Wir müssen reden

Wir müssen reden

Wir müssen reden

Ein Artikel von Michael Fitz

Der Sommer 2022 ist in seiner heißen Phase, der Weizen bereits geerntet, ein paar Dörfer weiter findet ein Stock-Car-Rennen statt. Hört sich hier bei uns an wie ein wildgewordener Hornissenschwarm, aber stört nicht weiter. Hornissen hat es hier viele. Und irgendwo muss der Sprit ja hin, so mutet das an. Die Welt wirkt beinah harmonisch und entspannt, möchte man zumindest meinen. All das real existierende Ungemach und auch das, was man jetzt bereits medial herbeiredet und kommen sieht, ist noch zu weit weg, um die Menschen erstarren zu lassen. Das werden sie erst, wenn all das bisher Erwartbare und vielleicht sogar mehr im kommenden Herbst/Winter und Frühjahr Realität und für die Menschen konkret fühlbar wird. Im Geldbeutel, im Kopf, im Körper und in der Seele. Von Michael Fitz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Währenddessen spaltet sich die Gesellschaft immer weiter. Man redet übereinander, aber nicht miteinander, egal ob auf Twitter oder YouTube. In den Leitmedien arbeitet man sich ab an einer angeblichen „Fundamental-Opposition“, die mit ihrer „Systemkritik“ nichts anderes im Sinn hat, als brave Bürger zu Fanatikern zu machen, die diese unsere Demokratie zerstören wollen. Das Gegenüber, die alternativen Medien sowie die zahlreichen, auch selbsternannten Propheten auf Youtube und vor allem auf Twitter, tun alles, um mit Fakten, Sensationen oder auch gut recherchiertem Aufdeckungs-Journalismus dagegenzuhalten. Diese Fakten werden dann von sogenannten Faktencheckern der Leitmedien wiederum durch den Fleischwolf gedreht und der Mehrheit quasi als nochmal, aber nun richtig Verdautes auf den Abendbrot-Tisch geknallt. Das Framing Andersdenkender wird zum Standard-Werkzeug, um unliebsame kritische Stimmen mundtot und vor allem unglaubwürdig zu machen.

Das mutet tatsächlich an wie ein Glaubenskrieg, der zwei sich diametral gegenüberstehende Fronten erzeugt, in deren geschlossener Blase jeweils die einen über die anderen reden. Die schmerzliche Erfahrung, dass Freundschaften, Familien und intakte Kollegenschaften sich aufgrund dieses Glaubenskrieges dogmatisch auseinanderdividieren, wird jeder, der mit der anderen Blase früher oder später in Berührung kommt, machen. Die Normopathie (das übersteigerte Streben nach Konformität), die Ideologisierung hat beide Seiten inzwischen weitgehend im Griff und das Einzige, was hier zu helfen scheint, ist, die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden schlicht und einfach zu vermeiden.

Was fällt einem da noch ein, wenn selbst Landesbehörden wie die Landeszentrale für politische Bildung und nicht nur die, finanziert mit Steuergeldern, inzwischen ganz unverhohlen Geschichtsfälschung durch Weglassen und Vereinfachen betreiben, um eine Mehrheit auf Kurs zu halten und damit den gesamten alternativen Bemühungen, wahrhaftig, sachlich und umfassend informieren zu wollen, den Stinkefinger zeigen. Nach dem Motto: Wir erklären Euern Kindern und den mündigen Bürgern, die noch an seriöse Verlautbarungen von Amts wegen glauben mögen, wie es wirklich ist. Die werden, so gebrieft, dann schon dafür sorgen, dass Ihr als Querdenker und Staatsfeinde fürderhin gecancelt werdet.

Da wird eine Realität und ein Geschichtsverständnis hergeschnitzt, das zum augenblicklichen Selbstmordkurs der Politikgestalter gefälligst passen soll. Der zersplitterten Opposition im Land, innerhalb und außerhalb der Parlamente, macht das verständlicherweise Schaum vor dem Mund. Entsprechend hart und härter werden die Kommentare, die Anwürfe. Wir bewegen uns in einer ideologischen Spirale, die ganz unabhängig davon, zu welcher Seite man sich zählt, immer aggressiver und bisweilen fanatischer zu werden scheint.

Wo soll das hinführen? Bürgerkrieg, Gewaltausbrüche, bei denen die Unversöhnlichen auf der Straße aufeinander eindreschen. Vielleicht wird man in ein paar Jahrzehnten, wenn man es dann noch kann, rückwirkend analysieren, dass dieser Wahnsinn Methode hat. Das Prinzip heißt „Teile und herrsche.“ Hetze die Massen gegeneinander auf, dann sind sie mit sich selbst beschäftigt und kriegen die Durchsetzung der politischen Agenda einer Elite gar nicht wirklich mit. Und ehe wir uns versehen, stecken wir mitten in den Zwängen einer von wem auch immer gewollten totalitären Herrschaftswelt, in der ein Nicht-angepasst-Sein, ein Andersdenken, eine andere Meinung gegen den vorgegebenen Mainstream, a la George Orwell, nur noch in der Illegalität möglich sind.

Eine Dystopie? Vielleicht, aber wenn wir nicht aufhören, nur übereinander zu reden, nur per Framing und Cancel Culture mit Andersdenkenden umzugehen und uns damit durchaus gewollten Zielen und Vorgaben willig zu unterwerfen, kann eine solche Dystopie schnell Realität werden. Während wir uns im Netz gegenseitig beschimpfen und uns so immer weiter auseinanderdividieren lassen, reiben sich andere die Hände und sehen sehr genau, wie wir uns einer Welt anpassen, in der die Einengung des Meinungskorridors, aus welcher Richtung auch immer, mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit wird. Vielleicht, und das gilt insbesondere für die Twitter-Gemeinde, sollten wir die Finger lieber von der Tastatur lassen, unseren Kopf leer machen, auslüften und uns gelegentlich mit den nach wie vor und tatsächlich noch schönen Dingen um uns herum beschäftigen. Zum Beispiel in die Natur gehen, uns dadurch erden, wieder bei uns ankommen und diesen ganzen Gedankenmüll, den wir täglich ansammeln, auch mal entsorgen.

Vielleicht sollten wir uns klar darüber werden, aus welchem Gefühl heraus wir unsere Tiraden, unsere Schimpfkanonaden oder zynischen Herabwürdigungen Anderer, oft im Affekt, ins Netz hacken. Wenn wir das fühlen können, fühlen wir möglicherweise auch wieder Gemeinsamkeit, eine Verbindung zur uns meinungsmäßig gegenüberliegenden Seite. Der Mensch ist ein fühlendes Wesen, ein auf Kommunikation und Gemeinschaft angewiesenes Herden-Tier, daran haben auch die zur massiven Vereinzelung führende technische Entwicklung und all unsere so unverzichtbaren, modernen Spielzeuge nichts geändert, auch wenn manche das so sehen möchten.

Es wäre Zeit, sich vom digitalen Maschinen-Diktat langsam zu verabschieden und sich auf unsere ureigenen menschlichen Qualitäten und Bedürfnisse zu besinnen. Handys auch mal ausschalten und weglegen, Fernseher aus lassen, Computer ebenso. Mit Menschen reden, Menschen fühlen und herausfinden, wie es ihnen wirklich, abseits der Kakophonie unserer Informationswelt, geht. Zuhören, auch wenn man vielleicht eine andere Meinung als die eigene hört. Den anderen ausreden lassen und ihm seinen Standpunkt zugestehen, ihn respektieren. Das ist das Einzige, was zwischen Menschen Verbindung und eben nicht Trennung schaffen kann.

Hinter jeder Meinung verstecken sich Ängste, Befürchtungen, Vorstellungen von dem, was ist oder werden wird. Nur wenn wir andere Meinungen respektieren, können wir die Gemeinsamkeit darin zwischen uns und unserem Gegenüber wahrnehmen und vielleicht auch mitfühlen. Eben Mensch sein, nicht willfähriger, fanatischer und steuerbarer Roboter.

Titelbild: Lightspring/shutterstock.com

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