, nein, der Sender verhandelt letztlich mit meiner Agentur. Dabei gibt es da eigentlich nichts zu verhandeln, denn inzwischen werden alle Parameter quasi „ex cathedra“ vom Sender fest vorgegeben. Dafür leistet man sich im öffentlich-rechtlichen Haus einen Chef-Kontrolletti, der zusammen mit seinem Mitarbeiterstab dafür Sorge trägt, dass die ungezügelte Geldgier von Schauspielern, also der „Markt“, sich möglichst nicht frei entwickeln kann.

Der Sender bestimmt, wie viel ich pro Drehtag bekomme, nach Maßgabe dessen, was ich bei der letzten Produktion für diesen Sender erhalten habe. Wenn das nicht länger als drei Jahre her ist, wird das bezahlt, was man eben vor drei Jahren(!) bekommen hat. Selbst eine hie und da verhandelbare Gagenerhöhung wird vom Sender gedeckelt auf maximal 2,5% pro Jahr. Der Sender allein bestimmt auch, ob es hierbei um eine Gage mit Anspruch auf Wiederholungshonorar oder um eine Buy-Out-Gage geht. Dies ist inzwischen, für den Sender praktischerweise, bestimmten Sendeplätzen zugeordnet. Für den Sonntag und den Freitagabend – diese Filmchen werden besonders gerne und oft wiederholt – gilt natürlich Buy-Out, da gibt es für den Schauspieler über seine vertraglich vereinbarte Bruttogage hinaus nichts zu holen. Natürlich bietet man ihnen für Mittwochs-Sendeplätze, also anspruchsvollere Themen und Fernsehspiele, die in der Regel nicht oder nicht oft wiederholt werden, großzügig das Prädikat „mit Wiederholungshonorar“, kurz MA an. Logischerweise ist die MA-Gage niedriger als ihre sonstige Tagesgage.

Wiederholungshonorar hört sich per se toll an, gestaltet sich aber wie folgt: Ich bekomme 10% von der Bruttogage, das steht zumindest auf dem Papier in meinem Vertrag. Im Kleingedruckten finde ich aber dann heraus, dass das nicht 10% von der tatsächlich vereinbarten Gage sind, sondern von einer fiktiven, weit niedrigeren Gage, die, so scheint es, willkürlich in meinem Vertrag festgeschrieben wurde. Ist zwar willkürlich, aber weder beliebig noch Zufall. Denn diese Gage ist von der Höhe her das, was der letzte Kollege, der seine 10% Wiederholungshonorar gerichtlich durchgesetzt hat (was jeder tatsächlich kann!), erstritten hat. Leider arbeitet dieser Kollege seitdem ganz sicher nicht mehr für das öffentlich-rechtliche System. Jeder weiß das, insofern kennt auch jeder die Konsequenzen, die das Durchsetzen des faktisch vorhandenen eigenen Rechtes zur Folge hat.

Selbstverständlich wird dieses Wiederholungshonorar, sofern es überhaupt gewährt wird, nach allen Regeln der Kunst mit weiterem umfänglichen Kleingedruckten so kleingerechnet, dass am Ende von den stolzen 10% gerade mal 2% übrig bleiben. Wie gesagt, nicht etwa von der tatsächlichen, sondern lediglich von einem Bruchteil der vertraglich vereinbarten Gage. Dies sorgt in Summe dafür, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass man den Gagenunterscheid zwischen Buyout (ohne Wiederholung) und MW (mit Wiederholung) jemals durch den Erhalt von Wiederholungshonoraren ausgleichen kann…

Kleingerechnet wird auch damit, dass man Wiederholungen auf sogenannten Spartensendern, dazu zählt z.B. immer noch ZDF-Neo, lediglich mit einem Bruchteil des vereinbarten Wiederholungshonorars belohnt. Und jetzt raten Sie mal, wo die meisten Wiederholungen laufen?

Wenn also dann auch noch die Entscheidung, ob mit oder ohne Wiederholungshonorar, ausschließlich beim Sender liegt und es auch in Bezug auf die Höhe des Wiederholungshonorars keinerlei Verhandlungsspielraum gibt, entsteht der Eindruck, dass es bei der Entscheidung des Senders für „mit Wiederholungshonorar“ nicht etwa um ein nettes Zubrot oder gar einen kleinen Zuschuss zur Altersvorsorge für den Darsteller geht, sondern lediglich um Kostenersparnis, sprich Reduzierung der Normalgage. Dazu dient offenkundig die Pauschalisierungsregel, die zur Folge hat, dass meine Gage ab einer Anzahl von 10 Tagen pauschalisiert wird und vom Gesamtbrutto nochmal 5-10% herunter gerechnet werden. Wenn Sie Pech haben, kriegen Sie dann eben bei einer Rolle mit 10 Drehtagen lediglich neun bezahlt. Inzwischen sind diese inoffiziellen, einzig zur Kostenersparnis und vollkommen willkürlich eingeführten Regelungen in Beton gegossen und kaum mehr zu verhandeln, es sei denn, Sie sagen „Nein“ und jemand anderer spielt die Rolle.

Als Freiberufler sind Sie so alles andere als frei, geschweige denn respektiert. Sie fühlen sich dem Diktat eines übermächtigen Vertragspartners ausgeliefert.

Dieser Eindruck täuscht nicht. Die öffentlich-rechtlichen Sender versuchen, trotz Rekord-Gebühreneinnahmen pro Jahr auf Teufel komm raus, wo es nur geht, zu sparen. Hauptsächlich, so scheint es, am freiberuflichen, immer nur auf Zeit akquirierten Personal – also den Leuten, die eigentlich, zumindest im Fiktion-Bereich vor Ort, d.h. am Set, die Arbeit machen und Kosten generieren. Gespart wird natürlich auch an Produktionszeit, damit an Drehtagen, an Sozialversicherungstagen und letztlich an den Renten der Betroffenen bzw. ihrem Anspruch darauf.

Galten als Standard-Produktionszeit für einen 90-Minüter im Jahr 2000 noch ca. 25 Drehtage, sind es inzwischen 19 Drehtage, in denen ein solches Projekt realisiert wird, Tendenz fallend.

Praktisch heißt das für Drehteams und Schauspieler, dass sie pro Drehtag durchschnittlich bis zu 7 Minuten (und mehr) Schnittzeit zu realisieren haben, was nicht ohne Zeitdruck, Terminstress und die zwangsläufigen Qualitätseinbußen zu bewältigen ist. Nur zum Vergleich: Bei Hollywood-Produktionen liegt die durchschnittliche erarbeitete Schnittzeit pro Drehtag nach wie vor bei 2 bis maximal 2,5 Minuten.

Im Kosmos des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens dürfen dann die privatwirtschaftlichen Tochterfirmen der Sendeanstalten allesamt in noblen Immobilien in besten Lagen deutscher Großstädte residieren. Deren fest Angestellte bekommen vernünftige Gehälter und großzügige Sozialleistungen und vermarkten alles, was ihnen an Rechten von Schauspielern, Regisseuren, Autoren und sonstigem freien Kreativpersonal mit Hilfe von oft geradezu unsittlichen Knebelverträgen für den sprichwörtlichen „Appel“ und das dazugehörige „Ei“ abgezockt wird. Wenn es dann um Ehrungen und Preise für TV-Filme geht, stehen die fernsehverantwortlichen Entscheider gerne als erstes auf dem Podium, klopfen sich auf die eigene Schulter und tun so, als hätten sie das soeben geehrte Werk, das ohne ihren Input und ihr ständiges Einmischen bis in Details meist noch besser geworden wäre, ganz allein in eigener Verantwortung geschaffen, immer wissend, was man dem deutschen Fernsehzuschauer zumuten kann oder nicht.

Eine Hybris, die sich auf beinah alle Ebenen der in großer Zahl vorhandenen öffentlich-rechtlichen Verwaltungs-Immobilien fortpflanzt. Da werden ja auch geradezu fürstliche Altersversorgungen ausgeteilt. Es sind nicht nur böse Zungen, die das behaupten, sondern es entspricht den Tatsachen, dass ein Löwenanteil der jährlichen Gebühreneinnahmen in Höhe von rund 7.000.000.000 Euro in die Altersversorgung der inzwischen pensionierten Fernsehbeamten der vergangenen dreißig Jahre fließt. Und diejenigen, die über Jahre ihrem Vorgänger sprichwörtlich in den Arsch gekrochen sind und jetzt endlich auf dessen Stuhl sitzen, möchten ja nun auch was von dieser ihrer Lebensleistung haben. Wer will da schon freiwillig etwas abgeben, noch dazu an diese unständig beschäftigten, wild zusammengewürfelten, freien Filmschaffenden, das sind ja quasi bessere Wanderarbeiter.

Ich bezweifle, dass auch nur eine oder einer der wichtigen, aber hierzulande leider überhaupt nicht einflussreichen deutschen Spitzen-Schauspielerinnen und -Schauspieler am Auslandsverkauf der mit und durch sie entstandenen Produkte in irgendeiner Form beteiligt ist, abgesehen vielleicht von den Kollegen, die selbst produzieren, sei es fürs TV oder für das Kino. Das ist für die breite Masse der Kollegen, die aufgrund ihrer sozialversicherungsrechtlichen Situation einem besonders großen Risiko der Altersarmut ausgesetzt sind und ein solches Zubrot allein schon deshalb gut brauchen könnten, gar nicht erwünscht.

In jeder kreativen Leistung von Autoren, Regisseuren, Kameraleuten, Schauspielern, Ausstattern, Kostüm- und Maskenbildnern, egal auf welcher Ebene und unabhängig von ihrer Qualität, steckt eine urheberrechtliche Relevanz, durch deren Verwertung bzw. Nutzung ein beträchtlicher finanzieller Gegenwert generiert wird oder werden kann, sofern man über die Rechte verfügt.

Einer der wenigen, der sich dem entgegenstellt und auf die Beteiligung aus der Verwertung seiner Urheberrechte für „Das Boot“ besteht, ist z.B. der Kameramann Jost Vacano, der dafür seit 14 Jahren gegen die Bavaria-Film prozessiert und auf sein Recht pocht. Einen möglicherweise wegweisenden Urteilsspruch in der Sache scheuen seine öffentlich-rechtlichen Gegner wie der Teufel das Weihwasser und versuchen, einen solchen mit fadenscheinigen Vergleichsangeboten zu verhindern. Kein Wunder! Sollte es hier eine Grundsatzentscheidung geben, werden die Öffentlich-Rechtlichen mit einer Flut von Ansprüchen ähnlicher Art rechnen müssen.

Aber wo steckt dieses Geld? Wer tut was damit und warum? Wer verfügt darüber, wenn die Kreativen so gut wie gar nichts davon haben?

Wie schon gesagt, alle öffentlich-rechtlichen Sender zusammen leisten sich inzwischen eine große Zahl von privatwirtschaftlichen Tochterfirmen und Beteiligungen aller Art. Wer hier Genaues wissen will, dem sei die sehr informative Studie „Verflechtungen“ der Ostfalia, Hochschule für angewandte Wissenschaften, federführend erarbeitet und abgefasst von Harald Rau und Chris Hennecke aus dem Herbst 2018, als spannende Lektüre empfohlen.

Wie viel Gebühren-Geld, wie viel öffentliches Geld und wie viel Geld aus der Verwertung von Rechten steckt da drinnen? Wer kontrolliert und ist dieser Filz überhaupt noch zu kontrollieren? Ist ein solches breitgefächertes privatwirtschaftliches Engagement im öffentlich-rechtlichen System mit seinem eigentlich ja eindeutig und klar formulierten Bildungs- und Kulturauftrag überhaupt zulässig und wird damit nicht erst recht Missbrauch und Filz Tür und Tor geöffnet?

In jedem Vertrag, den ich als Schauspieler heute unterschreibe, gebe ich sämtliche relevanten Verwertungsrechte an meiner ja doch auch per se urheberischen Leistung, weltweit und für die Ewigkeit, für alle bekannten und sogar für alle in Zukunft noch zu erfindenden Verwertungsarten ab – bis hin zu Merchandising-Rechten für die meist nicht zustimmungspflichtige oder gar beteiligungsrelevante Vermarktung meines Namens und Konterfeis auf Merchandising-Artikeln.

Nachdem in den zweisprachigen Netflix-Verträgen auch schon mal die Klausel enthalten ist, dass der Darsteller für Weltgegenden, in denen ein Urheberrecht nach US-Vorbild gilt, sich zumindest bereit erklärt, für die im Vertrag vereinbarte Gage, da wo das entsprechende Recht gilt, auch sein Urheberrecht(!) vollständig abzugeben, haben nun auch unsere öffentlich-rechtlichen Anstalten bzw. deren beauftragte Produktionsfirmen inzwischen solcherlei Bedingungen in das „Kleingedruckte“ ihrer Verträge aufgenommen. Man will ja mithalten können. Hat man doch zum Zweck der lukrativen und weltweiten Pay-TV- und Streaming-Auswertung nach Netflix-Vorbild längst die passenden und damit betrauten privatwirtschaftlichen Tochterfirmen so praktisch unter dem öffentlich-rechtlichen Dach.

Ich habe durchaus, aber nur in begrenztem Rahmen, die Möglichkeiten, das mehrseitige und immer voluminöser gestaltete Kleingedruckte zu ändern. Auch Corona hat dafür gesorgt, dass Sie inzwischen nicht nur einen, sondern bis zu vier gesplittete Verträge erhalten, die natürlich alle voneinander abhängen und vom Darsteller oder seiner Agentur einzeln unterschrieben werden müssen. Ein Vertragswerk von insgesamt über 40 Seiten, bei dem Sie höllisch aufpassen müssen, dass nicht ein von ihnen mühsam in einem Teil erstrittener und somit geänderter Vertragspunkt nicht in einem anderen Vertragsteil wieder relativiert wird, das ist da keine Seltenheit. Und selbstverständlich liegt die Haftung für den durch einseitig von mir verursachten Vertragsverstoß, beispielsweise gegen detailliert vorgegebene Corona-Regeln, bei mir.

Während andererseits der Arbeitgeber nicht haftet für gesundheitliche Konsequenzen, die mir gegebenenfalls aus der laxen Umsetzung der gleichen Corona-Regelungen am Set erwachsen.

Nahezu jede Agentur und deren Klienten beugen sich dem Diktat des „Kleingedruckten“. Theoretisch kann der Sender mit all dem von mir inzwischen vorhandenen digitalen Material und den ihm gegen die Bruttogage überlassenen weltweiten Nutzungsrechten ohne jegliche zeitliche Einschränkung dafür eine x-beliebige neue Figur für vollständig virtuelle Fiktion-Filme oder auch Werbung generieren und könnte mich oder vielleicht auch meine Erben unter effektivem Einsatz der hauseigenen Rechtsabteilung locker zehn Jahre davon abhalten, diese Praxis wirksam zu unterbinden bzw. diese Art der Nutzung entsprechend zu vergüten. Ist das ethisch überhaupt tragbar? Was geschieht mit diesen Rechten? Wer verdient Geld damit und warum ist das überhaupt möglich, dass damit ohne weitere Zustimmung und adäquater Beteiligung Zweit-, Dritt- und Viertverwertungen vorgenommen werden können? Wer schützt eigentlich die Kreativen vor Missbrauch und Ausbeutung?

Inzwischen wachsen Generationen heran, denen öffentlich-rechtliches Fernsehen und seine Inhalte – genauso wie jegliches Urheberrecht – im wahrsten Sinne des Wortes (Verzeihung!) am Arsch vorbei gehen. Irgendwann in naher Zukunft wird es an maßgeblicher Position Entscheider aus dieser Generation geben, die ein sich selbst ständig zensierendes, seinem Bildungs-Auftrag längst nicht mehr gerecht werdendes, verwaltungstechnisch aufgeblasenes, ohne Maß und Ziel Geld verbrennendes, jegliche echte Kreativität verhinderndes, Menschen und ihren kreativen Output bewusst ausbeutendes System als absolut überflüssig betrachten werden und entscheiden, dass dieser ganze Moloch so schnell wie möglich auf dem Müllhaufen der Geschichte landet. Dann war’s das mit der ersten Reihe!


[«*] Der Autorenname ist ein Pseudonym – der echte Name ist der Redaktion bekannt.

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