Hinweise des Tages II

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  1. Was ist eigentlich das politische Projekt des Bundeskanzlers?
  2. Sanktionen: Lehrstück in Lernresistenz
  3. 2,6 Millionen Menschen konnten 2021 ihre Wohnung nicht ausreichend heizen
  4. Zeitenwende in den Köpfen
  5. Sabotage bei der Bahn ruft Sicherheitsfanatiker auf den Plan: Mehr, mehr, mehr Militär
  6. »Antiimperialismus« gegen Russland
  7. Griff in die unterste Schublade
  8. Auf den 20. Parteitag der KP Chinas reagierte der Westen mindestens dreifach: Medienfirlefanz, Chip-Krieg und BND
  9. Corona-Krise und Auslandsverschuldung im Globalen Süden
  10. Um Milliarden-Loch zu stopfen: Krankenkassenbeiträge steigen auf neuen Rekordwert
  11. “Frauenquote“ in Aufsichtsräten beschlossen: was haben wir davon?
  12. Meerbusch-Iran-Connection: Deutsche Firma in Aufbau des abgeschotteten Internets im Iran verstrickt
  13. Schattenmacht FATF verlangt von Bundesregierung Maßnahmen gegen Bargeld
  14. Warum die Menschheit kein Umweltproblem hat

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Was ist eigentlich das politische Projekt des Bundeskanzlers?
    Olaf Scholz hat immer noch keine Idee, wie er Deutschland sicher durch Krisen führen und Europa mehr Unabhängigkeit von den USA und China verschaffen kann. (…)
    Nach fast einem Jahr wagt sich der Bundeskanzler aus der Deckung. Herr Scholz verkündet jedoch kein staatliches Investitionsprogramm für europäische Energiesouveränität. Und Herr Scholz überrascht auch nicht mit einer international koordinierten diplomatischen Initiative, um die Gefahr eines Atomkrieges zu bannen. Nein, der Bundeskanzler strebt ein neues Freihandelsabkommen mit den USA und der „freien Welt“ an, um zukünftig weniger abhängig von China zu sein. Diese Idee liegt aufgrund von Protesten gegen das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) seit 2017 mehr oder minder auf Eis.
    Nichts ist dagegen einzuwenden, dass Europa seine strategische Autonomie gegenüber Weltmächten wie China erhöht. Aber dies wird nicht durch neue Abhängigkeiten gegenüber den USA gelingen. Die USA nutzen jetzt bereits den Ukraine-Krieg für den Export von Fracking-Gas und die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber europäischen Unternehmen, die unter hohen Energiepreisen aufgrund des Wirtschaftskrieges mit Russland leiden.
    Quelle: Fabio De Masi in Berliner Zeitung
  2. Sanktionen: Lehrstück in Lernresistenz
    Deutschland ist federführend bei der Sanktionspolitik der EU gegen Russland. Doch gerade am Sachverstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz lässt sich zweifeln: Hätte es nicht bessere Lösungen als Lieferboykotte gegeben?
    Die große amerikanische Historikerin Barbara Tuchmann hat vor Jahren ein Buch geschrieben mit dem schönen Titel ‚Die Torheit der Regierenden‘. Anhand einiger bedeutungsvollen Beispiele – der Untergang Trojas, die erfolgreiche Abspaltung des Protestantismus, die Trennung Neu-Englands vom Mutterland, der von den USA verlorene Vietnam-Krieg – zeigte sie darin auf, wie die Verbohrtheit von Königen, Päpsten und auch demokratischen Regierungen zu politischen Katastrophen führten. Jeweils zu Ereignissen, die nicht unvermeidbar gewesen wären, wenn die Regierenden denn Einsicht in die Motive ihrer Gegenüber gehabt, dazu Kompromissbereitschaft gezeigt und auf Warnende gehört hätten. Wird man künftig vielleicht auch das Sanktionsregime von Deutschland und der Europäischen Union gegen Russland zu solchen Torheiten zählen?
    Zur Erinnerung: Nach der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 hat die EU zahlreiche Runden an Sanktionen beschlossen. Besonders gravierend sind sie im Bereich der Energieversorgung. So hat die Union seit dem August 2022 keine Kohle mehr aus Russland importiert (5. Sanktionspaket) und wird mit wenigen Ausnahmen ab dem Dezember 2022 auf dem Seeweg kein Erdöl mehr von Russland beziehen (6. Sanktionspaket).
    Deutschland setzte noch einiges drauf. Statt wie die Slowakei, Tschechien und Ungarn wenigstens erfolgreich für seine Lieferungen durch die Druschba-Pipeline auf eine Sonderreglung von den Sanktionen zu drängen, riskierte es lieber den Weiterbetrieb der davon bisher abhängigen Erdöl-Raffinerie in Schwedt. Und bei Gasimporten war man schon vorher willfährig. Während das Bundeswirtschaftsministerium der alten Großen Koalition noch den Mut hatte, US-Sanktionen gegenüber North Stream 2 als „völkerrechtswidrig“ zu benennen, knickte die Ampel dagegen gleich ein. Schon vor der formalen Amtseinführung wurde im November 2021 von deutscher Seite aus die Zertifizierung von North Stream 2 ausgesetzt und im Februar 2022 dann endgültig auf Eis gelegt. Zugleich wurden die Gasspeicher bevorzugt und zu erheblich höheren Preisen mit Gas von anderen Lieferanten gefüllt.
    Und dann wunderte man sich in Berlin, dass es Reaktionen gab.
    Quelle: Makroskop

    dazu auch: Angeschlagener Gashändler: Uniper benötigt wohl weitere 40 Milliarden Euro
    Mit dem milliardenschweren Rettungspaket für Uniper hatte die Bundesregierung die Gasversorgung sicherstellen wollen. Doch es zeichnet sich ab, dass das Geld nicht ausreichen wird – bei Weitem nicht.
    Quelle: DER SPIEGEL

  3. 2,6 Millionen Menschen konnten 2021 ihre Wohnung nicht ausreichend heizen
    Schon bevor die Kosten im Energiebereich so stark gestiegen sind, hatten viele Menschen in Europa nicht genug Geld, um ausreichend zu heizen. 2022 sind die Preise für Energie vor dem Hintergrund der ausbleibenden russischen Gaslieferungen immens angestiegen. Doch schon 2021 konnten rund 2,6 Millionen Menschen in Deutschland nach eigener Einschätzung aus finanziellen Gründen ihr Haus oder ihre Wohnung nicht angemessen warm halten, wie das Statistische Bundesamt mitteilte
    Die Zahl entsprach 3,2 Prozent der Bevölkerung in Deutschland und ist damit unter dem EU-Schnitt von 6,9 Prozent einzuordnen. Besonders stark betroffen waren demnach Alleinlebende, die 4,3 Prozent der jeweiligen Haushalte ausmachten, und Alleinerziehende (4,7 Prozent), wie das Amt mitteilte.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung Christian Reimann: Der europäische Vergleich soll wohl aufzeigen, dass die Situation hierzulande gut ist. Aber für ein so reiches Land wie Deutschland sind die Zahlen eigentlich peinlich. Der Ausspruch “Wir leben im besten Deutschland aller Zeiten” oder “Uns geht es gut” dürfte für Millionen Menschen wie Hohn klingen. Mit dem Anstieg der Preise dürfte auch die Zahl der Betroffenen ansteigen. Das müsste auch der Ampelkoalition bekannt sein. Auf jeden Fall wird zu wenig dagegen unternommen. Konsequenzen?

  4. Zeitenwende in den Köpfen
    Die Bundeswehr soll ein neues „Soldatenbild“ propagieren und das „Kämpfen, Töten und Sterben“ sowie das „Durchstehen außerordentlicher Entbehrungen“ in den Mittelpunkt stellen. Dies fordern die Autoren eines neuen Strategiepapiers, das die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), der wichtigste militärpolitische Think-Tank der Bundesregierung, veröffentlicht hat. Wie es in dem Papier heißt, seien deutsche Soldaten, sollte es zu einem Krieg gegen eine Großmacht („Bündnisverteidigung“) kommen, mit einer völlig neuen Lage konfrontiert: Hätten sie in den bisherigen Einsätzen in „gut gesicherten Feldlagern“ noch „eine relative Sicherheit“ genossen, so sei nun die Bereitschaft zum „Durchstehen außerordentlicher Entbehrungen“ und „zum Kampf“ gefragt. Gleichzeitig zeigt eine aktuelle Untersuchung, dass der Einsatz vor allem von Außenministerin Annalena Baerbock für stärkere „Wehrhaftigkeit“ in der Bevölkerung noch kaum gefruchtet hat. So ist der Anteil derjenigen, die mehr „Zurückhaltung“ in internationalen Krisen fordern, von 50 auf 52 Prozent gestiegen. Eine militärische Führungsposition Deutschlands in Europa weisen zwei Drittel der Bevölkerung zurück.
    Quelle: German Foreign Policy
  5. Sabotage bei der Bahn ruft Sicherheitsfanatiker auf den Plan: Mehr, mehr, mehr Militär
    Das Schüren von Ängsten in der Bevölkerung, um den Ausbau von Aufrüstung und Überwachung zu legitimieren, klappt in der Krise am besten, das wissen die Herrschenden. Hat ja auch mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr geklappt – leidlich zwar, aber es hat geklappt. Nicht wenige haben die immer wiederkehrende Mär von der angeblich seit Jahrzehnten kaputtgesparten deutschen Armee zwar durchschaut, die großen Massenproteste blieben aber bisher aus. Wie schafft das Militär nur all die Auslandseinsätze rund um die Welt, wenn doch angeblich alle Panzer und Hubschrauber kaputt sind? Nebensächlich, solange die Story funktioniert. Warum also nicht noch einen obendrauf setzen? Nach den Anschlägen auf Nord Stream 1 und 2 und dann auf das Netz der Deutschen Bahn mit dem weitreichenden Ausfall des Zugverkehrs am 8. Oktober sind natürlich alle „Sicherheitspolitiker“ in heller Aufruhr. (…) Da gibt es sehr viel zu schützen. Sofort sind alle „Sicherheitsexperten“ zur Stelle und sind sich auch alle einig: Der Schutz ist viel zu wenig, wir brauchen mehr, mehr, mehr. (…) Der Kontext ist natürlich der Ukraine-Krieg, das wird auch medial gern betont. Keiner sagt, wer es gewesen sein muss, aber ist doch klar, oder etwa nicht?Anschläge auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn sind nicht wünschenswert, aber neu sind sie auch nicht. Wer Zeit hat, kann ja mal googeln und die Stufe der gespielten Empörung vergleichen. Aber so ein äußerer wie unsichtbarer Feind kann in der Krise so schön zusammenschweißen. Da friert es sich doch gleich viel besser „für die Freiheit“, könnten sich die „Sicherheitsstrategen“ denken. Wie immer kommt es auf den Kontext an: Nieder mit Krieg und Inflation!
    Quelle: unsere zeit
  6. »Antiimperialismus« gegen Russland
    In der Ukraine ist eine schrille nationalistische Linke entstanden. Sie ist NATO-Denkfabriken ebenso nützlich wie »demokratischen Sozialisten«, die an einem »Update« der linken Außenpolitik arbeiten.
    Von Susann Witt-Stahl.
    Ukrainische Linke reden der deutschen Bevölkerung beharrlich ins Gewissen. Im Juni produzierte eine junge Frau auf dem Bundesparteitag der Partei Die Linke in Erfurt Schlagzeilen: »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie viel Leid gerade ich und meine Familie und die Ukraine durchmachen«, schrie die Kölnerin den Delegierten entgegen, bevor sie für einen Bild-Reporter und dessen Sensationsmeldung »Aufstand gegen den Putin-Kuschelkurs der Linken« mit dem Requisit im Haar posierte, das bei keiner PR-Kampagne für noch mehr Aufrüstung der Ukraine fehlen darf: einem Blumenkranz – dem volkstümlichen Symbol der Reinheit und Unschuld. Wer glaubte, die Linke-Nachwuchspolitikerin wolle eine konsequente Antikriegsposition vortragen, der irrte. »Ich glaube, viele Linke ruhen sich darauf aus, dass wir schon seit gefühlt 2.000 Jahren Friedenspartei sind«, sagte sie dem Spiegel und kam zu ihrem eigentlichen Anliegen: »Ich möchte ein Umdenken bewirken.«
    Das möchte auch Yana Stepaniuk, die von der Hamburger Bürgerschaftsfraktion der Linken und von der der Partei nahestehenden Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) als »linke Aktivist*in und Journalistin« zu Veranstaltungen eingeladen wurde. Die ukrainische Linke erwarte »zerstörerische Sanktionen« gegen Russland sowie die Lieferung aller Waffen, die die Ukraine fordert, weiß Stepaniuk, die in Berlin Philosophie studiert. Sie ärgert, dass deutsche Linke immer der NATO »an allem Schuld geben« würden, und verlangt von ihnen, dass sie für »Sicherheit und Wohlstand in der Ukraine« kämpfen. Die wachsende Angst vor allem der ärmeren Bevölkerung, dass die Kriegspolitik der Bundesregierung sie ins Elend stürzen wird, findet sie lächerlich. Folglich brachte sie die Demonstration »Heizung, Brot und Frieden« eines linken Bündnisses vor der Grünen-Zentrale in Berlin in Rage: »Ihr wollt die Sanktionen abschaffen und Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen, damit Russland ungestört seinen Vernichtungskrieg weiterführen kann.«
    Quelle: Susann Witt-Stahl in junge Welt

    Anmerkung unseres Lesers W.A.: Dieser lesenswerte längere Artikel ist eine interessante investigative Recherche zu einem bisher leider vernachlässigten Thema. Nachgewiesen wird, dass die von der Partei Die Linke als “linke Bündnispartner” in der Ukraine präsentierten Organisationen und Personen, mit denen sich solidarisiert wird, welche aktive Hilfe und Unterstützung z. B. durch Teile des Parteivorstandes und die Rosa-Luxemburg-Stiftung erhalten, unter der falschen Flagge marschieren. Mit “Links” hat deren Agieren jedenfalls kaum etwas zu tun. Wirklich links positionierte antimilitaristische Parteien, Organisationen, Verbände, Vereine und Initiativen sind von der herrschenden, ukrainischen Selenski-Regierungsclique schon lange verboten, verfolgt und in die Illegalität gedrängt worden. Ihre Mitglieder wurden verhaftet, gefoltert, zum Teil ermordet oder flüchteten ins Exil. Ihnen und der gesamten notleidenden Zivilbevölkerung beider Seiten, sie sind es, denen unsere ungeteilte Solidarität gehören, muss und nicht den selbsternannten nationalistischen “Linken”, die einer Verschärfung des Krieges an der Seite der NATO das Wort reden!

  7. Griff in die unterste Schublade
    Ein »grüner« Generalkonsul ehrt ukrainische Neonazis. Das Auswärtige Amt schweigt.
    Nun hat ein deutscher Generalkonsul, ein »Grüner«, in den USA das ukrainische Neonaziregiment »Asow« im Rahmen einer Veranstaltung geehrt. Die wurde zu allem Übel von Banderisten ausgerichtet, deren politische Vorfahren, Kollaborateure der Deutschen Wehrmacht und SS, ab 1946 von der Organisation Gehlen fürs Exil im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wieder hochgepäppelt worden waren. Bei der Feier für die »Asow«-»Helden« wurde die Wolfsangel, ein Symbol von in Deutschland verbotenen faschistischen Organisationen gezeigt (siehe jW vom 15.10.2022). Wie kam es zu diesem PR-Aufritt seines Generalkonsuls für die Mordbrennertruppe, und wie steht das Auswärtige Amt dazu? Das sind zwei von vielen Fragen, die er aufwirft und die von der jW-Redaktion gestellt worden sind – aber trotz Nachhaken unbeantwortet blieben. Objektiv sind sie aber schon lange geklärt, denn dieses unappetitliche Ereignis ist nur ein weiteres Symptom des grünen NATO-Machiavellismus: wie der Verrat an dem Whistleblower Julian Assange, wie der Rüstungsdeal mit dem für »feministische Außenpolitik« nur bedingt aufgeschlossenen Kopfabschneiderregime in Riad und vieles mehr. Historischer Ausgangspunkt war die perfide Instrumentalisierung der Millionen Auschwitz-Toten zur Legitimierung der Beteiligung am ersten deutschen Angriffskrieg nach Ende des Hitlerfaschismus durch einen »grünen« Außenminister 1999 in Jugoslawien. Je niedriger die Beweggründe, desto hysterischer wird seitdem von der Partei das Hohelied der Moral gesungen. (…) Warum aber ist Annalena Baerbock nun nicht einmal mehr zu einer Distanzierung von einer blutrünstigen Neonazigang zu bewegen, die selbst in den USA vor wenigen Jahren beinahe auf der Terrorliste gelandet wäre. Die Erklärung liefert vielleicht der bemerkenswerte Eifer, mit dem sie sich in einem Interview beim Thinktank Atlantic Council mit der Story von ihrem Opa anzubiedern versuchte, der im Frühjahr ’45 an der Oder gegen die heranrückende Rote Armee und damit angeblich auch für die Einigung Europas gekämpft habe. Da Baerbock so tief gesunken ist, dass sie »nicht nur auf den Schultern von Joschka Fischer«, sondern auch der Generation ihres Großvaters stehen wolle, wie sie stolz verkündete – wie praktisch: Sie muss sich nun gar nicht mehr bücken, wenn sie in die unterste Schublade greift, um nach »Nie wieder Krieg!« auch den welthistorischen Imperativ »Nie wieder Faschismus!« zu entsorgen.
    Quelle: Susann Witt-Stahl in junge Welt
  8. Auf den 20. Parteitag der KP Chinas reagierte der Westen mindestens dreifach: Medienfirlefanz, Chip-Krieg und BND
    Der „Spiegel“ bemühte das Vaterunser und titelte am Samstag: „Sein Wille geschehe. Was Chinas Alleinherrscher Xi Jinping mit der Welt vorhat.“ Auf dem Heft war der KP-Vorsitzende abgebildet: Er hält auf einem Finger die Weltkugel wie einst Chaplins „Dictator“, also Hitler. Die sonstige „Berichterstattung“ zum 20. Parteitag der KP Chinas war gleichbleibend: „Allmachtsanspruch“ (FAZ), „Der Allmächtige“ (Spiegel), „Vergöttlichung“ (Süddeutsche Zeitung). Am Montag folgte noch das für Kommunisten reservierte verbale Erbrechen: „Bild“ ließ Franz Josef „Gossengoethe“ Wagner von „Dschingis Khan, Stalin, Hitler, Pol Pot“ und eben Xi Jinping plus Putin als „Schreckensgestalten“ halluzinieren. Der Parteitag war so auf den Bedarf des Bewusstseinskrieges gegen die eigene Bevölkerung reduziert. Einzige Ausnahme bildete wie jetzt häufiger die „Berliner Zeitung“, die mit dem Xi-Zitat „Kein Anspruch auf Hegemonie“ titelte. Immerhin: Vor 122 Jahren wurde die „gelbe Gefahr“ noch mit Hängen, Köpfen, Verbrennen und Vergewaltigen bekämpft, bis „auf 1000 Jahre niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen“ (Wilhelm II.). Heutige Herrenmenschen kündigen den sicheren Triumph noch ohne „Expeditionskorps“ an. (…) Der mediale Firlefanz verdeckt nicht den Ernst der Lage: Es geht wie 1900 um die „Macht in der Welt“ und da dürfen EU und BRD nicht zurückstehen. Am Dienstag gab die „Berliner Zeitung“ einen Bericht der „Financial Times“ über ein geheimes EU-Papier wieder, „in welchem China nicht mehr als Partner, sondern als Rivale gesehen wird“. Eine „Überprüfung“ der bisherigen Position zu China sei daher auch Gegenstand des Treffens der EU-Außenminister am Montag in Brüssel gewesen. Gleichzeitig äußerten sich die deutschen Geheimdienstchefs im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages zum Thema. BND-Chef Bruno Kahl nannte dort laut „dpa“ China eine „Bedrohung“, Verfassungsschützer Thomas Haldenwang folgte mit: „Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel.“ Da hat einer der „gelben Gefahr“ wieder einen Namen gegeben.
    Quelle: Arnold Schölzel in unsere zeit
  9. Corona-Krise und Auslandsverschuldung im Globalen Süden
    Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei, aber die außerordentlichen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Maßnahmen, die in ihrer Anfangsphase ergriffen wurden, sind weitgehend ausgelaufen. Wie haben sie sich auf die Auslandsverschuldung des Globalen Südens ausgewirkt?
    In der Coronavirus-Krise haben Staaten sich massiv verschuldet, um den Gesundheitsnotstand zu bekämpfen. Viele Länder des Globalen Südens hatten jedoch bereits vor der Coronavirus-Krise eine hohe Staatsverschuldung. Dementsprechend ist eine neue globale Schuldenkrise sehr wahrscheinlich.
    Unter der Führung der G20, des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank haben die Gläubigerregierungen nach Ausbruch der Corona-Krise auf dieses Problem reagiert, indem sie Regierungen mit niedrigem Staatseinkommen vorübergehend vom Schuldendienst befreit haben. Die Frage ist, ob das ausreicht – oder ob einige Kredite des Südens dauerhaft abgeschrieben werden müssen.
    Quelle: Makroskop
  10. Um Milliarden-Loch zu stopfen: Krankenkassenbeiträge steigen auf neuen Rekordwert
    Die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung steigen im kommenden Jahr auf einen neuen Rekordwert. Der Pflichtanteil wird um 0,3 Punkte angehoben, was durchschnittlich 16,2 Prozent des Bruttolohnes sein wird.
    Die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung werden im kommenden Jahr nun doch wie ursprünglich angekündigt um 0,3 Punkte auf dann durchschnittlich 16,2 Prozent steigen müssen – ein neuer Rekordwert. Das ergibt sich aus Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen zum Spargesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), mit dem das für 2023 erwartete Defizit von 17 Milliarden Euro gedeckt werden soll. Sie liegen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor.
    Danach reicht die noch in der vergangenen Woche in Aussicht gestellte Erhöhung um lediglich 0,2 Punkte nicht aus, da das Defizit der Krankenkassen höher ist als bisher angenommen. Dadurch können die Rücklagen der Kassen, die zur Finanzierung des 17-Milliarden-Lochs beitragen sollen, nicht um vier Milliarden Euro abgeschmolzen werden, sondern nur um 2,5 Milliarden Euro. Anders als von Lauterbach erwogen soll es nun auch dabei bleiben, dass die Krankenversicherung ein Darlehen von einer Milliarde Euro beim Bund aufnimmt.
    Quelle: Focus Online
  11. “Frauenquote“ in Aufsichtsräten beschlossen: was haben wir davon?
    Natürlich ist es für uns unhaltbar, dass Frauen in der Lohnarbeit ständig unterschätzt, schlechter bezahlt und am Arbeitsplatz belästigt werden. Und das Patriarchat durchzieht alle Klassen, auch patriarchale Diskriminierung bourgeoiser DAX-Vorstandsfrauen ist ein Zeichen dafür, dass Bildung und Arbeit von Frauen geringer geschätzt werden.
    Die EU reagiert darauf, wie es von der EU zu erwarten ist. Sie hebt Barrieren auf für Frauen der herrschenden Klasse und nutzt dieses Symbol, um Arbeiterinnen weis machen zu wollen: Kein Grund zur Aufruhr, wir sind der Gleichberechtigung wieder eine EU-Richtlinie näher gekommen.
    “Mehr Frauen in die Chefetagen!”
    So lautet eine Parole, die von Girlboss-Feminist:innen bis zur CDU Anhänger:innen findet. Nochmal: Eine Gesellschaft, in der alle Chefs Männer sind, alle wirtschaftlichen Entscheidungen von Männern getroffen werden und Männer deutlich besser bezahlt werden, ist ein Problem. Ein paar Frauen mit entsprechender Klassenzugehörigkeit zu Chefinnen zu machen, ist aber nicht die Lösung.
    Stattdessen scheint es fast zynisch, denn unter den Menschen, die nicht in börsennotierten Aufsichtsräten sitzen, sind Frauen diejenigen, die am häufigsten prekär beschäftigt sind. An ihrer ständigen Kündbarkeit, dem Mindestlohn, der geringen Vereinbarkeit von Familie und Lohn- und Reproduktionsarbeit ändert diese Quote nichts. Dass zukünftig mehr Frauen über die Geschicke der Unternehmen, für die sie arbeiten, entscheiden, ebenso.
    Quelle: Perspektive
  12. Meerbusch-Iran-Connection: Deutsche Firma in Aufbau des abgeschotteten Internets im Iran verstrickt
    Ein deutsches Unternehmen aus Meerbusch in Nordrhein-Westfalen ist zusammen mit dem iranischen Internetunternehmen ArvanCloud in den Aufbau eines abgeschotteten Internets im Iran verwickelt. Das zeigen gemeinsame Recherchen von Correctiv, taz und netzpolitik.org. Deutsche Ministerien und Sicherheitsbehörden sind alarmiert.
    Eine deutsche Firma aus Meerbusch in Nordrhein-Westfalen steht im Verdacht, als Tarnfirma des iranischen Internetunternehmens Abr Arvan die Abschottung des Internets im Iran mit voranzutreiben. Wie gemeinsame Recherchen von Correctiv, taz und netzpolitik.org belegen, betreibt das Unternehmen mehrere Datenzentren in Europa, die bei einer Abschottung des Internets den Betrieb des internen iranischen Netzes gewährleisten könnten. Die Firma stellt zudem eine von nur vier Verbindungen vom Iran ins Internet bereit.
    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagt zu dieser Recherche in einem Interview, das heute Abend in der Carolin-Kebekus-Show ausgestrahlt wird: „Das ist dramatisch, wenn eine deutsche Firma bei solchen Verbrechen auch unterstützen und helfen sollte.“ Die entsprechenden Sicherheitsbehörden würden laut Baerbock den Fall prüfen. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, könnte dies auch strafrechtliche Konsequenzen haben.
    Quelle: netzpolitik.org
  13. Schattenmacht FATF verlangt von Bundesregierung Maßnahmen gegen Bargeld
    Weltweit drängen Finanzbranche und Regierungen das Bargeld zurück. Koordiniert wird dieser unerklärte Krieg in einem demokratiefernen internationalen Raum von Gremien wie der Financial Action Task Force on Money-Laundering (FATF). Diese stellt in ihrem neuesten Bericht zu Deutschland die hohe Bargeldaffinität der Deutschen als großes Problem dar und verlangt Anreize, damit die Bürger Bargeld weniger nutzen.
    Die 39 Mitgliedsländer der FATF unterwerfen sich regelmäßig Untersuchungsmissionen, die einen Bericht über ihre Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung erstellen und diese bewerten. Im jüngsten Bericht zu Deutschland, der im August veröffentlicht wurde, wird im vorderen Teil zur Ausgangslage die starke Nutzung von Bargeld herausgestellt. An vielen Stellen im Bericht wird darauf verwiesen, garniert mit dem Hinweis, dass Bargeldnutzung zu den größten Geldwäscherisiken gehört. Das ist ein Glaubenssatz der FATF. Der Versuch eines Belegs wird gar nicht erst gemacht.
    Quelle: Norbert Häring

    Anmerkung Christian Reimann: Norbert Häring hat hier die wichtigsten Strippenzieher der globalen Kampagne gegen das Bargeld benannt – bereits 2018. Erinnert sei u.a. an diese Beiträge:

    1. Bargeldlos gegen Geldwäsche und Kriminalität? So einfach ist es dann doch nicht
    2. Der „Krieg gegen das Bargeld“ ist eine milliardenschwere Ölquelle für den Finanzsektor
  14. Warum die Menschheit kein Umweltproblem hat
    Wer glaubt, dass Degrowth „gewaltfrei“ im Wege freiwilligen Verzichts vonstattengehen könnte, sollte sich mit dem Gewaltpotential des Kapitalismus hinter unserer Konsum- und Identitätstraumwelt beschäftigen.
    Nichts scheint in Zeiten dramatisch steigender Energiepreise fernliegender als die Diskussion über die Umwandlung des (derzeit in Europa nicht ganz so) dynamischen Kapitalismus in eine weitgehend statische Kreislaufwirtschaft, wie sie als Antwort auf die Klima- und die sich dahinter aktuell schon abzeichnende Rohstoffkrise von einigen für notwendig erachtet wird.
    Nicht nur das: Wo sie dennoch geführt wird, erscheint sie seltsam akademisch. Ist die Frage nach der Abschaffung des Kapitalismus – um nichts anderes geht es – wirklich mit mathematischen Rückrechnungen auf vergangene volkswirtschaftliche Niveaus und der Beteuerung, die materielle Versorgung der Bevölkerung sei auch in einer geschrumpften Volkswirtschaft mit Hilfe staatlicher Planung privater Wirtschaftsleistung gewährleistet, tatsächlich schon beantwortet?
    Quelle: Makroskop

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