Journalisten als „Rekruten eines verdeckten Informationskriegs“

Journalisten als „Rekruten eines verdeckten Informationskriegs“

Journalisten als „Rekruten eines verdeckten Informationskriegs“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Instrumentalisierung von Journalisten durch Geheimdienste rückt durch die „Enttarnung“ zweier britischer Pressevertreter in den Blick. Auch das Andienen von Pressevertretern an die Nachrichtendienste, etwa um andere Journalisten zu attackieren, die die Sicht der großen Medien infrage stellen, wird dadurch beleuchtet. Die Vorgänge um die britischen Journalisten sind von prinzipieller Relevanz – und das mutmaßlich auch für die deutsche Presse- und Geheimdienstlandschaft, Stichwort: „Integrity Initiative“. Was diese einflussreichen Akteure betreiben, ist das Gegenteil von Journalismus. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Akteure aus etablierten Medien haben gemeinsam mit Mitarbeitern von Geheimdiensten gezielte Aktionen gegen alternative Medien betrieben, etwa zur Rufschädigung. Der Zusammenarbeit mit Geheimdienstpersonal entlarvt wurden in den konkreten Fällen die „Guardian“-Kolumnistin Carole Cadwalladr und der langjährige Mitarbeiter der BBC Paul Mason. Diese Vorgänge sind wahrscheinlich keine Einzelfälle. Und auch in Deutschland existieren mutmaßlich fragwürdige Verbindungen zwischen Journalisten und Mitarbeitern von deutschen oder ausländischen Geheimdiensten – Stichwort: „Integrity Initiative“, einem „Programm des dubiosen britischen ‚Institute for Statecraft‘; maßgeblich finanziert vom britischen Außenministerium und der NATO, geleitet von Personen aus dem engeren Umfeld der NATO, des britischen Militärs und der britischen Geheimdienste“, das auch Ausprägungen in Deutschland hatte.

Auch aus den USA kommen aktuelle Neuigkeiten zu Manipulationen der öffentlichen Meinung durch Geheimdienste: Über ältere und aktuelle Operationen von US-Geheimdienstpersonal, um Soziale Medien zu manipulieren, berichtet in diesem Video die Jimmy Dore Show. Die britischen Akademiker Piers Robinson und David Miller erzählen Max Blumenthal in diesem Video, wie sie von den britischen Geheimdiensten und ihren Medien-„Partnern“ ins Visier genommen wurden.

„Sie versuchten, bereits benachteiligte Journalisten zu schwächen“

Berichte zu den Vorgängen in Großbritannien um Mason und Cadwalladr gab es vor allem in englischsprachigen Alternativmedien. So schrieb Jonathan Cook Ende Juni auf dem Portal „Mintpress“, dass der Ruf von etablierten Medien in diesem Monat schwer erschüttert wurde: Zum einen sei der Verleumdungsprozess gegen die „Guardian“-Kolumnistin Carole Cadwalladr zu Ende gegangen, zum anderen seien gehackte E-Mails von Paul Mason, einem langjährigen Mitarbeiter von BBC, Channel 4 und dem „Guardian“, online veröffentlicht worden. Die beiden Journalisten seien – auf unterschiedliche Weise – „als Rekruten eines verdeckten Informationskriegs geoutet“ worden, der „von westlichen Geheimdiensten geführt“ werde. Beide Journalisten hätten versucht, ein Kanal für verdeckte Verleumdungskampagnen westlicher Geheimdienste gegen andere Journalisten zu werden oder sie aktiv dabei zu unterstützen. Cooks Urteil ist eindeutig:

„Was sie – wie so viele andere Journalisten des Establishments – taten, ist das genaue Gegenteil von Journalismus. Sie trugen dazu bei, das Funktionieren der Macht zu verschleiern, um es schwieriger zu machen, sie zu hinterfragen. Und nicht nur das. In diesem Prozess versuchten sie, bereits benachteiligte Journalisten zu schwächen, die dafür kämpfen, die Staatsmacht zur Rechenschaft zu ziehen.“

BBC-Journalist spinnt Intrigen mit Geheimdiensten – gegen Alternativmedien

Zunächst zum Fall von Paul Mason, der viele Jahre lang als BBC-Journalist tätig war. E-Mails, die der US-Webseite „The Grayzone“ zugespielt wurden, zeigen, dass der sich selbst als “links” bezeichnende Journalist heimlich mit Personen konspiriert hat, die mit den britischen Geheimdiensten verbündet sind. Ziel sei gewesen, ein Netzwerk von Journalisten und Akademikern aufzubauen, um damit jene unabhängigen Medien zu verleumden und zu zensieren, die das Narrativ der westlichen Geheimdienste infrage stellen.

Max Blumenthal und Kit Klarenberg beschreiben auf „The Grayzone“ (hier und hier), wie durchgesickerte E-Mails belegen, dass Mason ausführliche Pläne mit Andy Pryce von der Abteilung für Desinformationsbekämpfung und Medienentwicklung des britischen Außenministeriums geschmiedet habe. Mason und Pryce hätten einen Plan für eine Informationskriegsführung entworfen, die der berüchtigten „Integrity Initiative“ nachempfunden werden sollte. So habe Mason ein „Putin Proxy Watch“-Projekt und die Aussetzung des britischen Verleumdungsrechts vorgeschlagen, um die Zielpersonen zu verleumden und russische Gräueltaten zu verbreiten. Außerdem hätte er eine künstliche Graswurzelbewegung mit „schwarzen und asiatischen Stimmen“ vorgeschlagen, um gegen schwarze und asiatische Kritiker des Stellvertreterkriegs in der Ukraine vorzugehen.

„Unerbittliche Verleumdung“ von kritischen Journalisten

In geleakten privaten Mitteilungen zwischen Mason und Amil Khan, dem Chef des Geheimdienstunternehmens Valent Projects, planen die beiden laut „Grayzone“ einen „Anti-Grayzone-Gipfel“ mit ausgesuchten Gästen, auf dem die „unerbittliche Verleumdung“ dieses Mediums und ein “nuklearjuristischer Angriff” geplant werden sollten, um es „finanziell auszuquetschen“. In diesem Artikel hat Mason auf die Vorgänge reagiert und bezeichnet den E-Mail-Leak als eine „russische Hack- und Leak-Operation“.

Eine Rolle spielen laut den Berichten auch Akteure der Abteilung „Counter Disinformation and Media Development“ (CDMD) des britischen Außenministeriums, die laut „Grayzone“ im April 2016 gegründet wurde, um „gegen die russische Propaganda vorzugehen“. Die Existenz der CDMD sei zunächst weitgehend verborgen geblieben. Erst im Dezember 2018 wurde der CDMD von britischen Beamten öffentlich diskutiert. Die offiziellen parlamentarischen Enthüllungen über die Existenz des CDMD wurden 2018 durch das Durchsickern belastender Akten im Zusammenhang mit der bereits erwähnten „Integrity Initiative“ ausgelöst. „Grayzone“ schreibt zu diesem destruktiven Netzwerk:

„Aus diesen Akten ging hervor, dass die Integrity Initiative geheime “Cluster” in ganz Europa und Nordamerika unterhielt, verdeckte Netzwerke von Journalisten, Akademikern, Experten, Politikern und Sicherheitsbeamten, über die unaufhörlich schwarze Propaganda über feindliche Staaten wie China und Russland und Einzelpersonen wie den damaligen Labour-Chef Jeremy Corbyn und den WikiLeaks-Gründer Julian Assange verbreitet werden konnte, mit schädlichen Auswirkungen auf die reale Welt.“

Die verborgene Hand des Kreml

Die ebenfalls in den Verdacht der Geheimdienst-Zusammenarbeit geratene „Guardian“-Kolumnistin Carole Cadwalladr zeichnet sich laut dem Portal „Mintpress“ durch langjährige Bemühungen aus, eine weitverbreitete russische Einmischung in die britische Politik zu unterstellen. Ihre mutmaßliche Zusammenarbeit mit Geheimdiensten ist laut den Berichten nur aufgrund eines Gerichtsverfahrens bekannt geworden. Auch mit Unterstützung anonymer Geheimdienstmitarbeiter habe Cadwalladr unter anderem „eine politische Übereinstimmung zwischen der Ideologie von WikiLeaks, der Ideologie der UKIP und der Ideologie von Trump“ verbreitet und die Behauptung, dass hinter den Kulissen die verborgene Hand des Kremls „sie alle in einem bösartigen Komplott zur fatalen Untergrabung der britischen Demokratie lenkt“.

Titelbild: AlyoshinE / Shutterstock