Ein paar dringend notwendige Korrekturen der Geschichtsschreibung zu Willy Brandts Wirken und seine Bedeutung für heute

Ein paar dringend notwendige Korrekturen der Geschichtsschreibung zu Willy Brandts Wirken und seine Bedeutung für heute

Ein paar dringend notwendige Korrekturen der Geschichtsschreibung zu Willy Brandts Wirken und seine Bedeutung für heute

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Auf Anregung von Diether Dehm kam es zu einem Gespräch zwischen Willy Brandts ältestem Sohn Peter Brandt, Diether Dehm und Albrecht Müller, Wahlkampfleiter und Planungschef des damaligen Bundeskanzlers. Weltnetz TV hat das Gespräch aufgezeichnet und hier veröffentlicht. Das Video ist zwar lang geworden, aber es enthält einiges, was man normalerweise nicht zu hören und zu sehen bekommt. In diesem Gespräch kommt einiges zur Sprache, was die Geschichtsschreibung und interessierte Personen falsch und unvollständig unter die Leute gebracht haben. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Zwei von vielen Beispielen:

  • Es wird immer wieder behauptet, Willy Brandt habe sich nicht für die Innenpolitik und Gesellschaftspolitik interessiert. Er sei ein „Teilkanzler“, schreibt ein Historiker (Schöllgen). Das ist ausgemachter Unsinn. Soziale Sicherheit und mehr Lebensqualität und Umweltschutz waren schon 1972 wichtige Forderungen und Tätigkeitsfelder des damaligen Bundeskanzlers.
  • Es wird in der Geschichtsschreibung nicht beschrieben, dass der Niedergang Willy Brandts nach der erfolgreichen Wahl vom 19.11.1972 von seinen Stellvertretern in der Parteiführung, also von Wehner und Schmidt, schon unmittelbar nach der Wahl eingeleitet und die Weichen ohne Rücksicht auf den akut kranken und vom Wahlkampf erschöpften Brandt in ihrem Sinne gestellt worden sind – zulasten von Brandt.
  • Für heute können wir lernen: Es gab damals einen Bundeskanzler, dessen Außen- und Sicherheitspolitik auf Verständigung setzte und nicht auf „Abschreckung“, nicht auf „Politik der Stärke“ und nicht auf Waffenlieferungen. Seine sicherheitspolitische Grundlinie, am 28. Oktober 1969 vor dem Bundestag verkündet, war: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“. Dieses Motto der Ostpolitik war nicht nur so dahingesagt, es entwickelte eine Dynamik, von der wir alle etwas hatten, West und Ost. Hallo Scholz! – ein Beispiel nehmen.
  • Die Ostpolitik war wichtig für die damalige politische Auseinandersetzung. Der entscheidende Wahlkampf war aber mindestens so sehr davon geprägt, dass Personen und Gruppen mit Millionen in den Wahlkampf eingriffen. Das „Große Geld“ wollte die Kanzlerschaft Willy Brandts nach nur drei Jahren beenden. Damals gingen 91,1 Prozent der Menschen zur Wahl. So viel wie nie zuvor und nie danach. Die Menschen haben sich für Politik interessiert. Schon beim Misstrauensvotum im April 1972 war das spürbar. Damals standen in vielen Betrieben die Maschinen still. Die Arbeiter verfolgten das Geschehen am Fernsehen. Millionen von Menschen trugen Buttons und Aufkleber auf ihren Autos und bekannten sich damit zu ihrem politischen Engagement. Wir könnten uns glücklich fühlen, wenn wir wenigstens einen kleinen Bruchteil dieses politischen Interesses heute wiederfänden.

P.S.: Für Menschen, die sich für die Untiefen der Geschichtsschreibung über jene Epoche interessieren, verweise ich auf ein Buch, das ich zum 100. Geburtstag von Willy Brandt geschrieben habe, damals 2013, weil zu befürchten war, dass auch zu diesem runden Geburtstag die Vor- und Fehlurteile über diesen herausragenden Politiker aufgewärmt würden. Beim Gespräch mit Peter Brandt und Diether Dehm hatte ich dieses Buch nicht erwähnt. Das hole ich hiermit nach: