Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik

Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik

Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Reaktionen vieler TV-Comedians auf Friedensdemo und Manifest von Wagenknecht/Schwarzer zeigen: Einige der von Bürgergebühren bezahlten TV-„Satiriker“ haben die eigene Berufsbezeichnung nicht verstanden: Satire sollte sich eigentlich vornehmlich gegen Fehltritte von mächtigen Akteuren richten, nur dann „darf sie alles“. Wer aber gemeinsam mit Regierung und großen Medien gegen die im Meinungskampf bereits schwer benachteiligte Friedensbewegung nachtritt, der macht Propaganda, keine Satire. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Sarah Bosetti, Browserballett, Extra Drei, Heute Show, Jan Böhmermann, Florian Schroeder – und so weiter: Die deutschen TV-Comedians stehen fast wie ein Mann hinter der Bundesregierung und ihrer den Krieg und das Leid der ukrainischen Zivilisten potenziell verlängernden Ukrainepolitik. Konkrete Beispiele für diese Art des „Kabaretts“ folgen weiter unten im Text. In diesen Beiträgen wird das Schutzschild „Satire“ genutzt, um ungebremst von Anstandsregeln und Fakten gegen Regierungskritiker auszuteilen. Ist das also die heutige Definition von Satire: gemeinsam mit mächtigen Regierungspolitikern und Journalisten publizistisch gegen im Meinungskampf bereits benachteiligte Regierungskritiker vorzugehen?

Die hier geäußerte Kritik betrifft einige der prominenten TV-„Kabarettisten“ – es gibt natürlich Ausnahmen, etwa die Beiträge von Lisa Fitz, auch Serdar Somuncu hat kürzlich mit eigenen Gedanken zum Ukrainekrieg auf sich aufmerksam gemacht, Michael Hatzius konnte ebenfalls bereits als gedanklich eigenständig auffallen, früher hätte man in dieser Reihe auch „Die Anstalt“ erwähnt, etwa wegen Beiträgen wie diesem. Es gibt sicher weitere positive Ausnahmen in der TV-Kabarett-Kultur.

Satire als reine Verstärkung des offiziellen Sounds

Wenn man aber nicht aktiv nach einem kritischen Kabarett im deutschen TV suchte, so hatte man in den letzten Wochen den Eindruck einer totalen Dominanz des Bereichs durch angepasste Regierungs-Komiker, die ihre Reichweite nutzten, um Regierungskritiker verächtlich zu machen. Und da Satire ja „alles darf“, gibt es bei dieser Verächtlichmachung teilweise gar keine Grenzen nach unten mehr. Der (berechtigte und wichtige) Freibrief für Satire gilt aber doch nur, wenn es gegen Fehltritte von mächtigen Akteuren geht. Die Grundlage für den Satire-Freibrief ist meiner Meinung nach eine David-gegen-Goliath-Situation. Die enge Parteinahme der TV-„Satiriker“ für die Regierung und die Politik der Kriegsverlängerung wirkt aber als reine Verstärkung des offiziellen Sounds – eines offiziellen Sounds, der sowieso in jeder Hinsicht und auf allen großen Kanälen bevorteilt wird. Dieses Phänomen tritt auch bei anderen Themen auf.

Es geht nicht darum, Kritik am Friedensmanifest abzuwehren – und schon gar nicht wird hier gefordert, Satire-Beiträge zu löschen oder Autoren einzuschränken oder anders zu sanktionieren. Aber die fehlende „Waffengleichheit“ im Meinungskampf muss dringend benannt werden: Ein großer Teil der Bevölkerung findet sich in vielen großen Medien (zugespitzt) fast nur noch als Beschreibung rechtsradikaler Querdenker oder als Putin-Trolle wieder. Gäbe es diese groteske Einseitigkeit nicht und die daraus entstehende Schieflage bei der Berichterstattung vieler großer Medien zum Ukrainekrieg (und bei vielen anderen Themen), dann würde auch mein Urteil über die weiter unten erwähnten „Satire“-Beiträge ganz anders ausfallen. Sich aber als TV-Kabarett in diese Einseitigkeit einzugliedern und sie mit Kraftausdrücken etc. auch noch zu verstärken, das kann meiner Meinung nach als jämmerliche Verfehlung der eigenen Berufsbeschreibung bezeichnet werden. Ich möchte mich weder bei der Corona-Kritik noch bei der Ukraine-Debatte prinzipiell und auf allen Politikfeldern mit „den Regierungskritikern“ einverstanden erklären, nur weil es Regierungskritiker sind. Aber ebenso ist es inakzeptabel, Regierungskritiker prinzipiell zum medialen Freiwild zu erklären, bei deren Diffamierung es inhaltlich und stilistisch keine Grenze nach unten mehr gibt. Wer die Diffamierung im Namen der Regierung und der großen Medien mitmacht, verliert in meinen Augen den Status „Satiriker“.

Einige der zum Teil von den Gebühren der Bürger finanzierten Comedians sind meiner Meinung nach nicht mal mehr als Hofnarren zu bezeichnen – denn die historischen Hofnarren haben sich ja angeblich die Freiheit genommen, ihre Regierungen hart zu kritisieren. Regierungspolitiker bekommen zwar auch bei „Heute Show“ und „Extra Drei“ ihr Fett weg – aber sehr oft nur in Form von harmlosen Schenkelklopfern. Die wirkliche, giftige Diffamierung ist dagegen oft für bereits unterlegene Regierungskritiker reserviert, momentan für Akteure der Friedensbewegung.

Diese beiden Frauen, die nichts anderes wollen, als Unfrieden stiften“

Hier folgen Beispiele für den Umgang von TV-„Satirikern“ mit der Friedensbewegung aus der jüngsten Vergangenheit: Jan Böhmermann schrieb bereits vor der Demo auf Twitter :

Ich sags ganz ehrlich, unalarmistisch und ohne Schadenfreude: Ich freu mich schon RICHTIG auf die unzähligen gemeinsamen Statements, Fotos und Videos von Wagenknecht-Linken, Schwarzer-Feminist:innen, strammen Neonazis und Holocaustleugnern von der Trotteldemo am 25.2.!

Florian Schroeder sagte kürzlich zu Wagenknecht/Schwarzer unter anderem:

Wer für Frieden ist, unterstützt keine heimlichen Kriegstreiber, wie diese beiden Frauen, die nichts anderes wollen, als Unfrieden stiften

Aufkommenden Unmut im Publikum erklärte Schroeder erwartungsgemäß damit, dass offenbar „Querdenker“ seinen Auftritt im Festsaal der Universität der Künste besucht hätten. „Seit Putin die Pandemie abgelöst hat, kommen sie zu mir, um mich auszubuhen“, schrieb der Kabarettist auf Twitter. Beim „Politischen Aschermittwoch“ behauptete Schroeder: „Friedensschwurbler sind die wahren Kriegstreiber“, aber nicht nur die Friedensbewegung wird von ihm angegriffen: Schräge historische Vergleiche (selbstverständlich „satirisch“) sollten auch nicht fehlen unter anderem dieser:

Ich möchte historisch korrekt bleiben. Hitler ist nicht Putin und Putin ist nicht Hitler. Im Gegensatz zu Putin wusste Hitler, wie man fremde Gebiete handwerklich sauber besetzt und fachgerecht anschließt. Das ist der große Unterschied. Es war aber auch die Zeit, in der es noch ausreichend Handwerker gab.“

Die angepassten Beiträge von „Heute Show“ und „Extra Drei“ zum Thema Friedensbewegung können hier bzw. hier angesehen werden.

Bei manchen Beiträgen von Sarah Bosetti springt ihre intellektuelle Selbstüberschätzung geradezu aus dem Monitor. Wenn sich Bosetti dann mit echten intellektuellen Schwergewichten wie Sahra Wagenknecht befassen will – dann kann das nur tragisch enden, wie man hier nachsehen kann. Bosetti ist manchen Lesern vielleicht noch in Erinnerung: Sie hatte Kritiker der Corona-Politik indirekt mit einem (für das Funktionieren des Gesamtkomplexes überflüssigen) Blinddarm verglichen – natürlich „satirisch“. Auf den gerechtfertigten Shitstrom reagierte Bosetti mit einem geradezu absurden Statement, das sie „Blinddarm-Entschuldigung“ nennt, das aber eine schwer verunglückte Rechtfertigung darstellt – nachzusehen hier.

Zu Recht als Allerletztes soll hier ein manipulativer „Zusammenschnitt“ der Rede Wagenknechts bei der Friedensdemo erwähnt werden, hergestellt durch das „Browserballett“.

Satire“ gegen Andersdenkende – Kennt man bereits von Corona

Ein Nachtreten gegen die im Meinungskampf ohnehin benachteiligte Friedensbewegung – das nun zu beobachtende Phänomen war von einigen TV-Comedians bereits gegen Kritiker der Corona-Politik angewandt worden, wie wir etwa hier beschrieben haben.

Die Petition von Wagenknecht und Schwarzer hat aktuell (Montag, 12 Uhr) über 730.000 Unterstützer – wer noch nicht unterzeichnet hat, kann das unter diesem Link jetzt tun.

Titelbild: Gearstd / Shutterstock