Hat wieder die Stunde der Denunzianten geschlagen?

Hat wieder die Stunde der Denunzianten geschlagen?

Hat wieder die Stunde der Denunzianten geschlagen?

Ein Artikel von Frank Blenz

Man erinnere sich: Dass Bürger Bürger verraten – an die Polizei und/oder an andere Behörden – in den vergangenen zwei Jahren der Pandemie geschah dies in unserem Land sehr oft. Zu oft. Und nun? Jetzt, nachdem wieder passend zu einer weiteren Krise (die nicht vom Himmel fiel) eine neues, maßregelndes Regulierungswerk von den Mitverursachern der Krise geschaffen wurde, die heißt Energieeinsparverordnung, geht der Schuss erneut nach hinten los: Menschen melden wieder Menschen. Nein, in der Verordnung steht nicht, zum Denunzianten zu werden. Schon beginnt das Petzen, wie ein Beispiel derlei Verrats aus meiner Heimatstadt zeigt, welches unter Bürgern für Empörung sorgt. Ein Kommentar von Frank Blenz.

Im Artikel „Der Backofen bleibt heiß – trotz allem“ habe ich vor ein paar Wochen einen in Plauen/Vogtland überaus geschätzten Bäcker vorgestellt. Er und seine Kollegen runzeln gerade noch mehr die Stirn ob des bürokratischen Konstrukts, welches das Energiesparen nicht nur anregen, sondern auch bei Nichtbeachten zur Bestrafung führen kann. Bei einem Bäckerkollegen geschah nun Folgendes, Ungeheuerliches (Quelle: Facebook):

Werter Mitbürger, der uns bei der Polizeibehörde auf Grund nicht beachten des neuen Energiespargesetzes angezeigt hat!

Wir würden im Vorfeld dazu raten sich damit genauer auseinander zu setzen. Denn wenn in einem Ladengeschäft weder Klimaanlage noch Heizung in Betrieb sind, gilt es nicht als Energiemissbrauch die Türe geöffnet zu halten. Im Gegenteil zu hohen Temperaturen am Arbeitsplatz ist laut Arbeitsschutzgesetz Abhilfe zu schaffen. Eben z.B. durch dauerhaftes lüften.

Daher eine völlig unnötige Aktion, die Kosten für eine Angestellte des Ordnungsamtes (die extra deswegen zu Samstag vor Ort vorstellig wurde) und die zuständige Polizeibehörde, die zusätzliche Schreibarbeit hat.

Bitte beim nächsten Mal einfach mit uns sprechen und die eigene Energie nicht für solche Aktionen ausgeben.

Dem Bäcker im Plauener Norden wurde ein Stichwort der neuen Verordnung „zum Verhängnis“, welche ein aufmerksamer Bürger wohl zum Anlass nahm, beim Ordnungsamt Meldung zu machen: Geschlossene Türen. Im Einzelhandel dürfen danach die Ladentüren „nicht dauerhaft offengehalten“ werden, so steht es in der Verordnung aus Berlin. Die ARD meldete zur Aufmunterung, dass der Handelsverband Deutschland ein optimistisches Motto in all der Pein formuliert hat: „Türen zu, Geschäfte offen.“ Statt zu protestieren, „Nein“ zu sagen gegenüber maßlosen Maßnahmenvorgaben aus den Federn von Beamten in noch warmen Ministerien, die sich mit ihren „Ideen“ geradezu überschlagen – der Verband beteiligt sich sozusagen daran und fordert seine Gefolgschaft zur Gefolgschaft auf. Wiedermal, denn wie war das nicht noch vor wenigen Monaten? Da wurde gleichfalls in dieser Zeit eben pandemische Gefolgschaft verlangt und gelebt.

Wieder setzt man voraus, die kleinen und die mittleren Handwerksbetriebe halten schon durch, die haben ja unternehmerisches Geschick und Kraft und sie machen tapfer mit. Nach all den nutzlosen Rettungspaketen, nach all der geforderten und durchgezogenen Demütigung gegenüber Kunden, die unwilligen Gesundheitsmuffel sind konkret gemeint, wird Erziehungsmaßregelpolizei gespielt und zum Teilnehmen aufgefordert. Optimistisch ausgedrückt heißt das „Hand in Hand“: Das freut die Bürger, die das Melden von „Unregelmäßigkeiten“ als ihre Pflicht sehen oder Freude am boshaften Nachbarverpfeifen haben. Man stelle sich vor, der Meldende der Bäckerei (wegen einer offenen Ladentür) – dieser Meldende hat vielleicht vorher noch Brötchen und Kuchen eingekauft (musste durch die offene Tür). Dann verabschiedete sich der später Meldende vielleicht scheißfreundlich von der Verkäuferin. Um sogleich zum Smartphone zu greifen …?

Dass derlei Handeln nicht nur Freunde macht, liest sich in sozialen Medien unter anderem so:

Erste Wortmeldung: Weiter gehts, diese Regierung schafft immer wieder neue Gründe für Denunzianten, aktiv zu werden. Weil die Tür aufstand….ich fasse das einfach nicht. Wo sind wir denn, das ist doch nicht real. Bei Herrn Müller von nebenan läuft das Wasser zu lange, Frau Kuntze vom dritten Stock kocht 2x am Tag, das junge Ding vom Erdgeschoss links fönt eine viertel Stunde lang die Haare usw. Was soll das werden, will man in so einer Gesellschaft leben ?

Weitere Wortmeldung: Unglaublich, was in diesem Land zwischenmenschlich los ist. Das macht fassungslos: Der größte Schuft im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.

Auf die Frage in der ersten zitierten Wortmeldung „Will man in so einer Gesellschaft leben?“ antworte ich entschieden: Nein! Ich fordere als einfacher Bürger die Mitbürger auf, unsere Gesellschaft nicht weiter an die Wand zu fahren, diesen erneuten, neuerlichen Wahnsinn nicht mitzumachen, denen entgegen zu treten, die mit derlei kleinen, großen, giftigen Aktionen Mosaikstein artig unser Zusammenleben erkalten, verarmen, verwahrlosen lassen.

Die Lage ist so ernst. Die Bäcker haben andere Sorgen als geschlossene Türen und ärgerliche Vorortdebatten mit Ordnungskräften (die tatsächlich noch genug Zeit haben, nach offenen Türen Ausschau zu halten). Die Berichte, dass Menschen, die unser Brot backen, ihre Läden, ihre Backstuben aufgeben, mehren sich. Auch in Plauen haben schon Bäcker aufgegeben. Im Artikel „Der Backofen bleibt heiß – trotz allem“ ist wohl einerseits zu lesen, dass Bäcker tapfere Menschen sind und alles tun wollen und müssen, ihrem Versorgungsauftrag der Bevölkerung nachzukommen. Bäcker Rico Wagner (Konditorei Müller) gibt sich auch weiter kämpferisch. „Doch die Preise für Energie sind einfach viel zu hoch, da muss eine Deckelung, eine Umkehr her. Was uns die Politik anbietet, das ist nichts“, sagte Wagner jüngst mir gegenüber. Der Bäckermeister berichtete von einem Termin mit einer wichtigen Frau aus dem Parlament. Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Yvonne Magwas (CDU), kam vorbei, hörte zu und redete über Hilfen und Überbrückungen. „Das Übliche halt“, so Wagner. Dass er vielleicht nächstes Jahr mit seiner Frau allein im Laden steht, weil er Kosten sparen muss, bis es an die Existenz geht, das bringe die große Politik bis heute nicht zum Handeln, zum Kurs Wechseln, klagt er an.

Titelbild: imnoom/shutterstock.com

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