Die Notwendigkeit von Propaganda für die Macht

Die Notwendigkeit von Propaganda für die Macht

Die Notwendigkeit von Propaganda für die Macht

Ein Artikel von: Redaktion

Der französische Philosoph Jacques Ellul zeigt in seinen Arbeiten, dass die Natur der Propaganda in der Anpassung des Individuums an eine Gesellschaft besteht, die darauf abzielt, das Individuum dienstbar und konform zu machen. Er entschlüsselt, wie Propaganda im modernen demokratischen Staat in allen Bereichen des täglichen Lebens zum Einsatz kommt. Kürzlich ist sein Buch „Propaganda. Wie die öffentliche Meinung entsteht und geformt wird“ zum ersten Mal auf Deutsch erschienen. Rainer Mausfeld sagt über das Buch: „Ein bahnbrechender Klassiker der Propagandaforschung mit visionären Einsichten in die totalitären Gefährdungen der modernen Informationsgesellschaft – eine gedankliche Fundgrube für alle, die besser verstehen wollen, wie Menschen dazu gebracht werden können, freiwillig zu gehorchen.“ Ein Auszug.

In einer Demokratie müssen die Bürger an den Entscheidungen des Staates beteiligt werden. Dies ist die große Rolle, die Propaganda zu spielen hat. Den Bürgern muss das (von ihnen ersehnte und sie befriedigende) Gefühl verliehen werden, »das Handeln der Regierung gewollt zu haben, für es verantwortlich zu sein, sich dafür einzusetzen und zum Erfolg zu führen; salopp gesagt, ›dabei‹ zu sein«. Als Hauptwerkzeug in dieser Sache macht Léo Hamon Parteien, Gewerkschaften und Verbände aus. Das ist jedoch unzureichend. Damit die öffentliche Meinung nicht beliebig, sondern an die Taten der Macht andockt, muss im Grunde direkt und emotional aufgeladen agiert werden. Ein amerikanischer Autor schreibt: »Die US-Administration strebt fast immer danach, außenpolitisch tätig zu werden, kann dies aber nur, so es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, an der ein großer Teil der Öffentlichkeit interessiert ist, mit der offenkundigen Unterstützung einer wesent­lichen Mehrheit eben dieser Öffentlichkeit erfolgreich tun.« Er unterstreicht, dass der Öffentlichkeit bisweilen Zugeständnisse gemacht werden müssen, doch »wenn der Präsident wirklich meinungsführend ist und die Öffentlichkeit die Bilanz der internationalen Politik der Regierung insgesamt als zufriedenstellend einschätzt, dann wird es keine großen Zugeständnisse zu machen geben, um sich des nötigen Einverständnisses zu versichern!« So findet sich bestätigt, was auf dem modernen Staat, und sei er demokratisch verfasst, schwer lastet: die Notwendigkeit, mittels Propaganda zu agieren. Er hat keine andere Wahl.

Doch dieselbe Analyse muss auch auf einer anderen Ebene durchgeführt werden. Wir trafen auf das Dilemma, in dem sich der Staat faktisch befindet. Nun, seit dem 18. Jahrhundert hat der demokratische Prozess die Vorstellung einer neuen Berechtigung der Macht erst behauptet, dann die Massen durchdringen lassen. Nach allen Theorien zu ihrer Legitimität sind wir mittlerweile bei jener berühmten Theorie von der Souveränität des Volkes angelangt. Legitim ist die Macht, wenn sie aus der Souveränität des Volkes hervorgeht, wenn sie auf dem Volkswillen beruht und diesen verkörpert und gestaltet. Aus theoretischer Sicht lässt sich endlos über die Gültigkeit dieser Konzeption diskutieren, ihren historischen Ursprüngen nachforschen und die Frage aufwerfen, ob Rousseau all das gewollt hat oder nicht. Allerdings ist aus dieser recht abstrakten philosophischen Theorie eine allgemeine Vorstellung geworden, die unbestreitbar die Geisteshaltung des Durchschnittsmenschen bestimmt. Für den durchschnittlichen Menschen des Westens ist der Wille des Volks heilig, eine Regierung, die diesen Willen nicht abbildet, eine verabscheuungswürdige Diktatur. Jedes Mal, wenn das Volk spricht, hat die Regierung ihm zu folgen. Ihre Berechtigung speist sich aus keiner anderen Quelle: fundamentale Vorstellung, kollektives Vorurteil, das zur Ordnung des Glaubens, der Evidenz und nicht der Doktrin oder der rationalen Konstruktion gehört. Nun hat sich dieser Glaube seit etwa 30 Jahren sehr schnell verbreitet. Wir finden denselben unerschütterlichen und absoluten Glauben mittlerweile in allen kommunistischen Ländern, und auch im Islam, der davon doch weit entfernt schien, beginnt er langsam für Furore zu sorgen. Die Ansteckungskraft einer derartigen Formel scheint unerschöpflich.

Dass eine Regierung allein dann Legitimität besitzt, sich als solche nur behaupten kann, wenn ihr die Unterstützung der Volkssouveränität sicher ist und sie beweisen kann, dass sie den Willen des Volkes zum Ausdruck bringt, ist die Kehrseite der Medaille. Eine Regierung, die jenen Glauben nicht zu befriedigen weiß, würde zwangsläufig hinweggefegt. Diesem mystischen Glauben an die Souveränität des Volkes gemäß versuchen alle Diktatoren zu zeigen, dass sie diese Souveränität verkörpern. Lange Zeit ging man davon aus, dass die Theorie von der Souveränität des Volkes mit der Demokratie verknüpft sei. Man hätte sich jedoch daran erinnern sollen, dass derlei Doktrin, als sie zum ersten Mal zur Anwendung kam, die erstaunlichste Diktatur gebar: die der Jakobiner. Es ist also längst kein Skandal, wenn heutige Diktaturen auf die Souveränität des Volkes bauen. Allerdings ist dieser Glaube derart stark, dass jede Regierung seiner Befriedigung stattgeben und den Anschein, selbst daran zu glauben, erwecken muss. Daher ist es für Diktatoren auch notwendig, Plebiszite und Wahlen abzuhalten.

Jacques Ellul: „Propaganda. Wie die öffentliche Meinung entsteht und geformt wird“, 468 Seiten, aus dem Französischen von Christian Driesen, Westend Verlag 2021

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