Die Bilanz von Habecks „Gaspolitik“ ist vernichtend und doch wahrscheinlich genau so gewollt

Die Bilanz von Habecks „Gaspolitik“ ist vernichtend und doch wahrscheinlich genau so gewollt

Die Bilanz von Habecks „Gaspolitik“ ist vernichtend und doch wahrscheinlich genau so gewollt

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Von einer Gasmangellage kann im Frühjahr 2023 nicht die Rede sein. Mit über 64 Prozent liegt das Speicherniveau rund 10 Prozent über dem Level des Vorkrisenfrühjahres 2019 und mehr als doppelt so hoch wie in den Frühjahren 2021 und 2022. War die Gaspolitik der Bundesregierung also ein voller Erfolg? Das Gegenteil ist der Fall. Wie sich jetzt einmal mehr zeigt, haben nicht physische Angebotsengpässe, die es zu keinem Zeitpunkt gab, sondern die wahnsinnige Einkaufspolitik im Sommer und Herbst letzten Jahres den Gaspreis in ungeahnte Höhen getrieben – zu Lasten der Verbraucher aus Haushalten und Industrie. Auch wenn die Preise nach dem nur noch als wahnsinnig zu bezeichnenden staatlichen Einkaufsrausch schon lange wieder auf einem überschaubaren Niveau sind, werden die Verbraucher oder der Steuerzahler die Rechnung dafür noch lange abbezahlen müssen. Schlecht für die Verbraucher, aber offenbar durchaus im Sinne der Politik der Grünen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Lag es am milden Wetter oder haben die pausenlosen Sparappelle der Spitzenpolitik dafür gesorgt, dass „wir noch nicht einmal an einer Gasmangellage gekratzt haben“, wie es heute der Grünen-Politiker und Netzagenturchef Klaus Müller triumphierend bilanziert? Wir erinnern uns – Klaus Müller hatte im Herbst und Frühwinter keine Gelegenheit ausgelassen, eben jene Gasmangellage als eigentlich unvermeidliches Katastrophenszenario an die Wand zu malen. Die Antwort dürfte die Öffentlichkeit verunsichern – weder das Wetter noch Sparappelle, sondern die von Müller und seinem obersten Vorgesetzten Robert Habeck verantwortete Einkaufspolitik war es, die den Gasverbrauch maßgeblich beeinflusst hat. Vor allem die Industrie hat durch Stilllegungen, Umstellung auf andere – umwelt- und klimaschädlichere – Prozesse und Produktionsverlagerungen ins Ausland deutlich weniger Gas als in den Vorjahren verbraucht. Nötig gewesen wäre das nicht. Auch mit den Verbrauchswerten der Vorjahre hätten „wir“, wie Müller es formulieren würde, nicht einmal an einer Gasmangellage gekratzt. Doch bei den horrenden Preisen konnten sich Haushalte und Industrie dies ganz einfach nicht leisten.

Zur Frage, warum die Preise vor allem im Sommer und Herbst derart durch die Decke gingen, hatten die NachDenkSeiten schon mehrfach informiert. Heute zeigt sich, dass wir recht hatten. Lesen Sie dazu bitte die Artikel „Ist nur Russland schuld an den hohen Gaspreisen?“ und „Gaspreisexplosion – nun findet auch der SPIEGEL heraus, was Sie bereits vor mehr als zwei Monaten auf den NachDenkSeiten lesen konnten“.

Um es kurz zusammenzufassen: Nicht etwa Angebotsengpässe, sondern die staatliche Einkaufspolitik, die ohne Sinn und Verstand und ohne auf den Preis zu achten, den Markt sprichwörtlich leer gekauft hat, war für die Rekordpreise verantwortlich. Man erzeugte – und dies vorsätzlich – erst den Mangel, der sich dann in den Preisen abbildete. Nach aktuellen Informationen wurden die Gasspeicher zu einem Durchschnittseinkaufspreis von 175 Euro je Megawattstunde gefüllt. Heute liegt der Marktpreis an den Spotmärkten bei rund 40 Euro. Mit jeder Megawattstunde aus den Speichern, die heute vom Staat an die Versorger oder die Industrie verkauft wird, macht der Staat also 135 Euro Verlust.


Spotmarktpreis am THE
Quelle: EEX

Warum zahlen wir dann eigentlich so hohe Gaspreise an unsere Versorger, wenn Gas an den Energiebörsen doch kaum teurer als in den Vorjahren ist? Versorger kaufen das heute verkaufte Gas natürlich nicht zu 100 Prozent vom Spotmarkt, sondern haben das Gros der heute verteilten Summe schon in den letzten Monaten über feste Lieferverträge und Warentermingeschäfte reserviert. Das Problem dabei: Große Volumina des heute ausgelieferten Gases wurden eben in jener Hochpreisphase im Sommer und Herbst eingekauft. Der Verbraucher profitiert also nicht von den gesunkenen Preisen. Wer massiv profitiert, das sind die Akteure auf dem Warenterminmarkt, die nun die Differenz aus dem Marktpreis und dem Preis der Warenterminkontrakte kassieren. Wer genau das ist, ist unbekannt. Fest steht jedoch, dass einige Akteure am Finanzmarkt den Herren Müller und Habeck prächtige Gewinne verdanken. Wie war das noch mal mit den Übergewinnen? Ok, die gelten ja nur für Energiekonzerne und nicht für die Spieler an den Finanzmärkten. Da geht der Fiskus wohl einmal mehr leer aus. Es sage nur niemand, das hätte man ja nicht ahnen können.

Im Gegenteil. Es gehört schon viel Fantasie dazu, anzunehmen, dass dies nicht genau so gewollt war. Den staatlichen Agenturen, die das Gas zu Rekordpreisen einkauften und nun mit großen Verlusten weiterverkaufen, war es nämlich – aus rational unerklärlichen Gründen – nicht erlaubt, sich selbst an den Warenterminmärkten gegen sinkende Preise abzusichern. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Staat treibt mit voller Absicht und sehenden Auges die Preise in nur noch absurd zu nennende Höhen und ist ebenfalls mit voller Absicht der einzige Akteur, der dies ohne Versicherung, ohne Netz und doppelten Boden, tut. Kann man so dumm sein? Nein, natürlich nicht.

Wenn es keine Dummheit ist, was steckt dann dahinter? Hier kann man nur spekulieren. Waren die künstlich in die Höhe getriebenen Preise ein Anreiz, um die langfristige Umstellung auf LNG samt dem Bau der milliardenschweren Infrastruktur dafür durchzupeitschen? In dem Falle gäbe es sicher ein Dankeschön aus den USA, die so sehr wie kein anderes Land der Welt von dieser Umstellung profitieren. Oder ist die Hochpreisstrategie ein Puzzlestein in der von den Grünen gewünschten Energiewende? Erst die hohen Gas- und damit auch Strompreise haben einige grüne Kernprojekte, wie beispielsweise die erzwungene energetische Sanierung von Wohngebäuden oder das Verbot von Öl- und Gasheizungen bei Neubauten, politisch möglich gemacht. Dass die meisten klimapolitischen Forderungen der Grünen nur bei hohen Energiepreisen umsetzbar sind, ist kein Geheimnis. Die Energiepreise mit dieser Begründung zum Beispiel über die Steuern und Abgaben zu erhöhen, wäre jedoch politisches Harakiri. Nun hat man die gewünschten hohen Energiepreise und einen „Schuldigen“ – Putin, das passt auch noch in die außen- und sicherheitspolitischen Pläne der Grünen. Man muss schon zugeben, dass diese Strategie durchaus erfolgreich war – zumindest für die Grünen, der Rest des Landes wird dies anders sehen.

Titelbild: Alexandros Michailidis/shutterstock.com

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