Die Welt brennt und die USA zündeln weiter

Die Welt brennt und die USA zündeln weiter

Die Welt brennt und die USA zündeln weiter

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

In der Ukraine tobt ein Krieg, im Kosovo, im Irak und in Bergkarabach fehlt nur ein Funke, um einen Flächenbrand zu entfachen. Anstatt diese Feuer zu löschen, haben die USA nichts Besseres zu tun, also weiter zu zündeln – diesmal beim schwelenden Taiwan-Konflikt, der das Potenzial hat, sich zu einem dritten Weltkrieg zu entwickeln. Der für heute angekündigte Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ist der bisherige Höhepunkt einer langen Serie von Provokationen, mit denen die USA China in einen militärischen Konflikt ziehen wollen. Man kann nur hoffen, dass die Chinesen kühlen Kopf bewahren und gleichzeitig den USA klar ihre Grenzen aufzeigen. Annalena Baerbock erklärt den USA derweil in der „Taiwan-Frage“ ihre volle Solidarität und schlägt sich damit abermals auf die Seite der Kriegstreiber. Von Jens Berger.

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Die Ein-China-Politik gehört eigentlich selbst in den USA zu den Grundpfeilern der Außenpolitik. Die USA erkennen Taiwan nicht an und unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zur Insel, die von der Volksrepublik China als eine Art abtrünnige Provinz gesehen wird, die zwar zum eigenen Staatsgebiet gehört, aber nicht unter der direkten Kontrolle Pekings steht. Geleitet wurde die US-Taiwan-Politik dabei schon immer von den egoistischen Machtinteressen der USA. Nach dem chinesischen Bürgerkrieg sahen die USA die rechtsgerichtete Ein-Parteien-Diktatur der Kuomintang auf Taiwan als den legitimen Vertreter des gesamten Chinas und verwehrten der kommunistischen Volksrepublik ihre Anerkennung. In den 1970ern wendete sich das Blatt und die USA versuchten, die Volksrepublik China als Gegenspieler zur Sowjetunion aufzubauen. Nun erkannten die USA die Volksrepublik als einzigen Vertreter Chinas an, drängten jedoch außenpolitisch parallel dazu, den Status Quo einzuhalten und unterhielten inoffizielle Verbindungen zu Taiwan. Zuletzt erkannte der US-Präsident Donald Trump – seiner antichinesischen Rhetorik zum Trotz – 2017 die Ein-China-Politik der Volksrepublik als auch für die USA bindende Richtlinie an.

Dies änderte sich Stück für Stück mit der Amtsübernahme von Joe Biden. Biden war der erste US-Präsident seit der Wende der US-China-Politik in den späten 1970ern, der zu seiner Amtseinführung offiziell einen Gesandten Taiwans empfing. Im letzten Jahr erklärte er dann, dass die USA Taiwan im Falle eines Angriffs Chinas militärisch beistehen würden – das war überraschend, da das offizielle Beistandsabkommen 1980 ausgelaufen ist und nie verlängert wurde. Mit Bidens Amtsübernahme setzten sich auch die Waffenlieferungen der USA nach Taiwan nahtlos fort, die bereits unter seinen Vorgängern Obama und Trump stets neue Rekordzahlen erreicht hatten. Zeitgleich verstärkte die US-Marine seitdem ihre Präsenz im Seegebiet vor Taiwan. Aktuell haben die USA die Trägergruppe rund um die USS Ronald Reagan vor die Insel entsandt, um die Reise von Nancy Pelosi abzusichern. Dies ist offenbar auch nötig, da die USA ganz genau wissen, dass sie mit dem offiziellen Besuch der „dritten Frau im Staate“ eine rote Linie überschreiten.

Noch in der letzten Woche warnte der chinesische Staatschef Xi Jinping seinen US-Kollegen Biden eindringlich, den Pelosi-Besuch abzusagen: „Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um“, so Xi Jinping. Im Weißen Haus stießen die Bitten und Drohungen der Chinesen jedoch offenbar auf taube Ohren. Aktuell befindet sich die Boeing mit Pelosi an Bord über der indonesischen Insel Borneo – die Ankunft in Taipeh dürfte in wenigen Stunden bevorstehen. Wie China darauf reagieren wird, ist noch offen. Dass China reagieren wird, steht jedoch fest.

Diese Politik der USA zeigt klare Parallelen zu anderen Konfliktherden. Auch in der Ukraine zündelte man so lange, bis Russland letztlich der Kragen platzte und es ist keineswegs ausgeschlossen, dass dieses Vorgehen eine Art Blaupause für den Taiwan-Konflikt darstellt. Die „Indo-Pazifik-Strategie“ von Joe Biden sieht eine stetige Ausweitung der US-Militärpräsenz direkt vor Chinas Küste vor – einem Gebiet, das China als seinen Vorhof betrachtet und in dem man vitale Verteidigungsinteressen geltend macht. China hat dabei mehr als einmal klargestellt, dass jegliche Unterstützung der taiwanischen Separationsbestrebungen als „rote Linie“ betrachtet wird. Mit dem Besuch Pelosis ist diese rote Linie überschritten. Ein schwelender Konflikt wird von den USA angefacht – ohne Not, ohne Verstand, ohne Rücksichtnahme. Die möglichen Folgen, die bis zum offenen Krieg zwischen den beiden Nuklearmächten reichen, sind potenziell verheerend. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass China seine ohnehin mächtigen ökonomischen Muskeln spielen lässt – und dies in einer Zeit, in der Stagnation und Inflation weltweit die Wirtschaft belasten.

Die Thukydides-Falle

Was treibt die USA zu einem derart zerstörerischen Verhalten? Dazu hat der ehemalige Diplomat Shi Jiangtao einen klugen Aufsatz in der in Hong Kong erscheinenden South China Morning Post verfasst. Jiangtao greift dabei auf den historischen Begriff der „Thukydides-Falle“ zurück. Thukydides war ein antiker athenischer Historiker, der den Peloponnesischen Krieg vor allem auf die Furcht der stagnierenden „Supermacht“ Sparta vor dem unweigerlich aufsteigenden Athen schob. Die stagnierende Supermacht der Gegenwart sind die USA. In einer weitestgehend regelorientierten und friedlichen Zeit mussten sie dem unweigerlich steigenden Einfluss und der steigenden Macht Chinas zuschauen. In einem friedlichen und prosperierenden Umfeld scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis China die USA ein- und dann auch überholt. Das wollen die Falken in Washington verhindern und darum zündeln die USA an allen Ecken und Enden der Welt. Ob dieser Plan im Falle Taiwans aufgeht, liegt dabei im Verantwortungsbereich Chinas. Reagiert China besonnen und verlagert seine Reaktionen auf den ökonomischen Bereich, bleibt der Welt erst einmal ein weiterer Krieg erspart. Es wäre jedoch naiv anzunehmen, dass die USA sich damit abfinden und ihre Provokationen einstellen.

Europa und allen voran Deutschland sind leider mittlerweile nur noch Randfiguren in diesem globalstrategischen Konflikt einer stagnierenden und einer aufsteigenden, kommenden Supermacht. Die deutsche Außenministerin Baerbock hat sich bereits klar mit den USA in der Taiwan-Frage solidarisiert und versprach Taiwan gestern die volle deutsche Unterstützung im Falle einer „chinesischen Aggression“. Anstatt auf diplomatischem Wege mäßigend auf die USA einzuwirken, hat sich die Bundesregierung offenbar dazu entschlossen, den USA in blindem Kadavergehorsam überallhin zu folgen. Das ist traurig und erbärmlich, aber auch nicht überraschend.

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Titelbild: Tomasz Makowski/shutterstock.com

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