Julian Assange mittlerweile seit vier Jahren unter grausamen Bedingungen im Gefängnis

Julian Assange mittlerweile seit vier Jahren unter grausamen Bedingungen im Gefängnis

Julian Assange mittlerweile seit vier Jahren unter grausamen Bedingungen im Gefängnis

Ein Artikel von Moritz Müller

Heute jährt sich die Verschleppung von Julian Assange aus seinem Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London zum vierten Mal. Seitdem verschleppen die Behörden der beteiligten Länder seinen Fall. „Aktuell“, das heißt seit Ende August letzten Jahres, wartet Julian Assange in seiner 6 m² kleinen Zelle darauf, dass ein namenloser britischer Richter entscheidet, ob seine zwei Berufungsanträge am Londoner High Court angenommen werden. Stella Assange hat erst letzte Woche wieder von der Dringlichkeit des Falls gesprochen, weil es mit der Gesundheit ihres Mannes tagtäglich bergab geht. Der ehemalige UN-Sonderbeauftragte Nils Melzer bemerkte schon 2019 Anzeichen von Folter bei Julian Assange. Heute finden weltweit Mahnwachen für Julian Assange statt. Unter anderem in Berlin, Frankfurt, Ulm, Leipzig, Köln und London. Nachfolgend auch ein Grußwort von Sahra Wagenknecht zum heutigen traurigen Jubiläum und ein Offener Brief an die Regierende Bürgermeisterin Berlins. Zusammengestellt von Moritz Müller.

Es ist ein deutliches Zeichen, dass weiterhin Julian Assange, der auf der von ihm mitgegründeten Enthüllungsplattform WikiLeaks Dokumente über Kriegsverbrechen und Korruption veröffentlicht hat, inhaftiert ist und mitnichten die Personen, die die Kriege begonnen haben. Selten werden Soldaten wegen Kriegsverbrechen angeklagt, und dann oft nicht verurteilt oder nach kurzer Zeit begnadigt. Dies ist in sich logisch, denn sonst würden den Verantwortlichen wohl die Rekruten ausgehen.

Das ist alles nicht neu, aber irgendwie hatte ich immer gehofft, dass sich diese Dinge in unserem „Informationszeitalter“ bessern würden. Es scheint aber, dass wirklich wichtige Dinge, bzw. Informationen, die nicht im Einklang stehen mit der vorherrschenden Richtung, unterdrückt, verschleiert und überdeckt werden.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Übermacht der Desinformation durchsetzt oder ob nach und nach mehr Menschen merken, dass vieles, was ihnen „offiziell“ aufgetischt wird, einfach keinen Sinn ergibt.

Darunter fällt z.B. die Behauptung, Russland habe seine eigenen Gaspipelines in die Luft gesprengt, wenn es doch viel einfacher gewesen wäre, einfach den Gashahn zu schließen. Dies hätte auch die Möglichkeit späterer Geschäfte mit einer klarer sehenden Bundesregierung offen gelassen.

Auch die WikiLeaks-Webseite funktioniert anscheinend nur noch bedingt. Hierzu variieren die Meinungen. Es kann sich hierbei um fortwährende Attacken auf die Server von WikiLeaks handeln, die abzuwehren, personal- und kostenintensiv ist. Die Gegenseite mit ihren aufgeblähten Geheimdienstapparaten hat ein Vielfaches an Ressourcen.

Oder es könnte sein, dass hinter den Kulissen nach Modalitäten gesucht wird, die es den beteiligten Regierungen ermöglichen, Julian Assange freizulassen und dabei doch irgendwie ihr Gesicht zu wahren?

Julian Assange ist, seit er sich am 7. Dezember 2010 auf einer Polizeiwache in London gestellt hat, seiner Freiheit beraubt, und ihm und seiner Familie geht langsam die Zeit aus. Aber auch für die USA und das Vereinigte Königreich, die ihn derzeit gemeinsam festhalten, würde es nicht gut aussehen, falls er im Gefängnis stirbt. Dies muss den Verantwortlichen klar gemacht werden.

Darum sind die Mahnwachen für Assange so wichtig, auch wenn sie nur wie ein Tropfen im Ozean erscheinen. Vielleicht merken dann auch Außenministerin Baerbock und Bundeskanzler Scholz, dass sie durch ihr Schweigen gegenüber den Regierungen der USA und Großbritanniens (mit-)verantwortlich sind am Schicksal von Julian Assange.

Hier nun das Grußwort von Sahra Wagenknecht zum heutigen Tag:

„Grußwort anlässlich des 4. Jahrestags der Entführung von Julian Assange aus der ecuadorianischen Botschaft am 11. April

Menschenrechte, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Schutz vor willkürlicher Verfolgung – wie stolz ist der Westen auf all diese Werte. Wie gern zeigen unsere Herrschenden mit dem Finger auf Länder wie Russland oder China, wo diese Werte verletzt werden, wo Dissidenten verhaftet und drangsaliert werden.

In ihrer Selbstgerechtigkeit merken diese Herrschenden gar nicht, wie viele Finger schon lange auf sie zurück zeigen. Sie zeigen auf Kriegsverbrechen, die der Wertewesten begangen hat – im Irak, in Afghanistan, in Libyen, im ehemaligen Jugoslawien, die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Sie zeigen auf Gefängnisse in Guantanamo oder Abu Ghraib, deren Insassen misshandelt, vergewaltigt und gefoltert wurden. Diese Finger zeigen auch auf das britische Hochsicherheitsgefängnis in Belmarsh, das wegen seiner unmenschlichen Haftbedingungen als die ‚britische Version von Guantánamo Bay’ gilt.

Vor genau vier Jahren wurde Julian Assange aus der Botschaft in Ecuador entführt und wird seitdem in einer 6 Quadratmeter großen Zelle in Belmarsh gefangen gehalten – ohne Verurteilung, ohne einen fairen Prozess. Es handelt sich um den „wohl grössten Justizskandal aller Zeiten“, sagt einer der weltweit angesehensten Menschenrechtsanwälte über den Fall Assange.

Er sitzt nicht nur unschuldig in Haft, es haben auch nur sehr wenige Menschen Zugang zu ihm: Die Organisation Reporter ohne Grenzen, die schon lange für die Freilassung von Assange kämpft, hat vor einer Woche versucht, die Ehefrau von Assange bei einem Treffen im Gefängnis zu begleiten – doch ihr wurde der Zugang verwehrt. „Dies ist nur das jüngste in einer langen Reihe von aberwitzigen Hindernissen, die uns in den vergangenen drei Jahren bei der Kampagne für die Freilassung von Julian Assange in den Weg gelegt wurden“, kommentieren Reporter ohne Grenzen diesen Vorfall.

Inzwischen bangen seine Familie, seine Freunde und Unterstützer nicht nur um seine Gesundheit, sie bangen um sein Leben. „Sein körperlicher Zustand wird mit jedem Tag schlechter, denn das passiert eben, wenn man einen Menschen bis zu 20 Stunden am Tag einsperrt, Besuche einschränkt und auf grausame Weise mit seinem Wohlbefinden umgeht“, sagte seine Ehefrau vor kurzem.

An Julian Assange soll ein grausames Exempel statuiert werden. Ziel seiner Feinde ist es, all die Menschen einzuschüchtern und mundtot zu machen, die über Kriegsverbrechen der USA und anderer Länder des Wertewestens aufklären. Doch dieses Ziel werden sie niemals erreichen! Der Geist der Aufklärung, der vor 13 Jahren mit den Enthüllungsvideos von Wikileaks aus der Flasche entwichen ist, lässt sich nie wieder einfangen.

Das Märchen von den USA als demokratischer Supermacht, die weltweit für Menschenrechte eintritt – es verfängt nicht mehr. Immer mehr Staaten auf dieser Welt emanzipieren sich vom sogenannten Wertewesten, weil sie die Heuchelei und die doppelten Standards durchschauen. Wann wachen unsere Regierenden endlich auf und erkennen, dass sie sich mit ihrem Kurs der bedingungslosen Unterstützung der USA nur ins eigene Fleisch schneiden?

Wer es ernst meint mit den Werten der Aufklärung, wem die Presse- und Meinungsfreiheit und die allgemeinen Menschenrechte sowie die Aufklärung von Kriegsverbrechen wirklich am Herzen liegen, der kann zum Schicksal von Julian Assange nicht einfach schweigen.

Selbst die australische Regierung hat inzwischen den Mut, die Freilassung von Assange zu fordern, vor einer Woche erhielt Assange im Gefängnis Besuch vom australischen Botschafter in London – warum hat unsere Regierung nicht den Mut, sich dieser Forderung anzuschließen? Frau Baerbock, Herr Scholz: Fordern Sie die Freilassung von Julian Assange, bieten Sie ihm politisches Asyl an! Oder hören Sie auf, von Menschenrechten zu reden, denn diese vertragen keine doppelten Standards.“

Zu guter Letzt möchten wir hier auch auf die Initiative von „Stadtasyl für Julian Assange“ hinweisen, die den nachfolgenden Offenen Brief an die Regierende Bürgermeisterin von Berlin geschrieben hat. Wer sich dem anschließen möchte, kann den Brief als PDF herunterladen, ausdrucken und weitere Unterzeichner gewinnen.

„OFFENER BRIEF

An die Regierende Bürgermeisterin und die BürgermeisterInnen der Berliner Bezirke

Im April 2023

Am 11. April jährt sich zum vierten Mal die Entführung des australischen Journalisten Julian Assange aus der Botschaft Ecuadors in London. Seit 4 Jahren wird Julian Assange in einer 6 Quadratmeter großen Zelle eines englischen Hochsicherheitsgefängnisses festgehalten. Die USA fordern seine Auslieferung; dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft oder gar die Todesstrafe – und dies, weil er seine Aufgabe als Journalist wahrgenommen hat. Aus der US-Administration wurden Pläne bekannt, Assange aus der Botschaft zu entführen und zu ermorden.

Die Juristen Assanges beklagen massive Behinderungen ihrer Arbeit und die Verletzung der Menschenrechte Assanges durch die englische Justiz. Der vormalige UN-Sonderberichterstatter für Folter, Prof. Nils Melzer, stellte fest, dass die extremen, menschenrechtswidrigen Bedingungen des Verfahrens und der Haft Folter sind, mit dem Ziel, Julian Assange zu zermürben und einen Menschen zum Schweigen zu bringen, der die Kriegsverbrechen der USA im Irak und in Afghanistan aufgedeckt und veröffentlich hat. (s. N. Melzer, „Der Fall Assange – Geschichte einer Verfolgung“, München 2021). In der Folge der Haftbedingungen und der Länge der Haft ist der Gesundheitszustand von Assange inzwischen lebensbedrohlich.

Julian Assange ist der politische Gefangene des Westens. Mit ihm stehen die Pressefreiheit und unsere Informationsfreiheit auf dem Spiel, beides unabdingbare Voraussetzungen demokratischer Gesellschaften.

Die Bundesregierung nimmt ihre Aufgabe, politisch Verfolgten zu helfen und sie zu schützen, im Fall Assanges nicht wahr; sie weigert sich, bei den Regierungen der USA und Großbritanniens mit Nachdruck und Deutlichkeit auf die Freilassung von Assange zu dringen. Subsidiär ist daher das bürgerschaftliche Engagement der Städte und Gemeinden gefordert.

Wir appellieren an Sie, die BürgermeisterInnen Berlins, sich umgehend und parteiübergreifend für die Freilassung von Julian Assange einzusetzen. „Stadtasyl für Julian Assange“ ist die Parole und das Ziel der Aufforderung, Julian Assange Schutz zu bieten und daran mitzuwirken, sein Leben zu retten. Tragen Sie dazu bei, Informationsfreiheit und Demokratie zu erhalten!

Wir bitten Sie, sich dieses ebenso wichtige wie dringende Anliegen zu eigen zu machen. Mit ihren Unterschriften unterstützen die BürgerInnen den an Sie gerichteten Appell.

Impressum / V.i.S.d.P.: Initiative „Stadtasyl für Julian Assange“, c/o Ch. Deppe, Berlin“

Titelbild: FreeAssange