Warum ich die Medienberichterstattung zum „Manifest für Frieden“ und der Friedensdemo gut finde

Warum ich die Medienberichterstattung zum „Manifest für Frieden“ und der Friedensdemo gut finde

Warum ich die Medienberichterstattung zum „Manifest für Frieden“ und der Friedensdemo gut finde

Lutz Hausstein
Ein Artikel von Lutz Hausstein

Empfinden Sie, liebe Leserinnen und Leser, die vorstehende Überschrift als Zumutung? Gemach, gemach. Urteilen Sie nicht vorschnell. Es gibt Gründe für diese Bewertung. Gründe, die Teile der Medien verunsichern könnten, um einen früheren Innenminister leicht abgewandelt zu zitieren. Ich verspreche Ihnen, am Ende des Textes werden Sie meine Einschätzung nachvollziehen, wenn nicht gar teilen können. Ein Kommentar von Lutz Hausstein.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die alles beherrschenden beiden Themen der letzten Wochen waren das „Manifest für Frieden“, in dem für diplomatische Verhandlungen im Ukrainekrieg aufgerufen wird und das als Petition inzwischen von mehr als 700.000 Bürgern unterzeichnet wurde, und die sich darauf beziehende Friedensdemonstration am 25. Februar in Berlin. In den Medien, privaten wie öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern sowie den privaten Printmedien, wurde das Hauptaugenmerk weniger auf die Inhalte des Manifests und der Demonstration gelegt, der Fokus lag vielmehr auf einer angeblichen „Rechtsoffenheit“ bis hin zu Querfront-Unterstellungen, denen gern noch „Putin-irgendwas“-Vorwürfe beigefügt wurden. Verstärkend äußerten sich in größerer Anzahl einzelne Journalisten, Politiker, Politikberater, Militärexperten und sonstige mehr oder weniger prominente Personen fast durchgängig abwertend gegenüber der Petition wie auch der Demonstration sowie den beiden Hauptprotagonistinnen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht.

Dabei reichte die Ablehnung in ihrer mildesten Form von der Infragestellung der Motive für das Ergreifen der Friedensinitiative über verletzende Äußerungen über die einzelnen Personen bis hin zu übelsten Verbalinjurien. Dabei bedient man sich Behauptungen und unbewiesener Unterstellungen, die als Fakten deklariert werden, und schreckt nicht einmal vor nachweisbaren Falschbehauptungen zurück. All dies ist in der Mehrzahl ad hominem angelegt und hat, wenn überhaupt, nur marginalen Bezug zu den Sachthemen.

Dass dies allzu häufig gerade genau durch jene Akteure erfolgt, die ansonsten bedeutungsschwer „Hass-Sprache“ im Internet und den sozialen Medien beklagen, ist umso beachtenswerter. Dass eine Diskussion inzwischen in der Öffentlichkeit auf eine solche Art geführt wird (und geführt werden kann), ohne dass dies einen energisch geführten Widerspruch in der Öffentlichkeit nach sich zieht, zeigt für jedermann sichtbar, wie erheblich die Verrohung in unserer Gesellschaft vorangeschritten ist, die ja bei jeder sich bietenden Gelegenheit als „wertegeleitet“ bezeichnet wird. Kann sich eine derartige Debatte überhaupt erst entfalten – und bleibt zudem ohne Folgen – dann haben die vielgerühmten Werte eine schwere Schlagseite.

Doch es ist nicht nur die Heftigkeit der Diffamierung, die diese öffentliche Auseinandersetzung von vorherigen Debatten abhebt. Es ist auch die Einheitlichkeit des Angriffs auf die Petition und ihre Unterzeichner, auf die Demonstration samt deren Teilnehmer sowie die beiden Hauptinitiatorinnen Schwarzer und Wagenknecht. Zum einen geht es um die Medien an sich. Das Spektrum der kritisierenden bis diffamierenden Medien reicht von den öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sendern über bundesweite, regionale und lokale Tageszeitungen bis hin zu Meldungen und Kommentaren auf Portalen diverser E-Mail-Provider.

Und in all diesen wiederum werden fast sämtliche Formate mit der Kampagne abgedeckt. Dass Tagesnachrichten sich einem brisanten Thema widmen, ist natürlich selbstverständlich. Wenn diese Nachrichten jedoch durchgängig wertend und häufig in der Form eines Kommentars daherkommen, widerspricht dies journalistischen Standards. Doch es sind ja keineswegs nur Nachrichtenformate, die dieses Thema bearbeiten. Die Angriffe finden ihre Fortsetzung, indem sämtliche (!) Talkshow-Formate dieses Thema aufgreifen und dort einseitig, oft gar unter Nutzung von unbewiesenen Behauptungen und Unterstellungen bis hin zu falschen Informationen die öffentliche Meinung zu formen versuchen.

Einen besonders absurden Höhepunkt bildet die Tatsache, dass anschließend gegen diese Talkshows der Vorwurf einer „false balance“ erhoben wird. Und zwar nicht, wie man es jetzt erwarten könnte, dass die Zusammensetzung der Talkshowgäste kritisiert wird, weil da fast durchgängig einem Kritiker bestimmter gesellschaftlicher Umstände in der Regel drei Verteidiger, zzgl. einem voreingenommenen und damit einseitig zu verortenden Moderator, gegenübersitzen. Nein, die Teilnahme des Kritikers selbst wird als falsche Ausgewogenheit betrachtet. Wohl dem, der darin noch einen von Meinungspluralismus gekennzeichneten Debattenraum zu erkennen vermag.

Doch es sind nicht nur Nachrichtensendungen und Talkshows, die sich unisono abwertend über die Friedenspetition und die Demonstration auslassen. Es setzt sich nahtlos in Politik-Magazinen, Verbraucher-Magazinen und Satiresendungen fort. Ist das eine Sendeformat beendet, folgt ein anderes, das mit gleichem Tenor die Kampagne fortführt. Ein Entkommen ist unmöglich. Schlägt man die Zeitungen auf, liest man die Online-Ausgaben diverser Zeitungen – überall dasselbe Spiel. Die Gleichförmigkeit der „Berichterstattung“ hat ein unerträgliches Ausmaß erreicht.

Wie komme ich nun nach all dem dazu, die Medienberichterstattung der letzten Wochen zu begrüßen? Ganz einfach. Diesmal haben die Medien endgültig überzogen. Es gab in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder öffentliche Debatten, bei denen ich mich an der mangelnden Ausgewogenheit gestoßen habe. Bei sozialen Themen, der Einführung der Agenda 2010, den Kriegen in Jugoslawien, Afghanistan, Syrien und anderswo, den verschiedenen Freihandelsabkommen und nicht zuletzt dem alles bestimmenden Thema der letzten drei Jahre, Corona. Dennoch gab es immer wieder zumindest journalistische Einsprengsel, die andere Sichtweisen zugelassen und selbst getätigt haben. Auch wenn sie oftmals nicht viel mehr als das demokratische Feigenblatt darstellten, da sie sehr marginal waren.

Was jetzt jedoch zu erleben ist, hat eine neue Qualität. Diese extreme Einförmigkeit, gepaart mit einer enormen Vehemenz, bleibt den Bürgern in diesem Land auch nicht verborgen. Viele sind dadurch aufgeschreckt. Erschreckt. Und das zu Recht. Denn aus diesen Erscheinungen grinsen totalitäre Züge, die sich noch vor wenigen Jahren niemand in diesem Land hätte vorstellen können. Selbst ich nicht, der schon immer ein kritischer Geist gegenüber vorherrschenden Dogmen war und auch noch bin.

Es gibt eine Menge Gründe, weshalb ich 1989 in Leipzig für ein anderes Land auf die Straße gegangen bin. Einer davon war: Die Partei, die Partei hat immer recht.

Titelbild: Kastoluza / Shutterstock