1. Mai in Moskau – Kommunisten stellen sich hinter den Einmarsch

1. Mai in Moskau – Kommunisten stellen sich hinter den Einmarsch

1. Mai in Moskau – Kommunisten stellen sich hinter den Einmarsch

Ulrich Heyden
Ein Artikel von Ulrich Heyden

Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) hat sich hinter den russischen Einmarsch in die Ukraine gestellt. Momentan gehe es auch darum, eine multipolare Welt aufzubauen, so der Vorsitzende am 1. Mai: Bei einem Frieden unter US-amerikanischer Oberhoheit sei der nächste Krieg „vorprogrammiert“. Von einer Kundgebung der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation in Moskau berichtet Ulrich Heyden.

Schon das dritte Jahr in Folge fanden in Moskau am 1. Mai keine Demonstrationen statt. In Russland standen die Mai-Feierlichkeiten im Zeichen von Äußerungen „Für den Frieden“ und der Unterstützung der russischen Armee in der Ukraine. Das „Z“-Symbol war auf zahlreichen von den Gewerkschaften organisierten Demonstrationen zu sehen. Unter diesem Link finden Sie ein Video über Demonstrationen mit dem Z-Symbol in Wladiwostok und Chabarowsk. In Moskau kam am 1. Mai ein Korso von 70 PKWs mit dem Z-Symbol an. Die Autos kamen aus ganz Russland. Einige der Fahrer waren schon eine Woche unterwegs gewesen.

Mit roten Fahnen am Marx-Denkmal

Auf dem „Platz der Revolution“ in Moskau hatten sich am 1. Mai an dem großen Marx-Denkmal aus grauem Granit 1.500 Menschen unter roten Fahnen versammelt. Es war an diesem 1. Mai in Moskau die einzige linke Kundgebung. Das ist für eine 14-Millionen-Stadt wie Moskau sehr wenig.

Die 80-jährige Tatjana Nikolajewna, mit der ich von der U-Bahn zur Kundgebung ging, erklärte mir, warum es so wenige waren. „Die Leute müssen auf den Datschen Kartoffeln anpflanzen. Denn die kosten jetzt das Kilo schon 100 Rubel (vorher 60 Rubel).“ Tatjana, die als Französisch-Übersetzerin arbeitete und ein fröhliches Gesicht machte, hatte sich zur Feier des Tages eine rote Schleife auf ihren schwarzen Mantel gesteckt. Ob der Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine richtig war, frage ich die alte Dame. Ja, das sei richtig gewesen. „Man muss gegen den Nationalismus kämpfen.“

Sie sei als Kriegskind Opfer des deutschen Faschismus geworden, erzählte Tatjana. Sie erinnere sich, dass ihr Vater sie als Dreijährige in die Luft geworfen habe. Danach habe sie den Vater nie wieder gesehen. Als „Kind des Krieges“ habe sie nach dem Krieg verschiedene Privilegien erhalten, so eine kostenlose Wohnung.

„Wegen Corona“ keine Großveranstaltungen

Die Kundgebungsteilnehmer auf dem Moskauer „Platz der Revolution“ zeigten rote Organisationsfahnen, das waren die Fahnen der KPRF mit Hammer und Sichel, die Fahnen der “Linken Front“ mit einem weißen Stern sowie Fahnen der „Bewegung für einen neuen Sozialismus“ mit einer aufgehenden Sonne und einer Möwe. Der Gründer der Bewegung, der ehemalige Diplomat Nikolai Platoschkin, stand mit auf der Rednertribüne, sprach aber nicht. Auf der Kundgebung vertreten war auch die trotzkistische „Revolutionäre Arbeiterpartei“.

Die Stadtverwaltung hatte den Kommunisten nur ein 30-minütiges „Gespräch mit Abgeordneten“ unter freiem Himmel erlaubt, teilt der Kundgebungsleiter der Versammlung mit. Obwohl die Masken-Pflicht in Moskau schon vor zwei Monaten gefallen ist, musste das Corona-Argument nochmal herhalten, um Großveranstaltungen am 1. Mai in Moskau zu untersagen.

KPRF stellte sich hinter die Militäroperation in der Ukraine

Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), Gennadi Sjuganow, erklärte auf der Moskauer Kundgebung:

„Die Angelsachsen haben den Hybrid-Krieg erklärt, an allen Fronten, von den Finanzen über die Wirtschaft und die Technologien bis zur Ukraine, wo unter Leitung des CIA und der Bandera-Leute beschlossen wurde, den friedliebenden Donbass zu okkupieren.“

In der Ukraine sei es „den Angelsachsen gelungen, die Bevölkerung mit dem Nationalismus zu vergiften“. Es sei ein Krieg „gegen die russische Welt.“

Russland versuche mit dem Krieg in der Ukraine, drei Aufgaben zu erfüllen. Zunächst gehe es darum, eine multipolare Welt aufzubauen. Bei einem Frieden unter amerikanischer Oberhoheit sei der nächste Krieg „vorprogrammiert.“ Außerdem kämpfe Russland in der Ukraine für „die russische Welt“, die in den Plänen der Angelsachsen „nicht vorkommt“. Das Ziel der USA sei, Russland „zu liquidieren“.

Sjuganow: „Lenin-Mausoleum muss am 9. Mai sichtbar sein“

Sjuganow wandte sich von der Redner-Tribüne an den russischen Präsidenten mit der Aufforderung, das Lenin-Mausoleum bei der Militär-Parade am 9. Mai nicht wie in den vergangenen Jahren mit Platten abzudecken.

Mit diesen Platten versuche sich „die fünfte Kolonne“ – gemeint sind die Liberalen in der russischen Regierung – von der „sowjetischen Epoche“ und den Generälen und Stalin abzuschotten, die den Sieg über Hitler-Deutschland 1945 organisiert haben. Man dürfe nicht vergessen, dass bei der Siegesparade 1945 Rotarmisten 200 eroberte Flaggen der Hitler-Wehrmacht vor das Mausoleum warfen, als Zeichen, dass der Sozialismus über den Faschismus siegt.

Sjuganow: Putin hat erkannt, dass der Kapitalismus in der Sackgasse ist

Sjuganow äußerte die Hoffnung, dass Wladimir Putin die Zeichen der Zeit erkannt habe, als er im Oktober 2021 auf dem Waldai-Forum erklärte, dass der Kapitalismus in eine Sackgasse geraten sei.

Putin hatte auf dem Forum erklärt, „das bestehende Modell des Kapitalismus“ sei „am Ende“. Dieses System habe sich in „Widersprüche verstrickt“. Selbst in den reichen Ländern verstärke sich die „ungerechte Reichtumsverteilung“, was zu „aggressiven Reaktionen“ in der Bevölkerung führe, was sich unter anderem bei den Protesten gegen die Corona-Beschränkungen gezeigt habe.

Mehrere linke Organisationen beteiligten sich

Am Rande der Moskauer KPRF-Kundgebung erklärte der Leiter der „Linken Front“, Sergej Udalzow, am 1. Mai müssten die Proletarier „auch in Russland und der Ukraine ihre Klasseninteressen erkennen“ und „sich nicht in einem unendlichen Krieg gegenseitig abschlachten“. Immerhin seien das Menschen, die früher in einem Land friedlich zusammengelebt haben.

Die Menschen im Donbass hätten „das Recht auf Unabhängigkeit und das Recht, in ihrer Sprache zu sprechen“, aber die russische Macht habe leider auch „eigennützige Ziele“. Mit einem erfolgreichen Krieg wolle man die „Popularität der Regierung steigern.“ Der Krieg im Donbass sei „schwierig und nicht ganz richtig“. „Das Kapital entscheidet heute seine Probleme und friedliche Menschen sterben“. Nicht alle Menschen in der Ukraine seien Faschisten, wie es die russische Propaganda behaupte.

Kundgebungs-Teilnehmer: „Jetzt können wir nicht mehr zurück“

Am Rande der Kundgebung kam ich mit einigen männlichen Kommunisten ins Gespräch. Einer von ihnen ist Leiter eines Moskauer Parteibezirks und verdient sein Geld im Reklame-Geschäft. Ich fragte ihn, was er vom Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine halte. Der Mann antwortet, er habe – wie auch andere in der Partei – seine Zweifel gehabt, ob das richtig war. Aber jetzt, wo die russische Armee sich schon in der Ukraine befinde, sei klar, dass man siegen müsse. Das sei im Übrigen „kein Krieg gegen die Ukraine, sondern ein Krieg zwischen Russland und den USA und deren Verbündeten“.

Titelbild: Ulrich Heyden / Erster-Mai-Kundgebung der KPRF und anderer linker Organisationen am Karl-Marx-Denkmal in Moskau 2022

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