Medial ignoriert: 152 zu 5 – Krachende Abstimmungsniederlage von USA und Israel bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen

Medial ignoriert: 152 zu 5 – Krachende Abstimmungsniederlage von USA und Israel bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen

Medial ignoriert: 152 zu 5 – Krachende Abstimmungsniederlage von USA und Israel bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Am 28. Oktober 2022 haben 84 Prozent aller anwesenden UN-Mitgliedsstaaten für eine Resolution gegen die Verbreitung von Kernwaffen im Nahen Osten gestimmt, in welcher Israel aufgefordert wurde, seine Atomwaffen, die es völkerrechtswidrig besitzt, abzuschaffen sowie seine Nuklearanlagen unter die Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zu stellen. Dagegen stimmten lediglich Israel, seine Schutzmacht USA, Kanada sowie die über Assoziierungsverträge außenpolitisch an Washington gekoppelten Inselstaaten Mikronesien und Palau. Deutschland enthielt sich als eines von wenigen UN-Ländern. Neben dem Abstimmungsverhalten ist auch bezeichnend, wie diese bedeutende Abstimmung im Ersten Ausschuss der UN-Generalsversammlung von deutschen „Leitmedien“ aufgegriffen wurde: Nämlich gar nicht. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In der mit absoluter Mehrheit angenommenen Resolution, Dokument A/C.1/77/L.2, mit dem Titel „Das Risiko der nuklearen Weiterverbreitung im Nahen Osten“ wird unter anderem darauf hingewiesen, „dass Israel der einzige Staat im Nahen Osten ist, der noch nicht dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) beigetreten ist“. In Folge wird ein Beitritt Israels zum NVV sowie “die Unterstellung aller seiner kerntechnischen Anlagen unter umfassende Sicherheitsvorkehrungen der Internationalen Atomenergie-Organisation“ gefordert.

Weiter heißt es in dem Dokument, Israel müsse sich verpflichten, „keine Atomwaffen zu entwickeln, zu produzieren, zu testen oder anderweitig zu erwerben, auf den Besitz von Atomwaffen zu verzichten und alle seine nicht überwachten Nuklearanlagen unter umfassende Sicherheitsvorkehrungen der Organisation zu stellen, als wichtige vertrauensbildende Maßnahme zwischen allen Staaten der Region und als Schritt zur Stärkung von Frieden und Sicherheit“.

Eingebracht wurde die Resolution von Algerien, Bahrain, den Komoren, Dschibuti, Ägypten (im Namen der Arabischen Liga), Irak, Jordanien, Kuwait, Libanon, Libyen, Mauretanien, Marokko, Oman, Katar, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan, Tunesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jemen und dem von den Vereinten Nationen anerkannten Staat Palästina.

Angenommen wurde diese Resolution auf der 25. Plenarsitzung des sogenannten Ersten Ausschusses der UN-Generalversammlung, welcher sich mit Abrüstung und internationaler Sicherheit befasst.

Die Abstimmung wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die eklatante Doppelzüngigkeit des „Wertewestens“. In Washington, Berlin, Paris und London spricht man gerne von „regelbasierter Ordnung“ (deren Regeln natürlich genau von diesen Vertretern bestimmt werden) und vermittelt in entsprechenden Reden den Eindruck, man sei die Speerspitze des Völkerrechts. Doch schaut man sich das Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen an, nicht nur im aktuell aufgezeigten Fall, dann drängt sich ein ganz anderer Eindruck auf. Es sind die USA und deren Partner, insbesondere in der EU, die dem im UN-Rahmen etablierten Völkerrecht Hohn sprechen.

Wer stimmte gegen die Resolution?

Gegen die Resolution stimmten, wie bereits erwähnt, lediglich Israel, Kanada, die USA und die zwei US-Klientelstaaten Mikronesien sowie Palau. Israel hat sich nicht nur, in eklatanter Missachtung geltenden Völkerrechts, in den Besitz von Atomwaffen gebracht, es hält ebenso völkerrechtswidrig nach UN-Einschätzung den Gazastreifen und die Westbank besetzt, hat die völkerrechtlich zu Syrien gehörenden Golan-Höhen sowie Ost-Jerusalem annektiert und wird von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen, inklusive Amnesty International und Human Rights Watch, wegen des Umgangs mit Palästinensern als „Apartheidregime“ bezeichnet. Amnesty begründet dies unter anderem wie folgt:

„Israel begeht seit Jahrzehnten systematisch schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Palästinenser. Verstöße wie Zwangsumsiedlungen, Verwaltungshaft, Folter, rechtswidrige Tötungen und schwere Verletzungen sowie die Verweigerung grundlegender Rechte und Freiheiten sind von Amnesty und anderen gut dokumentiert worden. Es ist klar, dass das israelische Apartheidsystem durch diese Übergriffe aufrechterhalten wird, die nahezu ungestraft bleiben. Sie sind Teil eines weit verbreiteten und systematischen Angriffs auf die palästinensische Bevölkerung, der im Rahmen des institutionalisierten israelischen Regimes der systematischen Unterdrückung und Herrschaft über die Palästinenser durchgeführt wird, und stellen daher Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Apartheid dar.“

Die USA, das ist jener Staat, der, weltweit einzigartig, seit über einem Jahrzehnt abertausende Menschen per Killerdrohnen ermorden ließ, ein Netz von Foltergefängnissen unterhält (Guantanamo ist nur das prominenteste Beispiel), kritische Journalisten verfolgen und foltern lässt (Stichwort Julian Assange) sowie mittels völkerrechtlich höchst fragwürdigen Sanktionen den Zugang von Millionen Menschen unter anderem in Kuba, Iran, Syrien und Venezuela zu elementaren medizinischen Gütern verhindert, ganz konkret zum Beispiel den Erwerb von Beatmungsgeräten und Diabetes-Medikamenten. Die seit über 60 Jahren andauernde US-Blockade gegen Kuba ist die nächsten Tage ebenfalls Thema der UN-Vollversammlung.

Mikronesien, offiziell „Föderierte Staaten von Mikronesien“, verfügt über 115.000 Einwohner und wurde über Jahrzehnte direkt vom US-Innenministerium verwaltet. Palau hat weniger als 20.000 Einwohner und Washington ist mittels erzwungenem Assoziierungsvertrag direkt für die Außenpolitik des Inselstaates verantwortlich. 1994 wurde der Verfassungspassus über Palau als atomwaffenfreie Zone auf massiven Druck der USA komplett gestrichen.

Wer stimmte für die Resolution, wer enthielt sich?

Ausnahmslos alle anwesenden Staaten Lateinamerikas stimmten für die Resolution, ebenso, abgesehen von Israel, alle Staaten des Nahen und Mittleren Ostens. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für den gesamten asiatischen Kontinent mit seinen 51 Ländern, Ausnahmen bilden hier lediglich die Enthaltungen von Indien und Georgien sowie die bereits erwähnten zwei Mikrostaaten unter US-Fuchtel.

Von den 54 Staaten Afrikas enthielten sich ebenso nur zwei, Kamerun und die Elfenbeinküste, alle anderen anwesenden Staaten stimmten für die Resolution.

Interessant ist im konkreten Fall insbesondere das Abstimmungsverhalten der EU-Länder. Entgegen sonstigem Vorgehen, bei welchem die EU-Mitgliedsländer sich bemühen, eigentlich fast immer geschlossen in den Vereinten Nationen abzustimmen, ging diesmal ein Riss quer durch die EU. So stimmten von den 27 EU-Ländern 12 für die UN-Resolution, die Israel auffordert, seine illegalen Atomwaffen abzugeben sowie alle Nuklearanlagen unter Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zu stellen. Diese Länder waren: Bulgarien, Finnland, Griechenland, Irland, Malta, Österreich, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern.

Die restlichen 15 Länder, Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Luxemburg, die drei baltischen Staaten, die Niederlande, Polen, Rumänien, die Tschechische Republik und Ungarn, enthielten sich. Das Abstimmungsverhalten gibt auch eine Idee davon, welche Länder in der EU stärker US-amerikanischen und israelischen Lobbyaktivitäten unterliegen und welche nicht.

Halten wir fest: Von den USA offiziell als „Schurkenstaaten“ bezeichnete Länder wie Kuba, Iran, Nordkorea und Syrien sowie die oft in ähnliche sprachliche Framings gepackte Länder wie Russland und China sprechen sich in den Vereinten Nationen für einen atomwaffenfreien Nahen und Mittleren Osten sowie die allgemeine Gültigkeit des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) aus.

Währenddessen haben sich die postulierte „einzige Demokratie im Nahen Osten“ sowie die USA explizit dagegen ausgesprochen. Und die angeblich so „wertebasierte“ Außenpolitik unter Annalena Baerbock enthält sich bei der elementaren Frage eines atomwaffenfreien Nahen Ostens, der allgemeinen Gültigkeit des NVV sowie hinsichtlich der Forderung, die Atomanlagen Israels unter die Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zu stellen.

An ihrem Abstimmungsverhalten sollt ihr sie erkennen!

Titelbild: Screenshot von UN Web TV

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