NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 7. März 2008 um 9:10 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Arbeitsminister Scholz wünscht sich „einfacheres“ Arbeitsrecht
    Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hat sich bereit erklärt, eine beherzte Vereinfachung des unübersichtlichen Arbeitsrechts anzugehen. Ausgangsbasis könnte etwa der Entwurf für ein zusammenhängendes Arbeitsgesetzbuch sein, wie ihn Kölner Wissenschaftler mit Begleitung der Bertelsmann-Stiftung entwickelt haben. Sollten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam hinter einen solchen Ansatz stellen, „bin ich bereit, das in den Bundestag einzubringen und es in kurzer Zeit umzusetzen“, sagte Scholz auf einem Arbeitsmarktforum des Wirtschaftsrats der CDU. Ein transparentes Gesetz biete die Chance, dass Betriebe und Arbeitnehmer gleichermaßen leichter mit dem Arbeitsrecht umgehen könnten. Insofern könne es „sicher auch einen positiven Beitrag zum Wirtschaftswachstum“ leisten. „Ich stehe dafür zur Verfügung“, sagte Scholz. Gemessen an früheren Einlassungen des Arbeitsministeriums zeigte er sich damit deutlich aufgeschlossener. Im Rahmen eines „Forums Arbeitsvertragsgesetz“ bei der Bertelsmann-Stiftung haben vor diesem Hintergrund die Kölner Professoren Martin Henssler und Ulrich Preis einen Gesetzentwurf geschrieben, der den aktuellen Rechtsstand möglichst ausgewogen und trotzdem einfach wiedergeben soll. Der Entwurf wird seit einigen Jahren von Experten diskutiert und immer wieder aktualisiert.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung Martin Betzwieser: Die ständig wachsende Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland wird also nicht nur von Aufschwung und Wirtschaftswachstum profitieren sondern auch von einem vereinfachten und transparenten Arbeitsrecht. Genug der Ironie – die Vorstellung des Arbeitsrechtskonzepts im September 2007 lässt tief blicken: “…es ist Aufgabe des Gesetzgebers, eine Art Kundenfreundlichkeit auch auf diesem Gebiet herzustellen. Was im Sozialrecht möglich ist, sollte im Arbeitsrecht auch möglich sein.” Diese Drohung sollte sehr ernst genommen werden.

  2. Streik als konsequenter Irrsinn
    “Reiner Irrsinn” sei der angekündigte Streik der Lokführer, sagt Bahnchef Hartmut Mehdorn. Da hat er sogar mal Recht. Nachdem ein Jahr lang verhandelt, gedroht, moderiert, gestreikt, geschlichtet und wieder gestreikt wurde, haben Bahn und Gewerkschaft zusammen mit Verkehrsminister Tiefensee Ende Januar schließlich mit großem Brimborium die Einigung verkündet. Dass diese schon wenige Wochen später hinfällig ist, dafür fehlt der Öffentlichkeit in der Tat jedes Verständnis. Falsch liegt Mehdorn allerdings, wenn er die Verantwortung für den Irrsinn der Lokführergewerkschaft zuschiebt. Offenbar hat der Bahnchef immer noch nicht verstanden, dass die Lokführer die Auseinandersetzung mit der Bahn gewonnen haben.
    Quelle: TAZ
  3. SPD-Spitze treibt Bahn-Privatisierung voran
    Neuer Vorstoß für eine Privatisierung der Bahn: Laut “Süddeutsche Zeitung” hat die SPD-Spitze ein Kompromissmodell entwickelt. Es soll die Holding-Pläne von Finanzminister Steinbrück mit der Ausgabe von Volksaktien verbinden – und damit die Parteilinke ruhig stellen.
    Quelle: SpiegelOnline

    Anmerkung AM: Wo soll hier der Kompromiss sein? Steinbrück (und Tiefensee, Steinmeier und Mehdorn) setzen sich durch. Und es wird gelogen wie bisher schon, wenn es heißt: “Zweitens erhielte die Bahn die nötigen Milliarden, die sie für den weiteren Ausbau des Konzerns braucht.” Das Geld ließe sich auch auf dem Kapitalmarkt locker beschaffen. Außerdem zahlt der Bund und damit der Steuerzahler den wesentlichen Teil auch in Zukunft. Und Mehdorns Welt-Expansionspläne sind ohnehin Irrsinn. Des Rätsels Lösung: Hier verdient jemand. Deshalb der Fanatismus für Privatisierung. Siehe auch NachDenkSeiten: “Thema Bahn bei Anne Will – ganz gut, aber es fehlte der Blick hinter die Kulissen“.

  4. Ein dritter Weg
    Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben wie Wasserversorgung und Müllentsorgung ist gescheitert. Einfach die Rückkehr des Staates zu fordern greift aber auch zu kurz. Es ist keine Lösung, den Staat wieder so herzustellen, wie er vor der Privatisierungswelle war.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung AM: Bei Rügemers Argumentation gegen die Rückkehr in die öffentlichen Hände geht leider manches durcheinander. Seine Argumente gegen den Filz sind ja berechtigt. Aber das könnte man ja vielleicht etwas anders organisieren. Jedenfalls sehe ich nicht, was an die Stelle öffentlichen Eigentums und öffentlicher Verantwortung treten soll, wenn man die Chance zur Abkehr von der Privatisierung hat.

  5. Robert von Heusinger: Ein sinnvoller Streik
    Aus volkswirtschaftlicher Sicht muss in der laufenden Tarifrunde aber der Verteilungsspielraum endlich wieder ausgeschöpft werden. Damit würde die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre nicht angetastet, aber auch nicht mehr fortgesetzt. Und der Verteilungsspielraum, die Summe aus erwarteter Inflation und Produktivitätszuwachs in der Volkswirtschaft, liegt bei rund drei Prozent. Das ist keine Gewerkschaftsrechnung, sondern sie stammt von den Ökonomen der DekaBank, dem Spitzeninstitut der Sparkassen.
    Also noch mal rechnen: Ein Abschluss über zwei Jahre ohne Arbeitszeitverlängerung muss eine Sechs vor dem Komma ausweisen – oder eine Acht, wenn es zu etwas längeren Arbeitszeiten, etwa einer halben Stunde, kommen soll.
    Quelle: FR
  6. Wer wenig hat, verliert auch noch
    Die Ungleichheit im Lande wächst. Wer gut verdient, bekommt tendenziell mehr. Wer einen niedrigen Lohn hat, dessen Einkommen stagniert.
    Quelle: ZEIT
  7. Lohnspreizung in Deutschland hat deutlich zugenommen
    Der Abstand von niedrigen zu mittleren und hohen Löhnen, die so genannte “Lohnspreizung”, hat in Deutschland deutlich zugenommen. Das ist das Ergebnis einer empirischen Untersuchung von Dr. Johannes Giesecke, Forscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), und Dr. Roland Verwiebe vom Institut für Soziologie der Universität Hamburg.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
  8. Geringe Bemühungen der EU-Kommission gegen Lobbyismus
    Aus Sicht der Allianz für Lobby-Transparenz und Ethische Regeln (ALTER-EU), an der sich LobbyControl beteiligt, ist die Mitteilung über die “Förderung der Berufsethik in der Kommission” enttäuchend. Zwar will die EU-Kommission bisherige Orientierungshilfen zu Geschenken und Vergünstigungen formalisieren und den bisherigen Kommissionsbeschluss über Nebentätigkeiten überprüfen und aktualisieren. Aber sie sagt nicht, wie die Regeln tatsächlich gestaltet werden sollen, und liefert keine konkreten Ansätze, wie sie bestehende Probleme tatsächlich lösen will.
    Quelle: Lobbycontrol
  9. Heiner Flassbeck: Abkoppeln tut Not – aber keiner weiß wie
    In Europa reden die Wirtschaftspolitiker von Abkopplung von den USA, ohne selbst Hand anlegen zu wollen – das kann nur schief gehen.
    Quelle: FTD
  10. Öffentlicher Dienst: Mehr verdient
    Die Zeit ist reif für Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst – und der Zeitpunkt von den Gewerkschaftern geschickt gewählt. Verdi hat mit ihrer Streikdrohung auf Flughäfen international auf den Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst aufmerksam gemacht.
    Ein Kommentar von Sibylle Haas.
    Quelle: SZ

    Dazu schickte uns ein Leser einen angemessenen Kommentar:

    Die neoliberale Allzweckwaffe der SZ hat wieder zugeschlagen – Sibylle Haas!
    Lassen wir uns die einzelnen Sätze auf der Zunge zergehen, und wie immer bei Frau Haas – das dicke Ende kommt zum Schluss.

    “Die Zeit ist reif für Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst – und der Zeitpunkt von den Gewerkschaftern geschickt gewählt.”

    Wie im Deutschunterricht in der zehnten Klasse gelernt, fangen wir mit der These an, die es zu zerpflücken gilt. Bitte nicht erwarten, dass Solidarität für den Arbeitnehmer folgt.

    “Verspätete Flüge und stillstehende Busse – es ist kein schönes Image, das Deutschland soeben verpasst wird.”

    Heben wir sogleich den Zeigefinger. In Frankreich und Italien vergeht kein Jahr ohne großen Streik. Nein, Frau Haas, Sie irren, es ist ein schönes Image, dass der aus dem Schurkenstaat anreisende IT-Experte gewinnt. Man darf in Deutschland streiken, Demokratie wird gelebt!

    “Sie gehen auf die Straße, weil es wohlfahrtsstaatliche Aufgaben nicht zum Nulltarif gibt. Krankenschwestern und Altenpfleger, Straßenreiniger und viele andere Arbeitnehmer bei städtischen Einrichtungen gehören keineswegs zu den Großverdienern in diesem Lande.”

    Das zweite Ablenkungsmanöver. Nicht verwirren lassen, es ist nicht die Solidarität, die hier spricht, denn die Haas’sche Keule folgt auf dem Fuß. Sogleich werden wir aufgeklärt, es sind Begehrlichkeiten. Wie ein Kind vor dem Süßigkeitenregal schreit das Ver.di-Mitglied, wohl wissend, dass es nur den 4,5%-Lutscher geben wird.

    “Auch die städtische Müllabfuhr wird zur Ausnahme. Staatliche Aufgaben werden der Privatwirtschaft übertragen, weil sie effizienter ist und die gleichen Dienste oft qualifizierter anbieten kann. Das liegt daran, dass private Firmen klein und flexibel sind und sich wenig bürokratisch aufs so genannte Kerngeschäft konzentrieren können.”

    Endlich sind wir angekommen, beim Haaschen Neoliberalsimus par excellence. Einfallslos wie seit Jahren wird wieder und wieder die absurde Behauptung aufgestellt, Privates sei effizienter. Nein, Frau Haas, Private denken an ihr Wohl, hier geht es aber um Aufgaben, die der Allgemeinheit dienen – und die können Private nicht erfüllen. Sie haben immer noch nicht verstanden, dass es volkswirtschaftlicher Unsinn ist, wenn der nächste Briefkasten erst im nächsten Ort steht, Sie werden nie verstehen, warum seit Jahren die Preise im Gesundheitswesen und anderen ehemals öffentlichen Diensten explodieren und es den meisten Menschen heute schlechter geht.
    Und es sind eben nicht die kleinen, privaten Unternehmen, die privatisiert werden. Eine geschickt geworfene Nebelbombe. Nein, die Rhön-Kliniken aus dem MDAX sind kein kleines und auch kein flexibles Unternehmen, Frau Haas.
    Ihre Verweigerung gegenüber makroökonomischen Zusammenhängen ist von gestern.

    “Er behindert nicht nur die Wirtschaft mit immer neuen Gesetzen und Regelungen, sondern auch sich selbst. Gesetze müssen kontrolliert werden, und das kostet Geld.”

    Richtig Frau Haas, private Unternehmen müssen kontrolliert werden, und das kostet richtig Geld. Ganz zu schweigen davon, dass die Gewinne der ehemals staatlichen Unternehmen dem Staat und damit der Gemeinschaft fehlen. Wären die Unternehmen noch staatlich, bräuchten wir die Gesetze nicht.

    “Außerdem wird der Staat als Anbieter öffentlicher Leistungen von den Bürgern immer noch als Rundum-Anbieter in die Pflicht genommen. Das führt dazu, dass er Leistungen anbieten muss, die ihm nichts einbringen, aber vor allem die öffentlichen Kassen belasten.”

    Endlich, wir sind am Ziel. Von einer berechtigten Lohnforderung sind wir angelangt beim neoliberalen Staat und dem Kniefall vor dem Antlitz Milton Friedmanns. Verdi und die Bürger sind in Ihren Augen Schmarotzer, die den Staat aussaugen. Nein, Frau Haas, private Unternehmen, die in Großbritannien die Wasserversorgung verrotten lassen, nehmen den Staat in die Pflicht und belasten die öffentlichen Kassen, wenn verhindert werden muss, dass die Infrastruktur, die auch Sie gerne in Anspruch nehmen, zusammenbricht.

    Buchen Sie ein Ticket nach Chicago, Frau Haas, aber bitte one-way! Damit der beispiellose Niedergang des Wirtschaftsteils der Süddeutschen Zeitung endlich ein Ende hat.

  11. Kündigung des Thüringer Gewerkschaftssekretärs und Antifaschisten Angelo Lucifero verhindert
    Die ver.di Landesleitung Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen hat ihr Ziel nicht erreicht, Angelo Lucifero zu kündigen. Es waren offenbar die unzähligen Protestbriefe und -resolutionen, die den ver.di-Bundesvorstand zur Intervention veranlassten.
    Die nun geschlossene Vereinbarung sieht vor, dass: Angelo ab 1. Februar 2010 wieder als politischer Sekretär bei ver.di (aber nicht im Landesbezirk Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen) arbeiten soll. In der Zwischenzeit wird er, mit einem Jahr Freistellung, bei einer Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Initiativen tätig sein. Für die Weiterbeschäftigung ab 1.
    Februar 2010 gibt ver.di keine Garantie, allerdings ist bei Uneinigkeit eine Schiedstelle vorgesehen. Angelo hatte die Alternative, dieses Angebot anzunehmen oder gegen die Kündigung zu klagen. Der Weg vor das Arbeitsgericht hätte – so befürchtete er begründet – auf keinen Fall zurück zu ver.di geführt. Angelo will weiter bei ver.di arbeiten und hat deshalb die Vereinbarung unterzeichnet.
    Quelle 1: Labournet

    Zur Vorgeschichte:
    Thomas Voß, Leiter des Landesbezirks Thüringen, hat Lucifero am 14.Dezember 2007 formlos von seinem Amt suspendiert und ihm Hausverbot erteilt; er betrieb außerdem ein außerordentliches Kündigungsverfahren, gegen das der Betriebsrat jedoch Einspruch eingelegt hatte – über den sich Voß aber hinwegsetzen wollte. Am 16.1.2008 hatte die Ver.di-Landesleitung nach seiner Auskunft seiner Rechtsanwältin die fristlose Kündigung zugestellt –Angelo ist zu 50% hörgeschädigt und damit schwerbehindert, deshalb hat das Integrationsamt auch noch ein Wort mitzureden. Aber Voß ist notfalls auch bereit, vors Arbeitsgericht zu ziehen. Er will Angelo loswerden. Der Vorwurf: Angelo habe durch die Herausgabe von Karussell Gewerkschaftsgelder veruntreut, “persönliche politische Arbeit” auf Kosten und mit Mitteln der Gewerkschaft betrieben. Zu diesem Zeitpunkt lief bereits, unabhängig von diesem Vorwurf, ein Verfahren gegen Angelo, das die NPD angestrengt hat.
    Quelle 2: Linksnet

    Anmerkung von Martin Betzwieser: Wer sich gegen Faschismus einsetzt, setzt sich für Menschenrechte und damit auch für Arbeitnehmerrechte ein. Wenn so jemand von den „eigenen“ Leuten so tyrannisiert wird und dabei noch so ungeschickt vorgegangen wird, stellt sich die Frage, wer von seinem Arbeitsplatz entfernt werden sollte.
    Aber jetzt mal Klartext zum Missbrauch von Mitteln der Gewerkschaft. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und Einzelgewerkschaften beteiligen sich an der Initiative „Altersvorsorge macht Schule“, bei der Arbeitnehmer/innen lernen können/sollen, wie private Altersvorsorge richtig gemacht wird. Darüber hinaus betreiben DGB und mehrere Einzelgewerkschaften Tochtergesellschaften, welche ihren Mitgliedern private Altersvorsorge zu besonders günstigen Konditionen anbieten. Wer subventioniert denn diese Vergünstigungen für die Mitglieder? Wer bezahlt denn das Personal dort? Hier werden Beiträge von Gewerkschaftsmitgliedern (bei „Altersvorsorge macht Schule“ auch Rentenversicherungsbeiträge!) für Zwecke missbraucht und zweckentfremdet, welche die eigenen Ziele (Kampagne gegen Rente mit 67) unglaubwürdig machen.

    Quelle 3: Altersvorsorge macht Schule
    Quelle 4: DGB-Rentenplus
    Quelle 5: ver.di-Mitgliederservice


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3046