TV-Serie mit Selenskyj: Ein Präsident als Kunstfigur

TV-Serie mit Selenskyj: Ein Präsident als Kunstfigur

TV-Serie mit Selenskyj: Ein Präsident als Kunstfigur

Ein Artikel von Irmtraud Gutschke

Seinen politischen Durchbruch verdankte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj der Hauptrolle in einer Fernsehserie. „Diener des Volkes“, ab 2015 ausgestrahlt, gab auch der 2018 gegründeten Partei ihren Namen, die jetzt in der Ukraine die Alleinherrschaft hat. Die erste Staffel (23 Episoden) ist in den Mediatheken von ARTE, ARD und ZDF verfügbar. Selenskyj als Schauspieler und als Präsident: Dem treuherzigen Geschichtslehrer Wassyl Holoborodko verdankt er sein Image. Soft-Power vom Feinsten. Von Irmtraud Gutschke.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Zuschauerecho war so groß, dass ARTE die erste Staffel der TV-Serie „Diener des Volkes“ nicht, wie angekündigt, am 31. März aus der Mediathek nimmt, sondern sie am 8. April ab 21.45 Uhr sogar im Abendprogramm zeigen will. Die Staffeln 2 und 3 wurden nun auch angekauft und sollen ab Mai in Originalversion mit deutschen Untertiteln verfügbar sein. Den Hauptdarsteller und Produzenten Wolodymyr Selenskyj wird’s freuen, zumal ihm auch das Studio „Kvartal 95“ gehört.

„Diener des Volkes“, zwischen 2015 und 2018 nach einer Idee von Wolodymyr Selenskyj gedreht, hat den Ausgang der Präsidentschaftswahl in der Ukraine 2019 maßgeblich bestimmt. Am 21. April 2019 wurde Selenskyj mit einer Mehrheit von 73 Prozent in einer Stichwahl gegen Petro Poroschenko zum Präsidenten. Bei der Parlamentswahl am 21. Juli 2019 gewann seine Partei „Diener des Volkes“ die absolute Mehrheit. Dabei gab es sie erst seit dem 31. März 2018. Erster Vorsitzender wurde Iwan Bakanow, Rechtsanwalt des von Selenskyj gegründeten Filmstudios „Studio Kvartal 95“. Als dieser 2019 zum Leiter des Geheimdienstes avancierte, wurde Dmytro Rasumkow, auch ein Selenskyj-Vertrauter, sein Nachfolger. Erstmals in der Geschichte der unabhängigen Ukraine kam es zu einer Alleinregierung. Der Präsident hat alle Macht in der Hand – zumindest jenen Teil der Macht, den die USA einem ukrainischen Präsidenten zugestehen.

Es müssen verschmitzte Leute gewesen sein, die es wagten, diese Polit-Comedy-Serie ins deutsche Fernsehen zu bringen. Das war im November 2021. Vor dem Hintergrund des Krieges fühlt es sich freilich seltsam an, wenn die turbulente, meist in Kiew spielende Handlung mit ihren Sitcom-, Comedy- und Slapstick-Elementen einen zum Lachen bringt. Als ob man sich selbst bei etwas Unerlaubtem erwischen würde.

23 Folgen hat die erste Staffel. Jede beginnt mit einem Lied, dessen Melodie man im Ohr behält: „Ich liebe mein Land, liebe meine Frau, liebe meinen Hund. Ich bin Mitglied von allem Möglichen auf der Welt. Fast ein Superman. Ich fange selten einen Streit an. Fast der ganze Hinterhof kennt mein Urteil ‚Diener des Volkes‘. Ich habe fast alles. Würde und Ehre, sogar Bravo-Rufe. Ein Privatflugzeug hat mir das Volk zugeteilt. Was denn? Ich habe ein Recht darauf. Auf dem Bauch (genau hier) lasse ich mir ein Tatoo machen ‚Diener des Volkes.‘“

Da radelt ein frischgebackener Präsident durch den Frühling und zeigt sich als ehrliche Haut. Als Geschichtslehrer hatte Wassyl Holoborodko kein Blatt vor den Mund genommen, was die Zustände im Land betraf. Schüler haben ihn dabei heimlich gefilmt und die Videos bei YouTube hochgeladen. Wie per Crowdfunding das Geld für seine Wahlkampagne zusammenkam, erstaunt ihn selbst, und dass er Präsident wird, kann er erstmal nicht fassen.

Köstlich zu sehen, wie er alles umkrempeln will, so, wie man es sich auch selber vorstellen würde. Der bürokratische Apparat wird verkleinert, Dienstkarossen werden abgeschafft. Das Parlament, die Rada, passt nun in einen viel kleineren Raum. Und es gibt keine Schlägereien mehr unter den Abgeordneten. Geschieden ist er, hat einen kleinen Sohn. Und auch als Präsident lebt er in einer viel zu kleinen Wohnung mit seinen Eltern, seiner Schwester und seiner Nichte.

Oligarchie, Korruption, Vetternwirtschaft

Was uns satirisch überspitzt erscheint, wird auf ukrainische Zuschauer einen anderen Eindruck gemacht haben: Endlich sagt jemand, wie es ist. Oligarchie: Immer mal wieder eingeblendet werden drei Männer, die Kraft ihres Vermögens die Politik an der Leine führen, Whisky trinkend, Kaviar essend oder im Massagesalon. Vetternwirtschaft: Holoborodko bildet ein Kabinett aus persönlichen Freunden, auch seine Ex-Frau gehört dazu, weil er den bisherigen Ministern nicht traut. Korruption: Raub an öffentlichen und privaten Mitteln. Daran kann auch die präsidiale Befehlsstruktur nichts ändern. Der Anordnung Holoborodkos zum Bau einer Straße folgt eine Kette von Telefonaten, wobei sich die zur Verfügung gestellten Finanzen verringern. Jeder hat sich was abgezweigt.

Was manch einem, gerade jetzt, als denunziatorisch scheinen könnte, ist die Beschreibung von Zuständen, wie sie nach dem Zerfall der UdSSR nicht nur für die Ukraine charakteristisch wurden. Schon mit dem Perestroika-Schwenk Richtung vorsichtige Liberalisierung im Wirtschaftsbereich, weil das Kommandosystem uneffizient geworden war, hatte Gorbatschow bei den Eliten Begehrlichkeiten geweckt. Mit dem Zerfall der Sowjetunion begann dann ein Wettrennen um das einstige „Volkseigentum“. Warum die Betriebe, die man verwaltete, nicht einfach besitzen? Warum nicht Anteile verkaufen, ob zum Zweck parasitärer Konsumtion oder neuer Investition? Die Entstehung des Kapitalismus setzt ursprüngliche Akkumulation voraus. Wie Marx diese in „Das Kapital“ beschrieb, geht es – ob im 15. Jahrhundert oder heute – dabei nicht eben fein zu.

Aus der bürokratischen Elite bildete sich eine neue Klasse von Eigentümern, die sich das gesellschaftliche Vermögen unter den Nagel rissen. So offensichtlich, wie das geschah, wurde Bereicherung zum allgemeinen Gebot. Nimm dir, was du kriegen kannst. Wie eine Furie geht Holoborodkos Schwester den Bruder an. Sie will leben „wie ein Mensch“ und verlangt eine gutbezahlte Stelle. Der Verteidigungsminister wird von seiner Frau verlassen. Die weint und schreit, weil er das ihm gezahlte Bestechungsgeld der Staatskasse gegeben hat. Was hätten sie sich alles dafür kaufen können!

Populismus gegen „die da oben“

So amüsant kann ein populistisches Machwerk sein: Das berechtigte Ressentiment gegen „die da oben“ wird aufgenommen und aufgelöst, weil Holoborodko ja wie Herkules im Augiasstall gegen den ganzen Filz kämpft. Wie es sein müsste im Land – wie in einer Familie eben oder unter Freunden – diese naive Vorstellung soll sich verwirklichen. „Im Namen der Geschichte wird ein allein auf individueller Verantwortung und persönlicher Verbindlichkeit beruhender Gerechtigkeitsbegriff propagiert, wobei soziale Probleme, Fragen der Ökonomie, der Rechtsstaatlichkeit oder gar des Krieges nicht vorkommen. Und wenn doch, werden sie lediglich als Effekte von korrupten Intrigen und oligarchischen Schattenregimen dargestellt“, schreibt Matthias Schwarz im Blog des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin über die Selenskyj-Serie. „Alle Komplexität einer globalisierten Welt wird auf die simple Logik einer von einzelnen Drahtziehern und Glücksrittern beherrschten Wirklichkeit reduziert.“ Und ich überlege, wie verbreitet auch hierzulande der Traum von einem „guten Führer“ ist.

Aggressive Wertepolitik

Dem einstigen Geschichtslehrer kommen immer mal wieder historische Gestalten vor Augen: Plutarch, Machiavelli, Ludwig XVI., Lincoln, Al Capone, Che Guevara, die ihn zu härterem Durchgreifen anstacheln. Iwan der Schreckliche rät zu öffentlichen Hinrichtungen, um die Korruption zu bekämpfen. „Wir sind doch slawische Brüder.“ Holoborodko wehrt sich gegen die Umarmung: „Wir gehen einen anderen Weg – nach Europa.“

Dabei führt die Filmserie vor Augen, wie weit die Zustände im Land vom europäischen Wertekanon entfernt sind. Von Demokratie kann nicht die Rede sein. Und was ein patriarchalisches Weltbild bedeutet, hier kann man es sehen. Junge, schöne Frauen sind für alte erfolgreiche Männer nur Garnitur. Ohne die kluge Oksana wäre der Außenminister ein Nichts, aber er schaut auf sie herab. Zwei attraktive Vertreterinnen des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Bank für Wiederaufbau werden besoffen gemacht. Wieder nüchtern, fordern sie dennoch die Rückzahlung von Krediten, die an politische und ökonomische Auflagen gebunden waren.

So wie die USA bereits vorher in Lateinamerika wirtschaftlich und militärisch ihre Interessen durchgesetzt haben, setzten sie es in Osteuropa fort. In aller Offenheit ist seit 1990 vom „Washington Consens“ die Rede, einem Bündel von Maßnahmen, um die Vormacht der USA nach dem Zusammenbruch der UdSSR zu sichern und auszubauen. „Die Position, der Westen habe die Transformationsprozesse im post-sowjetischen Raum von außen zu steuern“, war mit einer „Strategie der Gleichzeitigkeit der Transformation aller politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Systeme“, mit einem „Frontalangriff“ auf alles Bisherige verbunden, erklärt Arne C. Seifert in seinem Band „Friedliche Koexistenz in unserer Zeit“. Gerade heute kann man sehen, wie der westliche „Wertekanon“ zur politischen Waffe wird im vermeintlichen Kampf zwischen Gut und Böse. Manipulationstechnik zur Kriegseinstimmung. Es schaudert einen.

Die Ukraine als Brückenkopf gegen Russland: Da spielt es keine Rolle mehr, dass die westliche Wertepolitik dort an Grenzen stößt. Was man indes jedem Land zugestehen muss. Aber vor dem acht Jahre währenden Krieg gegen die sogenannten „Separatistengebiete“ hat man hierzulande ebenso die Augen verschlossen wie vor dem Erstarken nationalistischer, ja nazistischer Bewegungen. Im Gegenteil, sie wurden gefördert, wie einst die islamistischen Kräfte in Afghanistan, als es gegen die Sowjetunion ging.

Dass viele Menschen in der Ukraine eine Entwicklung Richtung Westen befürworteten, meinte vornehmlich den Lebensstandard. Dass die dem Osten verordnete „Schocktherapie“ als „Stabilisierungs-, Liberalisierungs- und Privatisierungsprogramm natürlich kein Wachstumsprogramm“ war, wie der Nobelpreisträger für Wirtschaft Joseph Stiglitz feststellt, war indes bald zu spüren. Mehr noch, jene Eliten und Kapitalismen wurden dadurch erst befeuert, gegen die westliche Wertepolitik nun angeblich zu Felde zieht.

Soft-Power vom Feinsten

„Diener des Volkes“? Wer ist denn das Volk? Im Film ist es eine aufgebrachte, manipulierte Masse. „Sei es beim Euromaidan oder vorm Regierungssitz, jede größere Menschenansammlung ist bestellt und bezahlt“, bringt es Matthias Schwarz auf den Punkt. „Handelt es sich um einzelne Straßenbauarbeiterinnen, Taxifahrer oder Verkäuferinnen, dann schimpfen sie ähnlich wie noch der Lehrer Holoborodko auf die da oben, solange sie keine Chance haben, selber von der Korruption zu profitieren.“ Als der Präsident sich einer zornigen Menge stellt, die ihn wegen Preissteigerungen für Alkohol bedrängt, ruft er: „Putin ist gestürzt“, und alle sind still. Auf geradezu selbstverständliche Weise sind der Serie Nationalismus und Russophobie eingeschrieben – in winzigen, umso wirksameren Dosen. Soft-Power vom Feinsten.

Der Aufstieg Selenskyjs ist erstaunlich! Man weiß zwar, dass hinter Selenskyj der mächtige Oligarch Igor Kolomojski stand, mit dem er sich inzwischen entzweit haben soll. Aber war es Kolomojski allein? „Hier zeichnet sich nicht nur ein neues Verhältnis von digitaler Wirklichkeit und politischer Öffentlichkeit ab, sondern auch eine neue Form des Populismus, die nicht auf nationalistische Diskurse und reaktionäre Denkmuster baut, sondern antistaatliche und neoliberale Affekte miteinander verbindet“, urteilt Matthias Schwarz.

Selenskyj, aus dem russischsprachigen Süden des Landes stammend, übernahm Poroschenkos aggressive antirussische Rhetorik erst einmal nicht. Doch setzte er die Ukrainisierung des Staatsapparats und des Bildungssystems fort. Zunächst hatte er noch Friedensverhandlungen mit den abtrünnigen „Volksrepubliken“ und Russland als Ziel genannt. Doch schließlich ließ er sich im Tarnanzug mit kugelsicherer Weste in den Stellungen der ukrainischen Armee filmen.

Acht Jahre Krieg mit 13 000 Toten

Konnte er nicht anders? Ist er am Widerstand derjenigen gescheitert, die hinter jedem Kompromiss Landesverrat gewittert hätten? Lässt die Schutzmacht USA ukrainischen Präsidenten (egal, welcher Couleur) überhaupt irgendwelchen eigenen Handlungsspielraum? Der Konflikt im Donbass hat in acht Jahren schon mehr als 13 000 Tote gefordert. Dass die Ukraine einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führte, ist vom Westen kaum zur Kenntnis genommen worden, als hätte Russland aus heiterem Himmel eingegriffen. Aber zur Anerkennung der vornehmlich von Russen bewohnten Republiken von Donezk und Lugansk wäre es nicht gekommen, wenn ihnen innerhalb der Ukraine ein Sonderstatus gewährt worden wäre. Die heutige Eskalation hätte vermieden werden können. Aber sollte sie das? Hat der Lehrer Holoborodko im Film dem jetzigen Präsidenten nicht jenes Image gegeben, das ihn für die derzeitige Lage geradezu prädestiniert? „Die Bilder haben ein Eigenleben“, wie einer der Oligarchen im Film sagt.

Holoborodko/Selenskyj: Sie wirken ja so durchweg anständig auf uns, dass wir uns kaum vorstellen können, dass der reale Präsident zu den 38 ukrainischen Politikern gehört, die Geld auf Offshore-Konten versteckt haben. Die sogenannten „Pandora-Papers“ enthüllten im Herbst 2021 seine Beteiligung an einem ganzen Netzwerk internationaler Firmen. Niemand empört sich darüber, dass er in einer Videobotschaft am 20. März das Verbot von elf Oppositionsparteien verkündet hat. Der Sicherheitsrat der Ukraine ordnete zudem an, alle Fernsehsender, die Informationsprogramme verbreiten, zu einem einheitlichen Programm zusammenzuschalten. Wie in der Serie „Diener des Volkes“ Journalisten die herrschende Politik hinterfragen, wurde einem eine Ukraine vorgegaukelt, die es so nicht gab. Denn alle großen Fernsehanstalten gehören irgendwelchen Oligarchen.

Ein Land auf „zwei tektonischen Platten“

Der TV-Präsident Holoborodko hat recht, wenn er sagt: Die Ukraine ist ein erniedrigtes Land, erpressbar gemacht durch fremde Zuwendungen und Kredite, von denen man nicht weiß, wieviel davon auf privaten Konten verschwindet oder in Waffengeschäfte geht. Ein Land auf „zwei tektonischen Platten“, wie es Holobordko einmal sagt. Denn es ist nicht nur ein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, der uns jetzt in Atem hält. Es ist ein Stellvertreterkrieg zweier Großmächte, von denen eine die Hegemonie in der Welt beansprucht, was ihr die andere nun streitig macht. Die USA sind in geografischer Sicherheit. Europa wird mittels antirussischer Sanktionen in eine gefährliche Abhängigkeit, ja Konfrontation gelockt. Als ob Russland gezwungen werden könnte, den einmal begonnenen Krieg abzubrechen.

Hoffnung auf Selenskyj?

„Volodymyr Selenskyj, der ukrainische Schauspieler, der Präsident geworden ist, scheint nun die einzige Person zu sein, die Frieden mit Russland schließen und den Krieg beenden könnte“, meint der Diplomat Michael von der Schulenburg. Oder spitzt Selenskyj im Gegenteil die Lage zu? Wer wäre denn besser geeignet als er, mit entschlossen-traurigem Blick, Europa und die USA zu bitten, sein Land in diesem Kampf zu unterstützen? Ein David, der im kurzärmligen T-Shirt einem Goliath die Stirn bieten will: Indem er unentwegt Angriffswaffen fordert und eine Flugverbotszone, macht er Stimmung für einen europäischen Vernichtungskrieg. Hatte er nicht schon vor dem 24. Februar laut darüber nachgedacht, dass die Ukraine Atomwaffen braucht? Dass sie diese selber herstellen könnte, ist wohl einer der Kriegsauslöser gewesen.

Demonstrativ blieb er im Lande. Sein Rating dürfte steigen. Dass der russische Kriegseinsatz die „Derussifizierung“ vorangetrieben habe, meint er jetzt. Ein nachvollziehbares Argument. In Moskau mochte man sich eine Ukraine vorgestellt haben, die zwischen Russland und Westeuropa ein Bindeglied sein könnte. Stattdessen baut die Nato nun ihre Ost-Flanke aus, Russland wird moralisch und wirtschaftlich ins Abseits gedrängt. Allerdings haben nur westliche Länder und ihre üblichen asiatischen Verbündeten wie Japan, Australien und Singapur harte Sanktionen gegen Russland verhängt, wie Michael von der Schulenburg betont. „Praktisch kein asiatisches, nahöstliches, afrikanisches oder lateinamerikanisches Land hat sich ihnen angeschlossen, unabhängig davon, ob sie die Resolution der UN-Generalversammlung unterstützt haben oder nicht. Nicht einmal das NATO-Mitglied Türkei oder der enge Verbündete des Westens, Israel, haben Sanktionen beschlossen. Die verfeindeten Parteien des Westens und Russlands repräsentieren zusammen nur etwa 10 % der Weltbevölkerung, und ihr Anteil nimmt rapide ab. Es scheint, dass die anderen 90 % der Weltbevölkerung sich nicht an diesem Krieg beteiligen wollen.“

Dass Sanktionen nicht in europäischem, geschweige denn in deutschem Interesse sind, die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Wird die hierzulande vorherrschende Kriegspropaganda auf Dauer den Missmut in der Bevölkerung übertünchen? Je länger der Krieg dauert, umso größer wird die Furcht vor weiterer Eskalation. Irgendwann wird es einen Friedensvertrag geben müssen. Im Interesse der USA ist es, dies zu verzögern, im Interesse der Ukraine nicht. Dass Putin lieber einen anderen ukrainischen Präsidenten zum Partner hätte, ist zu vermuten. Aber würde es für Selenskyj – bei entsprechender Kommunikation – nicht eine Paraderolle sein?

„Es wäre eine der herzerwärmendsten Erfolge der europäischen Geschichte, wenn ein junger ukrainischer Mann mit jüdischen Wurzeln es schaffen würde, der Ukraine in seiner größten Not den Frieden zu bringen, also einem Land, in dem einst die grausame Massenvernichtung von sechs Millionen Juden begann, als 1941 unter deutscher Besatzung 33.000 Juden in Babin Jar bei Kiew ermordet wurden“, schreibt Michael von der Schulenburg. Sein Wort in Gottes Gehörgang. Selenskyj könnte dafür tatsächlich den Friedensnobelpreis bekommen.

Allerdings hat Holoborodko im Film immer eine graue Eminenz zur Seite. Und in der letzten Staffel, als er eine große Fernsehansprache gegen die Korruption hält, sieht man hinter den Kulissen einen farblosen Mann auf ihn zielen.


Quellen:

Titelbild: photocosmos1 / shutterstock.com

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!