Markus Lanz und der Krieg gegen Ulrike Guérot

Markus Lanz und der Krieg gegen Ulrike Guérot

Markus Lanz und der Krieg gegen Ulrike Guérot

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Die Sendung Markus Lanz vom 2. Juni muss man gesehen haben. Sie zeigt, was passiert, wenn ein Moderator die Kontrolle verliert und in einer Sendung sich berufen fühlt, zum Krieg zu blasen. Inhaltlich ging es an diesem Abend um den Krieg in der Ukraine. Doch nach 15 Minuten stellte sich heraus: Der Moderator und zwei seiner Gäste eröffneten während der Diskussion gemeinsam eine eigene Front – gegen die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Guérot vertrat in der Diskussion eine friedenspolitische Position. Das war offensichtlich für Lanz, die Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und den Journalisten Frederick Pleitgen zu viel. Wenn sie schon nicht den Krieg in der Ukraine gewinnen können, sollte wohl wenigstens ihr Krieg gegen eine Stimme des Friedens gewonnen werden. Lanz und Co zeigten, wie es aussieht, wenn ideologische Verblendung und gespaltene Zungen auf klaren Verstand und Analysefähigkeit treffen. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Von deutschen Medien ist man seit geraumer Zeit einiges gewöhnt, was das Schüren von Kriegsstimmung angeht, aber die Lanz-Sendung vom Mittwochabend zeigte etwas Neues.

Wie sieht der Versuch aus, mit viel ideologischer Verblendung, fehlendem Sachverstand , Doppelmoral und einer Politik der gespaltenen Zunge eine Stimme des Friedens mundtot zu machen? Markus Lanz, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und der CNN-Journalist Frederick Pleitgen haben diesen Versuch durchgeführt – mit großem Engagement. Gescheitert sind sie dennoch. Sie wollten, der Eindruck ist entstanden, die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot gemeinsam vorführen. Wieder und wieder attackierten sie Guérot, die im Hinblick auf den Ukraine-Krieg einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen fordert. Der Versuch ist misslungen. Als Zuschauer merkt man, wenn ein Gast auf ungerechtfertigte Weise in die Mangel genommen wird. Wenn drei auf einen einschlagen, dann empfinden allenfalls sehr „spezielle“ Charaktere Sympathie für die Prügelnden.

Während Guérot ein ums andere Mal versuchte, ihre Position darzulegen, nämlich: dass der Krieg nur am Verhandlungstisch zu einem Ende kommen könnte, setzen Lanz und seine Mitstreiter anstelle von Argumenten auf Empörung, Moralisierung, Emotionalisierung und eine verzerrte Realität. Insbesondere Strack-Zimmermann hat sich dabei als Spezialistin erwiesen. Die FDP-Politikerin, die als Verfechterin von Waffenlieferungen an die Ukraine bekannt ist, verglich allen Ernstes den Krieg in der Ukraine mit einem Überfallopfer in einem Park, das zur Polizei gehe und doch dort selbstverständlich auf Hilfe hoffen dürfe. Dass eine Politikerin, die immerhin den Verteidigungsausschuss leitet, mit einem derart realitätsverzerrenden Vergleich versucht, in der Diskussion zu „punkten“, ist bezeichnend für die „Qualität“ der Sendung. Während der Überfall im Park sowohl strafrechtlich und moralisch leicht zu erfassen ist, geht es bei dem Krieg in der Ukraine um hochkomplexe politische und tiefenpolitische Zusammenhänge, bei denen nicht nur eine Tat vorliegt und nur eine Person betroffen ist. Es geht um eine Verkettung von Entscheidungen von zahlreichen involvierten (Kriegs-)Parteien, die dazu führen, dass jeden Tag hunderte von Soldaten an der Front sterben und ein ganzes Land kriegstraumatisiert ist – ganz zu schweigen von den sekundären Auswirkungen, die sich im Hinblick auf eine völlig aus dem Ruder laufende Sanktionspolitik ergeben. In Strack-Zimmermanns unterkomplexem Vergleich ist kein Platz für die Tiefenpolitik der USA, für einen Stellvertreterkrieg und die Implikationen, die sich daraus für eine Unterstützung der Ukraine ergeben. Sie redet, bewusst Emotionen schürend, von „Massenvergewaltigungen“ und getöteten Ukrainern, ganz so, als sei ihre Kriegspolitik nicht mitverantwortlich für die Schrecken des Krieges.

Guérot hingegen spricht das aus, was Lanz förmlich das Erstaunen ins Gesicht meißelt. Die Professorin der Universität Bonn fragt ihrer Disziplin als Politikwissenschaftlerin alle Ehre bereitend: „Über welchen Krieg sprechen wir denn eigentlich?“ Lanz fragt daraufhin völlig verdutzt: „Gibt es denn mehrere Kriege?“ Und muss sich dann eine Lehrstunde in kritischer Politikwissenschaft erteilen lassen: Es gibt einen „ukrainischen Bürgerkrieg“, einen „russischen Angriffskrieg“, einen „Stellvertreterkrieg der NATO“ und einen „Informationskrieg“. Und dann sagt Guérot auch noch: „Der Schlüssel zu diesem Konflikt liegt bei Amerika.“ All das und noch viel mehr war jener Fraktion, die unbedingt mit Waffen Frieden in der Ukraine schaffen will, zu viel.

Guérot sollte nicht mehr ihre Gedanken ausbreiten dürfen. Das ging gar so weit, als Guérot – wohl auch unter dem Druck – ein falsches Datum benannte, Lanz in ihre Ausführungen reingrätschte und immer wieder das richtige Datum nannte, ganz so, als ob das irgendetwas zur Sache beitragen würde.

So wie Lanz vermochte es auch Pleitgen nicht, seinem Beruf als Journalist gerecht zu werden und mit jener kritischen Distanzierung in die Diskussion einzusteigen, die für einen Journalisten eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Seine Sprache war verräterisch. Immer wieder sprach er aus Sicht der NATO bzw. der Ukraine und gebrauchte die erste Person Plural. „12 Raketen können wir dann schießen“, so Pleitgen im Hinblick auf Langstreckenartilleriesysteme, die die Ukraine erhalten sollte. Bei dieser Sprache ist zu konstatieren: Das klingt verdächtig nach einem Journalisten, der selbst zur Kriegspartei wird.

Wenn Parteilichkeit dann auch noch auf Unwissenheit trifft, wird es besonders schlimm. Gegen Ende der Sendung zeichnete Lanz wieder das Bild von Putin, der als Bock in dem Krieg alleine stößt und sagte zu Guérot: „In die Ukraine geht ja kein anderer rein außer Putin.“ Davon, dass die CIA seit Jahren in der Ukraine operiert, also in die Ukraine „reingegangen“ ist, hat Lanz wohl noch nichts gehört.

Bereits nach 25 Minuten sagte Lanz zu Guérot bei einer Stimmung, die völlig aufgeladen war: „Frau Guérot, bevor das hier völlig entgleitet…“ Lanz ist an dieser Stelle zu sagen: Die Sendung ist völlig entglitten. Lanz, Pleitgen und Strack-Zimmermann standen am Ende nackt da. Von daher noch ein Wort an Lanz: „Herr Lanz, bevor Ihnen das nächste Mal die Sendung völlig entgleitet, üben Sie noch mal, wie ein Journalist kritische Distanz aufbaut und vor allem informieren Sie sich umfassend und nicht mit einem Blickschutz. Und wenn Sie dann noch eine faire Gästebesetzung hinbekommen…, vielleicht wird es ja dann etwas mit einem Stück Qualitätsfernsehen und einem ausdifferenzierten Sinn für Frieden.“

Titelbild: Screenshot ZDF

Ulrike Guérot ist Gast des 33. Pleisweiler Gesprächs am 10. Juli.

Anmerkung Jens Berger: Wie kaum anders zu erwarten, wird die Sendung auch auf Twitter heiß debattiert. Während die „üblichen Verdächtigen“, also Hauptstadtjournalisten und User mit den Ukraine-Flaggen – die offenbar die Regenbogen-Flaggen und die Spritzen nun abgelöst haben – ihren zu erwartenden Shitstorm gegen Ulrike Guérot zwitschern, gibt es bei neutralen Nutzern erstaunlich viel Unterstützung für Guérot.

Marcus Klöckner twittert unter: twitter.com/KlocknerMarcus