Der Traum von der Emissionslosigkeit. Der Fall des Volkswagen ID.3

Der Traum von der Emissionslosigkeit. Der Fall des Volkswagen ID.3

Der Traum von der Emissionslosigkeit. Der Fall des Volkswagen ID.3

Ein Artikel von Helmut Zell

Die VW-Website mit der Überschrift „Die CO₂-Bilanz des Elektro-Fahrzeugs“ versichert dem Besucher stolz, dass der ID.3 kein CO2 ausstößt: „CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²“ und „Der ID.3 ist der erste „bilanziell CO2-neutrale Volkswagen.“ Wie klimafreundlich ist dieses E-Autos denn wirklich? Bei VW weiß man, dass ein Elektroauto bei der Herstellung und bei der Erzeugung für den Ladestroms erhebliche Mengen an CO2 ausstößt. Wir prüfen diese Fragen anhand einer VW-Studie, die VW-Mitarbeiter aus der Technischen Entwicklung (alle mit Doktortitel!) zum ID.3 erarbeitet haben. Von Dr. Helmut Zell.

So rechnen sich sechs VW-Doktoren die CO2-Bilanz des ID.3 schön

Mit der Studie wollen die sechs Mitarbeiter den Nachweis erbringen, dass der ID.3 umweltverträglich ist. Dafür haben sie den ID.3 mit zwei von Größe und Ausstattung her ähnlichen Verbrennern der Kompakt-Klasse (VW Golf 8, einmal als Benziner, zum andern als Diesel) verglichen. Gemessen wurde, wie viel CO2 die Fahrzeuge über die angenommene Lebenszeit von 200.000 km hinweg verursachen. Bei der Herstellung von E-Autos entstehen wegen der Batterie deutlich mehr CO2-Emissionen als beim Verbrenner. Beim Fahrbetrieb sind sie dagegen niedriger. Gemeinsam betrachtet kommt die Studie zum Ergebnis, dass der ID.3 trotz der höheren Emissionen in der Herstellung über den gesamten Lebenszyklus hinweg gegenüber dem Diesel- und dem Benziner-Fahrzeug deutlich weniger Emissionen verursacht.

So zeigt das auf der VW-Webseite eingestellte Diagramm für den Benziner-Golf 35 Tonnen CO2, für den Diesel-Golf 30 Tonnen CO2, für den ID.3 nur rund 28 Tonnen CO2. Das sind im Vergleich zum Golf-Diesel gerade mal zwei Tonnen oder 6 bis 7 Prozent für die Lebenszeit eines ID.3. Trotzdem verkündet die Studie begeistert das Ergebnis: Schon mit dem heutigen europäischen Strommix kann mit dem ID.3 gegenüber den Verbrennern der CO2-Ausstoß deutlich reduziert werden. Dafür die ganze Aufregung um die Elektromobilität? Dafür die vielen Milliarden an Steuergeld für der Aufbau der Ladeinfrastruktur und an Subventionen?

Doch selbst dieses Ergebnis ist höchst zweifelhaft. Denn ein kritischer Leser wird fragen, warum verwenden die VW-Autoren für ihre Berechnungen den „europäischen“ und nicht den „deutschen Strommix“. Der Grund wird klar, wenn man sich die beiden CO2-Emissionsfaktoren anschaut. Für den deutschen Strommix beträgt dieser in 2021 420 Gramm pro kWh.[1] Dagegen beträgt er für die EU rund 250 Gramm pro kWh.[2] Der europäische CO2-Emissionsfaktor ist um rund 68 Prozent niedriger als für den deutschen Strommix. Die Klimabilanz des ID.3 ist beim gegenwärtigen deutschen Strommix schlechter als die der beiden Verbrenner-Golfs. Es scheint sich bei der VW-Studie um Greenwashing zu handeln.

Funktionieren Kompensationsprojekte?

Da man ein Auto von 1,8 Tonnen Leergewicht gegenüber der Öffentlichkeit kaum glaubhaft als „CO2-neutral“ präsentieren kann, greifen die VW-Autoren zur Messgröße „bilanziell CO2-neutral“. Was ist gemeint? Damit wird gesagt, dass mit dem Produkt zwar Emissionen verbunden sind, die aber durch Reduktionen an anderer Stelle der Erde kompensiert werden. So verweist die VW-Website auf die Kompensation „zum Beispiel mit zertifizierten Klimaschutzprojekten im indonesischen Regenwald“. Nun gibt es leider Hinweise darauf, dass mit Kompensationsprojekten in großem Umfang geschummelt wird.[3] So stellt die Greenpeace-Studie „VWs Bluff mit der Klimaneutralität“ aus 2020[4] fest, dass damit Greenwashing betrieben wird. Bei der Studie steht das Volkswagenmodell ID.4 im Zentrum der Untersuchung, die überzeugend nachweist, dass bei diesem über Kompensationsprojekte wahrscheinlich keinerlei CO2 einspart wird.

Mit dem Atomausstieg wird der Strommix klima-unfreundlicher

Die Klimafreundlichkeit des E-Autos hängt maßgeblich von der Art der Stromversorgung ab. Voraussichtlich werden Mitte April 2023 die letzten drei deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet. Mit dem Ende der Verstromung von CO2-effizientem Erdgas und wegen des stagnierenden Ausbaus der erneuerbaren Energien wird in Deutschland auf absehbare Zeit ein wachsender Anteil des Stroms von fossilen Kohlekraftwerken kommen müssen. Da Kohle die Umwelt pro erzeugte kWh etwa doppelt so stark belastet wie Erdgas[5], werden die CO2-Emissionen der Stromerzeugung steigen. Das ist nicht gut für die Klimabilanz von E-Autos wie den ID.3, die auf Strom angewiesen sind. Der CO2-Emissionsfaktor des deutschen Strommix wird in den kommenden Jahren steigen, vermutlich auf über 500 Gramm pro kWh. Ehrlich gerechnet müsste also die doppelte Fläche an Wald in Indonesien zur Kompensation der vom ID.3 verursachten Emissionen bereitgestellt werden. VW plant, die Produktionszahlen seiner E-Autos weiter zu steigern. Es ist kaum vorstellbar, wie die gigantischen Emissionen von weiteren hunderttausenden von E-Autos durch Wiederaufforstungen in Indonesien oder sonstwo kompensiert werden könnten.

Der ID.3 hat eine desaströse CO2-Bilanz und sollte nicht bezuschusst werden

Die Befürworter des E-Autos haben es geschafft, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, dass es ökologisch und klimafreundlich sei. Obige Analyse der VV-Studie zeigt, dass das Fahrzeug kein CO2 einspart. Wenn man richtig rechnet, stößt es bei der deutschen Stromversorgung mehr CO2 aus als vergleichbare Modelle mit Verbrennerantrieb. Jedes E-Auto, also nicht nur der ID.3, schadet gegenwärtig dem Klima, wenn es mit Kohlestrom fährt. Sollte Elektromobilität dem Klima helfen, bräuchte man viel mehr Strom aus erneuerbaren Energien. Die Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne bleibt aber weit hinter dem Bedarf zurück. Damit werden auch die CO2-Emissionen der Stromerzeugung in den nächsten Jahren steigen. Wenn die Klimawende gelingen sollte, muss der Ausstoß von CO2 des Straßenverkehrs drastisch gesenkt werden. Die Devise muss sein: CO2 reduzieren, nicht kompensieren. Alles andere ist Augenwischerei. Die sechs VW-Mitarbeiter sind ausreichend qualifiziert, um das zu wissen.

Unter den gegebenen Bedingungen der deutschen Stromversorgung den Absatz von E-Autos mit Kaufprämien von bis zu 9.000 € zu subventionieren, ist schlicht absurd. Es belastet den Steuerzahler, nützt niemandem, nicht dem Klima, nicht den Käufern. Für diese bleibt der Kauf eines E-Autos trotzdem teuer und sie müssen sich mit langen Ladezeiten und der begrenzten Reichweite rumplagen. Wir brauchen weniger und kleinere Autos.

Zum Autor: Dr. Helmut Zell ist Dipl.-Ing. und promovierter Volkswirt, er war lange Jahre Mitarbeiter von Hans-Jürgen Wischnewski, dem ehemaligen SPD-Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie späteren Staatsminister im Bundeskanzleramt unter Helmut Schmidt.

Titelbild: Screenshot: volkswagenag.com


[«1] de.statista.com/statistik/daten/studie/38897/umfrage/co2-emissionsfaktor-fuer-den-strommix-in-deutschland-seit-1990/

[«2] Die Emissionsfaktor in Kohledioxid-Äquivalenten für die EU beträgt in 2021 275 Gramm/kWh. Greenhouse gas emission intensity of electricity generation — European Environment Agency (europa.eu). Der Emissionsfaktor für die CO2-Emissionen dürfte niedriger sein, geschätzt auf 250 Gramm CO2/kWh.

[«3] Thess, André, D.: Sieben Energiewendemärchen, Stuttgart 2020, insbesondere S. 180ff.

[«4] „VWs Bluff mit der Klimaneutralität. Wie Volkswagen sich mit einem wirkungslosen Kompensationsprojekt vor möglichen CO2-Einsparungen drückt.“ 29.9.2020. greenpeace.de/publikationen/vws-bluff-klimaneutralitaet

[«5] Der CO2-Emissionsfaktor von Braunkohle beträgt 1.135, von Steinkohle 852 und von Erdgas 409 Gramm pro Kilowattstunde (g/kWh), Umweltbundesamt, Mai 2021 umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-05-26_cc-45-2021_strommix_2021.pdf, Seite 16

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