Stadt stellt sich gegen Sanktionspolitik: „Alles unterlassen, was den Krieg in der Ukraine verlängert“

Stadt stellt sich gegen Sanktionspolitik: „Alles unterlassen, was den Krieg in der Ukraine verlängert“

Stadt stellt sich gegen Sanktionspolitik: „Alles unterlassen, was den Krieg in der Ukraine verlängert“

Ein Artikel von: Redaktion

Die Stadtverordnetenversammlung von Königs Wusterhausen bei Berlin hat sich in einem Offenen Brief konsequent gegen die Ukraine-, Russland- und Sanktionspolitik der Bundesregierung positioniert. So heißt es in dem Brief etwa: “Völlig anders als bei allen sonstigen Konflikten, gibt es seitens der Bundesregierung keinerlei wahrnehmbares Bemühen um Diplomatie. Allein Waffen und völlig entfesselte Sanktionsmaßnahmen sollen diesmal das alleinige Mittel der Wahl sein. (…) Die Länder, von denen wir abhängig sind, haben in der Regel ihr eigenes konträres ‚Wertesystem‘, oft führen sie seit Jahren Kriege gegen ihr eigenes oder andere Völker. Wollen wir also künftig mit all diesen Ländern im Kriegszustand sein?! (…) Alle weiteren Entwicklungen sind absehbar, ohne dass damit den Menschen in der Ukraine geholfen ist.“ Die Aktion ist wichtig und andere Städte sollten diesem Beispiel folgen. Wir dokumentieren den Text hier im Wortlaut. Von Tobias Riegel.

Der Text des Briefes der Stadtverordnetenversammlung von Königs-Wusterhausen findet sich unter diesem Link. Weitere Infos der Beteiligten gibt es unter diesem Link. Hier folgt der Text im Wortlaut:

Stadt Königs Wusterhausen
Stadtverordnetenversammlung

Offener Brief der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen an die Bundesregierung

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrte Ministerinnen, sehr geehrte Minister

als Organ der kommunalen Selbstverwaltung gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem Lebensumfeld unserer Bürgerinnen und Bürger, der Bereitstellung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Infrastruktur.

Die Herausforderungen der vergangenen Jahre, sei es im Ergebnis der so genannten Flüchtlingskrise oder der Pandemiepolitik, haben die personelle und finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen bereits mehrfach überstrapaziert. Anstatt uns nun den vielen drängenden Kernaufgaben widmen zu können, steht uns unübersehbar die nächste Krise bevor.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine löste nahezu unmittelbar eine Eskalationsspirale aus, die sich immer schneller dreht und droht, zu einer umfassenden globalen Krise zu werden. Völlig anders als bei allen sonstigen Konflikten, gibt es seitens der Bundesregierung keinerlei wahrnehmbares Bemühen um Diplomatie. Allein Waffen und völlig entfesselte Sanktionsmaßnahmen sollen diesmal das alleinige Mittel der Wahl sein. Eine forcierte militärische Aufrüstung geht damit einher.

Wir wollen uns nicht anmaßen zu wissen, was die richtigen Mittel sind in dieser politischen Situation. Aber was wir mit Sicherheit wissen, ist die Tatsache, dass Deutschland nicht über die Bodenschätze, Rohstoffe und Energieauswahl verfügt, um unabhängig von anderen Ländern in der Welt seine Wirtschaft und den minimalen Wohlstand der Bevölkerung aufrecht erhalten zu können. Die Länder, von denen wir abhängig sind, haben in der Regel ihr eigenes konträres „Wertesystem“, oft führen sie seit Jahren Kriege gegen ihr eigenes oder andere Völker.

Wollen wir also künftig mit all diesen Ländern im Kriegszustand sein?!

Wir betrachten diese Art von Entwicklungen mit fassungslosem Entsetzen, insbesondere angesichts der bereits jetzt absehbaren Folgen.

Eine Politik, die sich darauf versteift, dass es nur eine militärische Lösung dieses Konfliktes geben könne, nimmt Tod und Zerstörung – vor allem für zigtausende Unbeteiligte und Unschuldige – billigend in Kauf.

Neben den unmittelbaren Kriegsfolgen in der Ukraine, hat der Sanktionskrieg auch Auswirkungen auf eigentlich völlig Unbeteiligte, die Menschen im sogenannten globalen Süden. Durch den nahezu vollumfänglichen Sanktionsdschungel bedingt, wurden enorme Mengen an Dünger- und Getreideexporten aus Russland und Weißrussland faktisch blockiert. Abgesehen von den ukrainischen Getreideexporten besteht das Problem fort. Eine Ausweitung von Hungersnöten in vielen ohnehin schon gebeutelten Ländern ist die Folge. Ist das im Sinne einer „wertegeleiteten“ Politik?

Die Folgen der gegen Russland gerichteten Sanktionspolitik schlagen mittlerweile auch spürbar auf uns zurück. Energie- und Nahrungsmittelpreise steigen mit zunehmender Rasanz, der historische Anstieg der Erzeugerinnen- und Erzeugerpreise in Höhe von 45,8% im August zeigt an, dass die für September prognostizierte Inflation von 10 % lediglich eine Zwischenstufe auf dem Weg zu neuen Rekorden sein wird.

Bereits im Juli meldete der Sparkassen- und Giroverband, dass bei einer Verstetigung des Inflationsgeschehens 60% der deutschen Haushalte keine Rücklagen mehr bilden können, der Einlagenzuwachs im Vergleich zu 2020 um 98% zurückgegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt lag die Inflation bei 7,9%.

Die nun markig als „Doppel-Wumms“ angekündigten Stabilisierungsmaßnahmen in Höhe von 200 Mrd. € lösen das grundsätzliche Problem nicht, es wird an den Symptomen herumgedoktert, wo eine kritische Reflektion der ergriffenen Maßnahmen und ein Umsteuern notwendig wäre. Die Meldungen über endgültige Betriebsschließungen und Insolvenzen häufen sich. Vielen bereits durch die Pandemie-Politik gebeutelten Gewerbetreibenden geht nun endgültig die Luft aus, aufgrund hoher Kosten bei gleichzeitig einbrechendem Umsatz.

Es kommen nicht bezifferbare Verluste durch Betriebsschließungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland, Rezession und Kaufzurückhaltung auf uns zu. Ganze Branchen werden verschwinden und Deutschland verliert seine letzten Standortvorteile. Die zunehmende Inflation wird zu einer massiven Kapitalflucht führen, das ohnehin angeschlagene Finanzsystem droht zu kollabieren. Der Umfang des Gesamtschadens ist unabsehbar. Die Arbeitslosigkeit wird explodieren, gleichzeitig steigt die Zahl der Flüchtlinge, die Sozialsysteme sind jetzt schon völlig überlastet. Daraus folgende soziale und politische Unruhen sind zwangsläufig.

Alle weiteren Entwicklungen sind absehbar, ohne dass damit den Menschen in der Ukraine geholfen ist.

Wir rufen Sie daher dazu auf, alles zu unterlassen, was diesen Krieg verlängert und alles dafür zu tun, dass die Waffen schweigen. Sowohl im Waffenkrieg als auch im Wirtschaftskrieg! Schließen möchten wir mit den Worten Willy Brandts, die nichts an Ihrer Gültigkeit verloren haben:

„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“

Titelbild: Leila Alekto Photo / Shutterstock