Business as usual

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Ein Artikel von Michael Fitz

Man genießt den Frühling und das warme Wetter. Autos sind wie immer blank gewienert, Einkäufe aller Art getätigt , die Mütter werden ins Grüne ausgeführt und ins schicke Lokal zum Essen eingeladen. Die endlose Flut der täglichen Werbe- und Spam-Mails reißt nicht ab. Man sorgt sich um meine Potenz, meinen Harndrang oder ich werde trotz (oder vielleicht wegen?) derzeit abstürzender Kurse ultimativ aufgefordert, endlich in Krypto zu investieren und man wird nicht müde, mir die Vorzüge dieser Anlagemöglichkeit ungefragt und täglich unter die Nase zu reiben. Es ist der 8. Mai, traditionell Muttertag in Deutschland, flankiert von den allseits präsenten Angeboten der Werbe- und Konsumwirtschaft. Von Michael Fitz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Szenerie wirkt alles in allem, als gäbe es keinen Krieg in der Ukraine und dessen wirtschaftliche Folgen. Und das nächste Ungemach wartet schon. Die durch das neuerlich beschlossene Öl- und Gasembargo der EU gegenüber Russland und Putins Reaktion darauf zu erwartenden Energiepreisanstiege. Dafür ist jetzt Fracking-Gas und Atomenergie wieder sowas von grün, dass man sich die Augen reiben muss.

An der Tankstelle zucken die Preise schon wieder merklich nach oben, aber vielleicht ist das ja auch nur dem Feiertag und den hier gerne vorgenommenen Aufschlägen geschuldet. In einem Nebensatz mal eben mit dem Kartellamt zu drohen, so wie das Herr Habeck, unser Wirtschaftsminister, neulich ein wenig halbherzig getan hat, ist sicher kein probates Mittel, um die Profitgier der Petro-Industrie auch nur geringfügig einzudämmen. Das hat dann eher Symbolcharakter. Offenbar scheint das bisher große Teile der Bevölkerung nicht zu stören.

Frieren für die Ukraine muss ja derzeit keiner. Diese graue Wolke am Horizont wird sich erst in der kommenden kalten Jahreszeit über das Land legen. Wer weiß, was sonst noch für Wolken hierher im Anmarsch sind. Deutschland befindet sich, Dank des ziemlich einhelligen Beschlusses unserer Volksvertreter, faktisch im Krieg, ist Kriegspartei. Das kann man jetzt erbsenzählerisch wegargumentieren, faktisch ist es so. Und wenn nicht die deutschen, dann auf jeden Fall die US-amerikanischen Nachschubbasen auf deutschem Boden sind Primärziele für russische Atomschläge, so begrenzt auch immer die möglicherweise ausfallen und so unwahrscheinlich das auch im Augenblick sein mag.

Die deutsche Presse und die deutschen Medien feiern sich als solidarisch und aufrecht und der Michel glaubt ihnen offenbar mehrheitlich. Dass all dies Gerede von der Vernichtung Russlands, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch, arg an in diesem Land ja schon mehrfach erfolgreich strapazierte, unappetitliche Kriegs-Propaganda erinnert, will man nicht, kann man nicht und darf man weder denken, sagen noch publizieren. Der Frame des naiven Pazifisten, gar des böswilligen Putinhelfers ist ganz schnell, reflexhaft und sehr effektiv aufgestellt. Auch die leider inzwischen alltägliche Hetze gegen Anders- oder Querdenkende und die so stattfindende Verengung des öffentlichen Meinungskorridors gründet auf der Angst vor Meinungsvielfalt und Diversität.

Da müsste man ja die eigene Expertise infrage stellen oder gar Fehler zugeben. Trotzdem ist sie da, die Angst. Ein Gefühl, das wir alle nicht haben wollen, weil das Leben doch angeblich ein Rundumsorglos-Wohlfühl-Paket sein soll. Planbar und kontrollierbar. Die Angst ist spürbar, rund um uns herum. In der Luft, die wir atmen, in der Blase, in der wir alle leben. Um die eben nicht zu spüren, wird wie zum Trotz gefeiert, Auto gefahren, konsumiert, was das Zeug hält und der Geldbeutel hergibt. Der Eine oder Andere wird Dank CORONA bereits von der Substanz leben, von Erspartem, von der Altersversorgung, bevor all das mühsam Angehäufte dem Wertverlust und der Inflation zum Opfer fällt…so kann man sich das auch schönreden.

Dabei werden immer noch schlechte Witze erzählt und es wird lautstark über Nichtigkeiten gestritten. Aber die Angst ist real. Das ist die gleiche namenlose Angst wie die, die man uns nun zweieinhalb Jahre lang medial eingebläut hat. Die Angst vor dem Killervirus, die derzeit trotz eindeutiger Gegenanzeigen nach wie vor kursiert. Aber da ist noch viel mehr. Die Angst vor den Folgen des Klimawandels, die Angst vor einer atomaren Auseinandersetzung. Haben will die keiner, diese Angst, also kompensiert man. Tut so, als ob alles ganz normal wäre, alles wie immer…wovor sollte man auch Angst haben? Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. Überall auf der Welt. Als ob das Schicksal wäre. So als ob es keinerlei Hebel gäbe, um diese Entwicklung aufzuhalten oder gar umzukehren. Vielleicht braucht es dazu eben mehr als mehrheitliche Passivität und Erstarrung. Vielleicht braucht es ein anderes Demokratie-Bewusstsein, neue politische Massenbewegungen, die gegen die leichtfertige Kriegshysterie, die ja im Grunde nur von den wahren Hintergründen und dahinterstehenden Interessen ablenken soll, vorgeht und diese zumindest in der breiten Öffentlichkeit benennt. Nichts Dergleichen ist in Sicht. Eine Medienlandschaft, die sich mit vollster Überzeugung instrumentalisieren lässt, muss, so scheint es, langfristig neu erfunden und ihrer weltanschaulichen Fixierung und Indoktrination beraubt werden.

Das wird nur gehen, wenn viele an einem Strick ziehen. Wenn die Vielen bereit sind, sich der namenlosen Angst zu stellen und sie auszuhalten. Sie also zunächst zu benennen und auszudrücken. Es ist immer gut, wenn man weiß, womit man es zu tun hat. Leute, die keine Angst haben oder spüren wollen oder grundsätzlich Angst vor der Angst haben, kann man bestens manipulieren. Ideologische Konzepte und Schubladen, in die man meist die Anderen steckt, sind auch nur ein Haltegerüst für die schon immer von vielerlei Ängsten und Zweifeln geplagte und gekrümmte menschliche Natur. Das wissen vor allem die Kreise, die ihre globalen Interessen, koste es, was es wolle, durchsetzen möchten und Kollateralschäden billigend in Kauf nehmen. Auch die sind getrieben. Von der Gier, aber eben auch von der Angst, ihre gewaltigen Vermögen, aber vor allem ihre Macht und ihre Einflussmöglichkeiten zu verlieren. Tröstlich, dass wir uns dann letztlich doch in einem zutiefst menschlichen Gefühl alle wiedertreffen.

Wenn immer mehr Menschen aus ihrer sozialen Isolierung, aus ihrer Telefonzelle heraustreten, Verantwortung für sich, ihr Umfeld oder gar ihr Land übernehmen und sich äußern, auch wenn sie dann Freunde und Kollegen verlieren oder vielleicht einem Shitstorm in den sozialen Medien, die ohnehin nur eine Illusion von Gemeinschaft erzeugen, ausgesetzt sind. Davor kann man weiß Gott Angst haben. Aber wenn man die erstmal hat und aushält, landet man unweigerlich mitten in der Realität, so wie sie ist. Das ist nicht angenehm, das Leben außerhalb der Illusions-Blase ist in diesen Tagen kein Ponyhof. Aber es ist allemal besser als das, was wir angesichts eines gefährlichen, kriegerischen, möglicherweise atomaren Konfliktes in Europa, einer durch die Ignoranz und den Leichtsinn unserer politisch derzeit Verantwortlichen zu erwartenden Wirtschaftskrise und Geldentwertung, einer beispiellosen Hungersnot in weiten Teilen der dritten Welt und der dazu noch uns allen drohenden Klimakatastrophe und ihrer unabsehbaren Folgen zu erwarten haben, wenn wir so weitermachen wie bisher: nämlich sehenden Auges und starr vor Angst in eine vor allem europäische Katastrophe treiben. „Business as usual“ ist die so beruhigende wie bequeme Losung, die wir dringend hinterfragen müssten.

Titelbild: Liderina/shutterstock.com

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