Die „Reichtumsuhr“

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Im Fernsehen wird ständig die „Schuldenuhr“ des Bundes der Steuerzahler, einer neoliberalen Lobbyorganisation für Steuersenkungen zu Gunsten von Unternehmen und Gutverdienenden gezeigt. Dieser „Schuldenuhr“ eine „Reichtumsuhr“ gegenüber zu stellen, die den Zuwachs an Geldvermögen in Deutschland in jeder Sekunde misst, das war eine Idee, die wir auf den NachDenkSeiten schon vor sechs Jahren vorgeschlagen haben. Damit könnte nämlich das Auseinanderfallen von öffentlicher Armut und privatem Reichtum versinnbildlicht werden. Der Betrachter würde dann staunen, dass die „Reichtumsuhr“ erheblich schneller läuft als die „Schuldenuhr“. Darüber haben wir oft berichtet.
Der DGB Landesverband Hessen-Thüringen hat nun diese Idee umgesetzt. Gratulation!
Hier können Sie sehen wie das Nettoprivatvermögen in Deutschland steigt, wie viel das reichste Zehntel der Bevölkerung besitzt und demgegenüber die Schulden des ärmsten Zehntels wachsen. Quelle: Plattform handlungsfähiges Hessen.

Auch Heiner Flassbeck hat in einem Beitrag in der FR schon im Februar 2007 vorgeschlagen, „neben die Schuldenuhr eine Uhr zu stellen, die den Vermögenszuwachs in jeder Sekunde in Deutschland misst (…) Dann würden die staunenden Fernsehzuschauer oder die staunenden Touristen vor dem Büro des Steuerzahlerbundes in Berlin aber sehen, dass die Vermögensuhr viel schneller läuft als die Schuldenuhr und würden sich vielleicht fragen, wieso das bei ihnen persönlich eigentlich nicht der Fall ist.“

Heiner Flassbeck weiter: „Müssten nicht diejenigen, die so gerne den Schuldenrechner zeigen, fordern, die Gruppen der Gesellschaft, die enorm hohe Ersparnisse haben, so zu besteuern, dass sie einen größeren Teil der allgemeinen Lasten tragen, statt genau für diese Gruppe, wie in den vergangenen Jahren in großem Stil geschehen, dauernd die Steuern zu senken? Deutschland hatte im vergangenen Jahr die niedrigste Steuerquote aller Zeiten. Warum wird gerade da der Schuldenrechner so häufig bemüht, statt zu sagen, es könne etwas im Lande nicht in Ordnung sein, wenn der Staat so große Aufgaben hat, sich aber ausgerechnet die Wohlhabenden im Land nicht mehr an deren Finanzierung beteiligen wollen.
Perfide wird die Sache aber dadurch, dass man die einzige Art und Weise, wie der Staat das Geld auf Zeit von denen zurückholen kann, auf das er durch seine Steuersenkung verzichtet hat, mit Mitteln wie der Schuldenuhr verteufelt. Dann bleibt “natürlich” nur die Lösung, die kleinen Leute via Kürzung des Sozialhaushalts dafür sorgen zu lassen, dass der Staat die zukünftigen Generationen nicht belastet.“

Die Schuldenrechnerei sei auch deswegen besonders dümmlich, weil man ja nur eine Uhr daneben stellen müsste, die die Einkommen zählte, die dem Staat in den vergangenen Jahren durch seine unverantwortliche Steuersenkungspolitik entgangen sind, und schon würde das Tempo der Uhr erheblich relativiert.

Hätten denn nicht die berühmten “Leistungsträger”, die den Staat über Jahre gedrängt haben, Steuern für sie zu senken, damit sie mehr leisten können, nun dem Staat das Geld in Form von Staatsanleihen zurückgegeben und würden nicht gerade diese „Gewinner“, die offenbar gar nicht gewusst haben, was sie sonst mit ihrem Geld machen sollten als es dem Staat zu leihen, sich durch Steuerentlastungen und durch Zinsgewinne doppelt die Taschen gefüllt?

In einem Beitrag über eine Studie des DIW (deren Abruf aus dem Netz mir merkwürdigerweise nicht mehr gelingt) haben wir referiert, dass die privaten Nettovermögen von 1991 bis 2009 um 99% auf 7.370 Milliarden, das sind 307% des BIP beträchtlich gestiegen sind, und dass die staatliche Vermögenssubstanz im gleichen Zeitraum von 52% des BIP auf einen Anteil von 6% im Jahr 2009 zunehmend ausgezehrt wurde. Es wird konstatiert, dass sich die gesamtstaatliche Verschuldung bis Ende 2010 gegenüber dem Stand Ende 2007 durch die Finanz- und Wirtschaftskrise um etwa 300 Milliarden (oder 12% des BIP bzw. 3.800 Euro pro Kopf) erhöht hat und damit die Relation der Staatsverschuldung zum BIP von 65% auf 75,5% gestiegen ist.

Nach den Berechnungen zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanz der privaten Haushalte mache das private Nettovermögen im engeren Sinn aktuell (2009) 307 Prozent des BIP aus, das summiere sich auf über 7 Billionen (!) Euro. Zusammen mit dem übrigen Nettovermögen kämen die privaten Haushalte sogar auf ein gesamtes Nettovermögen von 405 Prozent des BIP oder 9,7 Billionen Euro.
Demgegenüber nähme sich die explizite Staatsschuldenquote (2009) in Höhe von 73 Prozent des BIP (1,76 Billionen Euro) recht moderat aus. Insoweit bestehe auch noch Spielraum für die Abdeckung der impliziten Staatsverschuldung.

Das Problem sei allerdings, dass vor allem der Nettovermögensbesitz sehr ungleich verteilt sei: 30 Prozent der Bevölkerung besitzen über 90 Prozent des Vermögens und die reichsten zehn Prozent gar über 60 Prozent.

Die ständig beschworene intergenerative Belastung, also die Belastung der künftigen Generationen durch die Staatsverschuldung sei nicht das Problem, sondern die intragenerativen Belastungswirkungen (also die Kluft zwischen Arm und Reich), wenn etwa zur Refinanzierung der Staatsschulden Steuern erhöht oder öffentliche Leistungen gekürzt werden müssten.

Die „Schuldenuhr“ wird auch immer wieder ins Bild gesetzt, wenn den Leuten vorgegaukelt werden soll, dass wir „über unsere Verhältnisse“ lebten. Auch dazu hat Heiner Flassbeck schon das Passende entgegnet: “Für Fernsehjournalisten ist das Ding unbezahlbar. Wann immer sie eine reißerische Reportage über Alterung und die Bürden derselben unter die Menschen bringen wollen, schicken sie schnell eine Kamera zum Büro des Bundes der Steuerzahler in Berlin, die dort ein paar Sekunden lang filmt, wie der Schuldenrechner der öffentlichen Hand in unglaublichem Tempo vor sich hin rennt und das ganze Volk früher oder später ins Verderben stürzt. (…) Deutschland hatte im vergangenen Jahr die niedrigste Steuerquote aller Zeiten. Warum wird gerade da der Schuldenrechner so häufig bemüht, statt zu sagen, es könne etwas im Lande nicht in Ordnung sein, wenn der Staat so große Aufgaben hat, sich aber ausgerechnet die Wohlhabenden im Land nicht mehr an deren Finanzierung beteiligen wollen? (…) Perfide wird die Sache aber dadurch, dass man die einzige Art und Weise, wie der Staat das Geld auf Zeit von denen zurückholen kann, auf das er durch seine Steuersenkung verzichtet hat, mit Mitteln wie der Schuldenuhr verteufelt. Dann bleibt „natürlich“ nur die Lösung, die kleinen Leute via Kürzung des Sozialhaushalts dafür sorgen zu lassen, dass der Staat die zukünftigen Generationen nicht belastet werden.“

Die „Reichtumsuhr“ kann auch zeigen, dass die nun auch in Hessen angestrebte „Schuldenbremse“ ein Irrweg ist, weil sie die wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit des Staates nicht nur einschränkt, sondern – zumal in der gegenwärtigen Situation – völlig abwürgt.
Ein Holzweg ist – wie Albrecht Müller immer wieder dargelegt hat – die „Schuldenbremse“ auch vor allem deshalb, weil mit diesem Instrument tatsächlich nämlich nicht weniger öffentliche Schulden gemacht werden, sondern künftig keine Konjunkturpolitik mehr betrieben werden kann staatliche Wachstumsimpulse eher abgewürgt werden, so dass weniger Steuern eingenommen werden können und eher noch mehr Schulden entstehen.

Die „Reichtumsuhr“ ist gleichzeitig ein Sinnbild dafür, wie richtig es wäre wieder eine Vermögenssteuer einzuführen, um weiteren unsozialen Leistungskürzungen und dem weiteren Abbau von Leistungen der Daseinsvorsorge oder Privatisierungen in Bund, Ländern und Gemeinden eine gerechte Alternative entgegenzusetzen. Eine gerechtere Einkommensvorteilung würde darüber hinaus auch die stagnierende Konsumnachfrage im Inland stimulieren und könnte so die Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft mindern und damit für mehr Beschäftigung sorgen.

Darum unterstützen Sie bitte die Initiativen „Nein zur Schuldenbremse“ und „Vermögenssteuer jetzt!“.

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